Eine Rezension und biblische Kurzbeurteilung von:
Thomas Jettel, Herbert Jantzen
Kann ein Christ zu einem Nichtchristen werden?
CMV – Christlicher Missions-Verlag Bielefeld, 2010. Brosch., 109 Seiten | ISBN 978-3867015028
Der Herausgeber ist ein kleiner Verlag (e. V.), der von Mitgliedern der Mennoniten-Gemeinde Bielefeld ins Leben gerufen wurde (Webseite). Diese christliche Gruppe pflegt traditionell ein arminianisches Verständnis der Heilslehre und geht von der Unsicherheit und Verlierbarkeit des Heils in Christus aus. Das besprochene Werk ist Teil der CMV-Aufklärungsreihe. In dieser Reihe werden aus Sicht der Mennoniten wichtige Themen aufgegriffen, wie Gender, Erwählung, Heilssicherheit oder „das Äußere” (Kleidung).
Die beiden Autoren kommen aus unterschiedlichen Hintergründen, arbeiten jedoch seit einigen Jahrzehnten zusammen. Der Kanadier Herbert Jantzen (1922–2022) studierte am Canadian Mennonite Bible College in Winnipeg Theologie und Erziehungswissenschaften und war 1971–1981 Professor für Dogmatik an der FETA Gießen. 1999 kehrte er nach Kanada zurück. Der Österreicher Thomas Jettel (*1959) studierte an der STH Basel und wurde nach einer vorübergehenden Mitarbeit in Gemeinden im Salzburger Land (A) in den 80er und 90er Jahren und einer Umkehr zu einer anderen Heilslehre freier Prediger, dann Ältester einer Gemeinde in Hohentengen. Er arbeitete seit 1997 mit Herbert Jantzen zusammen.
Zum Inhalt. Die Autoren gehen davon aus, dass jemand, der an Jesus Christus glaubt, das Ewige Leben hat. Soweit biblisch richtig. Dann stellen sie die unbelegte und recht steile These auf, dass ein solcher mit Ewigem Leben beschenkte und „von-oben-geborene” Mensch seinen Glauben wieder restlos aufgeben könne, so dass alle Verheißungen und Folgen der Wiedergeburt von oben wieder genommen würden und so dieser Mensch auf dem Weg ins sichere Verderben der Hölle sei. Die biblische Lehre von der ewigen Heilssicherheit der Glaubenden schließe die Möglichkeit des Abfalls Wiedergeborener nicht aus. Die Heilssicherheit des Gläubigen einerseits, und die Möglichkeit, aufzuhören zu glauben, andererseits, seien biblische Lehren, die nicht im Widerspruch zu einander lägen. Platt gesagt wird hier die Meinung vertreten, dass der Mensch mittels des (eigenständigen) An- und Ausschaltens seines Glaubens sein ewiges Heil (eigenständig) an- bzw. ausschalte, der Heilsprozess mithin voll umkehrbar und voll in exklusiver Verfügung des betreffenden Menschen sei.
Beurteilung. Erstens werden in dieser Sicht der ewige Wille Gottes und seine ewigen und festen Besitzansprüche an die durch das Blut Jesu Erworbenen völlig außer (biblischer) Acht gelassen. Die Heilige Schrift lehrt als Wahrheit vielmehr, dass mit der Verleihung des Ewigen Lebens durch Gott unumkehrbare Dinge bei einem Menschen geschehen, denn Gott verändert ihn und Seine Beziehung zu ihm radikal (bis ins Zentrum des Wesens) und pervasiv (alles umfassend und durchdringend), sowohl initial (Stellung) als auch beständig (Glaubensleben). Die entsprechenden Gnadenhandlungen Gottes (d. h. einseitige Geschenke Gottes, beachte das betonte »ICH werde«) werden z. B. in Hesekiel 36 prophetisch vorausschauend bzgl. Israel und dem Neuen Bund im Alten Testament aufgezählt. Diese Segnungen des Neuen Bundes gehören zum Hintergrund des Gespräches Jesu Christi mit dem jüdischen Obertheologen Nikodemus (Johannes 3) zur Erklärung der Möglichkeit und Weise der geistlichen Neugeburt (Wiedergeburt, Geburt-von-oben-her):
»Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinheiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen. Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut.«
Hesekiel 36,25-27 (ELBCSV)
Beachtenswert ist, dass auch das Bleiben eines Wiedergeborenen in einem Gott wohlgefälligen Leben in praktischer Heiligung zu diesen gnädigen Wirkungen gehört und mithin sicheres und bleibendes Gottesgeschenk und nicht fragwürdige menschlich-volatile Entscheidung ist. Es geht um Segnung und nicht um Verdienst. Dass dies so göttlich-sicher geschieht und bleibt, ist verbunden mit dem bleibend hochgelobten Namen und der Ehre Gottes (Hesekiel 36,32; vgl. Römer 3,21–28; Epheser 2,4–10).
Zweitens stellen die Autoren mit ihrer Lehre den Dienst Jesu Christi als Hoherpriester als fehlbar hin. Dieser ist jedoch vollkommen und wirksam: »Ich habe gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre« sagt Jesus zu Petrus nach dessen größter Sünde in dreimal wiederholter Leugnung Jesu (Lukas 22,31f). Jesu Blick (Lukas 22, 61–62) und seine Wiederherstellung und Indienststellung des Petrus (Johannes 21,15–19) reden, vor allem im Vergleich zum lange vorher in der Schrift angekündigten Verräter Judas Iskariot, Bände. Petrus gehörte zu denen, die durch Jesu Wort rein waren (Johannes 15,3), Judas hingegen war nie etwas anderes als ein Verräter und Teufel (vgl. Johannes 6,70; 13,2): »Als ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast; und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen – als nur der Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt würde.« (Johannes 17,12).
Drittens wird der Dienst Jesu als Großer Hirte Seiner Schafe als unvollkommen verleumdet. Johannes 10 und 17 (u. a.) machen sehr klar, dass Jesus keinen der „Seinen” verliert, die Ihm der Vater anvertraut hat, sondern allen ewiges Leben gibt: »Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.« (Johannes 10,27-28). Wer wie die Autoren das Gegenteil einräumt, verleumdet Jesu Hirtentreue und Seine Macht als Gott, der Sohn.
Viertens: Bei der Rettung bekommt der Glaubende unwiderrufliche Rechtstitel zuerkannt. Dazu gehören: das Recht, Kind Gottes zu heißen; die Adoptionsurkunde als „an Sohnes statt Angenommener”; die Rechtfertigungsurkunde des Obersten Weltenrichters, ohne Revisionsmöglichkeit; den Erbschein als Miterbe Christi, (usw.). Dies ist alles im NT klar bezeugt. Keiner dieser Titel wird als „Leihtitel” oder „Bewährungstitel” ausgeteilt, sondern als göttlich feste Zusage im Indikativ des unwiderruflich Faktischen.
Der Beweis, dass kein Mensch sich durch Treue, Werke, Entschiedenheit (o. ä.) den Weg in den Himmel selbstständig bahnen oder erhalten kann, ist längst erbracht. Daher baut Gott Sein Heil auch nicht auf den Willen und die Tat eines sündigen oder „bekehrten” Menschen, sondern auf den Willen, die Tat und das Sterben und Auferstehen Jesu Christi, Seines Sohnes, auf: »Aus ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung; damit, wie geschrieben steht: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.”« (1. Korinther 1,30-31).
Fünftens: Es wäre ein Anfängerfehler, davon auszugehen, dass jede Art des Glaubens (als Tugend verstanden) rettend sei, dass es keine kategorisch unterschiedlichen Glaubensarten gäbe. Auch Dämonen glauben (Jakobus 2,19) –und zwar beständig–, aber sie waren und sind nie gerettet. Menschen glauben, solange sie spektakuläre Wunder sehen, die ihnen nützen (Brotglaube, Zeichenglaube). Weiterhin ist biblisch belegt, vorausgesagt und evident, dass Menschen biblische Glaubensinhalte mit falschen Inhalten und Lehren vertauschen (z. B. dem religiösen Asketismus, 1. Timotheus 4,1–3). Der rettende Glaube hingegen (manchmal als echter oder lebendiger Glauben bezeichnet) rettet, und zwar 100 Prozent sicher. Der Apostel Johannes lehrt unmissverständlich: Wer „den Glauben aufgibt” und die Gemeinde dauerhaft verlässt, fällt nicht vom sicheren Heil ab, verliert nicht das ewige Leben (usw.), sondern war nie gerettet, war nie „von uns” (1. Johannes 2,19).
Die Autoren gehen von einem in der Schrift nie vorkommenden, konstruierten Fall aus und bauen davon ausgehend Schlussfolgerungen auf. Wenn aber Prämissen falsch sind, werden die Schlussfolgerungen notwendigerweise auch falsch. Die Autoren verletzen das Auslegungsprinzip, dass sog. „schwierige Stellen” stets anhand klarer Stellen (s. z. T. o.) zu beleuchten sind. Durch Missverständnisse über die Treue und Macht Gottes und dem Werk Jesu besteht die Gefahr, dass sie Gott klein machen und zu einem ohnmächtig vor dem autonomen Menschen stehenden Retter degradieren. Die Ermahnungen und Drohungen Gottes sind trotzdem ernst zu nehmen, da die Heiligung das Mitwirken des Glaubenden einbezieht (Philipper 2,12–13). Für die Schar der nichtglaubenden Bekenner und der Mitläufer (vgl. Hebräer 6: »diejenigen« versus »euch, Geliebte«) haben alle mahnenden Stellen eine unsagbar wichtige Funktion: aufzurütteln, zu prüfen, ob man wirklich im Glauben steht (wie Paulus den Korinthern schreibt; 2. Korinther 13,5).
Fazit: Wer durch die Brille des Jettel-Jantzenschen Buches und damit durch die Brille der mennonitischen Sonderlehren auf die Lehre des Wortes Gottes über das Heil Gottes schaut, bekommt leider eine verzerrte und verfinsterte Sicht auf Gottes strahlende Größe und Herrlichkeit im Rettungswerk. Hier offenbart sich letztlich das Unheil schräger Theologie und „heiliger Lehrtraditionen”. Eine angemessene biblische Widerlegung der falschen und der lückenhaft einseitigen Aussagen der Autoren würde wieder ein Buch noch größeren Umfangs fordern. Dann lese man besser gleich ein gutes, biblisch richtiges Werk über die Heilslehre der Schrift und lasse die Sonne und das Licht der Wahrheit in die Seele und den Verstand leuchten. Denn diesseits der Ewigkeit sind wir alle noch Unvollkommene und Lernende und Erkennende. Das Sonnenlicht des Wortes der Wahrheit ist in diesem Wachstumsprozess hilfreicher als die Dunkelheit menschlicher Sonderlehren.
»Die Vorschriften des HERRN sind richtig und erfreuen das Herz; das Gebot des HERRN ist lauter und erleuchtet die Augen.« (Psalm 19,9)