Sonnenfinsternis – Wo Phantasie die Wahrheit verdunkelt

Eine Rezension und biblische Kurzbeurteilung von:

Thomas Jettel, Herbert Jantzen
Kann ein Christ zu einem Nichtchristen werden?
CMV – Christlicher Missions-Verlag Bielefeld, 2010. Brosch., 109 Seiten | ISBN 978-3867015028

Der Herausgeber ist ein kleiner Verlag (e. V.), der von Mitgliedern der Mennoniten-Gemeinde Bielefeld ins Leben gerufen wurde (Webseite). Diese christliche Gruppe pflegt traditionell ein arminianisches Verständnis der Heilslehre und geht von der Unsicherheit und Verlierbarkeit des Heils in Christus aus. Das besprochene Werk ist Teil der CMV-Aufklärungsreihe. In dieser Reihe werden aus Sicht der Mennoniten wichtige Themen aufgegriffen, wie Gender, Erwählung, Heilssicherheit oder „das Äußere” (Kleidung).

Die beiden Autoren kommen aus unterschiedlichen Hintergründen, arbeiten jedoch seit einigen Jahrzehnten zusammen. Der Kanadier Herbert Jantzen (1922–2022) studierte am Canadian Mennonite Bible College in Winnipeg Theologie und Erziehungswissenschaften und war 1971–1981 Professor für Dogmatik an der FETA Gießen. 1999 kehrte er nach Kanada zurück. Der Österreicher Thomas Jettel (*1959) studierte an der STH Basel und wurde nach einer vorübergehenden Mitarbeit in Gemeinden im Salzburger Land (A) in den 80er und 90er Jahren und einer Umkehr zu einer anderen Heilslehre freier Prediger, dann Ältester einer Gemeinde in Hohentengen. Er arbeitete seit 1997 mit Herbert Jantzen zusammen.

Zum Inhalt. Die Autoren gehen davon aus, dass jemand, der an Jesus Christus glaubt, das Ewige Leben hat. Soweit biblisch richtig. Dann stellen sie die unbelegte und recht steile These auf, dass ein solcher mit Ewigem Leben beschenkte und „von-oben-geborene” Mensch seinen Glauben wieder restlos aufgeben könne, so dass alle Verheißungen und Folgen der Wiedergeburt von oben wieder genommen würden und so dieser Mensch auf dem Weg ins sichere Verderben der Hölle sei. Die biblische Lehre von der ewigen Heilssicherheit der Glaubenden schließe die Möglichkeit des Abfalls Wiedergeborener nicht aus. Die Heilssicherheit des Gläubigen einerseits, und die Möglichkeit, aufzuhören zu glauben, andererseits, seien biblische Lehren, die nicht im Widerspruch zu einander lägen. Platt gesagt wird hier die Meinung vertreten, dass der Mensch mittels des (eigenständigen) An- und Ausschaltens seines Glaubens sein ewiges Heil (eigenständig) an- bzw. ausschalte, der Heilsprozess mithin voll umkehrbar und voll in exklusiver Verfügung des betreffenden Menschen sei.

Beurteilung. Erstens werden in dieser Sicht der ewige Wille Gottes und seine ewigen und festen Besitzansprüche an die durch das Blut Jesu Erworbenen völlig außer (biblischer) Acht gelassen. Die Heilige Schrift lehrt als Wahrheit vielmehr, dass mit der Verleihung des Ewigen Lebens durch Gott unumkehrbare Dinge bei einem Menschen geschehen, denn Gott verändert ihn und Seine Beziehung zu ihm radikal (bis ins Zentrum des Wesens) und pervasiv (alles umfassend und durchdringend), sowohl initial (Stellung) als auch beständig (Glaubensleben). Die entsprechenden Gnadenhandlungen Gottes (d. h. einseitige Geschenke Gottes, beachte das betonte »ICH werde«) werden z. B. in Hesekiel 36 prophetisch vorausschauend bzgl. Israel und dem Neuen Bund im Alten Testament aufgezählt. Diese Segnungen des Neuen Bundes gehören zum Hintergrund des Gespräches Jesu Christi mit dem jüdischen Obertheologen Nikodemus (Johannes 3) zur Erklärung der Möglichkeit und Weise der geistlichen Neugeburt (Wiedergeburt, Geburt-von-oben-her):

»Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinheiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen. Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut.«

Hesekiel 36,25-27 (ELBCSV)

Beachtenswert ist, dass auch das Bleiben eines Wiedergeborenen in einem Gott wohlgefälligen Leben in praktischer Heiligung zu diesen gnädigen Wirkungen gehört und mithin sicheres und bleibendes Gottesgeschenk und nicht fragwürdige menschlich-volatile Entscheidung ist. Es geht um Segnung und nicht um Verdienst. Dass dies so göttlich-sicher geschieht und bleibt, ist verbunden mit dem bleibend hochgelobten Namen und der Ehre Gottes (Hesekiel 36,32; vgl. Römer 3,21–28; Epheser 2,4–10).

Zweitens stellen die Autoren mit ihrer Lehre den Dienst Jesu Christi als Hoherpriester als fehlbar hin. Dieser ist jedoch vollkommen und wirksam: »Ich habe gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre« sagt Jesus zu Petrus nach dessen größter Sünde in dreimal wiederholter Leugnung Jesu (Lukas 22,31f). Jesu Blick (Lukas 22, 61–62) und seine Wiederherstellung und Indienststellung des Petrus (Johannes 21,15–19) reden, vor allem im Vergleich zum lange vorher in der Schrift angekündigten Verräter Judas Iskariot, Bände. Petrus gehörte zu denen, die durch Jesu Wort rein waren (Johannes 15,3), Judas hingegen war nie etwas anderes als ein Verräter und Teufel (vgl. Johannes 6,70; 13,2): »Als ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast; und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen – als nur der Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt würde.« (Johannes 17,12).

Drittens wird der Dienst Jesu als Großer Hirte Seiner Schafe als unvollkommen verleumdet. Johannes 10 und 17 (u. a.) machen sehr klar, dass Jesus keinen der „Seinen” verliert, die Ihm der Vater anvertraut hat, sondern allen ewiges Leben gibt: »Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.« (Johannes 10,27-28). Wer wie die Autoren das Gegenteil einräumt, verleumdet Jesu Hirtentreue und Seine Macht als Gott, der Sohn.

Viertens: Bei der Rettung bekommt der Glaubende unwiderrufliche Rechtstitel zuerkannt. Dazu gehören: das Recht, Kind Gottes zu heißen; die Adoptionsurkunde als „an Sohnes statt Angenommener”; die Rechtfertigungsurkunde des Obersten Weltenrichters, ohne Revisionsmöglichkeit; den Erbschein als Miterbe Christi, (usw.). Dies ist alles im NT klar bezeugt. Keiner dieser Titel wird als „Leihtitel” oder „Bewährungstitel” ausgeteilt, sondern als göttlich feste Zusage im Indikativ des unwiderruflich Faktischen.

Der Beweis, dass kein Mensch sich durch Treue, Werke, Entschiedenheit (o. ä.) den Weg in den Himmel selbstständig bahnen oder erhalten kann, ist längst erbracht. Daher baut Gott Sein Heil auch nicht auf den Willen und die Tat eines sündigen oder „bekehrten” Menschen, sondern auf den Willen, die Tat und das Sterben und Auferstehen Jesu Christi, Seines Sohnes, auf: »Aus ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung; damit, wie geschrieben steht: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.”« (1. Korinther 1,30-31).

Fünftens: Es wäre ein Anfängerfehler, davon auszugehen, dass jede Art des Glaubens (als Tugend verstanden) rettend sei, dass es keine kategorisch unterschiedlichen Glaubensarten gäbe. Auch Dämonen glauben (Jakobus 2,19) –und zwar beständig–, aber sie waren und sind nie gerettet. Menschen glauben, solange sie spektakuläre Wunder sehen, die ihnen nützen (Brotglaube, Zeichenglaube). Weiterhin ist biblisch belegt, vorausgesagt und evident, dass Menschen biblische Glaubensinhalte mit falschen Inhalten und Lehren vertauschen (z. B. dem religiösen Asketismus, 1. Timotheus 4,1–3). Der rettende Glaube hingegen (manchmal als echter oder lebendiger Glauben bezeichnet) rettet, und zwar 100 Prozent sicher. Der Apostel Johannes lehrt unmissverständlich: Wer „den Glauben aufgibt” und die Gemeinde dauerhaft verlässt, fällt nicht vom sicheren Heil ab, verliert nicht das ewige Leben (usw.), sondern war nie gerettet, war nie „von uns” (1. Johannes 2,19).

Die Autoren gehen von einem in der Schrift nie vorkommenden, konstruierten Fall aus und bauen davon ausgehend Schlussfolgerungen auf. Wenn aber Prämissen falsch sind, werden die Schlussfolgerungen notwendigerweise auch falsch. Die Autoren verletzen das Auslegungsprinzip, dass sog. „schwierige Stellen” stets anhand klarer Stellen (s. z. T. o.) zu beleuchten sind. Durch Missverständnisse über die Treue und Macht Gottes und dem Werk Jesu besteht die Gefahr, dass sie Gott klein machen und zu einem ohnmächtig vor dem autonomen Menschen stehenden Retter degradieren. Die Ermahnungen und Drohungen Gottes sind trotzdem ernst zu nehmen, da die Heiligung das Mitwirken des Glaubenden einbezieht (Philipper 2,12–13). Für die Schar der nichtglaubenden Bekenner und der Mitläufer (vgl. Hebräer 6: »diejenigen« versus »euch, Geliebte«) haben alle mahnenden Stellen eine unsagbar wichtige Funktion: aufzurütteln, zu prüfen, ob man wirklich im Glauben steht (wie Paulus den Korinthern schreibt; 2. Korinther 13,5).

Fazit: Wer durch die Brille des Jettel-Jantzenschen Buches und damit durch die Brille der mennonitischen Sonderlehren auf die Lehre des Wortes Gottes über das Heil Gottes schaut, bekommt leider eine verzerrte und verfinsterte Sicht auf Gottes strahlende Größe und Herrlichkeit im Rettungswerk. Hier offenbart sich letztlich das Unheil schräger Theologie und „heiliger Lehrtraditionen”. Eine angemessene biblische Widerlegung der falschen und der lückenhaft einseitigen Aussagen der Autoren würde wieder ein Buch noch größeren Umfangs fordern. Dann lese man besser gleich ein gutes, biblisch richtiges Werk über die Heilslehre der Schrift und lasse die Sonne und das Licht der Wahrheit in die Seele und den Verstand leuchten. Denn diesseits der Ewigkeit sind wir alle noch Unvollkommene und Lernende und Erkennende. Das Sonnenlicht des Wortes der Wahrheit ist in diesem Wachstumsprozess hilfreicher als die Dunkelheit menschlicher Sonderlehren.

»Die Vorschriften des HERRN sind richtig und erfreuen das Herz; das Gebot des HERRN ist lauter und erleuchtet die Augen.« (Psalm 19,9)

Dünnes Brett: Streitenberger gegen Strohmänner (Rezension)

Peter Streitenberger
Die fünf Punkte des Calvinismus aus biblischer Perspektive
VTR, 2012, Pb., 67 Seiten | ISBN: 978-3941750425

Der Herausgeber, der Nürnberger Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (VTR) veröffentlichte 2012 dieses 67-seitige Büchlein Streitenbergers in der Reihe „Zur Diskussion gestellt”. Beworben wird es hingegen nicht als Diskussionsbeitrag, sondern als Buch, das den Leser von der Bibel her überzeugen will: »Die vorliegende Abhandlung befasst sich mit dem unter Christen durchaus umstrittenen Thema der Erwählungslehre, insbesondere mit den so genannten fünf Punkten des Calvinismus und versucht, den interessierten Leser zu einer eigenen, von der Bibel her begründeten Überzeugung zu verhelfen.« (Buchrückseite).

Das Vorwort wurde von Franz Graf-Stuhlhofer, einem Historiker aus Wien, verfasst. Stuhlhofer studierte in Wien Geschichte und Naturwissenschaften und promovierte 1980 dort zum Dr. phil. mit einer Untersuchung zu Astronomie und Humanismus nach 1500. Er versucht in seinem über 6-seitigen Vorwort Gründe zu finden, warum Christen in manchen Fragen des Heils unterschiedliche Antworten vertreten. Überdies deutet er auch eigene Positionen an, die meist dem arminianischen Theologiesystem entsprechen (z. B. anonym-kollektive Erwählung) und daher gut zu der Position des Autors passen. Stuhlhofer karikiert abschließend in herabwürdigender Weise Gottes Heilswirken zusammenfassend so: »Alle jene Menschen, die sich von Gott ein JA abringen lassen, gehören zu diesem Überrest – damals wie heute.« (S. 11).

Der Autor, Peter Streitenberger (*1979), ist Diplom-Sozialpädagoge (FH). Er hat im Zweitstudium Germanistik und Philosophie studiert. Dieses kleine Buch gründet sich auf die Magisterarbeit des Verfassers, die 2010 von der Universität Eichstätt-Ingolstadt angenommen wurde. Er „recycelte” und verkürzte dabei eine längere Ausarbeitung, die schon etliche Jahre vorher in PDF-Form oder als E-Book im Internet herumgeisterte und 2007 im Christlichen Mediendienst Hünfeld (CMD) von Wilfried Plock unter dem Titel Die Fünf [sic!] Punkte des Calvinismus – Eine Antwort– 2007 herausgebracht wurde (159 Seiten, ISBN 978-3-939833-08-6; Rezension hier). Ein dort ca. 60-seitiger bibelorientierter Abschnitt zu „Umkämpfte Schriftstellen“ fehlt indessen in dem hier besprochenen, wesentlich kürzeren Werk; umso mehr befremdet der Titel dieser Magisterarbeit. Streitenberger ist auch wegen seiner anti-calvinistischen Beiträge (und deren Stil) auf der Webseite bibelkreis.ch bekannt geworden.

Zum Inhalt: Die Heilige Schrift stellt das Heilsangebot Gottes an uns Menschen in Jesus Christus überzeugend, klar und einladend vor. Streitenberger bezieht in dem Spannungsfeld zwischen der Souveränität Gottes und der Verantwortung des Menschen in der Frage der Heilsaneignung Stellung. Er geht dieser Frage indes nicht „evangelikal” nur aufgrund der Offenbarung Gottes –der Heiligen Schrift– nach (wie es der Titel vermuten lässt), sondern liefert seine persönliche Meinung, gezielt auf einen einige Jahrhunderte alten Lehrstreit zwischen sog. „Calvinisten” und „Arminianern”. Er nimmt dabei im Wesentlichen gegen die calvinistische (und hyper-calvinistische) Sicht Partei und greift „Die Fünf Punkte” eines größeren Kirchenkonzils gegen einige Protestler („Remonstranten”) in den Niederlanden an. Das ist an und für sich schon nicht sehr originell; viele haben dazu Lesbareres, Systematischeres, Biblischeres und Überzeugenderes geschrieben. Zudem besteht „der Calvinismus” nicht und bestand niemals aus nur und genau diesen fünf Punkten. Diesen historischen und dogmengeschichtlichen Irrtum sollten Vorwortschreiber und Herausgeber VTR eigentlich erkannt haben. Dem Versprechen im Titel „aus biblischer Perspektive” wird der Autor mangels sorgfältiger exegetischer Arbeit am Text der Heiligen Schrift leider nicht gerecht. Warum solches „Noch-einmal-bekannte-Argumente-aufzählen”, verkürzt entnommen aus schon längst Veröffentlichtem, die Anerkennung einer Magisterarbeit bekommen konnte, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zum Stil: Eine Magisterarbeit muss auch in einem (zugegeben) kontroversen Thema beide Seiten sachlich richtig zitieren und ausgewogen darstellen. Sie entspricht heute einer Master-Arbeit, soll also gehobenen Ansprüchen an Form und Inhalt genügen. Wissenschaftliche Sachlichkeit und Korrektheit ist akademisches Muss. Wohltuend ist, dass Streitenberger seine öffentlichen Formulierungen, wie »das calvinistische Übergehungs- und Vergewaltigungsevangelium«, »die Sekte der Calvinisten« u. ä., in diesem Büchlein nicht wiederholt. Einige Rezensenten haben öffentlich kritisch angemerkt, dass Streitenberger unversöhnlich, reißerisch und unsachlich gegen Calvin und die reformatorische Heilslehre schreibt. Der Stil der Jesuiten der Gegenreformation findet heute wieder ein Echo in den Romanisierungsbestrebungen innerhalb des (ehemaligen ) Protestantismus. Das Werk des Autors Streitenberger hätte mit Wahl eines sachlicheren Stils und gründlicherer Erarbeitung sicher leicht Respekt gewinnen können.

Calvinismus”: Damit wird dehnbar alles das bezeichnet, was nicht in das Theologiesystem des „Arminianismus” passt und/oder in dieser Theologie verachtet wird. Leider liefert die Lektüre des Büchleins von Streitenberger keine Klärungen, die für die Diskussion fruchtbar oder für die Interessierten und die Gemeinde Gottes sachlich oder geistlich hilfreich wären. Die Bibel hat offenbar für uns auch einige unbequeme Aussagen, „links” wie „rechts”. Sie klärt auch nicht alle Spannungen, die sich dem menschlichen Intellekt und der menschlichen Erwartungshaltung angesichts des göttlichen Wesens, Entscheidens und Handelns stellen. Erschreckend ist der Mangel, Gott Gott sein zu lassen, IHN anstelle dessen lieber in die Schublade (Super-) Mensch eigener Vorstellungen zu pressen: „er” muss so klein sein, dass er in unsere Vorstellungen vom lieben Gott passt und so uns gefällt. Psalm 135,6 sagt: »Alles, was dem HERRN gefällt, tut er in den Himmeln und auf der Erde…« (ELBCSV). Ergo: Sein Wille und Sein Wohlgefallen (inkl. Vorsehung) sind der Urgrund alles Seienden und Geschehenden.

FAZIT: Ein Sozialpädagoge wünscht sich vielleicht lieber einen „menschlicheren” Gott, einen Partner auf Augenhöhe, oder –wie Stuhlhofer– einen Sanitäter, der fast verzweifelt um die Aufmerksamkeit und das zustimmende Kopfnicken des Sünders ringt, weil Ihm sonst etwas fehle. Aber Gott ist schon so, wie ER ist, absolut perfekt. Schon immer. Auch für Sein im Wort und in Christus geoffenbartes Heilshandeln gilt unumschränkt: »Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.« (Römer 11,36 ELBCSV). Wer das verstanden hat, hat angefangen zu verstehen, was es bedeutet, „durch die Gnade”, also als reine Gottesgabe, errettet zu sein (vgl. Epheser 2,8–9). Gott ist –nach der Heiligen Schrift– dann Gott und nicht Ab-Gott, wenn gilt: Soli Deo Gloria.

Es gibt schon lange viel Besseres, und –leider– auch noch viel Schlechteres, als diese Magisterarbeit von Streitenberger. Das Büchlein ist die Mühe des Lesens nicht wert.

Wir müssen den Zirkel bei der Liebe Gottes einstechen! – Wirklich?

Ein Redner und Autor der evangelikalen Szene in Deutschland behauptete in einer Diskussion, dass die Calvinisten“ ihren Zirkel fälschlicher Weise immer bei der Souveränität Gottes einstechen würden. Dies sei das Kernproblem der „Calvinisten“ und mache deren Theologie falsch. Richtig sei hingegen, dass man den Zirkel bei der Liebe Gottes einsteche – und dann erst wäre die Theologie (und insbesondere die Heilslehre) richtig.

Bevor wir uns in eine Diskussion Liebe“ versus Souveränität“ Gottes hineinziehen lassen (welche der bibellesende Gläubige überhaupt nicht verstehen kann, da er hier keinen Gegensatz, sondern vollkommene Harmonie sieht), sollten wir einen Schritt zurücktreten und uns ernsthaft einmal fragen: Dürfen wir überhaupt den Zirkel irgendwo, das heißt, in einem Einzelaspekt, in das Wesen Gottes stechen und die so gewählte Wesensart (Vollkommenheit) Gottes zum Zentralen oder Wichtigsten erklären? Ist uns solches eklektisches Denken, Priorisieren und Wählen (samt dem damit einhergehenden Ab-Wählen!) überhaupt erlaubt? Tiefer gefragt: Zeigt sich hier nicht einmal mehr, dass der gefallene Mensch zwar unheilbar religiös“ (Nikolai Berdjajew, 1874-1948), aber zugleich ein unermüdlicher Fabrikant von Götzen“ (Johannes Calvin) ist, von selbstgestalteten Gottesbildern, die der menschlichen Phantasie, den menschlichen Wünschen, Gefühlen und den menschlichen Vorlieben entsprechen? Menschliche Vorstellungen des Guten werden übersteigert an den Himmel geworfen (Ludwig A. Feuerbach: »Gott ist der Spiegel des Menschen.«). Das Ergebnis davon wird aber stets kategorisch (und nicht nur graduell) die in der Heiligen Schrift selbstgeoffenbarte Realität des Ewigen, Der da ist, verfehlen. Das ist tragisch.

Aber noch schlimmer ist: Das Ergebnis wird zum Gegenentwurf. Wenn ER sich uns nicht offenbart, wissen wir nicht, wer ER ist. Nun aber hat ER sich uns geoffenbart in der Summe Seines Wortes, der Heiligen Schrift. Dieser Offenbarung Gottes im Wort darf man weder mit Zirkel noch mit Schere zu Leibe rücken, sonst ist das Ergebnis ein Ab-Gott, ein Götze, ein Idol, ein Nichts (Psalm 96,5). Zirkelstecher“ produzieren unausweichlich Nichtse.

D. A. Carson schrieb allen Zirkelstechern“ folgende Warnung ins Stammbuch:

…um Zerrbilder zu vermeiden, sollten wir über die Liebe Gottes nur in Verbindung mit der Betrachtung aller anderen Vollkommenheiten Gottes nachdenken. Andernfalls besteht die Tendenz, ein Attribut Gottes gegen andere Attribute Gottes auszuspielen, eine oder mehrere Eigenschaften Gottes zu entschärfen, indem man sich auf die Überlegenheit einer anderen beruft. Wenn wir uns an Gottes Liebe erfreuen, dann sollten wir uns gleichzeitig nicht weniger an Gottes Heiligkeit, an Gottes Souveränität, an Gottes Allwissenheit (usw.) erfreuen, und wir werden sicher sein, dass alle Vollkommenheiten Gottes zusammenwirken.

D. A. Carson, Love in Hard Places (Crossway, 2002), S. 17 [1]

Carson liefert auch noch eine zweite, sehr notwendige Warnung vor selbstgebastelten Vorstellungen und Klischees über die Liebe Gottes, von denen es nicht wenige gibt, zum Beispiel Gottes Liebe kennt keine Bedingungen“. Er zeigt, dass diese Aussage in ihrer –angesichts des biblischen Zeugnisses unzulässigen– Undiffenziertheit falsch ist:

Gottes Liebe ist bedingungslos.“ Ist das wahr? Zunächst einmal trifft dies offensichtlich auf einige der Weisen zu, in denen die Bibel von der Liebe Gottes spricht. Gottes versorgende Liebe [Vorsehungsliebe] zum Beispiel ist bedingungslos, denn dieses Liebe wird über Gerechte und Ungerechte gleichermaßen ausgegossen. Gottes erwählende Liebe ist bedingungslos, denn nichts kann uns von ihr trennen (Römer 8,31-39). Aber die Liebe Gottes, von der im Dekalog [Zehn Gebote] und in Johannes 15 und Judas 21 die Rede ist (d. h. die fünfte in der obigen Liste), ist ausdrücklich an Bedingungen geknüpft. Auch hier sagen Christen oft: „Gott liebt jeden Menschen auf die gleiche Weise und in gleichem Maße.“ Stimmt das denn? Bei den Bibelstellen, in denen von Gottes Liebe zu den Gerechten und den Ungerechten die Rede ist, scheint es sicherlich wahr zu sein. In den Bibelstellen, die von Gottes auserwählter Liebe sprechen, scheint es sicher falsch zu sein. Und in den Bibelstellen, die davon sprechen, dass Gottes Liebe vom Gehorsam abhängt, wird seine Liebe zu verschiedenen Menschen je nach deren Gehorsam unterschiedlich sein.“

D. A. Carson, Love in Hard Places (Crossway, 2002), S. 17 [2]

An dieser Stelle können dem an Wahrheit und Erkenntnis interessierten Christen (2. Korinther 8,7; Epheser 3,19; 2. Petrus 3,18; Hebräer 5,14) die beiden Leseempfehlungen zu D. A. Carson unten zur Lektüre mit geöffneter und beständig konsultierter Bibel wärmstens empfohlen werden. Offensichtlich betreten wir (auch) hier das Gelände der geistlichen Auseinandersetzung mit den Mächten der(/s) Wahrheitsverdreher(s), für den wir unbedingt alle Unterstützung „von oben“ nötig haben. Zudem ist die Liebe Gottes etwas, was erfassbar und erkennbar und gleichzeitig unsere Erkenntnis übersteigend ist. Daher müssen wir beständig wie Paulus um Wachstum in der Erkenntnis der Liebe Gottes flehen:

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird, damit er euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen; dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, indem ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid, damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes.

Epheser 3,14–19 (ELB2003)

Endnoten

[1] Original: »…to avoid distortion we should reflect on the love of God only in conjunction with reflection on all of God’s other perfections. Otherwise there will be a tendency to pit one attribute of God against other attributes of God, to domesticate one or more of God’s characteristics by appealing to the supremacy of another. If we rejoice in God’s love, we shall rejoice no less in God’s holiness, in God’s sovereignty, in God’s omniscience, and so forth, and we shall be certain that all of God’s perfections work together.«

[2] Original: »God’s love is unconditional. Is this true? Transparently, it is true of some of the ways the Bible speaks of the love of God. For instance, God’s providential love is unconditional, for it is poured out on the just and the unjust alike. God’s elective love is unconditional, for absolutely nothing can separate us from it (Rom. 8:31-39). But the love of God spoken of in the Decalogue and in John 15 and Jude 21 (i.e., the fifth in the list above) is explicitly conditional. Again, Christians often say, God loves everyone exactly the same way and to the same extent.” Is this true? In passages that speak of God’s love for the just and the unjust, it certainly appears to be true. In passages that speak of God’s elective love, it certainly appears to be false. And in passages that speak of God’s love being conditioned by obedience, then his love for different individuals will vary with their obedience.«

Leseempfehlungen

  • D. A. Carson, Love in Hard Places. Wheaton, IL: Crossway, 2002.
  • D. A. Carson, The Difficult Doctrine of The Love of God. Wheaton, IL: Crossway, 2000.
  • J. MacArthur, R. Mayhue, Hrsg., Biblische Lehre: Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit, (Berlin: EBTC, 2020), S. 217–254.
  • A. Tozer, Das Wesen Gottes: Eigenschaften Gottes und ihre Bedeutung für das Glaubensleben. 3. Aufl., Berlin: EBTC, 2019. [Zitat: „Solange unsere Vorstellungen von Gott falsch oder unangemessen sind, ist es unmöglich, unser Verhalten und unsere innere Einstellung gesund zu erhalten. Wenn unser Leben wieder geistliche Kraft bekommen soll, müssen wir damit beginnen, so über Gott zu denken, wie er in Wirklichkeit ist.“]

Für die Wahrheit Gottes einstehen

Ein Hund bellt, sobald er seinen Herrn angegriffen sieht. Ich wäre wohl lasch, wenn ich angesichts eines Angriffs gegen die Wahrheit Gottes verstummen würde, ohne etwas verlauten zu lassen.

Johannes Calvin (1509–1564), Brief an Königin Margarete von Navarra, 28. April 1545.

Geliebte, während ich allen Fleiß anwandte, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben, war ich genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.

Die Bibel, Judasbrief 1,3 (ELBCSV)

Was ist der zentrale Gedanke des Calvinismus?

Diese Frage haben sich manche gestellt: Calvinisten, Anti-Calvinisten, interessierte Dogmatiker, Historiker und Philosophen. Sie haben teilweise Antworten erarbeitet oder zumindest Vermutungen geäußert. Da diese Antworten nicht übereinstimmen, muss es richtige und falsche Antworten geben. Hier zwei Stimmen aus dem Insider-Bereich.

H. Henry Meeter (1886–1963)

»Jemand bemerkte einmal: „So wie der Methodist die Errettung der Sünder, der Baptist das Geheimnis der Wiedergeburt, der Lutheraner die Rechtfertigung durch den Glauben, der Herrnhuter die Wunden Christi, der griechisch Orthodoxe das Mysterium des Heiligen Geistes und der Katholik die Universalität der katholischen Kirchen hervorhebt, in der Weise betont der Calvinist die Glaubenslehre über Gott.“ [Pressly, Mason W., Calvinism and Science, Article in Ev. Repertoire, 1891, S. 662.]

Der Calvinist beginnt nicht mit irgend einem Anliegen des Menschen, wie zum Beispiel seine Errettung oder Rechtfertigung, sondern richtet immer seine Gedanken wie folgt: Wie kommt Gott zu seiner Ehre! Er versucht also folgendes biblisches Prinzip zu verwirklichen: „Von ihm, und durch ihn und für ihn sind alle Dinge. Ihm sei Ehre ewiglich“ [Römer 11,36]«

H. Henry Meeter, The Fundamental Principle of Calvinism. Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans, 1930. (Vgl. dergl., The Basic Ideas of Calvinism. 6th Ed., Baker, 1990). Textquelle deutsch online: http://www.calvinismus.ch/calvinismus/ [12.08.2020]

Der zentrale Gedanke, das Grundmotiv, des Calvinismus ist also nach Meeter ein hohes Gottesbild, wie es sich in der Offenbarung Gottes in Seinem Wort darstellt.

Benjamin B. Warfield (1851–1921)

»From these things shine out upon us the formative principle of Calvinism. The Calvinist is the man who sees God behind all phenomena and in all that occurs recognizes the hand of God, working out His will; who makes the attitude of the soul to God in prayer its permanent attitude in all its life-activities; and who casts himself on the grace of God alone, excluding every trace of dependence on self from the whole work of his salvation.«

»The Calvinist is the man who has seen God, and who, having seen God in His glory, is filled on the one hand with a sense of his own unworthiness to stand in God’s sight as a creature, and much more as a sinner, and on the other with adoring wonder that nevertheless this God is a God Who receives sinners

Warfield, B. B, Calvin as a Theologian and Calvinism Today, (Philadelphia: Presbyterian Board of Publication, 1909), S. 23–24. Drei empfehlenswerte Vorträge/Papers darüber, wie ein herausragender „Calvinist“ die Theologie Calvins und den „Calvinismus“ seiner Tage sah und auf das Wesentliche konzentriert beschrieb. Textquelle online: https://thirdmill.org/magazine/article.asp/link/https:%5E%5Ethirdmill.org%5Earticles%5Ebb_warfield%5EWarfield.Calvin.html/at/Calvin%20as%20a%20Theologian%20and%20Calvinism%20Today

Der zentrale Gedanke, das Grundprinzip, des Calvinismus ist nach Warfield ein hohes Gottesbild. Der „Calvinist“ sieht Gott in seiner Herrlichkeit, nimmt in diesem Licht die eigene Unwürdigkeit wahr und kann nicht aufhören, darüber zu staunen, dass Gott Sünder rettet.

Lesestoff

  • The Fundamental Principle of Calvinism – Calvinism a Unified, All-comprehensive System of Thought. Textquelle: https://www.the-highway.com/Calvinism_Meeter.html
  • Coletto, Renato: The central principle of Calvinism? Some criteria, proposals and questions. In: In die Skriflig 49(1), Art. #1969, 8 pages. http://dx.doi. org/10.4102/ids.v49i1.1969 (Textquelle: http://www.scielo.org.za/pdf/ids/v49n1/51.pdf)
  • Warfield, Benjamin B.: Calvin as a Theologian and Calvinism Today. Philadelphia: Presbyterian Board of Publication, 1909.

Unterscheide zwischen allgemeiner Sühnung und persönlicher Stellvertretung!

Der Apostel Paulus schreibt an seinen Mitarbeiter Timotheus:

Denn Gott ist einer, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, [der] Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab als Lösegeld für alle

1. Timotheus 2,5-6 (ELBCSV). Fettdruck hinzugefügt.

Wenn Christus das Lösegeld für alle gegeben hat, sind dann nicht alle Menschen erlöst? Es heißt doch direkt zuvor, wenn auch etwas erstaunlich formuliert (keine Tat Gottes, nur eine Willensbekundung; keine aktive, sondern passive Sprache: „errettet werden“ usw.):

Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

1. Timotheus 2,3-4 (ELBCSV). Fettdruck hinzugefügt.

Warum reden aber sowohl Jesus Christus als auch Seine Apostel davon, dass viele den Weg ins Verderben gehen und nicht alle Teil an der Errettung haben? Wir gehen davon aus, dass die Heilige Schrift widerspruchsfrei ist. Also müssen wir anfangen, in den Linien der Bibel nachzudenken.

Inwieweit wirkt das Sühnungswerk Christi am Kreuz mit Blick auf alle Menschen, und inwieweit wirkt es effektiv nur auf einen begrenzten Kreis von Menschen?

Hier unterscheiden sich katholische und protestantische Ansichten und Lehrmeinungen. Im reformatorischen Bereich herrschen ebenfalls sehr unterschiedliche Lehrmeinungen vor.

Ein Teil dieser Missverständnisse und resultierenden Widersprüche beruhen auf einem unvollkommenen Verständnis dessen, was am Kreuz passiert ist. Gott hat über Jahrtausende hinweg in Typen und Verordnungen vorbereitet, das Werk Christi in seiner Vielfalt und Fülle verstehen zu können. Im Alten Bund feierte Israel unterschiedliche Feste, die alle mit Opfern verbunden waren. Eine Handvoll unterschiedlicher Opfer waren zudem verordnet worden, mit denen man der Frage der Sünde, aber auch der Verehrung Gottes, gottgefällig nachkommen konnte.

Ein jährliches Fest sticht besonders heraus: der Große Sühnungstag (auch Großer Versöhnungstag oder Yom Hakippurim genannt). Es wird in 3. Mose 16 beschrieben. An diesem Tag opferte der Hohepriester des Volkes stellvertretend für das ganze Volk ein Doppelopfer zweier Ziegenböcke.

Der erste Bock, „für JHWH“ (den Ewigen), wird durch Los ermittelt. Er wird als Opfer getötet, sein Blut wird in das Allerheiligste des Tabernakels (Tempels) vor Gott gebracht und auf den „Sühndeckel“ der Bundeslade gesprengt. In der Bundeslade lagen die beiden Gesetzestafeln, das Zehnwort (Dekalog), welche Gottes heilige Ansprüche an das Volk formulierten. Gott thronte auf dieser Bundeslade. Beim Blick in Richtung der Gesetzestafeln sah Gott das Blut, es „sprach“ also in Gottes Gegenwart vom gebrachten Opfer, vom gestorbenen Stellvertreter. Dieser Teil des Rituals wurde durchgeführt, ohne dass von spezifischen Sünden des Volkes die Rede war, oder solche dem Bock durch Handauflegung übertragen worden waren. Es ging erst einmal darum, dass Gott durch den Tod (des Stellvertreters) befriedigt und geehrt wurde: seine Heiligkeit -und mithin sein Zorn über die Sünde- wurden plakativ demonstriert und durch Tod des Sünders (oder seines stellvertretenden Opfers) bedeckt.

Der zweite Bock, Asasel (hebr. für „Abwendung“), wird nicht getötet. Auf sein Haupt bekennt der Hohepriester die Sünden des Volkes. Anschließend wird der Bock in die Wüste gejagt an einen Ort, von wo er nicht mehr zurückfindet ins Lager des Volkes. Das Sinnbild ist klar: Die Sündenmenge wird durch das stellvertretende Opfer aus der Mitte des Volkes weggenommen. Das erinnert an Psalm 103,12: »so weit der Osten ist vom Westen, hat er von uns entfernt unsere Übertretungen«, den Propheten Micha 7,19: »du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen« oder Jeremia 31,34: »Denn ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken« mit den neutestamentlichen Zitaten in Hebräer: »Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.« (8,12, vgl. 10,17). Das Ziel der Sühnung ist, dass die Sünden der Gesühnten nie mehr zum Trennungsgrund oder belastenden, bedrohlichen Gesprächsthema zwischen Gott und Mensch werden. Der gesühnte Mensch darf aufatmen und Frieden mit Gott erfahren.

Zwei Böcke – ein Opfer. Nun sind beide Böcke und die beiden Handlungen damit typologisch in dem einen Werk Christi vollkommen, effektiv und gleichzeitig realisiert worden. Trotzdem dienen diese beiden Böcke dazu, dass wir zwei Aspekte des einen Opfers Christi unterscheiden können.

Erster Bock. Christus starb also zuallererst, um die Sache der Beleidigung und Herausforderung der Heiligkeit und Majestät Gottes, wie sie durch die Sünde des Menschen geschieht, zu klären. Diese Klärung bedurfte des Todes, das Blut des Opfers musste vor Gott gebracht werden. Der Hebräerbrief liefert die verbindliche Interpretation dieses Typus auf Christus hin, er ist eine großartige Erklärung des „Großen Sühnungstages“:

Christus aber – gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut – ist ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.

Hebräer 9,11-12 (ELBCSV). Fettdruck hinzugefügt.

Zweiter Bock. Nachdem diese Sache mit Gott geklärt worden war, also Gottes Heiligkeit demonstriert und sein Zorn bedeckt wurde, wendet sich das Opferritual auch den konkreten Menschen im Volk Gottes und deren Sünden zu. Das Problem der von Sünden belasteten Gewissen musste angesprochen werden. Und so wird nun im zweiten Bock erstmals die Frage der Sünde konkret angesprochen in Handauflegung und Bekenntnis. Das Bekenntnis leistet der Hohepriester stellvertretend und wirksam für die von ihm vertretenen Menschen des Volkes Gottes. Dann wird der Bock aus dem Mitte entfernt und so auch die auf ihn gelegten Sünden weggeschafft. Typologisch wurde damit vorgeschattet, dass das »Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen […] von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!« (Hebräer 9,14 ELBCSV) reinigt. Es entlastet und befreit zum Gottesdienst. Dass dieses an zweiter Stelle erst kommen kann, nachdem zuerst die Sache betreffs des heiligen Zornes Gottes geklärt wurde, ist einleuchtend für alle, die dem biblischen Evangelium glauben.

Ein paar hilfreiche theologische Begriffe

Der erste Bock, der für den HERRN, stellt den Aspekt der Sühnung in ihrem Gott zugewandten Aspekt dar (Fachwort: Propitiation). Hier geht es um Gottes Seite, dass Gott durch die Sünde des Menschen beleidigt wurde, dass diese Sünde eine generelle Barriere zwischen Gott und Mensch aufgebaut hat (vgl. Jesaja 59,2). Daher bedurfte es des einen Mittlers, von dem in 1. Timotheus 2,5 die Rede ist. Sühnung bedeckt also den gerechten Zorn Gottes gegenüber dem rebellischen, sündigen Menschen mit dem Blut (als Beweis des Todes) des Opfers. Aufgrund dessen kann Gott nun in Retterliebe in Christus dem Menschen nahen und ihm im Evangelium ein Friedens- und Versöhnungsangebot in Christus machen (Gott verlangt allerdings die bedingungslose Kapitulation!):

So sind wir nun Gesandte für Christus, als ob Gott durch uns ermahnte; wir bitten an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!

2. Korinther 5,20 (ELBCSV) – Auf den Unterschied zwischen Sühnung und Versöhnung gehen wir hier nicht ein.

Durch den zweiten Bock, den der Abwendung, und das Ritual damit, wird uns vermittelt, dass die Heiligkeit Gottes als gerechte Strafe verlangt, dass jeder Sünder für seine persönlichen Sünden den ewigen Tod im Gericht Gottes erleiden muss. Für den an Christus Glaubenden rechnet Gott jedoch gnädig den Tod Seines Sohnes an. In diesem Fall übernimmt Christus die Sünden dieser/s Glaubenden und stirbt stellvertretend für sie/ihn (strafrechtliche Stellvertretung; engl. penal substitution). Dies ist der dem glaubenden Menschen zugewandte Aspekt der Sühnung (Fachwort: Expiation). Stellvertretung ist eine An-Stelle-von-Beziehung: Einer tritt aus Liebe an die Stelle eines anderen (Galater 2,20) oder einer definierten Gruppe („Gemeinde“, Epheser 5,25). Diese Stellvertretung durch Christus wird im Neuen Testament stets nur zugunsten der Glaubenden gelehrt. Die Ansicht (z. B. des neo-orthodoxen Theologen Karl Barth), dass Christus als Repräsentant und damit auch als Stellvertreter der gesamten Menschheit im Gericht Gottes am Kreuz gewesen sei, ist falsch, sie führt unausweichlich zur Irrlehre der Allversöhnung (Universalismus).

Gottgewandte Sühnung und menschgewandte Sühnung, Genugtuung und Stellvertretung, Propitiation und Expiation, sind also zwei gut zu unterscheidende Begriffe und Sachverhalte im Opfer des Großen Sühnungstages, auch wenn beides in dem einen Opfer Jesu am Kreuz zu sehen und insofern zusammenzuhalten ist.

Damit wird auch deutlich, dass es stets eine korporative Seite und eine persönliche Seite des Opferwerkes Jesu gibt. Jesus starb sühnend mit Blick auf die ganze Welt, aber er starb stellvertretend effektiv (nur) für einzelne Menschen. Betont oder sieht man nur eine Seite, wird man einseitig:

  • Menschen, die von arminianischer Theologie beeinflusst sind, neigen dazu, nur die allgemeine Seite des Sühnungsopfers Jesu zu sehen, welche mit Blick auf alle Menschen geschehen ist.
  • Menschen, die von calvinistischer Theologie beeinflusst sind, neigen dazu, nur die stellvertretende Seite des Sühnungsopfers Jesu zu sehen, welche eben nicht alle Menschen umfasst, sondern nur die zum Heil göttlich Erwählten.

Die beiden Haupttheologen der „Brüderbewegung“, John N. Darby und William Kelly, haben im 19. Jahrhundert hierzu Hilfreiches geschrieben. Hier ein Exzerpt von Darby:

Die Arminianer sehen in dem Tod Christi nichts weiter als ein Opfer für alle und verbinden damit gewöhnlich auf allgemeine Weise das Tragen der Sünden. Dadurch wird alles unklar in Bezug darauf, dass Christus die Sünden des Einzelnen wirklich und vollgültig getragen oder ein besonderes Werk für die Seinigen getan hat. Sie sagen, dass, wenn Gott alle liebte, Er nicht einige insbesondere lieben konnte. Die Errettung wird somit unsicher gemacht und der Mensch nicht selten erhoben, während die Lehre des Vorbildes, die wir in dem Bock der Abwendung haben, gänzlich außer Acht gelassen wird.

Die Calvinisten dagegen halten fest daran, dass Christus die Sünden der Seinigen getragen habe und ihre Errettung somit ganz gewiss sei. Sie bleiben aber bei dem Schluss stehen, dass, wenn Er die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben habe, seine Liebe außer ihr keinen anderen Gegenstand gehabt haben könne. Sie übersehen den unverkennbaren Charakter der Sühnung, sein Sterben für alle und alles. Sie sehen nur die Stellvertretung und berücksichtigen nicht die Bedeutung des Blutes auf dem Gnadenstuhl [d. h. des Blutes des Bockes für den Herrn].

Genau genommen lesen wir von Christus nie, dass Er die Welt, sondern dass Er die Versammlung geliebt hat, und zwar mit der Liebe eines besonderen Verhältnisses (Eph 5). Von Gott dagegen heißt es nie, dass Er die Versammlung, sondern dass Er die Welt geliebt hat (Joh 3,16), was seiner göttlichen Güte entsprach, seiner göttlichen Natur angemessen war; sein Ratschluss aber ist etwas anderes. Seine Herrlichkeit ist das Endziel von allem.

Ohne mich aber dabei aufzuhalten, möchte ich nur darauf hinweisen, welch eine Verwirrung unklare Begriffe über Sühnung und Stellvertretung in der Verkündigung des Evangeliums hervorbringen müssen, indem sie den Ruf an die Welt schwächen oder die Sicherheit des Gläubigen zweifelhaft erscheinen lassen und der Verkündigung der Wahrheit im Allgemeinen Sicherheit und Bestimmtheit rauben.

John N. Darby: Die zwei Seiten der Sühnung. Eigentlich: Sühnung und Stellvertretung. In: Halte fest, Jg. 28 (1985), S. 285ff. Deutsche Textquelle online: https://www.soundwords.de/a956.html [11.08.2020] – Was Darby damals als „Calvinisten“ bezeichnete, würde man heute differenzierter dem Hyper-Calvinismus zuordnen.

Leseempfehlungen

Eine gute Einführung und Erklärung der Rituale und Opfer am „Großen Sühnungstag“ und ihre Erfüllung im Opfer Jesu Christi liefern Bruno Oberhänsli und Willem Ouweneel. Als Angehörige der englischen „Brüderbewegung“ folgen sie im wesentlichen deren Haupttheologen John N. Darby und William Kelly.

John N. Darby über die „Arminianer“

Der anglo-irische Bibellehrer John N. Darby (1800–1882), einer der einflussreichsten Theologen der frühen „Brüderbewegung“ (sog. „Plymouth Brethren“), hatte in seiner Zeit wiederholt mit Vertretern der Denkschule der „Arminianer“ zu tun. Vor allem in der uralten Diskussion über den „freien Willen“ und die Aneignung des ewigen Heils gab es zahlreiche Auseinandersetzungen, die größtenteils in seinen Collected Writings und seinen Letters erhalten geblieben sind.

Am 9. Mai 1879 schrieb Darby aus Pau einen Brief in italienischer Sprache an G. Biava, der einen Artikel über den „freien Willen“ verfasst und wohl Darby zur Beurteilung vorgelegt hatte. Darbys Antwort ist in den Letters in englischer Sprache erhalten geblieben. Hier einige Auszüge:

DEAR BROTHER, – I am much pleased with the article on free will; I do not find that there is much to add to it. All depends on the depth of the conviction that we have of our sinful condition; and security and joy depend on it likewise. Lost and saved answer the one to the other: our condition in the old man, and our condition in Christ. But in the reasoning of Arminians there is a totally false principle, namely that our responsibility depends on our power. If I have lent £100,000 to any one, and he has squandered it all, certainly he is not able to pay, but has his responsibility come to an end with his ability? Certainly not. Responsibility depends on the right of the person who has lent it to him, not on the ability of the one who has wrongfully wasted the money.

All men have a conscience, the knowledge of good and evil, since the fall; they know how to distinguish, but that says nothing as to the will; so that since the law demands obedience, and the flesh cannot be subject, to receive the law is in fact an impossibility – not that God hinders him, as I have already said, but because man does not wish it. Further, the law forbids lust, but fallen man has lust in his flesh; and it is in this way that the apostle knew sin. Man must lose his nature before being disposed to obey the law: it is therefore necessary to be born again. Now man cannot give himself divine and eternal life. Why then the law? In order that the offence might abound; by the law sin becomes „exceeding sinful“; „the law works“ the righteous „wrath“ of God against us – not the fear of God in us; it does not give a new life, and that which we have is enmity against God. Man in the flesh cannot receive the law into his heart. …

Can the flesh receive Christ – find its pleasure in the Son of God? Then it is no longer the flesh; it has the mind of the Father Himself. If there is anything there but the flesh, then the man is already born of God, since that which is born of the flesh is flesh. If the flesh can find its pleasure in Christ, the flesh possesses the most excellent thing that is to be found, not only upon earth, but in heaven itself; it finds its pleasure where the Father finds His: it would not be necessary to be born of God; the most excellent thing that he possesses now, through grace, as a Christian, he possessed already before receiving life, in receiving Christ. The certainty of salvation is gone at the same time: if salvation is the fruit of my own will, it depends upon it; if it can be thus easily produced, it cannot be said, „Because I live, ye shall live also.“ …

It is said that faith is but the hand that receives salvation, but what disposes us to offer the hand? It is the grace that works in us.

John N. Darby, Letters, Vol. 2 (1868–1879), Nachdr., Kingston-on-Thames: Stow Hill Bible and Tract Depot, o. J., S. 501–503. Fett- und Farbdruck hinzugefügt. 
Textquelle online auch hier: https://www.stempublishing.com/authors/darby/letters/52346I.html

John N. Darby und der 17. Artikel der Anglikanischen Kirche

Der anglo-irische Bibellehrer John N. Darby (1800–1882) war zweifellos einer der einflussreichsten Denker und Theologen der frühen „Brüderbewegung“ („Plymouth Brethren“). Er verbreitete sein Gedankengut durch extensives Schreiben und Reisen in aller Welt. Seine Liebe für das Wort Gottes führte dazu, dass er an mindestens drei Bibelübersetzungen aus den hebräischen und griechischen Grundtexten maßgeblich beteiligt war: der englischen Darby-Bibel, der französischen Pau-Bibel und der deutschen Elberfelder Bibel.

Darby gehörte der Church of Ireland an, wo er 1825 als Diakon und später als Priester ordiniert wurde. Hunderte von Römisch-katholischen Kirchengliedern verließen ihre Kirche, glaubten an das biblische Evangelium und schlossen sich der Church of Ireland an. Wenige Jahre später (um 1831) verließ Darby Dienst und dann Kirche, weil der anglikanische Erzbischof in Dublin verlangte, dass Neubekehrte Georg IV. als rechtmäßigem König Irlands die Treue zu schwören hätten.

Es gab also für Darby genügend Gründe, in große Distanz zur anglikanischen Kirche zu gehen. Aber er verwarf nicht aus sektiererischen Erwägungen heraus jene Lehren der Anglikanischen Kirche, die er gut in Gottes Wort gegründet sah. Dies wird deutlich in seinem Urteil über den Artikel XVII der 39 Glaubensartikel der Anglikanischen Kirche, der kritische Punkte der Heilslehre, nämlich die Vorherbestimmung und die Erwählung, behandelt. Er lautet:

»17. Von der Vorherbestimmung und Erwählung

Die Vorherbestimmung zum Leben ist der ewige Vorsatz Gottes, wodurch er (vor Grundlegung der Welt) nach seinem uns verborgenen Ratschluss fest beschlossen hat, diejenigen, welche er aus dem Menschengeschlecht in Christus erwählt hat, vom Fluch und der Verdammnis zu erretten und sie als Gefäße der Ehre durch Christus zur ewigen Seligkeit zu bringen. Darum werden diejenigen, welche mit solch einem herrlichen Vorzug Gottes beschenkt worden sind, durch seinen Geist, der zur rechten Zeit wirkt, nach Gottes Vorsatz berufen. Durch die Gnade gehorchen sie der Berufung. Sie werden aus freier Gnade gerechtfertigt. Sie werden als Söhne Gottes an Kindesstatt angenommen. Sie werden dem Bilde seines eingeborenen Sohnes Jesus Christus gleich gestaltet. Sie wandeln heilig in guten Werken und gelangen endlich durch Gottes Barmherzigkeit zur ewigen Seligkeit.

Die gottgemäße Beachtung der Vorherbestimmung und unsere Erwählung in Christus ist voll lieblichen, angenehmen und unaussprechlichen Trostes für gottesfürchtige Menschen und für diejenigen, die in sich die Kraft des Geistes Christi verspüren. Bei ihnen werden die Handlungen des Fleisches und ihre irdischen Glieder getötet und ihr Gemüt zu himmlischen und hohen Dingen emporgehoben. Teilweise festigt und stärkt dies sehr ihren Glauben an die ewige Seligkeit, der sie sich durch Christus erfreuen, teilweise entzündet dies heftig ihre Liebe zu Gott. Doch führt auf der andern Seite die dauernde Beachtung der Vorherbestimmungslehre neugierige, fleischliche und des Geistes Christi ermangelnde Menschen zu einem sehr gefährlicher Absturz. Durch diesen stößt sie dann der Teufel entweder in große Verzweifung oder in die nicht weniger große Gefahr eines höchst unmoralischen Lebens hinein.

Weiter müssen wir die göttlichen Verheißungen so annehmen, wie sie uns in der Heiligen Schrift im allgemeinen dargestellt sind; und in unseren Handlungen muß jener Wille Gottes befolgt werden, der uns ausdrücklich im Worte Gottes offenbart wurde

»PREDESTINATION to life is the everlasting purpose of God, whereby, before the foundations of the world were laid, He hath constantly decreed by His counsel secret to us, to deliver from curse and damnation those whom He hath chosen in Christ out of mankind, and to bring them by Christ to everlasting salvation as vessels made to honour. Wherefore they which be endued with so excellent a benefit of God be called according to God’s purpose by His Spirit working in due season; they through grace obey the calling; they be justified freely; they be made sons of God by adoption; they be made like the image of His only-begotten Son Jesus Christ; they walk religiously in good works; and at length by God’s mercy they attain to everlasting felicity.
As the godly consideration of Predestination and our Election in Christ is full of sweet, pleasant, and unspeakable comfort to godly persons and such as feeling in themselves the working of the Spirit of Christ, mortifying the works of the flesh and their earthly members and drawing up their mind to high and heavenly things, as well because it doth greatly establish and confirm their faith of eternal salvation to be enjoyed through Christ, as because it doth fervently kindle their love towards God: so for curious and carnal persons, lacking the Spirit of Christ, to have continually before their eyes the sentence of God’s Predestination is a most dangerous downfall, whereby the devil doth thrust them either into desperation or into wretchlessness of most unclean living no less perilous than desperation.
Furthermore, we must receive God’s promises in such wise as they be generally set forth in Holy Scripture; and in our doings that will of God is to be followed which we have expressly declared unto us in the word of God.«

Deutsche (übersetzte) Textquelle: http://www.rekd.de/index.php?id=10#9-18 [11.08.2020] Farb- und Fettdruck hinzugefügt. »Die ursprüngliche Version der 39 Artikel wurde in lateinischer Sprache verfaßt und 1563 vom englischen Unterhaus angenommen. Erst 1571 wurden dann endlich die 39 Artikel von Elisabeth I. [unter der England endgültig protestantisch geworden war] als verbindlich in englischer Sprache für die Gesamtkirche eingeführt. … Die 39 „Artikel der Religion“ von 1562 sind das bis heute gültige offizielle Lehrbekenntnis der Kirche von England.«

Darby bezeugte bereits 1831 seine völlige Übereinstimmung mit den Inhalten des 17. Artikels in einem Pamphlet, das in Oxford herausgegeben wurde. In seinen Writings kann man lesen:

For my own part, I soberly think Article XVII. to be as wise, perhaps I might say the wisest and best condensed human statement of the views it contains that I am acquainted with. I am fully content to take it in its literal and grammatical sense.

I believe that predestination to life is the eternal purpose of God, by which, before the foundations of the world were laid, He firmly decreed, by His counsel secret to us, to deliver from curse and damnation those whom He hath chosen in Christ out of the human race, and to bring them, through Christ, as vessels made to honor, to eternal salvation. I believe therefore that those who are endued with so excellent a gift of God, are called according to His purpose working in due time; that they obey the calling through grace; that they are freely justified; that they are adopted to be children of God; that they are made conformed to the image of His only begotten Son Jesus Christ; that they do walk holily in good works; and that at length, through the mercy of God, they do attain to everlasting felicity.

John N. Darby, The Collected Writings, Bd. 3: Doctrinal, Vol. 1, (London: G. Morrish), S. 4–5. Fettdruck hinzugefügt, kursiv im Original.

Manche deuten diese Zustimmung seiner zeitlichen Nähe zum Dienst in der Anglikanischen Kirche geschuldet und insofern als unreif. Dem ist aber nachweislich nicht so, denn er schreibt fast 50 Jahre später und nahe dem Ende seines Lebens in zwei Briefen des Jahres 1880:

As to Article XVII., I quite admit that God’s predestination is secret to us, but the seventeenth Article is not: it is very plain, and I think very good. …
the seventeenth Article … is really a very wise statement as I remember it …

John N. Darby, Letters, Vol. 3 (1879–1882), Nachdr., Kingston-on-Thames: Stow Hill Bible and Tract Depot, o. J., S. 70, 71. Erster Brief vom 23.03.1880, zweiter an den selben Empfänger mit 1880 datiert. Fettdruck hinzugefügt.

Die spätere Entwicklung der Soteriologie großer Teile der „Plymouth Brethren“ zu eher arminianischem Denken ist, wie Stevenson in seiner Dissertation gründlich untersucht und ausführlich belegt hat, ein Verlassen der eigenen theologischen Wurzeln. Mit Anleihe bei Charles H. Spurgeon könnte man analog von einem „Downgrade“ sprechen. Die Gottzentriertheit des biblischen Evangeliums wurde und wird zeitgeistig beeinflusst immer mehr von der egozentrischen Denkweise verdrängt. Dies ist besonders in den „offenen“ Splittergruppen der „Brüderbewegung“ und bei Evangelisten der Bewegung zu beobachten. Der amerikanische Pragmatismus und Glaube an das Menschenmögliche fügt diesem Trend hier und da mit seiner Methodengläubigkeit besondere Duftnoten bei.

Weitere Literatur über und von John N. Darby

  • John Nelson Darby schrieb am 17.04.1872 in einem Brief aus Paris etwas ausführlicher über den „freien Willen“ des Menschen, siehe: Collected Writings of John Nelson Darby, Letters Bd. II, S. 164 ff.; verdeutscht hier.
  • Weremchuk, Max S.: John Nelson Darby. Loizeaux Brothers, 1993. (ISBN 978-0872139237)
  • Kelly, William: John Nelson Darby – as I Knew Him. Belfast, Northern Ireland: Words of Truth)
  • Cross, Edwin N.: Unknown and Well Known: A Biography of John Nelson Darby. London: Chapter Two, 2006. (ISBN 978-1853072307) – Eine Überarbeitung und Erweiterung des gleichnamigen Buches von W. G. Turner.
  • Internet Archive mit Titeln Darbys.
  • University of Manchester Special Collections (ELGAR) mit Papers of John Nelson Darby (1,85 Regalmeter).
  • Collected Writings of John Nelson Darby, 34 Bd., Hrsg. William Kelly, Dublin: G. Morrish, 1879–1883; sowie: Notes and Comments on Scripture (7 Bd.), Letters (3 Bd.), Notes and Jottings (1 Bd.), Spiritual Songs (1 Bd.), Full Indexes (1 Bd.) und Synopsis of the Books of the Bible (5 Bd.)
  • Mark R. Stevenson: The Doctrines of Grace in an Unexpected Place. Calvinistic Soteriology in Nineteenth-Century Brethren Thought. Eugene, OR: Wipf and Stock, 2007 (ISBN 978-1-4982-8111-9). Deutsch: Mark R. Stevenson: Die Brüder und die Lehren der Gnade. Wie stand die Brüderbewegung des 19. Jahrhunderts zur calvinistischen Heilslehre? Bielefeld: CLV, 2019.

Vom Wert und der Reichweite des Sühnungswerkes Christi am Kreuz

Arminianisch denkenden Menschen werfen den „Calvinisten“ oft vor, sie würden das Werk Jesu Christi am Kreuz unzulässig begrenzen und einengen. Dies entnehmen nicht wenige der unglücklichen Bezeichnung „begrenzte Sühnung“ (engl. limited atonement), die als Begriff eine geraume Zeit nach Calvin einem der sog. „Fünf Punkte des Calvinismus“ (den „Lehren der Gnade“ Gottes) zugeordnet wurde. Dieser Vorwurf beruht meistens auf einem Missverständnis, einer Nichtkenntnis oder einem willentlichen Verzerren dessen, was die Reformierten tatsächlich lehr(t)en. Einige verwenden daher lieber trefflichere Bezeichnungen wie „particular redemption“, „definite redemption“, „limited redemption“, „actual atonement“, „intentional atonement“ o. ä.

Angeblicher Höhepunkt des „Calvinismus“ war die Dordrechter Synode der reformierten Kirchen der Niederlande (1618–1619) gegen die „Remonstranten“ (die später oft nicht völlig richtig nach dem Amsterdamer Prediger Jakobus Arminius, späterem Professor in Leiden, „Arminianer“ genannt wurden). Die internationale Synode stellte die sog. „Lehrregeln von Dordrecht“ gegen die Falschlehren der Remonstranten auf. Man beachte, dass es um das zweite Lehrstück geht, nicht das dritte, was das noch später entstandene Akronym TULIP (L für limited atonement) falsch nahelegt:

»Zweites Lehrstück: Vom Tode Christi und der Erlösung der Menschen durch denselben

Artikel 3
Dieser Tod des Sohnes Gottes ist das einzige und vollkommenste Opfer und Genugtuung für die Sünden, unendlich an Kraft und Wert, überflüssig genügend, die Sünden der ganzen Welt zu sühnen.
Artikel 4
Deshalb ist dieser Tod von so großer Kraft und so großem Wert, weil die Person, welche ihn erlitt, nicht nur ein wahrer und vollkommen heiliger Mensch ist, sondern auch der eingeborene Sohn Gottes, desselben ewigen und unendlichen Wesens mit dem Vater und dem Heiligen Geist, wie unser Heiland sein musste. Sodann, weil sein Tod mit dem Gefühl des Zornes Gottes und des Fluches, den wir durch unsere Sünden verdient hatten, verbunden ist.
Artikel 5
Übrigens ist es die Verheißung des Evangeliums, dass wer an den gekreuzigten Christus glaubt, nicht verlorengeht, sondern das ewige Leben hat. Diese Verheißung muss allen Völkern und Menschen, zu denen Gott das Evangelium nach seinem Wohlgefallen sendet, gemeinschaftlich und ohne Unterschied verkündigt und vorgestellt werden mit dem Befehl zur Buße und zum Glauben.
Artikel 6
Dass aber viele, die durch das Evangelium berufen sind, nicht in sich gehen und nicht an Christus glauben, sondern durch Unglauben umkommen, das geschieht nicht, weil dem am Kreuz dargebrachten Opfer Christi etwas fehlt oder weil es nicht ausreicht, sondern durch ihre eigene Schuld.«

Die Dordrechter Lehrsätze. 400. Jubiläum der Dordrechter Synode (1618/1619), Reformations-Gesellschaft-Heidelberg e. V. (Hg.), 2019. Fett- und Farbdruck hinzugefügt.

Auswertung. Artikel 3 macht also völlig klar, dass Kraft und Wert des Opfers Christi als unendlich gesehen wird, insofern also nicht als begrenzt verstanden wird. Artikel 4 erklärt dann, dass dieser Wert in der Größe und dem Wert der Person begründet ist, die sich geopfert hat: der Mensch gewordene, heilige, eingeborene Sohn Gottes. Artikel 5 lehrt, dass die Verkündigung der Verheißung dieses Rettungswerks im Evangelium nicht begrenzt werden darf, sondern allen Völkern und Menschen verkündigt und vorgestellt werden muss. Auch hier ist keine Begrenzung, z. B. auf die Erwählten, zu lesen. Artikel 6 macht klar, dass der Unglaube und das Verlorengehen alleine die Schuld des Menschen ist, und niemals im Werk Christi (und irgendeiner Begrenzung dessen) zu finden ist.

Fazit. Die zitierte Lehrregel steht den Falschmeldungen etlicher Autoren und Redner der anti-calvinistischen Szene entlarvend entgegen: Es wird keine Begrenztheit im Wert des Sühnungswerks oder in der Verkündigung der Verheißungen des Evangeliums gelehrt. Auch die Schuldfrage und die Verantwortung des Menschen wird deutlich benannt. Dies entspricht dem klaren Zeugnis der Heiligen Schrift.

Einige beispielhafte Belege reformierter Schreiber

1. Der Reformator Johannes Calvin (1509–1564) – War er eigentlich ein „Calvinist“? – vertrat die alte Formel:

Christus passus est sufficienter pro omnibus, efficaciter [tantum] pro electis.
Deutsch.: „Christi Leiden ist ausreichend für alle, wirksam [nur] für die Erwählten.

Zitiert nach: Phillip Schaff, The Creeds of Christendom, Bd. 1, The History of The Creeds, S. 518. Auch Charles Hodge, Systematic Theology (1871; Nachdr., Grand Rapids, MI: Wm. B. Eerdmans, 1940), Bd. 2, S. 545–46, erwähnt dies als übliche Sicht der sog. Augustinianer. W.G.T. Shedd, Dogmatic Theology, erwähnt es ebenfalls. (Usw.)

Weitere Aussagen Calvins über das unbegrenzte Angebot des Opfers Christi finden sich z. B. in seinen teilweise überraschenden Kommentaren zu Johannes 3,16 und Römer 5,18 (s. u.).

2. Der nach Amerika ausgewanderte niederländische reformierte Theologe Rienk B. Kuiper (1886–1966) ist ein Beispiel dafür, dass „die Calvinisten“ eben nicht in jeder Hinsicht die Absichten und Wirkungen des Sühnungswerks Christi auf die Erwählten begrenzen. Er schrieb in seinem Buch For Whom Did Christ Die?:

»According to the Reformed faith the divine design of the atonement is in an important respect limited. But the Reformed faith also insists that in other respects it is universal. It can be shown without the slightest difficulty that certain benefits of the atonement, other than the salvation of individuals, are universal.
Therefore the statement, so often heard from Reformed pulpits, that Christ died only for the elect must be rated a careless one. To be sure, if by „for“ be meant in the place of, the statement is accurate enough … If, however, by „for“ be meant in behalf of, it is inaccurate, to say the least. Certain benefits of the atonement accrue to men generally, including the non-elect. Like all things that are, this is so by divine design.«

R. B. Kuiper, For Whom Did Christ Die?: A Study of the Divine Design of the Atonement (Wm. B. Eerdmans, 1959; Nachdr., Wipf and Stock, 2003), S. 78–79 (Kapitel 5 „Scriptural Universalism“). Fett- und Farbschrift hinzugefügt, Kursiv im Original.


3. Der amerikanische reformierte Theologe Loraine Boettner (1901–1990) schrieb 1932 in seinem Buch The Reformed Doctrine of Predestination, das aus seiner Masterarbeit (Th.M.) am Princeton Theological Seminary entstand, dass die Sühnung (Atonement) „streng genommen“ ein „unbegrenzter Vorgang“ ist, deren Anwendung jedoch (in Form der Erlösung, also der Vergebung der Sünden und Befreiung vom daraus entstandenen Fluch; Eph 1,7; Röm 3,24; Gal 3,13; 1.Pet 1,18–19 u. a.) begrenzt ist:

»The question which we are to discuss under the subject of „Limited Atonement“ is, Did Christ offer up Himself a sacrifice for the whole human race, for every individual without distinction or exception; or did His death have special reference to the elect? In other words, was the sacrifice of Christ merely intended to make the salvation of all men possible, or was it intended to render certain the salvation of those who had been given to Him by the Father? Arminians hold that Christ died for all men alike, while Calvinists hold that in the intention and secret plan of God Christ died for the elect only, and that His death had only an incidental [beiläufige] reference to others in so far as they are partakers of common grace. The meaning might be brought out more clearly if we used the phrase „Limited Redemption“ rather than „Limited Atonement.“ The Atonement is, of course, strictly an infinite transaction; the limitation comes in, theologically, in the application of the benefits of the atonement, that is in redemption. But since the phrase „Limited Atonement“ has become well established in theological usage and its meaning is well known we shall continue to use it.«

Loraine Boettner, The Reformed Doctrine Of Predestination, Thirtieth printing 1989 (Phillipsburg, NJ: Presbyterian and Reformed Publishing Company, 1932), S. 150 (Kapitel 12 „Limited Atonement“). Fett- und Farbschrift sowie Text in eckigen Klammern hinzugefügt.

Kommentar: Die vom reformierten Theologen Boettner getroffene Unterscheidung zwischen der universalen Sühnung und der definitiven, begrenzten Erlösung (o. Vergebung, Stellvertretung im Gericht usw.) bzgl. des Opfers Jesu haben etliche Autoren der „Plymouth Brüder“ (in D.: Elberfelder Brüderbewegung) früher exklusiv für sich reklamiert. Man bewertet dies heute als ihren kreativ-theologischen Beitrag zur Soteriologie (Heilslehre) des 19. Jahrhunderts (s. z. B. Mark R. Stevenson in The Doctrines of Grace in an Unexpected Place, 2017). Wenn allerdings heute immer noch behauptet wird (meist durch ungeprüftes und unreflektiertes Abschreiben aus alten Quellen, wie z. B. den Schriften der Cheftheologen der „Brüderbewegung“, John N. Darby und Wm. Kelly): »Während Calvinisten in der Sühnung häufig nur den Aspekt der Stellvertretung sehen…«, oder: »Die calvinistisch geprägte Vorstellung von Sühnung kennt die Seite der Genugtuung oder dass Gott im Hinblick auf die ganze Welt unbegrenzt zufriedengestellt wurde, nicht.« (Dirk Schürmann auf soundwords.de [2015, 2021]), irrt jedoch, wie oben gezeigt. Man sollte nicht Dinge behaupten oder gar bewerten, die man nicht studiert hat oder die völlig veraltet sind.

Eine unsaubere Terminologie der Heilsbegriffe stiftet zudem manches Missverständnis: Mal redet man von Sühnung, mal von Versöhnung, Erlösungswerk, Opfer Jesu, Vergebung, Errettung, Heil usw. Diese Begriffe bezeichnen jedoch zumeist unterschiedliche Aspekte des Werkes Jesu am Kreuz. Wenn die Begriffe aber nicht geklärt sind, ist das Gesagte (Geschriebene) oft nicht das Gemeinte und – fataler Weise – nicht das Verstandene. Beachtet werden muss auch, dass die Heilige Schrift diese Begriffe nicht immer gleichartig verwendet. Um den Sinn eines Begriffs an einer Stelle zu erfassen, muss vor allem der Kontext aufmerksam beachtet werden, reine „Wortstudien“ oder konkordante Vergleiche und Gleichsetzungen reichen nicht aus. Stevenson beobachtete auch bei dem erwähnten Theologen der frühen „Brüderbewegung“ (Plymouth Brethren), John N. Darby (1800–1882), dass dieser sein Verständnis in der Heilslehre schärfen und entsprechend Nuancen beachten musste. Stevenson sieht es daher als notwendig an, in der Soteriologie (Heilslehre) den „Calvinismus“ der „Brüder“ und vieler reformierter Theologen vom unbiblischen „Hyper-Calvinismus“ strikt zu trennen:

»As Darby’s views developed, his position on the atonement became more nuanced. He made a crucial distinction between propitiation and substitution. Propitiation is Godward and thus in the work of Christ there is ‘an adequate and available sacrifice for sin for whoever would come.’61 But Darby did not believe that Christ bore, as a substitute, the sins of all people. He wrote, ‘I can address all, and declare to them that this satisfaction [for sin] has been made… But I cannot say to all that Christ bore their sins, because the word does not say it anywhere. If He had borne their sins, they would certainly be justified.’62 Darby explained how this impacted his preaching, ‘I can say to all, that propitiation has been presented to God. They have but to look there, and going to God by that blood they will be received; they have nothing to wait for. They will not go unless the Father draw them, but this is a matter of sovereign grace, with which I have nothing to do in my preaching—in my teaching, yes, but not in my address to unconverted souls.’63 It is reasonable to conclude that Darby was a strict Calvinist who saw a particularity in the atonement but did not share the hyper-Calvinist refusal of a universal gospel offer.«

Mark R. Stevenson, „Early Brethren Leaders and the Question of Calvinism“, in: Brethren Historical Review 6:2–33 [2010]. – FN61: »[Darby], CW, 29, p.287.«; FN62: »[Darby], Letters, vol.1, p.98.«; FN63: »Ibid.«. Fett- und Farbdruck hinzugefügt. Link zu einem PDF-Exzerpt.

Weitere Untersuchungen

Eine weitere Untersuchung könnte sich der Frage widmen, inwiefern die Wirksamkeit und effektiven Anwendung der Sühnung begrenzt ist. Denn begrenzt ist sie, wenn wir den klaren Lehren Jesu und seiner Apostel folgend nicht an die Irrlehre der Allversöhnung (sog. Universalismus) glauben.

Die eher „calvinistische“ Deutung sieht das Sühnungswerk (Boettner folgend genauer gesagt: die Erlösung, also die Anwendung) Jesu in Zielsetzung und Absicht (engl. purpose) begrenzt, zumindest im Aspekt der persönlichen Stellvertretung im Gericht, die nur für die Erwählten stattfand und diese effektiv rettete. Dies ist auch die traditionelle Position der „Brüderbewegung“ (Plymouth Brethren, KLC Brethren), die allerdings immer mehr in Richtung arminianischer Falschlehren verlassen wurde und wird.

Die eher „arminianische“ Deutung hingegen begrenzt die Wirksamkeit des Sühnungswerkes Christi auch, aber nun vielmehr darin, dass dieses Sühnungswerk die Rettung von Menschen nur möglich mache („Die Tür aufstieß“, eine/n Chance/Weg eröffnete), aber die Rettung keines einzigen Menschen effektiv vollbrachte. Jeder sollte einmal die Heilige Schrift unter Gebet studieren, um zu verstehen, was Christus gemeint hatte, als Er am Kreuz ausrief: „Tetélestai! – Es ist vollbracht!“

Quellen

  • Die Dordrechter Lehrsätze. 400. Jubiläum der Dordrechter Synode (1618/1619), Reformations-Gesellschaft-Heidelberg e. V. (Hg.), 2019. Download: https://reformationsgesellschaft.de/wp-content/uploads/2018/05/2018-05-04-Dordrechter-Lehrsaetze-WEB.pdf [10.08.2020]
  • Calvin über Römer 5,18: https://www.ccel.org/c/calvin/comment3/comm_vol38/htm/ix.x.htm, http://www.calvinismus.ch/wp-content/uploads/roemer.html
    »Christi Gerechtigkeit und Gehorsam kam nicht seiner Person allein zugute, sondern greift weit darüber hinaus und macht die Gläubigen reich, welche sie zum Geschenk empfangen. Ein Gemeinbesitz für alle Menschen ist die Gnade nun deshalb, weil sie für alle öffentlich ausgeboten ward, nicht etwa weil alle sie wirklich hinnähmen. Christus hat zwar für die Sünden der ganzen Welt gelitten, und alle empfangen unterschiedslos das Angebot der Güte Gottes: aber nicht alle nehmen es an
  • Calvin über Johannes 3,16: https://www.ccel.org/c/calvin/comment3/comm_vol34/htm/ix.iii.htm
    »That whosoever believeth on him may not perish. It is a remarkable commendation of faith, that it frees us from everlasting destruction. For he intended expressly to state that, though we appear to have been born to death, undoubted deliverance is offered to us by the faith of Christ; and, therefore, that we ought not to fear death, which otherwise hangs over us. And he has employed the universal term whosoever, both to invite all indiscriminately to partake of life, and to cut off every excuse from unbelievers. Such is also the import of the term World, which he formerly used; for though nothing will be found in the world that is worthy of the favor of God, yet he shows himself to be reconciled to the whole world, when he invites all men without exception to the faith of Christ, which is nothing else than an entrance into life.«