Ein Einwand gegen Gottes Souveränität, der sie beweist (Mike Riccardi)

In Römer 9 erörtert Paulus Gottes absolute Freiheit in seinen Heilsplänen. Er verwendet das Beispiel der Zwillinge Jakob und Esau und erklärt, dass Gottes Entscheidung für Jakob und gegen Esau nichts mit den beiden zu tun hatte. Vielmehr wählte Gott, „damit [sein] Vorsatz nach seiner Wahl bestehen bleibe“ (Römer 9,11b). Diese Wahl wurde „nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund dessen getroffen, der berufen hat“ (Römer 9,12a). Er fährt fort, dass die Erlösung „nicht von dem abhängt, der will oder der läuft, sondern von Gott, der Erbarmen hat“ (Römer 9,16), und untermauert diese Behauptung dann mit dem Hinweis, dass Gott das Herz des Pharaos verhärtet habe, um seine Macht zu demonstrieren und seinen Namen durch die folgenden Ereignisse zu verkünden (Römer 9,17; vgl. 2. Mose 9,16). Paulus fasst seinen Standpunkt dann zusammen, indem er erklärt: „So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er.“ (Römer 9,18).

Dann nimmt Paulus einen Einwand vorweg: „Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er denn noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden?“ (Römer 9,19).

Zunächst wollen wir den Einwand selbst verstehen. Der imaginäre (oder vielleicht nicht so imaginäre) Gesprächspartner des Paulus hat alles verstanden, was Paulus bis zu diesem Punkt über Gott gesagt hat:

  • Er versteht, dass die Erlösung ganz und gar ein Werk der Gnade Gottes ist und gar nichts davon dem Menschen zu verdanken ist.
  • Er versteht auch, dass es Gottes Wille, nicht der Wille des Menschen, ist, der für die Erlösung bestimmend und entscheidend ist (siehe auch Römer 9,16; vgl. Johannes 1,13). Er stellt eine rhetorische Frage, um genau diesen Punkt zu unterstreichen: „Wer widersetzt sich seinem Willen?“ Die Antwort auf diese rhetorische Frage lautet: „Niemand widersetzt sich Gottes Willen!“ „Aber unser Gott ist in den Himmeln; alles, was ihm wohlgefällt, tut er“ (Psalm 115,3). Er spricht: „all mein Wohlgefallen werde ich tun“ (Jesaja 46,10), und „kein Vorhaben [kann ihm] verwehrt werden“ (Hiob 42,2).
  • Er versteht auch, dass Gott den Menschen stets verantwortlich hält, ihn zur Rechenschaft zieht: „Warum tadelt er denn noch?“ (Römer 9,19b).

Die Frage ist also: „Da niemand Gottes Willen widerstehen kann [, sondern diesem völlig ausgeliefert ist], wie kann es dann von Gott gerecht („fair“) sein, dass er immer noch tadelt?“.

Den Einwand verstehen

Dieser Einwand ist für jeden Christen sehr hilfreich, um das Wesen der Souveränität Gottes in der Errettung besser zu verstehen. Denn wie auch immer wir zu den Lehren der Gnade stehen mögen, so müssen unsere Schlussfolgerungen jedenfalls dergestalt sein, dass der Einwand von Römer 9,19 Sinn macht.

Tatsache ist: Dieser Einwand macht nur dann Sinn, wenn drei Dinge wahr sind: (1) Der Mensch muss Buße tun und gerettet werden, wie es Gott befohlen hat. (2) Dem Menschen fehlt die moralische Fähigkeit, Buße zu tun und gerettet zu werden, und: (3) Gott macht den Menschen weiterhin dafür verantwortlich, Buße zu tun und gerettet zu werden, und wird ihn bestrafen, wenn er diesem Befehl nicht folgt.

Philosophisch gesehen macht dieser Einwand nur dann Sinn, wenn „Sollen“ nicht gleichbedeutend mit „Können/Vermögen“ ist – das heißt, wenn ein Befehl nicht unbedingt (implizit) bedeutet, dass der Angesprochene auch in der Lage ist, das zu tun, was ihm befohlen ist. Theologisch gesehen ergibt dieser Einwand nur dann Sinn, wenn die Lehren von der totalen Verdorbenheit des Menschen, der bedingungslosen Erwählung durch Gott und der unwiderstehlichen Gnade im Heil wahr sind.

Es ist für den natürlichen Verstand abstoßend, wenn wir für etwas zur Rechenschaft gezogen werden, das wir nicht fähig sind zu tuninsbesondere, wenn wir festhalten, dass es ein liebender Gott ist, der das verlangt. Und so entwickelten verschiedene Denkschulen alternative Auffassungen von Gottes Souveränität, um Gott vor dem zu bewahren, was sie für ungerecht („unfair“) halten. Keine dieser Alternativen macht jedoch den Einwand in Römer 9,19 verständlich. Betrachten wir kurz drei dieser Alternativen.

Universalismus

Eine dieser alternativen Vorstellungen ist der Universalismus (alle Menschen werden ohne Unterschied gerettet). Gott hat etwas von den Menschen gefordert, das sie nicht in der Lage sind zu erbringen, also kehrt er ihre Sünden unter den Teppich – schließlich sind Kinder Kinder, oder? – und lässt sie vom Haken. Abgesehen davon, dass diese Position offensichtlich im Widerspruch zur Bibel ist, würde sie bedeuten, dass Gott die Menschheit „immer noch tadelt“. Niemand kann seinem Willen widerstehen, also findet er einfach keine Fehler an ihnen. [Anm. d. Üb.: Gott wendet also das Heilswerk auf alle an, ohne diese zu fragen und ohne etwas von irgendjemand zu erwarten und ohne die Ursache des Tadels zu beseitigen.]

Bedingte Erwählung auf der Grundlage vorhergesehenen Glaubens

Eine andere Alternative besteht darin, zu leugnen, dass Gottes Erwählung bedingungslos ist, und stattdessen zu behaupten, dass sie vom Glauben abhängig sei, den Gott in einer bestimmten Person vorausgesehen hat. Anders gesagt: Gott hat Menschen erwählt, weil er im Voraus sah, dass diese ihn eines Tages erwählen würden. Da es für unseren natürlichen Verstand unfair ist, dass Menschen zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie etwas nicht getan haben, das sie gar nicht tun können, behauptet diese theologische Position, dass wir vielmehr in der Lage seien, etwas zu tun – nämlich zu glauben –, wobei dieser Glaube dann zur Folge habe, dass Gott uns Gnade gewähre.

Aber wenn diese Ansicht richtig wäre, hätte Paulus‘ imaginärer Gegenredner in Römer 9,19 sicher nicht seinen Einwand gegen Gottes Erwählung erhoben. Es wäre ja kein Rätsel, warum jene, die nicht glauben, „immer noch getadelt werden“. Sie hatten einfach aus freien Stücken nicht den Glauben gefasst, der notwendig ist, um zum Heil erwählt zu werden. (Also geschah Ihnen mit der Nichterwählung völlige Gerechtigkeit – kein Einspruch nötig.)

Unbedingt freier Wille

Eine weitere Alternative, die der vorherigen ähnelt, besteht darin, zu behaupten, dass Gott zwar („absolut“) souverän ist, sich aber in seiner Souveränität dafür entschieden habe, dem Menschen (auch) eine gewisse Art von Souveränität in Form eines völlig freien Willens zu gewähren. Gott gebiete Buße und Glauben, und er werde diejenigen tadeln, die dann nicht Buße tun und glauben. Nach dieser Ansicht tun diejenigen, die nicht Buße tun und glauben, dies, weil sie den freien Willen haben, Gott anzunehmen oder abzulehnen. Gott habe sein Bestes getan und würde jeden retten, wenn er dies könnte, aber er hat die endgültige Entscheidung über die Erlösung völlig dem (freien Willen des) Menschen überlassen. Mit anderen Worten, sie können durchaus mit ihrem freien Willen „seinem Willen widerstehen“.

Auch bei dieser Ansicht ergibt sich, dass der Einwand in Römer 9,19 keinen Sinn ergibt. Es wäre kein Geheimnis, warum Gott diejenigen tadeln würde, die ihn ablehnen. Doch der Gesprächspartner des Paulus behauptet (durch seine rhetorische Frage), dass sich niemand dem Willen Gottes widersetzt.

Die geniale Gnade

Wenn wir also den Einwand, den Paulus in Römer 9,19 rhetorisch erhebt, verstehen wollen, können wir Gottes Souveränität und die Unfähigkeit des Menschen (zu Buße und Glauben) nicht durch eine Berufung auf die bedingte Erwählung seitens Gottes oder den völlig freien Willen des Menschen erklären. Der Einwand von Römer 9,19 ergibt nur dann einen Sinn, wenn die Lehren von der totalen Verderbtheit des Menschen, der bedingungslosen Erwählung seitens Gottes und der unwiderstehlichen Gnade im Heilswirken Gottes biblisch wahr sind.

Aber wie kann das gerecht (o. „fair“) sein? Wie kann Gott dem Menschen etwas ihm Unmögliches befehlen und ihn dennoch zur Rechenschaft für das Nichtbefolgen ziehen? Wie kann er Menschen befehlen, (mittels Buße und Glauben) wiedergeboren zu werden, wenn doch die Rettung und Wiedergeburt vollständig „an dem begnadigenden Gott“ liegt (Römer 9,16; vgl. Johannes 1,12)? Nun, Paulus‘ Antwort ist, den Fragesteller scharf zu tadeln, der versucht, die Gerechtigkeit Gottes in Frage zu stellen: „Wer bist du denn, o Mensch, der du das Wort nimmst gegen Gott?“ (Römer 9,20). Wenn jemand unterfängt, so Gottes Charakter zu kritisieren, hat er ein völlig verbogenes Verständnis davon, was Gerechtigkeit ist („Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!“; Römer 9,14; vgl. 3,5b–6), und sollte sich besser schnell die Hand vor den Mund halten.

Aber es gibt eine Möglichkeit, diese Frage aus dem aufrichtigen Wunsch heraus zu stellen, Gott besser zu verstehen und ihn dafür anzubeten, wie er sich offenbart hat. Und wenn die Frage in diesem Geist gestellt wird, glaube ich, dass es eine klare Antwort gibt. Und die lautet: Gott schenkt seinem Volk das, was er von ihm verlangt.

Das ist das Geniale an der Gnade Gottes: Indem Gott von jedem Menschen etwas fordert, das für diesen unmöglich ist, zeigt er unübersehbar, wie wirklich hilflos und unvermögend der Mensch in Bezug auf seinen geistlichen Zustand ist. Und weil er etwas vom Menschen fordert, das nur Gott selbst vollbringen kann, stellt er unübersehbar seine eigene Fähigkeit und die Fülle seiner Herrlichkeit zur Schau. Wie Paulus dann weiter erklärt, tut er dies, „damit er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung, die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat“ (Römer 9,23).

Indem Gott gewährt, was er verlangt, zeigt er sich als das A und O, der alles in Allem ist. Er weist dem Menschen die ihm angemessene Position zu: Er ist ein armer Bettler, der völlig auf das angewiesen ist, was er aus Gottes Hand empfängt. Dann schenkt er uns als unser Wohltäter das, was er von uns verlangt, und gewinnt so unsere Zuneigung, sodass wir ihn als überaus liebenswert, überaus würdig und überaus wunderbar begreifen und ergreifen.

Quellen

Der Artikel wurde adaptiert von: Michael Riccardi: An Objection to God‘s Sovereignty that Proves It, The Cripplegate (March 16, 2012), https://thecripplegate.com/an-objection-to-gods-sovereignty-that-proves-it [abgerufen 30.08.2024]. Eigene Übersetzung (grace@logikos.club).

John F. MacArthur und Richard Mayhue, Biblische Lehre: Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit. EBTC, 3. Aufl. 2023, geb., 1.360 Seiten | ISBN: 978-3947196500. Insbes. Kap. VII Die Errettung und Abschnitt 2 Der Plan der Errettung (S. 648–678).

Concursus Dei – Die Souveränität Gottes und die Verantwortung des Menschen (auf logikos.club).

John F. MacArthur, Göttliche Unveränderlichkeit und die Lehren der Gnade (Orig.: Divine Immutability and the Doctrines of Grace, Übersetzung ins Deutsche auf logikos.club).

Von Gefühlen getäuscht (Burk Parsons)

Als Gott uns nach seinem Ebenbild schuf, gab er uns die Fähigkeit zu fühlen und zu denken. Unsere Fähigkeit, Gefühle, Wünsche und Emotionen zu haben, stammt von Gott, daher sind unsere Gefühle, Wünsche und Emotionen bedeutsam für unser Menschsein. Gleichzeitig hat Gott uns auch mit der Fähigkeit zu denken, zu beurteilen und zu entscheiden gesegnet.

Ein Problem entsteht jedoch, wenn wir Denken und Fühlen verwechseln. Viele Menschen scheinen heute den Unterschied zwischen Denken und Fühlen nicht zu verstehen. Darüber hinaus sind viele im Unklaren, wie sie im Leben die richtigen Entscheidungen treffen und die richtigen Schlüsse ziehen können. In früheren Generationen wurde gesagt: „Tu, was recht ist!“ Seit Jahrzehnten jedoch fordert unsere Kultur die Menschen auf: „Tu, was sich gut anfühlt!“ Den Menschen wird dabei vermittelt, dass wahre Freiheit darin bestünde, das zu tun, was sich richtig anfühlt. Anstatt dessen sollten sie gelernt haben, dass wahre Freiheit die Fähigkeit ist, das zu tun, was wir als richtig erkennen.

Es überrascht nicht, dass viele Menschen in unserer Zeit ihre Identität, Sexualität und ihr Geschlecht aufgrund bloßen Fühlens in Frage stellen. Dies sollte uns zutiefst traurig stimmen und uns dazu veranlassen, allen Menschen mit Mitgefühl und Fürsorge das Evangelium zu verkünden. Menschen, die auf solche Weise verwirrt sind, müssen die Gnade Gottes in der Guten Nachricht von Jesus Christus erkennen lernen.

Wenn Ungläubige die Wahrheit über Gott gegen eine Lüge eintauschen, werden sie natürlich das, was sie wissen, gegen das eintauschen, was sie fühlen. Sie werden ihr Wissen über das, was sie für wahr und richtig halten, gegen ihre niedrigsten Gefühle eintauschen, von denen sie erhoffen, dass diese ihnen den besten Genuss bereiten. Am Ende werden Menschen, die von Christus getrennt sind, das tun, was ihnen die angenehmsten Gefühle hervorruft. Der Zeitgeist ermutigt sie darin mit dem verrückten Rat, dass sie ihre Gefühle nicht mit der Realität in Einklang bringen müssten, sondern die Realität mit ihren Gefühlen.

Selbst wir Christen können manchmal von unseren Gefühlen getäuscht werden. Wir können in tiefe Unzufriedenheit, Einsamkeit, Verzweiflung oder Scham verfallen und das Gefühl haben, nicht wirklich gerettet zu sein. Dies kann besonders dann geschehen, wenn wir uns von unserer Sünde erdrückt fühlen und wenn unser Feind uns anklagt. Wir müssen uns dann daran erinnern, dass unsere Gefühle manchmal die größten Lügner sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Gefühle das, was wir [aus Gottes Wort] als wahr und recht erkannt haben, außer Kraft setzen. Wir müssen unseren Gefühlen das Evangelium predigen und den Herrn bitten, uns zu helfen, nie zu vergessen, dass wir in Christus sind. Wir dürfen niemals zulassen, dass sich unsere Lehre unseren Gefühlen beugt, sondern müssen vielmehr mit Sorgfalt darauf achten, dass unsere Gefühle der biblischen Wahrheit entsprechen.

Ein Beitrag von Burk Parsons in Tabletalk Vol. 48, Nr. 6 (Juni 2024), S. 2. Dr. Burk Parsons ist Herausgeber des Magazins Tabletalk und leitender Pastor der Saint Andrew’s Chapel in Sanford, Florida (USA). Eigene Adaptierung und Übertragung ins Deutsche.

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Was drei para-Wörter über das Wesen der Sünde lehren

Über das Wesen der Sünde muss viel und bibelgründlich nachgedacht werden, sonst begreift man weder den mieslichen Stand des gefallenen Menschen, noch die Größe des Opfers des menschgewordenen Sohnes Gottes, noch die Genialität und den Gnadenreichtum der Erlösung.

Einen hilfreichen Blick auf das Wesen der Sünde liefert der Apostel Paulus in seinem Brief an die christliche Gemeinde in Rom. Er gebraucht dort im fünften Kapitel drei Wörter mit der griech. Vorsilbe para:

»14Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose, selbst über die, die nicht gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung [παράβασις parabasis] Adams, der ein Vorbild des Zukünftigen ist.
15Ist nicht aber wie die Übertretung so auch die Gnadengabe? Denn wenn durch die Übertretung [παράπτωμα paraptōma] des einen die vielen gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in Gnade, die durch den einen Menschen, Jesus Christus, ist, zu den vielen überströmend geworden.
19Denn so wie durch den Ungehorsam [παρακοή parakoē] des einen Menschen die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden.«

Römer 5,14.15.19 (ELBCSV 2003)

Sünde war dem Geschöpf (hier: dem Menschen) nur möglich, weil es ihm geschöpflich möglich war, aus seinem früheren Stand herauszufallen. Nur Gott Selbst ist im Wesen unwandelbar und vollkommen. Der Mensch war gut (sogar »sehr gut«; 1.Mose 1,31) erschaffen worden, aber nicht unveränderlich gut geschaffen worden. Die Möglichkeit zur Veränderung in beide Richtungen war also durch seine Wandelbarkeit möglich, mithin auch das Fallen aus der ursprünglichen Unschuld.

Zum Fallen bedarf es des Anstoßes, einer herabziehenden Kraft und einer dieser Kraft unterliegenden Schwäche. Der Mensch fiel durch den Anstoß, den der Mensch am (einzigen!) Gebot Gottes nahm, und wodurch er den Segensraum, den Gott ihm in Verbindung mit dem einzigen Verbot errichtet hatte, verließ. Dergestalt sich selbst des Haltes entledigt habend, wirkte als Zweitursache für den Fall die verführerische Kraft der Schlange, in der der Satan, der Ur-Lügner und Ur-Menschenmörder (Johannes 8,44), wirksam war.

Folglich bezeichnet die Bibel Sünde mit Begriffen wie »das Ziel verfehlen, fehlschießen, von der Bahn abirren« (Hebr.) oder »Herauslaufen aus einer bisher eingehalten Bahn« (Griech.). Andere griech. Schreiber und die LXX verwenden auch den Begriff »aus der Melodie fallend, falsch singend« (πλημμέλεια), also Sünde/Schuld als »Misston«.

»Das Hinausgehen, das Abweichen aus dem Worte oder Gebote Gottes und der daraus folgende Bruch mit Gott ist der Sünde Anfang, und im Beharren auf diesem Weg vollendet sich die Sünde.« (Eduard Böhl, Dogmatik [Bonn/Hamburg, 2004], S. 208).

Paulus betont in der lehrhaften Interpretation des historischen Sündenfalls in Römer 5 dieses »Hinausgehen« mit einem Dreiklang von para-Wörtern.

  • παράβασις parabasis – von para = (hin-)über/daneben und baino = gehen/(ein-)treten, also Übertretung, Überschreiten einer gezogenen Linie, meist im juristischen Sinn: Gesetz, Statuten, Vertragsbestimmung nicht einhalten; der biblische Gebrauch folgt dem juristischen Sinn (vgl. Römer 2,23; 4,15; Galater 3,19; 1.Timotheus 2,14; Hebräer 2,2; 9,15)
  • παράπτωμα paraptōma – von para = (hin-)über/daneben und pipto = fallen, also Fehltritt, ein Fallen aus der rechten Bahn. Stets als Sünde verstanden, daher meist wiedergegeben mit: Übertretung, aber auch mit: Verfehlung, Fehltritt, Fall, Sünde, Vergehung (Römer 4,25; 5,15.16.17.18.20; 11,11.12; 2.Korinther 5,19; Galater 6,1; Epheser 1,7; 2,1.5; Kolosser 2,13).
  • παρακοή parakoē – von para = (hin-)über/daneben und akouo = hören, also danebenhören, weghören, sich weigern zu hören: Ungehorsam (2.Korinther 10,6; Hebräer 2,2). Im AT parallel mit der »Weigerung, auf meine Worte zu hören« (Jeremia 11,10; 35,17).

Der Apostel verweist auf die historischen Tatsachen der Schöpfungsgeschichte und des »Sünden-Falls«, dem Geschehnis der Ur-Sünde. In 1.Mose 3 werden die einzelnen Schritte des Fallens in die Sünde deutlich markiert. Paulus macht in Römer 5,12 deutlich, dass dies der Ausgangspunkt für das Verstehen der Sünde ist. Folgen wir also in groben Zügen dem Geschehen dort, um Paulus in Römer 5 (und wo er sonst Schöpfung und Sündenfall heranzieht) besser zu verstehen.

Die Verführungsmacht des Bösen demonstriert an der Ur-Sünde

Die Verführung des als Schlange auftretenden Satans beginnt mit dem taktisch listigen ersten Schritt, die Frau des ersten Paares anzusprechen, also unter Umgehung Adams, der für das Paar verantwortlich war und der das Gebot Gottes höchstpersönlich empfangen hatte, bevor Eva erschaffen worden war (2.Mose 2,16–17). Es sollte uns nicht verwundern, dass Satan dabei die Hauptschaft des Mannes und mithin die Schöpfungsordnung Gottes missachtet, aber es sollte uns demütigen, dass wir Menschen in Adam und Eva diese Übertretung (parabasis) der Ordnung Gottes ohne Widerspruch hinnehmen.

Der zweite Schritt ist eine listige Frage, in der der Keim der Verführung durch Lüge insofern schon enthalten ist, als das Gebot Gottes in verfälschter Weise zitiert und in eine bewusste Infragestellung gegossen wird: »Hat Gott wirklich gesagt: Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens?« (1.Mose 3,1). Das Gebot Gottes war ja in Hauptsache positiv formuliert worden: »Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen« (1.Mose 2,16), bevor ein einzelner (!) Baum ausgenommen und zum verbotenen Baum erklärt wurde: »aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, wirst du gewisslich sterben« (1.Mose 2,17; ELB1905, vgl. SCHL2000). Bei Satan liegt der Schwerpunkt auf dem Verbot, das wie ein Verbot für alle Bäume klingt: »nicht essen von jedem Baum des Gartens«. Dies ist eine Testfrage, ob Eva das Gebot Gottes exakt kennt und verführerische Verdrehungen in der Formulierung samt der unterschwelligen Anklage (Gott sei restriktiv, anstelle im Überfluss segnend) sofort erkennt. Dafür aber muss man das ganze Gegenteil von „Danebenhören“ tun: Man muss der Stimme Gottes aufmerken zuhören und dieses Wort Gottes im Herzen glaubend aufnehmen (vgl. 1.Mose 22,18; 1.Samuel 15,22; 2.Könige 18,12; Sprüche 2,1–8; 15,31–33; 28,9; Kolosser 1,23; Hebräer 2,1–3; Offenbarung 2,7.11.17.29; 3,6.13.22; 13,9).

Der dritte Schritt wird getan, indem Eva überhaupt der Schlange zuhört und sich nicht abrupt abwendet. Denn gegenüber den Worten der Schlange ist parakoē (Weghören, Ungehorsam) Pflicht. Mit der Entscheidung, wem man das Ohr leiht, trifft man Vorentscheidungen.

Der vierte Schritt ist, dass Eva die Worte und den Gedanken Satans aufnimmt und antwortet. Nun ist der Dialog mit dem Satan begonnen. Welchen sinnvollen Grund könnte es je geben, mit dem obersten Feind Gottes und der Menschen Gedanken auszutauschen? Zumal in ihrer Antwort deutlich wird, dass sie die Fakten nicht klar parat hat: Eva kennt das (bisher einzige!) Gebot Gottes nicht exakt, nur so ungefähr: »Von der Frucht der Bäume des Gartens essen wir; aber von der Frucht des Baumes, der in der Mitte des Gartens ist, hat Gott gesagt: Davon sollt ihr nicht essen und sie nicht anrühren, damit ihr nicht sterbt.« (1.Mose 3,2–4). Sie vergisst zwei entscheidende Wörter des göttlichen Segens- und Gebotsspruches: »nach Belieben« und »gewisslich«. Wenn Gott redet, ist „Danebenhören“ gefährlich. Denn mit dem ersten Wort betonte Gott den Überfluss und die freie Verfügbarkeit seines Segens, und mit dem zweiten Wort betonte Er die Ernsthaftigkeit der Sanktion/Strafe bei Übertretung. Gott schenkt im Überfluss, aber nur im von Ihm gesetzten Rahmen; wird dieser überschritten, ist absolut sicher mit den angekündigten Folgen zu rechnen. Und ob dieser »verbotene Baum« wirklich »in der Mitte des Gartens« stand, oder nun listig zum Zentrum der Diskussion gemacht wird, wissen wir nicht. – Evas Antwort schaltet jedenfalls für Satan das Signal auf »Grün«, um seine Verführung nun noch offener und noch direkter fortzusetzen.

Der fünfte Schritt ist ein offener Angriff der Schlange auf Gottes moralisches Wesen von Licht/Wahrheit und Liebe: »Ihr werdet durchaus nicht sterben, sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses.« (1.Mose 3,4-5). Mit frechem »durchaus nicht« wird Gottes Wahrheit geleugnet, mit dem Rest wird Gottes Liebe in Frage gestellt, werden Gott schlechte Motive unterstellt: »Gott enthält euch etwas Wunderbares vor. Habt den Mut, es euch einfach zu nehmen!«. Und wie bei fast jeder Verführung wird nicht nur durch offenes Reden Wesentliches verleugnet, sondern auch durch Umdeutungen und Verschweigen. »Sein wie Gott« ist dem Geschöpf prinzipiell unmöglich: Der Schöpfer wird immer höher als sein Geschöpf sein. Was geschöpfliche Realität des Menschseins war, ist das Gleichnishafte und Bildhafte des Menschen gegenüber Gott. Diese unter allen Geschöpfen einzigartige Wesenszuweisung befähigt den Menschen zum Gegenüber Gottes. Sie ist Befähigung zu größten göttlichen Segnungen, macht den Menschen aber nicht zu Gott. Niemals wird ein Mensch über den Weg eigener und autonom verschaffter Erkenntnis des Guten und Bösen so werden können »wie Gott«[1]. Die Schöpfungsordnung war eine klare: Gott setzte souverän das Gebot ein und legte die Strafe fest, der Mensch stand unter dem Gebot. Dies war unumkehrbar, offensichtlich und nicht in Frage zu stellen. Leider war diese Täuschung und Verführung des Menschen schon beim ersten Versuch im Garten Eden erfolgreich, und so verwendet Satan sie seitdem immer wieder – und mit großem Erfolg. Um sich selbst drehend und um sich selbst tanzend verbohrt und erniedrigt sich der narzistische und sich zum Gott erklärende Mensch in immer hoffnungslosere Tiefen der Gottesfinsternis.

Der sechste Schritt offenbart, dass der Biss der Schlange das Gift ihrer Lüge erfolgreich Eva injiziert hat. Die Verführung durchdringt lähmend die Schaltzentrale ihres Seins: ihren Geist, ihre Seele, ihr Herz. Man kann diesen inneren Prozess des selbstständigen Denkens, Empfindens und Bilden einer persönlichen Entscheidung am Wort »sah« und an den wertenden Wörtern »gut«, »eine Lust« sowie »begehrenswert« verfolgen. Wir müssen rückblickend feststellen, dass hiermit der »Sündenfall« bereits geschehen ist, denn jede Sünde beginnt im Denken und Begehren, im Herzen (der Persönlichkeitsmitte), sagt der Sohn Gottes (Matthäus 5,22.28; 15,19–20). Die Lust zur Sünde hat die Augen verblendet, die klare Linie, die Gott gezogen hatte, ist ausgeblendet. Das Übertreten (parabasis) ist bei Eva im Denken, im Herzen, im Zentrum also, getan, ihr Fallen im nächsten Schritt ist unausweichlich (Jakobus 1,15).

Der siebte Schritt: Nicht jeder Gedanke, nicht jedes Begehren, nicht jedes Entscheiden führt heute den Glaubenden zwingend auch zur bösen Tat, da Gottes Gnade oft zurückhält. Aber hier im Garten Eden beobachten wir, dass den sündigen Gedanken, Gefühlen, Bewertungen, Entscheidungen Evas – ihrem Übertreten im Herzen – nun auch konsequent die sündigen Taten folgen, und Eva andere (ja: alle anderen!) in die sündige Tat mit hineinzieht, hinein in den großen Fall (paraptōma). Rätselnd fragen wir: Hat hier beim ersten Paar nur Eine gedacht?! Waren da nicht Zwei?! Warum hört man von Adam nichts? Männer: Schweigen zur Unzeit kann große Schuld ermöglichen und zu größtem Übel führen.

»Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise und dass er eine Lust für die Augen und dass der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben; und sie nahm von seiner Frucht und , und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß.«

1. Mose/Genesis 3,6 (ELBCSV 2003)

Und so sehen wir, wie die Sünde »funktioniert«, und wie selbst das erste und beste Menschenpaar miteinander in die Sünde »fällt«. Wie sollen wir Gefallenen, mit jenem Sünderwesen bereits Geborenen, es je besser machen können? Das ist unmöglich.

Der reformierte deutsche Theologe Eduard Böhl (1836–1903) lieferte in seiner Dogmatik eine scharfsinnige Analyse des »Sündenfalls«:

»Der Mensch leiht sein Ohr dem Verführer; er weicht, angelockt durch die Worte des Satans und Gott misstrauend, aus der anfänglich guten, vom Gebot vorgezeichneten Richtung. Also zunächst sündigt der Mensch wider die Gebote der ersten Tafel. Nachdem die nunmehr haltlose Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde (vgl. Jak 1,14.15); der Bruch mit Gott vollzieht sich mit der bösen Tat, und der Übertretung der Gebote der zweiten Tafel ist Tür und Tor geöffnet. … Die Sünde ist also nach dieser Darstellung nicht anfänglich in der Selbstsucht und noch weniger in der concupiscentia, der sinnlichen Begierde, zu suchen! … Die Zweige tragen nicht die Wurzel, sondern die Wurzel trägt die Zweige. Erfassen wir die Sünde bei ihrer Wurzel, wie sie bei Adam erscheint, so müssen wir sagen: Sünde ist das Abweichen von dem lebendigen Gott und dessen Wort aus mutwilligem Ungehorsam und Mißtrauen gegen Gott. Soweit geht die negative Beschreibung. Die positive, das Vorige ergänzende Beschreibung lautet: Sünde ist die Übergabe des Menschen (Adams) an den Teufel, um dessen Willen zu tun, anstatt zu verharren bei dem Worte und Gebote, das aus Gottes Mund gegangen.«

Eduard Böhl, Dogmatik [Bonn/Hamburg, 2004]. S. 208–209.

Damit ist auch eine Antwort auf die Frage: Woher kommt die Sünde? Woher kommt das Böse? gegeben. Es ist keine Sache oder eine Person, die Ursache und Motiv des Bösen ist. Es ist vielmehr ein Mangel, ein Fehlen des Guten, welches unausweichbar ins Böse und in die Sünde führt. Wer Gott und Sein Wort aufgibt, erwirbt damit einen so schweren Mangel, dass das Fallen in Sünde mit Todesfolge unausweichlich ist. Dies ist in der Schrift gut beobachtbar: Zuerst bei Satan und später bei dem ersten Menschenpaar in deren aktiver Rebellion gegen die Ordnungen und Gebote des Schöpfer-Gottes. Wer das Licht verstößt, dem bleibt nur die Finsternis und die Leere des auf sich selbst geworfenen und damit vom Leben abgeschnittenen Geschöpfs.

Rettung aus der Finsternis der Verführung

Für Gott ist die Lage der Verführten und Gefallenen nicht hoffnungslos. Sein Wesen und sein Name ist ja »Retter-Gott« – Jesus. Daher gibt Er dem ersten Menschenpaar in 1.Mose 3,15 einen Hoffnungsfunken, der der erste Zeuge von der kommenden »Sonne der Gerechtigkeit« ist, die aufgehen wird »mit Heilung in ihren Flügeln« (Maleachi 3,20). Vor 2.000 Jahren kam dieser Heiland-Gott im menschgewordenen Sohn Jesus Christus auf unsere Erde, »um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, in der uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe, um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.« (Lukas 1,77-79). Und dieser dort begonnene Weg steht für jeden Glaubenden auch heute noch offen. Er führt den Glaubenden in lichte Höhen, die zu erfassen uns noch nicht völlig möglich ist (1.Korinther 2,9; Epheser 3,14–21).

Wo Gottes Licht und Leben in einem Menschen Raum greift, wird dieser hell und heil. Im Anschauen Gottes weichen alle Schatten und der Mensch hat seinen Lebensraum wieder da, wo Gott ihn segnen kann:

Denn bei dir ist der Quell des Lebens, in deinem Licht werden wir das Licht sehen.

Psalm 36,10 (ELBCSV 2003)

Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

Johannes 17,3 (ELBCSV 2003)

[Jesus Christus spricht:] Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben. … Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.

Johannes 8,12; 12,46 (ELBCSV 2003)

Vor dem Herrn …, um seine Wege zu bereiten, um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, in der uns besucht hat der Aufgang aus [der] Höhe, um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.

Lukas 1,76b-79 (ELBCSV 2003)

Denn der Gott, der sprach: Aus Finsternis leuchte Licht, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.

1.Korintherbrief 4,6 (ELBCSV 2003)

Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn.

Epheserbrief 5,8a (ELBCSV 2003)

Anerkennung. Auf die drei para-Wörter, und damit der auslösenden Idee dieser Kurzstudie, wurde ich in einem Gespräch mit dem Bibellehrer Dr. Benedikt Peters (Arbon, CH) aufmerksam gemacht.

[1] Anhang: Das Erkenntnisvermögen des Menschen

Die Philosophen haben um »objektive« Erkenntnis gerungen, indem sie versuchten, das Erkenntnis-Subjekt (den Erkenntnissuchenden) so weit wie möglich vom Erkenntnis-Objekt (dem Gegenstand des Erkennens) zu entfernen. Erkenntnisse sollten insofern allgemeingültig sein, als eine quasi-göttliche Perspektive eingenommen wird. Man bemüht sich also um eine Ort-Losigkeit und Beziehungslosigkeit des Erkenntnis-Subjekts. Alle individuellen Bezüge seien als »Vorurteil« zu vermeiden.

Biblische Erkenntnis geschieht beim Menschen jedoch weder autonom noch abstrakt, sondern stets in Beziehung zu Gott und dessen Wahrheitsbekundung (Offenbarung). »Objektive Erkenntnis« ist insofern nur dort möglich, wo sich das Erkenntnis-Subjekt nicht als Quelle, sondern als Empfänger der göttlichen Offenbarung (per def. Wahrheit) und als Teilhaber einer Beziehung zum Schöpfer versteht.

»Aus biblischer Sicht stellt sich gerade der philosophische Versuch, einen autonomen, unbedingten Standpunkt einzunehmen, als ›Sündenfall‹ schlechthin dar: Der Mensch tritt aus dem Umsorgt-Sein durch Gott, der für ihn bestimmt, was gut ist (1Mo 2,18), heraus. Er will sein wie Gott (3,5), d.h.: er will ›Gutes und Böses erkennen‹. Gemeint ist nicht eine Erweiterung der kognitiven Erkenntnisfähigkeit, sondern das Eintreten in eine Eigenmächtigkeit…, in der der einzelne Mensch sich selbst Gesetz ist, d.h. selbst bestimmt, womit er Umgang hat und womit nicht, was er tut und was nicht. Dieses Sich-Herauslösen aus der geschöpflichen Beziehung zu Gott und die Beanspruchung einer auto-nomen, göttlichen, unbedingten Position steht in schärfstem Kontrast zu der gemessen an bibl. Maßstäben allein möglichen Erkenntnishaltung.«

»Luther bestimmt den ›natürlichen‹ Menschen als ein auf sich selbst bezogenes Wesen (homo incurvatus in se…). Rein anthropologisch steht der Mensch damit immer in der Gefahr, die Welt nach seinen Begriffen zu ›erklären‹, sie aber nicht zu verstehen, sich seinen Reim auf sie zu machen, ohne ihr wirklich zu begegnen. … Aus geistlicher Sicht kann diesem Drang zu erkenntnistheoretischer Verabsolutierung letztlich wirkungsvoll nicht durch einen Pluralismus miteinander wetteifernder Erkenntnisansprüche begegnet werden, sondern nur durch die Wiedereingliederung des Menschen als Erkenntnis-Subjekt in die ihn allein bewahrende und tragende Relation zu Gott. Im Gegenüber zu Gott erfährt der Mensch die eigene Endlichkeit, wird er demütig und identifiziert die Verabsolutierung der eigenen Begriffe und Vorstellungen über Wirklichkeit als eine gegen Gott gerichtete Hybris

»Dem natürlichen Menschen ist freilich die Beziehung der Demut gegenüber Gott und der Offenheit gegenüber der Welt selbst nicht erreichbar. Bedingung der Möglichkeit eigener Welt- und Gotteserkenntnis ist darum die unser Erkennen freisetzende, uns zuvor erkennende und damit das Scheitern unserer erkenntnistheoretischen Autonomieansprüche aufdeckende Liebe Gottes (Gal 4,9; 1Kor 8,3).«

Aber damals freilich, als ihr Gott nicht kanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind; jetzt aber, da ihr Gott erkannt habt, vielmehr aber von Gott erkannt worden seid, wie wendet ihr euch wieder um zu den schwachen und armseligen Elementen, denen ihr wieder von neuem dienen wollt?

Galater 4,8-9 (Fettdruck hinzugefügt)

Wenn jemand meint, etwas erkannt zu haben, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll; wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt –

1.Korinther 8,2-3

Quelle: Die Gedanken und Zitate dieses Kapitels stammen von: H. Hempelmann, Erkennen, Erkenntnis, in: Das große Bibellexikon, 1. Taschenbuchauflage (Wuppertal, Gießen: Brockhaus, Brunnen, 1996), Sp. 490–491 (Bd. 2). Fett- und Farbdruck hinzugefügt.

Ohne Glauben aber…

Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen;
denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist
und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist.

Hebräerbrief 11,6

Du sagst: Es ist unmöglich.
Gott sagt: Alle Dinge sind möglich! (Lukas 18,27)

Du sagst: Ich bin zu müde.
Gott sagt: Ich will Dir Ruhe geben! (Matthäus 11,28–30)

Du sagst: Niemand mag mich.
Gott sagt: Ich liebe Dich! (Johannes 3,16; 13,34)

Du sagst: Ich kann nicht mehr.
Gott sagt: Meine Gnade genügt Dir! (2. Korinther 12,9; Psalm 91,15)

Du sagst: Ich komme hier nicht mehr raus.
Gott sagt: Ich werde Deine Schritte leiten! (Sprüche 3,5f)

Du sagst: Ich kann das nicht.
Gott sagt: Du kannst alles! (Philipper 4,13)

Du sagst: Ich bin dazu nicht fähig.
Gott sagt: Du bist sehr wohl dazu befähigt! (2. Korinther 9,8)

Du sagst: Es ist die Sache nicht wert.
Gott sagt: Sie ist es doch wert! (Römer 8,28)

Du sagst: Ich kann mir selbst nicht vergeben.
Gott sagt: Ich vergebe Dir! (1. Johannes 1,9; Römer 8,1)

Du sagst: Ich kriege es nicht geregelt.
Gott sagt: Ich werde mich um alle Deine Bedürfnisse kümmern! (Philipper 4,19)

Du sagst: Ich habe Angst.
Gott sagt: Ich habe Dir nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben! (2. Timotheus 1,7)

Du sagst: Ich fühle mich besorgt und frustriert.
Gott sagt: Wirf alle Deine Sorgen auf mich! (1. Petrus 5,7)

Du sagst: Ich habe nicht genug Glauben.
Gott sagt: Ich habe jedem sein Maß an Glauben gegeben! (Römer 12,3)

Du sagst: Ich verstehe nicht genug.
Gott sagt: Ich werde Dir Weisheit geben! (1. Korinther 1,30)

Du sagst: Ich fühle mich allein.
Gott sagt: Ich werde Dich niemals versäumen noch verlassen! (Hebräer 13,5)


Nach einem Artikel (o. V.) in: Bode von het Heil in Christus (Vaassen, NL), Jg. 143, Nr. 6/7 (Juni/Juli 2000).

Christliche Technik – Gibt es so etwas? (2001)

Ein Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Uwe A. Seidel in Böblingen am 17.3.2001[1]

Der Ausdruck »christliche Technik« erscheint manchem Zeitgenossen als Widerspruch. Kann Technik überhaupt christlich sein? Technologien sind doch wohl wertfrei, allenfalls ambivalent, können also gute und schlechte Werte tragen.

Begriffsklärung

Der Begriff der Technik ist jedem Ingenieur geläufig. In einer bekannten Richtlinie des VDI (RL 3780[2]) werden mit „Technik“ einerseits Geräte und Sachsysteme bezeichnet, andererseits auch das menschliche Handeln zum Entstehen solcher Sachsysteme und das Handeln unter Verwendung dieser Sachsysteme. Was aber könnte »christliche Technik« genannt werden? Vielleicht kann man darunter eine Technik verstehen, wenn

  1. die Planer, Gestalter und Erzeuger von Technik Christen sind,
  2. die Benutzer Christen sind, sie also für Christen betrieben wird,
  3. diese Technik mit christlichen Wertvorstellungen verträglich ist, oder
  4. die Technik christlichen Zielen dient.

Diese vier Definitionen fügen sich sinnvoll aneinander, wenn man »christliche Technik« teleologisch versteht, also vom Ziel oder Ende her, das erreicht werden will. Während also die Technik selbst noch kein Maßstab für Christlichkeit ist, ließe sich vom Ziel her, auf das eine Technik hinführt, entscheiden, ob sie christlich ist oder nicht. Zum Beispiel könnte jemand das Telefon verwenden, um üble Nachrede zu verbreiten oder aber, um seelsorgerliche Gespräche zu führen. Der technisch Handelnde muss gefragt werden: Welches Ziel verfolgst Du? Worauf sollte alles hinauslaufen? Darum lautet eine mögliche Definition, die wir hier als Arbeitsdefinition verwenden wollen:

Technik ist dann christlich, wenn ihr Einsatz christlichen Werten entspricht, christlich vertretbare Ziele anstrebt und Christen sie mit dieser Kenntnis entwerfen, gestalten und einsetzen.

Um urteilen zu können, benötigt man abgestufte Werte für gut und böse, wahr und unwahr. Woher kommen diese, wer setzt die Normen? Gott tut es. Er setzt als letzte Autorität Gebote und Verbote. Darüber hinaus verpackt er seine Aussagen meistens in Geschichte. Ein großer Teil der Bibel (ca. 40 %) ist Erzählung und Lebensbeschreibung – von einzelnen Menschen, von Völkern und ihrer Geschichte. Dabei sollten die Werte des Gesetzes Gottes (5. Mose 4f) von einer Generation zur anderen weitergegeben werden. Das Neue Testament beginnt mit vier Porträts, die zusammen die Lebensbeschreibung Jesu ergeben. Auch die Apostelgeschichte ist historisch und geistliche Erzählung der Ausbreitung des Christentums. Und dann kommen Lehrbriefe, die teilweise zwar recht abstrakt über Lehre und christliche Normen sprechen, aber auch wieder sehr persönliche Briefe sind, die in geschichtlich relevante Situationen sehr praktisch hineinsprechen. Im Folgenden sollen einige Bibeltexte zum Nachdenken über christliche Technik vorgelegt werden.

Das Ebenbild

Am Anfang beschreibt das erste Buch Mose, die »Genesis«, den Menschen als Geschöpf Gottes, hineingesetzt in eine Schöpfung. Diese Glaubensaussagen setzen Ereignisse voraus, die niemand beobachtet hat. Woher verstehen wir dann aber, dass Gott die Welt gemacht hat?

Erstens durch die Schöpfung selbst; an ihr sehen wir Gottes unendliche Kraft und Weisheit (Römer 1,20). Zweitensdurch den Glauben, dass Gott sprach und es dann da war (Hebräer 11,3). Das kann man weder naturwissenschaftlich durch Wiederholung im Versuch beweisen noch juristisch, etwa durch Zeugen. Aber es gibt manche Hinweise, nämlich Forschungsaussagen von Biologen und Paläontologen. Die Genesis erklärt also: Der Mensch ist zuerst einmal nicht selber Gott. Die Renaissance hat das Gegenteil behauptet. Sie redete den Menschen ein, sie könnten durch Ausnutzung der Technik Götter werden, nach dem Motto: »Es gibt keinen Gott außer dir – du musst zu dir selbst finden.« Davon muss ein christliches Weltbild Abstand nehmen.

Aber was ist dann der Mensch? Er ist »Ebenbild« Gottes und dessen Stellvertreter auf Erden. Der Ausdruck »zum Bilde Gottes und in seinem Gleichnis« (1. Mose 1,27) beinhaltet zwei Aspekte: eine gewisse Ähnlichkeit mit Gott und eine repräsentative Aufgabenstellung von ihm. So hat der Mensch moralische Ähnlichkeit mit Gott und weiß ausnahmslos von Gut und Böse. Er ist zudem ein vernunftbegabtes, kreatives Wesen. Forscher beobachten die Natur und versuchen zu verstehen, was Gott gemacht hat und wie es »funktioniert«, Ingenieure versuchen dies dann in technischen Systemen umzusetzen. Das ist besonders im Bereich der Bionik und Biotechnik beeindruckend belegt: Das Fliegen hat man sich von den Vögeln und Insekten abgeschaut. Von der Haifischhaut profitieren Flugzeuge, Skiflieger und Schwimmer, denn eine entsprechend rauhe Außenhaut besitzt geringe Reibungswiderstände als eine glatte Haut. Seit man erforschte, warum die Lotusblüten nie schmutzig werden, gibt es Fassaden, Bekleidungsstoffe und Werkzeuge, von denen Wasser oder Schmutz abperlt. So lernen die kleinen, kreatürlichen »Kreativen« von ihrem ganz großen Schöpfer.

Aber »Bild« meint auch Repräsentation. Wir vertreten Gott in seiner irdischen Schöpfung. So sind wir Menschen Verwalter, aber nicht Eigentümer der Dinge. Das heißt, wir sind in Verantwortung gesetzt. Dies begrenzt und orientiert unseren Umgang mit Gottes Gaben in Natur, Kultur und Technik. Damit, dass alle Menschen aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen und nicht durch blinden Zufall da sind, wird ihnen allen ohne Unterschied auch Würde zugesprochen. Alle Menschen sind von Würde und Wert, weil sie von Gott gewollt sind und nicht, wie Jacques Monod sagt, von den Göttern der Evolution, »Zufall und Notwendigkeit«, abstammen. Zusammen mit der göttlich verliehenen Würde als Bilder Gottes möchte Gott auch eine Beziehung zu uns aufbauen und durch Kommunikation pflegen. Er selbst möchte mit den Menschen kommunizieren und will, dass sie es miteinander tun. Deswegen hat er ihnen »Geist« und differenzierte Sprachfähigkeit gegeben, im Gegensatz zu Tieren.

Diese Erklärungen sind für die Praxis bedeutsam. Technologie, die die Gemeinschaft der Menschen oder ihre Kommunikationsfähigkeit untergräbt oder hindert, ist mit christlichen Werten unvereinbar. Technologie, die Menschen minderwertig macht und versklavt, darf nicht eingesetzt werden. Hier besteht eine riesige Herausforderung für Christen, nämlich mit den technischen Möglichkeiten richtig umzugehen, sowie die entsprechende Bildung zu fördern.

Der Kulturauftrag

Gott erteilte dem Menschen den sog. Kulturauftrag: »Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren« (1. Mose 2,15). Damit setzt Gott den Menschen in Verantwortung zu sich, dem Schöpfer. Der Mensch ist von der Natur und dem Mitmenschen abhängig; denn die Natur hat er sich nicht selbst gemacht, sondern er wird in diese göttliche Schöpfung hinein »gesetzt«. Adam kam hinzu, nachdem fünfeinhalb Tage lang schon einiges geschehen war, auf das er keinen Einfluss und von dem er nichts beobachtet hatte. Erst recht nicht war er Gottes Berater. Diesen kategorialen Unterschied zwischen dem Schöpfergott und allen geschaffenen Wesen und Dingen zu bedenken, wird schon Hiob aufgefordert: »Wo warst du, als ich die Erde gründete? Tu es kund, wenn du Einsicht besitzt!« (Hiob 38,4).

Die Grenze

Wir sind also in Vorgegebenes hineingeboren und darauf angewiesen. Dazu zählt auch, dass Gott den Menschen zur Gemeinschaft mit seinesgleichen verpflichtet, indem er Adam mit Eva verbindet. Auch ist der Mensch endlich, denn indem er in den Garten Eden gesetzt wird, sind ihm zugleich Grenzen gesetzt. Offensichtlich war Eden ein umzäunter Garten (Garten als intelligent gestaltete Natur), jedenfalls bestand eine deutliche Markierung. Diese trug geistig-moralische Bedeutung, nämlich sinngemäß: »Ich gebe dir Grenzen, um dir zu zeigen, dass du Verwalter bist, aber kein souveräner Herrscher. Denn der Schöpfer bin ich. Aber dich setze ich als mein Bild, meinen Repräsentanten, ein, um alles zu gestalten, zu verwalten und zu bewahren.«

Die Grenze zeigt Gott auch mit dem »du sollst…« und »du sollst nicht…« auf. Er erteilt Gebote. Fast 100 % aller Baumfrüchte durfte gegessen werden, nur von einem Baum sollte nicht gegessen werden. Dieser stand im Mittelpunkt des Gartens (1. Mose 3,3). Die Grenze war, richtig verstanden, nicht dazu da, um den Menschen zu ärgern, ihm Gottes Segen zu schmälern oder irgendwie Glück zu verhindern. Vielmehr sollte dem Menschen stets bewusst sein, dass über ihm der steht, der absolute Grenzen setzen kann. Das Misstrauen zu Gott als dem Grenzenzieher hat dann die Schlange gesät. Wir kennen den Ausgang der Geschichte. Sie ist unser aller Geschichte. Aber mit den Grenzen, die Gott gezogen hat, hat er einen Segensraum aufgerichtet. Wer diesen durch »Übertretung« verlässt, tritt ins Elend (Römer 5,14).

Wenn man mit diesem Wissen um die Gebote Gottes an das Thema »Christliche Technik« herangeht, sieht man, dass Gott uns durch diese Eingrenzung einen Entfaltungsraum gibt. Der Zeitgeist behauptet dagegen: »Du brauchst genau die Dinge, die Gott dir verbietet.« Doch im Glauben antworten wir: »Nein, wir brauchen sie nicht.« Denn durch die Gebote werden wir zu Menschen, die sich unter Gottes Segen entfalten können. In technologischen und anderen Bereichen gibt es viele verbotene Früchte. Jesus Christus hat viel von Sünde, Hölle und Verderben als von Realitäten gesprochen. Ein Christ lässt sich das sagen und macht auch andere Menschen darauf aufmerksam, dass etwas Schlimmes auf sie wartet. Dies zu tun ist etwas sehr Positives; denn wer andere nicht vor einer Gefahr warnt, macht sich schuldig. Wer über Gebote und Grenzen spricht, muss auch über Sünde und ewiges Gericht sprechen. Damit macht er klar, dass ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmter Umgang zur Belohnung oder Bestrafung führen, zum ultimativen Segen oder zum ewigen Fluch. Im Gegensatz zu Gott sind dem Menschen also Grenzen gesetzt, vor deren Übertretung Gott ernsthaft warnt.

Der Gescheiterte

Wer über den Zusammenhang von Technik und Christ spricht, muss auch über das Geschehnis des Sündenfalls reden. Der Mensch ist nicht mehr so gut, wie er aus Gottes Hand hervorgekommen ist. Nach meiner Überzeugung ist der Sündenfallbericht (1. Mose 3) genauso wie der Schöpfungsbericht historischer Fakt und kein Mythos. Er ist historisch und heilsgeschichtlich Wahrheit.

Was ist daraus zu lernen? Daraus ist vor allem zu lernen, dass menschliches Handeln misslingen kann, sowohl willentlich als auch versehentlich. Vielleicht lässt sich auch urteilen anhand von Ziel und Motivation. Doch immer besteht die Möglichkeit, dass auch ein Ingenieur mit bestem Willen handelt und trotzdem schuldig wird. Die Wirklichkeit des Bösen, die Erfahrung des Scheiterns und der Zerstörung von Beziehungen, ist genauso gegenwärtig wie bei Eva die Schlange. Vermutlich stand Adam neben Eva, und damit erhebt sich der Vorwurf: »Adam, warum warst du so still?« Sein Schweigen war verantwortungslos und verhängnisvoll, ebenso wie das vieler anderer Männer in entscheidenden Momenten der Weltgeschichte. Dazu ein Beispiel: Eine Frau namens Sarah sagt ihrem Mann: »Du, ich kann dir kein Kind gebären. Da du aber einen Erben brauchst, geh doch zu meiner Magd Hagar ein!« Darauf schweigt Abraham und tut es (1. Mose 16,2). Wer heute nach Nahost schaut, weiß, welche Folgen das Schweigen dieses Mannes hatte – die jahrtausendalte Fortsetzung des bitteren Bruderstreits zwischen Ismael und Isaak.

Seit dem Sündenfall lebt der Mensch mit der Erfahrung des Scheiterns und der (Ohn-) Macht des Zerstörerischen in seiner Hand. Er kann sich aus dieser verfahrenen Situation nicht selber herausziehen. Aber Gott hat Vorsorge getroffen, dass es weitergehen kann, was jedoch mit Schmerzen verbunden ist. Er legt dem Mann die Mühsal der Arbeit auf, den Schweiß, die Disteln und Dornen, und der Frau die Mühsal der Schwangerschaft und Geburt sowie den Versuch, den Mann zu kontrollieren (1. Mose 3,16), was entsprechende Beziehungsstörungen der Eheleute entstehen lässt. Auch bekleidet Gott das erste Menschenpaar mit Tierfellen, wofür einige unschuldige Tiere sterben mussten. Von daher will christliches Handeln kein romantisch verbrämtes Zurück in das Paradies und dieses mit menschlichen – gar technologischen – Mitteln erobern. Sondern der Christ weiß, dass der Weg in die Gemeinschaft mit Gott über einen sehr mühseligen und schmerzhaften Weg führt. Auch Gottes Wort an die Schlange drückt größten Schmerz aus: »Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen.« (1. Mose 3,15). Diese göttliche Verfügung der Hoffnung auf eine Welt ohne den Bösen und das Böse ist letztlich durch das Sterben von Jesus Christus Wirklichkeit geworden. Jetzt ist der Weg zur neuen Schöpfung frei. Christen wissen: Gott wird die heile Welt heraufführen. Jesus kündigt an: »Siehe, ich mache alles neu!« (Offenbarung 21,5).

Der Heilsbedürftige

Wir Menschen sind unfähig, eine heile Welt selbst zu realisieren, sondern sind darin vollständig auf Gott angewiesen. Wir stecken in großer Not und sind überaus heilsbedürftig. Darum können wir heilfroh sein, dass uns die frohe Botschaft eröffnet wird: Gott bietet Vergebung an. Wer zum Beispiel im beruflichen Umgang mit der Technik Fehler gemacht hat, kann darüber mit Gott sprechen. Gott gibt in seiner Liebe dem Erlösung suchenden Menschen Vergebung. Jedem, der es will, wird die Möglichkeit der Versöhnung zugesprochen. Wer diese annimmt, dem sichert Gott das Heil zu. Zwar soll nach gemachten Fehlern das Bestmögliche getan werden, um herauszukommen, aber Jesus Christus gibt das Einzige, was wirklich rettet. Er trägt nicht nur den Titel »Heiland« (d. i. »Retter«), sondern ist es wesenhaft. In ihm neigt sich Gottherzlich zu den Gefallenen herab. Das nennen wir »Erbarmen«, oder mit Martin Luther trefflich »Barmherzigkeit«.

An dem, der dieses Heilsangebot annimmt, arbeitet Gott heilsam und heiligend weiter. Ein Christ weiß, dass Gott sein gutes Werk in ihm angefangen hat und es auch vollenden wird (Philipper 1,6). Er weiß, dass Gott alles, was passiert, so verwendet, wie es »zum Guten mitwirkt« (Römer 8,28). Dieses Gute ist die Einprägung des Charakters Jesu im Christen, dergestalt, dass dieser dem Sohn Gottes »gleichförmig« wird. Einprägen ist mit Druck verbunden, ähnlich wie es des Druckes bedarf, wenn man auf einer Münze etwas einprägt. Wenn also Christen auch druckvolle Situationen erleben, ändert das nichts an der Sicherheit ihres Heils, sondern es soll ihr Wesen positiv, d. h. christusoffenbarend, verändern.

Die Ewigkeitsperspektive

Als Christ weiß ich also, wo ich ankommen werde. Wüsste ich dieses nicht, bliebe mir nichts übrig, als Technologie so einzusetzen, dass die Entwicklung irgendwie in Richtung Garten Eden zurückläuft. Dieser Weg zurück wurde aber vom Mensch verwirkt und von Gott versperrt. Wenn dieses begrenzte Erdenleben mein einziges Leben wäre, wäre es das einzige »Paradies«, das ich erleben würde. Es ist verständlich, wenn Menschen ohne Gott und Glauben in ihr Leben alles Mögliche hineinzustecken versuchen. Und so wachsen am stärksten eben die Vergnügungsanbieter und die Entertainment-Industrie. In diesen spielt Musik und Technologie eine große Rolle, um die seelische Leere der Gottesentfremdung irgendwie aufzufüllen. Das war ein beliebter Technologieeinsatz schon bei denen, die »vom Angesicht Gottes wegliefen« (s. 1. Mose 4,16.21.22). Auch heute finden Menschen ihre Idole (d. i. »Abgötter«) oft unter Musikern. Das Schöne beim Glauben an Jesus Christus ist also: In Heilssicherheit weiß ich, wohin es einmal gehen wird, und darum muss ich die Technik nicht dazu einsetzen, um mir ein ersehntes »Paradies« zu erringen. Denn der Glaube befreit von Sorge um mich selbst, so dass ich mich zukunftsorientiert dem Dienst für Gott und am Nächsten zuwenden kann. Auch so kann man einmal Technik beurteilen: Sie soll nicht mir dienen, sondern Verstärkungsfaktor sein, dass ich anderen besser dienen kann. Hat Jesus Christus im Gebot der Nächstenliebe nicht genau dieses verlangt?

Wenn der erlöste Mensch also Christus ähnlicher wird, geht er auch ethisch verantwortlicher mit den Dingen um. Denn Jesus Christus wäre mit unserer Technik nicht negativ umgegangen; in ihm will Gott uns ja den idealen Menschen zeigen. Wenn sich sein Wesen in uns ausprägt, wird auch unser Technikeinsatz christlicher. Und weil Gott die Zukunft eröffnet, erwartet der christliche Glaube die Vervollkommnung und damit auch den wirklich perfekten Technikeinsatz weder vom Menschen noch hier auf der Erde, sondern von Gott und in der von ihm geschaffenen Zukunft. Nun ist zwar jeder Ingenieur vom »Bazillus der Technik-Faszination« infiziert. Sonst würde keiner ein solches Studium beginnen. Trotzdem erwartet ein Ingenieur, der zuerst und vor allem Christ ist, das Vollkommene nur von Gott, nicht von Menschen, noch von Anwendungen der Technologie.

Christen wissen auch vom Leben nach dem Tod. Diese Glaubensaussage hilft zu verstehen, was menschliches Leben hier soll. »So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!« (Psalm 90,12). Wenn ich mein Leben vom Ende her beurteile, also mit Ewigkeitsperspektive (die mir nur die Offenbarung Gottes in der Bibel geben kann), dann gibt es in manchen Dingen einen anderen Wert, als es Politik, Zeitgeist oder Werbung zu vermitteln suchen. Auch brauche ich dann nicht jede Modeströmung mitzumachen, jede aktuelle Mode ist morgen sowieso schon wieder veraltet.

Von daher unterscheiden Christen zwischen einem »Schon jetzt« und einem »Noch nicht«. Durch den Glauben an Christus leben sie in diesem Spannungsfeld. Von dieser Ewigkeitsperspektive her kann ich zum Beispiel Erfüllungsaufschub ertragen, dass ich jetzt nicht alles erfüllt bekomme, wie ich es mir vorstelle. Durch das Wissen um die zukünftige Herrlichkeit kann ich auch etwas erleiden. »Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, nachdem ihr eine kurze Zeit gelitten habt, er selbst wird euch vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen« (1. Petrus 5,10). Dieses Leiden kann bezüglich des Glaubens geschehen, aber auch einfach darin bestehen, dass ich wie alle Menschen den Ereignissen dieser Welt ausgesetzt bin, den Katastrophen und Unfällen, den Wettereinflüssen oder Ernährungsbedingungen.

Ebenso kann die Entwicklung der Gentechnik, nachdem jetzt das menschliche Genom entschlüsselt worden ist, weiteres Leiden nach sich ziehen. Auch Christen werden vielleicht unter kommenden Verhältnissen leiden müssen. Aber sie können es, weil sie wissen: Es gibt ein »Schon jetzt«. Darin besteht die Sinnerfüllung.

Allerdings können Christen auch gerade an der Sinnerfüllungsfrage leiden, wenn etwas misslingt. Das Wissen jedoch, was am Ende der Tage durch Gott kommen wird, trägt hindurch.

Dass Christen mit diesem Ewigkeitsblick und Erfüllungsaufschub leben können, daran ändert sich nichts, wenn viele dieses nur als Ideologie bezeichnen. Der Glaube wird allerdings auf Belastbarkeit erprobt, wenn diese Fähigkeit, Spannung zu ertragen, von »geschäftstüchtigen« Arbeitgebern zum Eigennutz missbraucht wird. Es kann vorkommen, dass solch einer beschließt: Diesen Christen gebe ich weniger Lohn und mute ihnen trotzdem mehr Überstunden zu.

Die christliche Grundnorm

Christen erwarten von der »Technik« lediglich, dass das Menschenmögliche getan wird. Dadurch ist der Blick geschärft für manche Vertröstungen der Welt, die im Grunde nur Ausreden für Passivität sind. Wenn Gottes Auftrag an Menschen lautet, in der Welt, in die uns Gott gesetzt hat, als Techniker, Ingenieur oder Architekt zu arbeiten, dann erkennen Gläubige ihre Verantwortung. Sie sollen sich nicht zurückziehen und alle technischen Neuerungen bekämpfen, sollen sich weder passiv hinter Klostermauern zurückziehen noch aktiv in die falsche Richtung, also falsche Ziele verfolgend, arbeiten.

Christen können sich für Passivität in der Welt nicht entschuldigen. Sie sind befähigt, mit dieser noch nicht endgültigen Wirklichkeit umzugehen und im Glauben aktiv zu arbeiten, auch technisch, und nicht angesichts des Scheitern-Könnens zu verzweifeln.

Doch welches ist die Norm? Was lehrte Jesus? Für was steht er? Seine Zeitgenossen haben das zu erforschen versucht. Verschiedene religiöse und politische Gruppen haben Beauftragte zu Jesus gesandt und ihm Fragen gestellt, vorrangig Fangfragen. Entscheidend war die Frage nach der Maxime: »Welche oberste Norm soll unser Handeln kennzeichnen?« Jesus antwortete darauf: »Das erste [Gebot] ist: ›Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft‹« (Markus 12,29f). Das Wort »Herz« bezeichnet das Zentrum der Persönlichkeit, von dem aus alles andere gesteuert wird: die intellektuelle Fähigkeit, den Willen, die Liebesfähigkeit u. a. Alle Lebensmodi (o. Fakultäten des Lebens) hängen von der Grundeinstellung des Herzens ab: Ist das Herz klar, sind es auch die daraus folgenden Handlungen. Jesus sagte: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen«, also nicht oberflächlich, nicht rituell, nicht aufgesetzt oder manchmal, sondern stets mit allem. Gott ist nie oberflächlich, er geht stets gezielt zur Schaltzentrale, hinunter zur Wurzel (also radikal), greift immersiv zum »Herzen« des Menschen.

Was hat das mit Technik zu tun? Das Gebot, Gott zu lieben, hat Jesus Christus oft wiederholt, und darum sollte es auch für Christen die oberste ethische Norm sein. Darauf folgt das zweite Gebot, das der Liebe zum Nächsten: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Markus 12,31a). In beiden Geboten ist laut Jesus Christus der ganze Dekalog, das, was Gott vom Menschen will, zusammengefasst. Ich bezeichne dies als »christliche Grundnorm«. Die Christen haben sich immer daran orientiert. Aus dem Gebot der Nächstenliebe lässt sich Weiteres ableiten, zum Beispiel, dass die Bedürftigkeit meines Nächsten vor meiner eigenen Vorrang hat. Welch ein Anspruch!

Darüber hinaus zeigt Jesu Gebot der Feindesliebe, dass dem anderen zumindest ein Recht zusteht, anders zu sein. Dieses kleine Stückchen Liebe, den anderen anders sein zu lassen, auch wenn er eine ganz andere Kultur in unsere Gesellschaft bringt, sollten Christen zeigen.

Was das im verantwortlichen Umgang mit Technik zu bedeuten hat, ist nicht schwer zu folgern. Denn zum Teil leben wir davon, dass wir anderen bestimmte Techniken vorenthalten, so in der Kriegstechnologie und der zivilen Technologie. Auch ist logisch, dass Reiche die besseren Technologien besitzen. Ist nicht im Wirtschaftlichen überall das Geld entscheidend? Wer viel Geld hat (oder erzeugen kann), bekommt alles, wer wenig hat, kriegt nichts. Ist das alles mit dem Liebesgebot in Übereinstimmung zu bringen? Nur wenige Christen haben Gegenzeichen im Bereich der Wirtschaft und Gesellschaft gesetzt, etwa durch Streben nach Gerechtigkeit und Wohltätigkeit. Manche Unternehmer versuchen, die Verantwortung, die ihre Angestellten tragen, zu honorieren und zu fördern, indem sie sie zu Mitunternehmern machen, sei es durch organisierte Mitsprache oder indirekt durch Kapitalbeteiligungen. Es gibt einige interessante Modelle, wie man diese Grundnormen in kreativer Art umsetzen kann, Mitarbeiter zu führen sowie Nutzen und Risiko miteinander zu tragen.

Zusammenfassung

Fassen wir unsere Betrachtung in Form einiger Leitaussagen zusammen, über die man ins Gespräch kommen sollte:

  • Der Mensch wurde im Bild und Gleichnis Gottes erschaffen, hat mithin unveräußerliche Würde und Wert.
  • Der Mensch ist Mitmensch. Er darf mit jemandem in Beziehung treten, der genauso ein Recht auf Fehler und Schwachheiten wie er selbst hat. Er ist mit Begabungen, demselben Wert, aber auch mit denselben Schwachheiten versehen, er ist Sünder.
  • Der Mensch ist Teilhaber. Er muss darauf achten, dass die Teilhabe gerecht geschieht.
  • Christen können unterscheiden zwischen dem, was jetzt möglich ist, und dem, was erst unter der Herrschaft Jesu Christi möglich sein wird. Sie dürfen nicht das Recht des Relativen verachten, indem sie denen Schwierigkeiten machen, die keine perfekten Lösungen erreichen.
  • Christen akzeptieren, dass es verschiedene berechtigte Ansprüche gibt, dass manche ihr Leben eben anders leben, auch als Ingenieure. Christliche Technik fragt danach, was moralisch vertretbar ist oder nicht.
  • Dabei bindet sich der Christ an Gottes Wort, an die Lehre Jesu Christi. Dieser hat sich in verschiedenen Fragen der Lebensführung immer auf die Genesis bezogen. Er geht also immer auf die Ursprünge zurück, wo er als Schöpfer gehandelt hat.
  • Somit und letztlich ist Jesus das immer verpflichtende Vorbild für christliche Ethik, auch und gerade im Erschaffen, Gestalten, Einsetzen und Nutzen von Technik.

Christliche Technik – Gibt es so etwas?

Nein, an sich nicht. Schon eher von einer »christlichen Technikfolgenabschätzung«, einer Bewertung von Technik anhand christlicher Werte, Maximen und Normen. Es ist zu beurteilen, welche Werte und Ziele beim Erschaffen und Betreiben gesetzt werden und wirksam sind. Von »christlicher« Technik kann man nur reden, wenn sie wertverträglich mit christlichen Werten ist. Dazu bedarf es der Ausrichtung an dem, was Jesus Christus gesagt hat und in der Bibel schriftlich aufzeichnen ließ. Das wird auch den Blick für den Unterschied zwischen dem, was ist, und dem, was noch nicht ist, schärfen und die Geduld mit dem Unvollkommenen im anderen und in mir selbst fördern. Gelebtes Christsein macht genügsam beim Entzug und im Verzicht und geduldig im Leiden.

Jesus fordert im Blick auf die Ewigkeit auf: »Wenn aber dein rechtes Auge dir Anstoß gibt, so reiß es aus und wirf es von dir…« (Matthäus 5,29). Er rät in dieser Bildsprache also zu entschiedener Vorgehensweise: Weg mit dem, das dich auf deinem Weg zur Ewigkeit, zu Gott hin, hindert, selbst wenn es ein geliebter, faszinierender Technikeinsatz ist! Technik hingegen mit Ewigkeitsperspektive einzusetzen, mag an ein gutes Ziel führen. Ein Ingenieur oder Techniker, der Christ ist, muss sich immer fragen, ob er einmal vor Jesus stehend ähnlich dem Knecht des bekannten Gleichnisses (vgl. Matthäus 25,14–30; Lukas 19,16–27) sagen kann: »Herr, ich habe gehandelt, auch unter verstärkendem Einsatz der Technik, um das, was ich von dir bekommen habe, zu vermehren.« Er muss fragen, ob dann Jesus wohl antworten wird: »Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn!« und den Betreffenden dann in größere Verantwortung setzt. Die hier genannten Leitlinien können eine praktische Hilfe für die Realisierung verantwortlicher, »christlicher Technik« sein.


[1]     Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Uwe A. Seidel beim DCTB-Regionaltreffen in Böblingen am 17.3.2001. Verkürzte Wiedergabe (s. Das Fundamentum, Nr. 5/2001, DCTB e.V.), Überarbeitung vom Vortragenden autorisiert. – Angesichts der Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte (Big Data, automatisierte Überwachung und Predictive Profiling, AI, Transhumanismus, Homo deus etc. nebst Zivilreligion, Carbonkult u.a.) erweisen sich die hier skizzierten Überlegungen weiter als äußerst relevant.

[2]     o. V.: Technikbewertung – Begriffe und Grundlage (Technology assessment – Concepts and foundation), VDI 3780. Erscheinungsdatum 2000-09.

2024: Ein Jahr der Heiligung durch Gottes Wort

von Robb Brunansky, 3. Januar 2024

Das neue Jahr steht vor der Tür, und ich hoffe, dass wir uns für 2024 vorgenommen haben, uns in Gottes Wort zu vertiefen. In der gesamten Kirchengeschichte haben Christen, die der Heiligen Schrift mächtig waren, systematisch Jahr für Jahr in der Heiligen Schrift gelesen. Ein neues Jahr ist eine großartige Gelegenheit für einen Neuanfang, und deshalb sollten wir alle ermutigt werden, fleißig und diszipliniert in der Bibel zu lesen.

Zunächst sollten wir zwei falsche Beweggründe für das Lesen des Wortes Gottes bedenken. Wir dürfen die Bibel nicht einfach nur lesen, um Informationen anzuhäufen. Es gibt Millionen von unerweckten Menschen in Bibelstudien, Kirchen, Universitäten und Seminaren, die Gott nicht kennen und durch ihr Studium nicht im Geringsten verändert worden sind. Wir sollten die Bibel auch nicht einfach als eine weitere Aufgabe auf unserer täglichen Aufgabenliste lesen. 

Wenn wir über das Bibelstudium und das Bibellesen im Jahr 2024 nachdenken, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir zwar jeden Tag die Lektüre abhaken, aber keinen Nutzen aus unserer Zeit im Wort Gottes ziehen können. Deshalb müssen wir an die Bibel herangehen, nicht als ob wir etwas für Gott tun, indem wir sein Wort lesen, sondern als Menschen, die danach hungern, dass er etwas in uns tut. Das Ziel des Bibellesens ist Heiligung, Verwandlung und Wachstum in der Heiligkeit.

Die Worte Jesu in Johannes 17,17 helfen, diese Wahrheiten in unserem Bewusstsein zu festigen. Hier betete Jesus: »Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit«. Dies ist eine wunderbare Bitte, die Jesus an den Vater richtet. Er bittet den Vater, alle Gläubigen in der Wahrheit zu heiligen, welche er mit dem Wort Gottes gleichsetzt. Es gibt drei Dinge, über die wir nachdenken sollten, wenn wir diese Bitte unseres Herrn betrachten.

1  Zunächst sollten wir die Bedeutung der Heiligung betrachten

Auf der grundlegendsten Ebene bedeutet Heiligung, abgetrennt und heilig gemacht zu werden. Zum Beispiel sollte der Sabbat im Alten Testament heilig sein. Auch Menschen konnten heilig sein, wie wir in Jeremia 1,5 lesen: »Bevor ich dich im Mutterleib bildete, habe ich dich erkannt, und bevor du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt: Zum Propheten an die Nationen habe ich dich bestellt«. Das Wort »geheiligt« hat die Bedeutung von „abgesondert sein“. Jeremia war für den Dienst an Gott als Prophet für die Völker bestimmt und abgesondert, bevor er überhaupt geboren wurde. 

Die Bedeutung von Heiligung macht deutlich, dass es sich sowohl um eine feste Stellung als auch um einen fortschreitenden Prozess handelt. Man kann sagen, dass ein Mensch geheiligt ist, während er gleichzeitig noch geheiligt wird. Gott sondert Menschen für seinen eigenen Gebrauch aus und diese Menschen wachsen allmählich in ihrer Nützlichkeit für Gott, wenn sie lernen, seinen Charakter nachzuahmen, indem sie zeigen, dass sie Gott gehören. Sie tun dies durch den Glauben, der sich in einem durch Liebe motivierten Gehorsam ausdrückt. Wenn wir die Heilige Schrift studieren, stellen wir fest, dass Heiligung auf diese Weise beschrieben wird. 

Heiligung ist nicht etwas, das nur äußerlich ist, und ist auch nicht nur eine Veränderung unseres Verhaltens. Menschen, die nicht für Gott ausgesondert sind – Ungläubige – erfüllen die Begierden ihres alten Wesens und leben für ihre eigenen egoistischen Wünsche. Glaubende hingegen lassen ihr Leben nicht von denselben Begierden beherrschen. Sie kämpfen immer noch mit den ungöttlichen Begierden, die wir verleugnen sollen. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass im Glaubenden neue Begierden auftauchen und wachsen, nämlich Gott zu gefallen, den Willen Gottes zu tun, die Ehre unseres Herrn Jesus Christus zu suchen und zum Wohl anderer zu leben und die Gnade unseres Gottes zu verherrlichen.

2  Zweitens: Verstehen Sie den Prozess der Heiligung.

Heiligung ist Gottes gnädiges Wirken in unserem Leben. Keiner verdient es, von Gott geheiligt zu werden. Wir haben in uns selbst keinen Anspruch Gott gegenüber, mit dem wir zu ihm kommen und verlangen könnten, dass er uns heilige. 

Die Tatsache, dass die Heiligung ein Werk Gottes ist, wird im gesamten Neuen Testament hervorgehoben und allen drei Personen des dreieinigen Gottes zugeschrieben. In 1. Thessalonicher 5,23 heißt es: »Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde untadelig bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.« Die Heiligung wird in Epheser 5,26 auch Jesus Christus zugeschrieben, wo es heißt: »damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort«. Außerdem sehen wir in 2. Thessalonicher 2,13, dass der Heilige Geist uns heiligt. Paulus schreibt: »Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit«. Der dreieinige Gott ist bei unserer Heiligung am Werk. 

Das bedeutet nicht, dass wir bei unserer Heiligung rein passiv bleiben dürften. Die Heilige Schrift ist voll von Geboten, Gott zu gehorchen, uns zu reinigen, uns der Ungerechtigkeit zu enthalten, die Unzucht zu fliehen, gottlose Begierden zu verleugnen, der Gerechtigkeit und der Frömmigkeit nachzujagen. Uns wird gesagt, dass wir unser Heil mit Furcht und Zittern bewirken (o. hervorbringen; Philipper 2,13) sollen. Wir müssen jedoch immer daran denken, dass wir, selbst wenn wir uns mehr als alle anderen anstrengen und eine Heiligkeit erlangen, die alle anderen Sünder übertrifft, dies nur der Gnade und Macht Gottes in unserem Leben zu verdanken ist und nicht unserer Kraft, Macht oder Anstrengung. 

Wie heiligt Gott uns? Heiligung hat zwei Bedeutungen: die eine geschieht bei der Bekehrung und ist ein einmaliges Ereignis, die andere schreitet im Laufe unseres Lebens voran. Beide Aspekte der Heiligung geschehen durch die Wahrheit von Gottes Wort

Gott heiligt uns zunächst durch die Wahrheit seines Wortes, setzt uns für sich selbst zur Seite. Wir wissen, dass der Glaube durch das Hören der Verkündigung kommt und die Verkündigung durch das Wort Gottes (Römer 10,17). Oder wie Jakobus es ausdrückt: »Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien« (Jakobus 1,18). Petrus sagt dasselbe in 1. Petrus 1,23, wo er schreibt: »die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes«.

Die fortschreitende Heiligung geschieht auf dieselbe Weise wie unsere Bekehrung: durch Gottes Wort. Der Geist Gottes benutzt das Wort Gottes, um uns heiliger zu machen. Neben Johannes 17,17 steht eine der klarsten Aussagen in diesem Sinne in Apostelgeschichte 20,32, wo Paulus, als er die Ältesten von Ephesus zum letzten Mal verließ, sagte: »Apostelgeschichte 20:32 (ELB03) Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das vermag, aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten«. Paulus war sich sicher, dass die Epheser im Wort Gottes alles hatten, was sie brauchten, um den Wettlauf stark zu beenden.

Einige der beliebtesten Verse zu diesem Thema finden sich im Psalm 119, wo uns ein wunderbares Zeugnis für die Macht des Wortes Gottes bei der Heiligung gegeben wird. In Versen 104f sagt der Psalmist: »Aus deinen Vorschriften empfange ich Einsicht; darum hasse ich jeden Lügenpfad. Dein Wort ist Leuchte meinem Fuß und Licht für meinen Pfad.« Beachten Sie, dass der Mensch, der im Glauben zu Gottes Wort kommt, Verständnis für Wahrheit, Gerechtigkeit, Recht, Weisheit, Heiligkeit, Sünde und Errettung erlangt. Das Wort Gottes zieht uns zu sich, indem es uns die Wahrheit offenbart, und der Geist Gottes wirkt in unseren Herzen. Wir wollen keine Lügen, keine Philosophien der Welt und keine Ratschläge der Gottlosen; wir wollen nur die Wahrheit.

3  Schließlich müssen wir den Prozess der Heiligung anwenden. 

Wie lesen wir die Bibel so, dass Gottes Kraft uns durch sein Wort verwandelt? Fünf Hinweise:

Erstens: Wertschätzen Sie das Wort Gottes. Wenn wir durch Gottes Wort verändert werden wollen, müssen wir es lieben und uns daran erfreuen. Es ist ein Wunder, dass der ewige Gott uns überhaupt etwas offenbart, geschweige denn eine so vollständige und umfassende Offenbarung seiner selbst in seinem Wort gibt!

Zweitens: Lesen Sie Gottes Wort unter Gebet. Beim Lesen sollten wir in einem Geist des Gebets sein und den Heiligen Geist bitten, unsere Herzen zu prüfen, unsere Sünde aufzudecken und uns in unseren Entmutigungen und Nöten zu trösten. 

Drittens: Lesen Sie Gottes Wort im Glauben. Die Verheißungen Gottes gehören uns alle in Christus Jesus, so dass wir glauben, vertrauen und in seinen Worten ruhen können.

Viertens: Lesen Sie Gottes Wort in Demut. Wir können Gottes Wort nicht so verändern, dass es das sagt, was wir wollen. Vielmehr wir müssen das, was es sagt, ohne Rücksicht auf unsere eigenen vorgefassten Meinungen annehmen. 

Fünftens: Lesen Sie das Wort Gottes mit dem Wunsch, ihm zu gehorchen. Wir kommen nicht zum Wort, um bloß Informationen zu erhalten, sondern vielmehr, um verwandelt zu werden! Wir müssen das Wort Gottes mit dem Willen lesen, es zu befolgen. 

Wenn wir das Wort mit diesen Prinzipien im Hinterkopf lesen, wird Gott treu in uns wirken und uns durch sein Wort heiligen. Werden wir treu sein und jeden Tag demütig und treu zu Gottes Wort kommen, mit einem Herzen, das nach Heiligkeit verlangt? Ich bete, dass dies unser Herzenswunsch ist, während wir ein weiteres Jahr beginnen, das der Herr uns so gnädig geschenkt hat. 

Ein frohes neues Jahr!

Denn sowohl der, der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem ; um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen. (Hebräer 2,11 ELBCSV)

Quellen & Disclaimer

Text adaptiert von: Robb Brunansky: 2024: A Year of Sanctification Through God’s Word, thecripplegate.com, 3. Januar 2024 (https://thecripplegate.com/2024-a-year-of-sanctification-through-gods-word/; 03.01.2024); übersetzt von Grace@logikos.club.

Bild BiZkettE1 auf Freepik, adaptiert und modifiziert durch logikos.club.
#sanctify+[godly]fear+[new]year = #sanctifyear

Wer Dank opfert, der preiset mich (Andacht)

Wer Lob [o. Dank] opfert, verherrlicht mich,
und wer seinen Weg einrichtet,
ihn werde ich das Heil Gottes sehen lassen.

Psalm 50,23

Wenn wir als Kinder etwas geschenkt bekamen, wurden wir immer wieder von den Eltern gefragt: „Und wie sagt man?“ – Ja, und dann erwarteten sie, dass wir artig „Danke!“ sagten. Wenn wir etwas haben wollten, dann hieß es manchmal: „Und wie heißt das Zauberwort?“ Dann wussten wir, dass wir das entscheidende Wörtlein „Bitte!“ vergessen hatten. Bitten und Danken – das wollten uns unsere Eltern schon ganz früh beibringen. Dafür bin ich ihnen heute noch dankbar.

Manche Leute können nicht danken. Sie nehmen alles als selbstverständlich hin: Selbstverständlich sind sie zu beschenken und zu bedienen! Und so verarmen sie immer weiter. Wenn wir jemandem danken, dann realisieren wir, dass wir etwas empfangen haben, dass ein anderer uns etwas gegeben hat. Im Danken anerkennen wir, dass wir Empfangende sind und dass es einen Geber gibt, dem wir Dank schulden. Danken macht froh! 

Das hat auch die Psychologie entdeckt. Ein amerikanischer Forscher[1] bat Menschen in einer Studie darum, jeden Abend drei Dinge aufzuschreiben, für die sie dankbar sein konnten. Sechs Monate später waren diese Personen nachweislich fröhlicher und weniger gestresst und niedergeschlagen als die der Kontrollgruppe. Bibelleser wissen dies schon lange! Hoffentlich! Wenn wir im Abendgebet nicht mindestens drei Sachen anführen können, für die wir Gott dankbar sind, dann kranken wir. Dankbarkeit kann man erlernen.

Meine Eltern wussten aus Gottes Wort auch, dass Undankbarkeit Sünde gegen Gott ist. Im Römerbrief Kapitel 1 erklärt der Apostel Paulus, dass die Menschen im Gericht Gottes „ohne Entschuldigung [sind/seien], weil sie, Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten“ (1:20-21). Gott hat als Schöpfer jedem Menschen das Leben und viele weitere Zusatzgaben geschenkt, also höchste Gaben. Er hat zudem jedem Glaubenden als Retter die Errettung und ewiges Leben geschenkt. Das ist unfassbar viel und wertvoll.

Gegenüber diesem Gott je undankbar zu sein, kann sich kein Glaubender und keine Gemeinde Gottes denken oder erlauben, denn sie kennen die Gabe(n) Gottes! Schon vor über 3.000 Jahren rief der Levit Asaph, ein Chorleiter unter David (1. Chronik 15,17ff; 16,7–36), das Volk Gottes auf, Gott Lob und Dank zu bringen. Er erklärt ihnen, dass sie Gott mit all ihren Opfertieren nicht reicher machen könnten, weil Gott sowieso „alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen“ (Psalm 50,10) gehört. Dann ruft er ihnen zu: „Opfere Gott Lob!“ (Psalm 50,14). Im Schlussvers dieses Psalms erklärt er, warum. Da steht: „Wer Lob opfert, verherrlicht mich“ (50,23a). Das ist das Thema dieser Besinnung.

Gemeinsam Dank opfern in der christlichen Gemeinde

Der Schreiber des Hebräerbriefes fordert 1.000 Jahre nach dem Chorleiter Asaph die Christusglaubenden auf: „Durch ihn [das ist Christus, s. V. 12] nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“ (Hebräer 13,15). Eine gesunde, vom Geist Gottes bewegte Gemeinde ist davon gekennzeichnet, dass sie beständig („stets“) Gott Lob- und Dankopfer bringt, Ihn also durch ihr gemeinsames Gebet und Lied erhebt und verherrlichtEs möge keine Woche vergehen, ohne dass die Gemeinde sich versammelt zum Namen Jesu und durch Jesus Gott Opfer des Lobes darbringt. Und genau das wollen Glaubende als reich Beschenkte doch! Wir brennen darauf, miteinander Gott zu erheben im Lied und Gebet. Unser Herz ist voller Dankbarkeit. Und so erheben wir den Herrn miteinander. Und gehen nach dem Gottesdienst beglückt hinaus, weil unsere Seelen im Lob Gottes fröhlich geworden sind.

Gerettetsein macht dankbar

Asaph schrieb im Psalm 50 in genialer Kürze und Trefflichkeit auf, wie wir zu Anbetern Gottes wurden, siehe Vers 15: „Rufe mich an am Tag der Bedrängnis: Ich will dich erretten, und du wirst mich verherrlichen!“ Drei Dinge sind es, die er hier sagt: (1) Du erkennst, dass Du in einer großen Not, einem „Tag der Bedrängnis“, steckst. Du wendest Dich im Glauben an Gott und rufst zu Ihm in der Not. Das ist das Beste, was Du tun kannst. Und dann folgt (2): Gott sagt: „Ich will dich erretten!“ Er will es! Glaubst Du dies? Ja, wir werden aus manch großer Not gerettet, vor allem aus der größten Not des Menschen: dass Gottes Zorn wegen unserer Sünden über uns schwebt und das ewige Verderben auf uns wartet. Viele von uns haben daher zum Herrn gerufen und Er hat uns gerettet. Aber wie sieht es dann mit dem Punkt (3) aus: „Und du wirst mich verherrlichen“?

Das ist das Ziel aller Bedrängnisse, die wir hier auf Erden erleben: Wir sollen unsere Not erkennen, zugeben und Gott um Rettung anrufen – und dann nicht stehenbleiben, sondern im Glauben Gott aus ganzem Herzen danken und Ihn im Lob erheben.

Wer weiß, von was er gerettet wurde, kann nicht anders, als den Retter anzubeten

Vor ca. 300 Jahren (1726) schrieb Johann Sebastian Bach eine Kirchenmusik für den 14. Sonntag nach Trinitatis (22.09.1726), und zwar die Kantate „Wer Dank opfert, der preist mich“ (BWV 17). Zur Lesung an jenem Sonntag im Kirchenjahr gehörte die Begebenheit in Lukas 17,11–19, die Heilung der 10 Aussätzigen. Der Herr Jesus hatte alle 10 geheilt, aber nur einer war zurückgekommen:

Einer aber von ihnen, als er sah, dass er geheilt war, kehrte zurück und verherrlichte Gott mit lauter Stimme; und er fiel aufs Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm; und er war ein Samariter. 
Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn gereinigt worden? Wo sind aber die neun? Sind keine gefunden worden, die zurückkehrten, um Gott Ehre zu geben, außer diesem Fremden? Und er sprach zu ihm: Steh auf und geh hin; dein Glaube hat dich gerettet.“ (Lukas 17,15-19). 

Diese 10 Männer hatten alle Aussatz, vielleicht Lepra. Aussatz ist eine schlimme Krankheit. Aussätzige waren gesellschaftsunfähigin beständiger Quarantäne, da ihre Krankheit ansteckend und tödlich war, ihr Leib verfaulte nach und nach, der Tod kam in Raten, aber er kam sicher. Sie mussten „Unrein, unrein!“ ausrufen, wenn andere Menschen ihnen begegneten, damit diese einen großen Bogen um sie machen konnten. „Social distancing“ gab es auch damals schon! Es gab keine Medizin dagegen. Ihr Fall war hoffnungslos

Aber dann kam der Herr Jesus und heilte die Zehn. Von dieser Seuche geheilt zu werden, war das größte Glück. Aber nur einer kommt zurück. Warum nur einer? Und dann auch noch ein von den Juden verachteter Samaritaner? Vers 19 deutet es an: Er hatte Glauben. Es ging nämlich nicht nur um diese schreckliche äußerliche Krankheit, es ging um die viel schrecklichere innere Krankheit jedes Menschen: die Sünde. Auch die macht gesellschaftsunfähig, ist ansteckend und bringt uns Stück um Stück unausweichlich in den ewigen Tod.

Der Herr Jesus reinigte diese 10 Aussätzigen und so wurden sie geheilt. Einer von Ihnen geht zum Retter zurück. Wir lesen: Er „verherrlichte Gott mit lauter Stimme“, „er fiel aufs Angesicht zu seinen [Jesu] Füßen und dankte ihm“. Der Herr Jesus sagt, was das bedeutete: Er hatte Gott Ehre gegeben, Ihn auf den Knien verehrt, d. h.: angebetet. Ein von der Sünde Geretteter kann gar nicht anders, als vor seinem Retter auf die Knie zu fallen und ihm Lobpreis, Dank und Anbetung zu bringen. Es ist unsere ewige Pflicht und unserer äußerstes Vergnügen, dies als Glaubende und Gerettete miteinander tun zu dürfen!

Im zweiten Teil der erwähnten Bachschen Kantate für den gemeinsamen Gottesdienst singt der Tenor von allen Streichern unterstützt eine dreiteilige Aria mit folgendem Text:

Welch Übermaß der Güte / Schenkst du mir!
Doch was gibt mein Gemüte / Dir dafür?
Herr, ich weiß sonst nichts zu bringen, 
Als dir Dank und Lob zu singen.

Nie soll der Dank, das Lob und die Verherrlichung Gottes in den Häusern und Versammlungsstätten der an Christus Glaubenden verarmen oder verstummen! Nie soll er an zweite oder dritte Stelle zurückgedrängt werden! Lasst uns mit frisch gereinigten und wohl gestimmten Herzen miteinander Gott dieses Opfer unserer Lippen geben, das Er verdient hat (Hebräer 13,15; vgl. Hosea 14,(2)3; Psalm 107,1.8.15.21f.31f; 116,17).

Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen,
das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. (Hebräer 13,15)

Ihm danken wir, Ihn erheben wir! Mit Blick auf den Herrn Jesus, unseren großen Herrn und Retter, lasst uns miteinander wie Paulus beten:

Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe! (2. Korinther 9,15).

Das muss man besingen!

Ach, wer kann Dich würdig loben,
Großer Gott von Ewigkeit!
Was auf Erden und was droben,
Zeugt von Deiner Gütigkeit.
Du, Du bist des Lobes wert;
Selig, wer Dich preist und ehrt!

Wer kann Deine Lieb‘ ergründen,
Deine Gnade, Deine Huld!
Gabst den Sohn für unsre Sünden,
Sprachst uns frei von aller Schuld.
Du, Du bist des Lobes wert;
Selig, wer Dich preist und ehrt!

Wer kann Deine Größe nennen
Und Dein Wundertun verstehn!
Wer kann, wie Du bist, Dich kennen
Und in Deine Tiefen sehn!
Ja, Du bist des Lobes wert;
Selig, wer Dich preist und ehrt!

(Autor unbekannt)


[1] Martin E. P. Seligman (*1942) lehrt an der University of Pennsylvania, Philadelphia. Seine Forschungsschwerpunkte sind Depression, Optimismus, Positive Psychologie. Vgl. auch: Harvard Health Publishing (Harvard Medical School): Giving thanks can make you happier (14. August 2021) [20.12.0223].

Schlafen und Leben | Eine kurze Besinnung zur Theologie des Schlafens

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, müssen alle Lebewesen schlafen. Manchen sieht man es nicht an: Fische schließen im Schlaf keine Augenlider, Zugvögel fliegen im Schlaf weiter: Mauersegler ununterbrochen bis 300 Tage, in denen sie jedoch wiederholt zehnsekundige Tiefschlafphasen durchlaufen. Delfine, Enten und Flamingos „schlafen“ nur mit einer Gehirnhälfte, die andere bleibt währenddessen wach. Andere Tiere hingegen scheinen immer zu schlafen: Der Koala schläft bis zu 22 Stunden pro Tag, das ist mehr als doppelt so viel, wie das sprichwörtliche Faultier im Urwald. Konkurrenz als Schlafweltmeister bietet der Siebenschläfer, der große Teile des Herbstes, den Winter und sogar den Frühling verschläft.

Wir Menschen brauchen unverzichtbar und in der Regel täglich Schlaf: Rund ein Drittel unserer Lebenszeit schlafen wir. Tun wir das eine Weile nicht, geschehen seltsame Dinge in unserem Körper, unserer Seele, unserem Geist – üble, gefährliche, krankmachende Dinge. Schlafentzug ist unmenschlich, ist Misshandlung und wird tatsächlich als Teil von Folter- und Brain Washing-Methoden (Mind Control, Mentizid, psychologische Manipulation) angewandt. Aber auch in der Burn-Out-Kultur der Erfolgssüchtigen und Gestressten führt dies immer wieder zu entsprechenden tragischen Folgen. (Dass man es aus Faulheit mit dem Schlafen und Schlummern auch übertreiben kann, soll hier nicht vertieft werden; siehe dazu Sprüche Salomons 6,6–11; 10,4–5; 23,19–21; 24,32-34.)

Ausreichender Schlaf gehört also zum gesunden Menschsein, wie Essen und Trinken, Arbeiten und Bewegen. Der Körper fährt im Schlaf hormongesteuert (und dies wiederum naturlichtgesteuert) Reparaturarbeiten, Erregerbekämpfung und Energiespeicherung hoch, damit in der folgenden Wach- und Aktivzeit wieder genügend Kraft, Motivation und Energie vorhanden sind. Vereinfacht gesagt kann man beobachten: Wer zu wenig schläft, begeht mehr Unfälle, fällt häufiger falsche Entscheidungen (daher: „Erst einmal drüber schlafen!“), bekommt eher Infektionen und sogar Krebs. Präsident Bill Clinton sagte einmal, dass jeder größere Fehler, den er machte, mit Schlafmangel einherging. Das sollte uns ausreichend warnen und zum Nachdenken bringen.

Schlaf und Glaube

Unser regelmäßig wiederkehrendes Schlafbegehren erinnert uns daran, dass wir begrenzte Kräfte haben – im Körper, in der Seele, im Geist. Es erinnert uns täglich, dass wir Geschöpfe sind, begrenzte Wesen – und nicht Gott. So zu tun, zu leben oder anzustreben, als brauche man (fast) keinen Schlaf, ist damit ein weiterer zum Scheitern verdammter Versuch der Selbstvergottung, »zu sein wie Gott« (vgl. 1Mose 3,5). Denn der Schöpfer-Gott hat nie Bedarf für Schlummer oder Schlaf, er ist nie müde, er ermüdet niemals, er lebt aus sich selbst, versehen mit unbegrenzter Kraft und unerschöpflicher Energie:

Weißt du es nicht? Oder hast du es nicht gehört? Ein ewiger Gott ist Jahwe, der Schöpfer der Enden der Erde; er ermüdet nicht und ermattet nicht, unergründlich ist sein Verstand. (Jesaja 40,28)

Daher darf der Glaubende sich mit Ruhe und Entspanntheit niederlegen, seine Augen schließen und alle (noch) ungelösten Probleme an Den abgeben, der sowieso beständig über ihm wacht:

Siehe, der Hüter Israels, er schlummert nicht und schläft nicht. (Psalm 121,4)

Der Glaubende hat eine einfache, biblische, praktisch wirksame »Theologie des Schlafens«:

Ich legte mich nieder und schlief. Ich erwachte, denn Jahwe stützt mich. (Psalm 3,6)

In Frieden werde ich sowohl mich niederlegen als auch schlafen; 
denn du, Jahwe, allein lässt mich in Sicherheit wohnen. (Psalm 4,9)

Bei allem Fleiß am Tag, aller Arbeit und allem Mühen, weiß der Glaubende, dass Arbeit nicht alles ist, dass Erfolg mit Abmühen nicht beliebig vermehrbar ist, sondern dass es vielmehr um den Segen des Herrn geht:

Vergeblich ist es für euch, dass ihr früh aufsteht, spät aufbleibt, das Brot der Mühsal esst; so gibt er seinem Geliebten im Schlaf. (Psalm 127,2)

Schlaf und Zweifel

Besonders gefährliche Wirkungen erzeugt Schlafmangel in unserem Denken, Fühlen und Glauben. In einem Kapitel über Zweifel (dort speziell an der Auferstehung Jesu, Johannes 20,24–31) nennt D. A. Carson mehrere Ursachen für Zweifel. Als fünfte Ursache nennt er Schlafentzug:

»Zweifel können auch durch Schlafentzug begünstigt werden. Wer beständig mit seiner Gesundheit Raubbau betreibt, verfällt früher oder später immer mehr in Zynismus – und die Grenze zwischen Zynismus und Zweifel ist sehr schmal. Natürlich benötigt jeder Mensch eine unterschiedliche Menge Schlaf. Manche kommen mit ein wenig Müdigkeit besser zurecht als andere. Wenn Sie jedoch zu den Menschen gehören, die bei Schlafmangel böse, zynisch oder sogar voller Zweifel werden, dann sind Sie moralisch verpflichtet, sich um den nötigen Schlaf zu bemühen. Wir sind ganzheitliche, komplizierte Wesen: Unser körperlicher Zustand ist an unser geistliches Wohlbefinden, an unsere geistige Einstellung, an unsere Beziehungen zu anderen, einschließlich unserer Beziehung zu Gott, gebunden. Manchmal ist das Gottseligste, was man überhaupt tun kann, gut zu schlafen – nicht, um die ganze Nacht zu beten, sondern um zu schlafen. Ich bestreite bestimmt nicht, dass es Gelegenheiten gibt, wo man eine Nacht hindurch betet. Ich möchte nur betonen, dass es zu den guten geistlichen Disziplinen gehört, seinem Körper jene Menge Schlaf zu geben, die er braucht.«

D. A. Carson, Scandalous: The Cross and Resurrection of Jesus (Wheaton, IL: Crossway, 2010), S. 147. (eig. Übers. von grace@logikos.club, 2023; Fettdruck hinzugefügt)

Jeder Mensch braucht für seine ganzheitliche Gesundheit von Körper, Seele und Geist genügend Schlaf – und er braucht diesen offenbar auch für ein gesundes Glaubensleben. Schlafen ist daher (wie bei so vielen Dingen des Glaubens) zugleich moralische Pflicht und süßes Gnadengeschenk Gottes.

Daher, um Gottes Willen: Schlafen Sie gut!

Christus, das Licht der Welt

Bibelarbeit zur Motivation und Förderung der Anbetung und Evangelisation. Advent 2010.

Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis 
wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben
.

Johannes-Evangelium 8,12

Die Situation aller Menschen von Geburt an

  • Wir leben in einer dunklen Welt, verfinstert durch den langen Schatten und die Nacht der Sünde. 
  • Aber die Finsternis in unserer Welt ist nicht nur extern, sondern intern: der Mensch ohne Christus ist geistlich blind, eine große Finsternis erfüllt seine Leere, und seine Taten sind „unfruchtbare Werke der Finsternis“ (Epheser 5,11).
  • Die Bibel beschreibt Sünder als solche, „die da verlassen die geraden Pfade, um auf finsteren Wegen zu gehen“ (Sprüche 2,13). Entsprechend ist „der Weg der Gottlosen wie das Dunkel; sie erkennen nicht, worüber sie stürzen“ (Sprüche 4,19), „der Tor geht in der Finsternis“ (Prediger 2,14). „Wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an.“ (Johannes 12,35). 
  • Für diesen Weg sind sie nicht zu entschuldigen, „weil sie Gott kannten, ihn aber weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Überlegungen in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde“ (Römer 1,21). Sie sind „verfinstert am Verstand, fremd dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verstockung ihres Herzens“ (Epheser 4,18). 

Christus, das Licht der Welt, kommt in unsere Dunkelheit

  • In diese von der Sünde verfinsterte und geistlich tote Welt kommt Jesus Christus als „das Licht der Menschen“ (Johannes 1,4) und „scheint in der Finsternis“ (Johannes 1,5). Er ist „das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet [in das Licht stellt]“ (Johannes 1,9). 
  • Schon als neugeborenes Kind wird Er von Simeon als „ein Licht zur Offenbarung für die Nationen und zur Herrlichkeit deines Volkes Israel“ (Lukas 2,32) bezeichnet.
  • Matthäus beschreibt später Christi Dienst in der Gegend von Galiläa so: „damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet worden ist, der sagt:»Land Sebulon und Land Naftali, gegen den See hin, jenseits des Jordan, Galiläa der Nationen: Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die im Land und Schatten des Todes saßen, ist Licht aufgegangen.«“ (Matthäus 4,14–16).
  • Christus ist das Licht der Welt; das sagte Er (Sein Wort) selbst mehrfach.
    • „Ich bin das Licht der Welt.“ (Johannes 8,12)
    • „Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist.“ (Johannes 3,19)
    • „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“ (Johannes 9,5)
    • „Er wurde vor ihnen umgestaltet. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht“ (Matthäus 17,2)
    • „Da sprach Jesus zu ihnen: Noch eine kleine Zeit ist das Licht unter euch. Wandelt, während ihr das Licht habt, damit nicht Finsternis euch ergreife! Und wer in der Finsternis wandelt, weiß nicht, wohin er geht. Während ihr das Licht habt, glaubt an das Licht, damit ihr Söhne des Lichtes werdet!“ (Johannes 12,35–36)
    • „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe“ (Johannes 12,46)
  • Als das Licht der Welt erweist sich Jesus Christus als der wahre Gott: „Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist.“ (1Johannes 1,5).
  • Weil die Auserwählten ausnahmslos in der Finsternis gebunden waren, musste Christus dorthin gehen, um sie herauszuretten. Wie ein wehrloses, stummes Lamm (Jesaja 53,3–7) erlebte er die finstere Gewalt der religiösen, bösen Menschen: „dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis“ (Lukas 22,53). Aber viel schlimmer als die Bosheit des Menschen: Christus hing am Kreuz vor Gott mit den Sünden aller Gläubigen beladen (1Petrus 2,24) und erlitt als ihr Stellvertreter die Finsternis des Gottesgerichts und die Gottesferne der Strafe, die diese verdient hatten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,45–46). „Der Ewige lies ihn treffen unser aller Schuld“ (Jesaja 53,6). Jesus Christus war in der Finsternis, damit die Erlösten ins Licht können: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.“ (2Korinther 5,21). 
  • Christus musste nach den Voraussagen der AT-lichen Propheten und Moses leiden, aber sollte nach dem Todesleiden auch wieder auferstehen, um „als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen, sowohl dem Volk als auch den Nationen“ (Apostelgeschichte 26,23)

Die Reaktion und Zukunft derer, die verloren gehen

  • Man würde erwarten, dass jeder der blinden, verfinsterten Menschen, die hoffnungslos in der Finsternis sitzen, zu Jesus Christus, dem Licht der Welt, kommt und um Wegnahme von Finsternis und Blindheit bittet. Es ist aber nicht so, und das hat einen Grund: „Die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden“ (Johannes 3,19).
  • Die Ungläubigen lehnen den allein wahren Gott, der allein das Licht ist und geben kann, ab. Was bleibt dann als Alternative? Die Blindheit und Finsternis und der Träger derselben, Satan! Sie sind solche, „bei denen der Gott dieser Welt  [=Satan] den Sinn verblendet hat, damit sie den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist, nicht sehen.“ (2Korinther 4,4). 
  • Wer meint, seinen Weg alleine und selbstgerecht gehen zu können, weiß nicht, dass Satan und das Heer seiner abgefallenen Engel „Gewalten [sind], … Mächte, … Weltbeherrscher dieser Finsternis, … geistige Mächte der Bosheit in der Himmelswelt“ (Epheser 6,12 ). Gegen sie kann der Mensch nicht bestehen ohne Gottes Schutz. Viele wollen das gar nicht.
  • Als „Vater der Lüge“ und „Menschenmörder“ lockt Satan suchende Menschen vom wahren Licht weg in sein Irrlicht. Dazu bedient er sich vieler Verführer, die als religiöse, fromme Menschen, als Gesandte der Kirche, auftreten: „Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die die Gestalt von Aposteln Christi annehmen. Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an; es ist daher nichts Großes, wenn auch seine Diener die Gestalt von Dienern der Gerechtigkeitannehmen; und ihr Ende wird ihren Werken entsprechen.“ (2Korinther 11,13–15) Wer Gott als Retter ablehnt, wer Gottes Licht im Evangelium verwirft, dem bleibt nur das Irrlicht, der Irrglaube und dann das Gericht.
  • „Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren für den Tag des Gerichts, wenn sie bestraft werden.“ „Ihnen ist das Dunkel der Finsternis aufbewahrt.“ (2Petrus 2,9.17). Sie „werden hinausgeworfen werden in die äußere Finsternis: da wird das Weinen und das Zähneknirschen sein“ (Matthäus 8,12; vgl. Matthäus 22,13; 25,30).Wer kann solchen Schrecken wollen?
  • Dieses „Dunkel der Finsternis“ ist ihnen „in Ewigkeit aufbewahrt“ (Judas 13), ohne Ende, ohne Erlösung, ohne Licht. „Und die Stimme der Harfensänger und Musiker und Flötenspieler und Trompeter wird nie mehr in dir gehört und nie mehr ein Künstler irgendeiner Kunst in dir gefunden und das Geräusch des Mühlsteins nie mehr in dir gehört werden, und das Licht einer Lampe wird nie mehr in dir scheinen und die Stimme von Bräutigam und Braut nie mehr in dir gehört werden…“ (Offenbarung 18,22–23)

Das Werk Gottes an denen, die errettet werden

  • Gott sandte das Evangelium durch seinen Sohn, „durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium“ (2Timotheus 1,10).
  • Gott sendet auch heute noch Prediger des Evangeliums zu allen Menschen, um „ihre Augen zu öffnen, dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Macht des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an [Gott] geheiligt sind“ (Apostelgeschichte 26,18). Sie sehen das wahre Licht durch Gottes Wirken in Jesus Christus: „Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis wird Licht leuchten! er <ist es>, der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.“ (2Korinther 4,6).
  • Gott ist es, der „uns errettet hat aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe“ (Kolosser 1,13). Durch Gottes Handeln wird wahr, dass die Gläubigen „Söhne des Lichtes und Söhne des Tages“ sind, „wir gehören nicht [länger mehr] der Nacht und nicht der Finsternis“ (1Thessalonicher 5,5), sondern zur Familie des „Vaters der Lichter“ (Jakobus 1,17). Durch Gottes Ruf sind die Gläubigen „ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat“ (1Petrus 2,9).
  • Diese gläubig gewordenen Menschen kennen nicht nur ein erschreckendes Einst, sondern in Jesus auch ein ganz anderes, beglückendes Jetzt: „Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn.“ (Epheser 5,8).
  • Solche Gläubigen wandeln „als Kinder des Lichts– denn die Frucht des Lichts besteht in lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“ indem sie „prüfen, was dem Herrn wohlgefällig ist.“ (Epheser 5,9–10). Sein Wille wird oberstes Ziel und Gebot.
  • Solche Gläubigen wandeln in einer Gemeinschaft mit den anderen Kindern Gottes, in der Sünde keine dominante Rolle mehr spielt: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde.“ (1Johannes 1,7)
  • Solche Gläubigen offenbaren in ihren Werken ihr ganz neues, von Gott empfangenes Wesen:  „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht, damit seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind.“ (Johannes 3,21). Christi Nachfolger hören vom Meister: „Ihr seid das Licht der Welt“ und daher „soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen.“ (Matthäus 5,16). Es geht beim Licht und beim Scheinen unserer Guten Werke nicht um uns, sondern die Ehre und Herrlichkeit des himmlischen Vaters.
  • Solche Gläubigen wissen: „Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.“ Daher legen sie „die Werke der Finsternis ab“ und „ziehen die Waffen des Lichts an!“ (Römer 13,12). Sie wandeln und kämpfen in Erwartung der Offenbarung durch das Licht: „So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.“ (1Korinther 4,5)
  • Wer auf diesem Weg durch Einwilligung und Rückkehr zur Sünde müde und schläfrig wird, dem ruft Gott zu: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten! und der Christus wird dir aufleuchten!“ (Epheser 5,14).
  • Solche Gläubigen leben nun „tadellos und lauter“ als „unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts“ und leuchten in ihrer finsteren Umgebung „wie Himmelslichter in der Welt“ (Philipper 2,15).
  • Die himmlische Zukunft der Gläubigen ist „im Licht“. Dort werden alle Gläubigen „die Braut, das Weib des Lammes“ sein. „Die heilige Stadt Jerusalem … hatte die Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz war gleich einem sehr kostbaren Edelstein, wie ein kristallheller Jaspisstein“ (Offenbarung 21,9–11). „Und Nacht wird nicht mehr sein, und sie bedürfen nicht des Lichtes einer Lampe und des Lichtes der Sonne, denn der Herr, Gott, wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ (Offenbarung 22,5).

Die Antwort: Hymnen der Erlösten und Erleuchteten

Centre éclatant de lumière infinie,
Soleil divin dont la face reluit,
Sous tes clartés nous naissons à la vie
Et de nos cœurs l’obscurité s’enfuit.

Henri Rossier (1835–1928)

[Strahlendes Zentrum unendlichen Lichts,
Göttliche Sonne, deren Antlitz scheint,
Unter Deinen Strahlen werden wir zum Leben geboren
Und aus unseren Herzen entflieht die Finsternis.

Übertragen in deutschen Reim:
Strahlende Sonne voll Pracht und voll Leben,
Lichtglanz, der bis in die Ewigkeit reicht,
wenn wir die Herzen zu Dir hin erheben,
machst Du uns licht, dass die Dunkelheit weicht.]

Das Zeugnis der Schrift: Scheinen und Erscheinen des Höchsten

Was ist Friede? (Alois Wagner, 1983)

Vorbemerkung. Dieser Text entstammt einem Verteilblatt, das in München in den 80er Jahren von jungen Christen verteilt wurde. Geschrieben hat es der bekannte bayrische Bibellehrer und Gemeindehirte Alois Wagner (*1953) im 30. Lebensjahr. Angesichts der Weltsituation hat es brennende Aktualität für jeden Menschen, der Gott noch nicht im Glauben persönlich als Herrn und Retter (Kyrios & Soter) kennt. (Schreibweisen wurden behutsam aktualisiert.)

Was bedeutet das Wort »Friede«?

»Friede (lat. pax), allg. jeder Zustand der ungestörten oder wiederhergestellten Ordnung sowohl im Individuum (›innerer F.‹) wie zwischen einzelnen bzw. Gruppen. Im soziolog. und völkerrechtl. Sinne bedeutet F. daher einerseits das konfliktfreie Zusammenleben von Gruppen und Gesellschaften, andererseits die Beendigung (›F.-Schluss‹) eines gewalttätigen Konflikts (s. Krieg)«[1]. Soweit die kurze Definition eines Lexikons. Hier wird, wie wohl von vielen von uns, Frieden verstanden als bloße Abwesenheit von Konflikten. Friede ist demnach bereits ein passives Nebeneinander und nicht unbedingt ein aktives Miteinander. Das mag daher rühren, dass wir unseren Begriff von Frieden von anderen Konzepten isoliert haben und dadurch in seiner umfassenden Bedeutung verarmen ließen.

Das war aber nicht immer und überall so. Beispielsweise leitet sich unser deutsches Wort »Friede« von einer alten sprachlichen Wurzel ab, die »gernhaben, lieben« bedeutet und von der auch das Wort »Freund« herstammt. Und ein Freund ist doch weit mehr als nur jemand, neben dem ich mehr oder weniger konfliktfrei existiere. Eng damit verwandt ist auch das Wort »frei«, sodass wir sehen, dass für unsere Vorfahren die Begriffe »Freundschaft, Liebe«, »Friede« und »Freiheit« eigentlich untrennbar verbunden waren, weil sie alle irgendwie einer gemeinsamen Wurzel entsprangen[2].

Für die Römer wiederum bedeutete ihr Wort »pax in erster Linie eine gegenseitige Beziehung zwischen zwei Parteien auf gesetzlicher Grundlage«[3], während die individualistischen Griechen unter ihrem Begriff »eirene« nicht so sehr eine Beziehung zwischen Personen oder Sachen verstanden, sondern einen »(Geistes-) Zustand, der gefühlsmäßig erfahren und leidenschaftlich verteidigt wird«[4]. »Eirene« ist aber darüber hinaus auch der Zustand des Friedens, aus dem alles Gute für Land und Menschen hervorkommt.[5]

Also bereits in der Vorstellung der Völker, die unser abendländisches Denken geprägt haben, bedeutet »Friede« mehr als nur ein gleichgültiges Nebeneinander, eine sogenannte »friedliche Koexistenz«.

Friede – Eine »gesellschaftliche« oder »persönliche« Sache?

Sicherlich darf man die Frage nicht so stellen – die »Gesellschaft« besteht nun einmal aus einzelnen »Personen«. Aber gerade im Übersehen dieser Tatsache liegt oft schon unser Problem. Wir möchten uns für den Frieden auf globaler Ebene engagieren und lassen viel zu schnell die ganz individuelle, persönliche Komponente außer Acht. Denn Kriege (angefangen bei den Kleinkriegen in der Familie und am Arbeitsplatz über die Sozial- und Politkriege regionalen Zuschnitts bis hin zu den großen Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene) sind keine schicksalhaften Mechanismen, die nach unentrinnbaren Gesetzmäßigkeiten entstehen. Nein, sie sind eigentlich der Ausdruck unserer ganz persönlichen Ängste und Aggressionen und deren Summierung auf gesellschaftlicher Ebene. Was niemand gern wahrhaben will, ist dennoch eine Tatsache: Engagement für den Frieden muss bei uns ganz persönlich beginnen. Solange meinem eigenen Leben die Harmonie, die »Zu-frieden-heit« mangelt, sind alle staatlichen und vertraglichen Befriedungsversuche nur dünnes und wenig tragfähiges Eis. Es hat wenig Sinn, sich für die Beilegung internationaler Konflikte zu engagieren – was einer bloßen Symptombehandlung gleichkommt – wenn uns nicht klar ist, dass etwas mit der Wurzel geschehen muss –mit meinem und deinem Herzen. Jemand hat es so ausgedrückt: »Mit faulen Äpfeln erhalte ich keinen gesunden Apfelkuchen. Mit streitsüchtigen Kampfhähnen kriege ich keinen friedlichen Hühnerhof. Und mit unfriedlichen Menschen keine friedliche Gesellschaft. Eine neue Gesellschaft schaffen zu wollen ohne erneuerte Menschen ist genauso sinnlos wie verdorbenes Essen in eine neue Schüssel zu füllen, damit das Essen besser wird. Nicht die Schüssel, sprich Gesellschaft, sondern der Inhalt, sprich der Mensch, muss erneuert werden«[6].

Friede – Symptom- oder Wurzelbehandlung?

Dieser Zusammenhang zwischen Wurzel und daraus resultierenden Symptomen, zwischen »inneren« und »äußeren« Kriegen, wird im Neuen Testament deutlich aufgezeigt: »Woher kommen Kriege und woher Kämpfe unter euch? Nicht daher: Aus euren Lüsten, die in euren Gliedern Krieg führen? Ihr gelüstet und habt nichts; ihr tötet und neidet und könnt nichts erlangen; ihr kämpft und führt Krieg«[7]. Hier liegt der Kern unseres Problems. Es liegt uns in der Natur, dass wir gern vor der Tür des anderen kehren, obwohl –oder gerade, weil– in unserem eigenen Herzen ein Krieg tobt, mit dem wir nicht fertig werden, dessen Auswirkungen die anderen aber umso deutlicher verspüren.

Einer, der von Frieden und von der menschlichen Psyche sicherlich mehr Ahnung hatte als jeder andere, sagte dazu: »Denn von innen aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken hervor: Unzucht, Dieberei, Mord, Ehebruch, Hab­ sucht, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut, Torheit; alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und verunreinigen den Menschen«[8]. Das sind die »Lüste, die in unseren Gliedern Krieg führen« und sich dann zu großen Konflikten aufbauen. Wie können wir mit diesem Hauptfaktor der Bosheit unseres eigenen Herzens fertig werden? Wie soll sich angesichts dieser Situation eine »Wurzelbehandlung« gestalten?

Friede im Herzen – Beginne bei der Wurzel!

Wenn ein Gerät nicht mehr funktioniert, ob es sich nun um eine Armbanduhr, einen Kühlschrank oder ein Auto handelt, so bringen wir es am vernünftigsten zu dem, der es genau kennt und den Fehler schnell beheben kann – im Idealfall zum Konstrukteur selbst. Wenn es auch für manche Ohren primitiv klingen mag, ist es gleichwohl logisch, mit unserem Herz, in das sich so viele Defekte eingeschlichen haben, zu Dem zu gehen, der es gemacht hat und genau kennt: zu unserem Schöpfer.

Siebenmal wird Er im Neuen Testament »Gott des Friedens« genannt[9]. Er ist in Seinem Wesen ganz und gar durch Frieden charakterisiert. Und Er hat in der größten Rettungsaktion der Weltgeschichte Seinen Sohn für nichtswürdige rebellische Kreaturen, wie wir es sind, sterben lassen[10]. Durch dieses Rettungswerk hat Er Frieden geschaffen, auch wenn es für Christus den schrecklichen Tod am Kreuz bedeutete[11], den eigentlich wir verdient hätten. Dieses Versöhnungs- und Friedensangebot gilt für jeden Menschen, egal wie feindselig er seinem Schöpfer gegenüber eingestellt war[12]. Jesus Christus, der Sich am Kreuz um unseres Friedens willen geopfert hat[13], ist dabei so sehr das unverzichtbare Fundament dieses Friedens, dass er nicht nur »kam und Frieden verkündigte«[14], sondern auch »Frieden stiftete«[15] und schuf, ja dass Er sogar »unser Friede ist«[16].

Wer die in Seinem Sohn ausgestreckte Versöhnungshand Gottes ergreift, indem er sich völlig Jesus Christus, dem personifizierten Frieden anvertraut, der erfährt die Befreiung von seinen Ängsten und Lüsten, Begierden und Aggressionen als praktischen persönlichen Frieden. Zusammenfassend sagt das Neue Testament von solchen Menschen: »Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus«[17].

Dass dies keine Einbildung ist, die man sich nach allen Regeln der Kunst täglich einreden oder einbläuen oder autosuggerieren muss, sondern eine beständig beglückende Erfahrung, die in allen Stürmen und Schwierigkeiten des Lebens standhält, haben der Verfasser dieses Flugblattes und Millionen von Christen immer wieder erfahren. Dieser Friede ist eben nicht auf bloße moralische Prinzipien oder gar nur auf subjektive emotionelle Selbsthypnose aufgebaut, sondern auf objektiv feststehende geschichtliche Tatsachen: Das Sterben und die Auferstehung Jesu Christi, des Sohnes Gottes.

Wie wirkt sich dieser persönliche Friede weiter aus?

Dieser Friede unterscheidet sich natürlich von unseren landläufigen Friedensvorstellungen[18]. Es ist ein Friede, der fest verankert ist in der Person Jesu Christi, und der dadurch nicht auf das Nichtvorhandensein äußerer Schwierigkeiten angewiesen ist, sondern der sich gerade in diesen Schwierigkeiten als göttlicher Friede erweist, der jedem weltlichen Friedenskonzept weit überlegen ist[19]. Jemand, der selbst Versöhnung empfangen hat, von einem Feind zu einem Freund Gottes geworden ist, der ist auch innerlich gedrängt, diese Versöhnung anderen mitzuteilen[20]. Jemand, der durch Christus Frieden empfangen hat, wird in seinem ganzen Wandel von dem Wunsch beseelt, auch anderen den Weg zu wahrem Frieden zu zeigen[21]. So bleibt dieser persönliche Friede nie ohne gesellschaftliche Resonanz, sondern er erweist sich als Quelle und Basis für Frieden auf breiterer Ebene, der in Ehe und Familie beginnt und sich am Arbeitsplatz und in der Schule fortsetzt.

Und was ist mit den internationalen Konflikten?

Jetzt taucht natürlich die völlig berechtigte Frage auf, wie sich ein solcher Friede im kleinen Bereich denn nun auf größerer Ebene verwirklichen lassen soll. Begeben wir uns da nicht in den Bereich der Utopie?

Nun, bei der Geburt Christi, dem Friedefürsten schlechthin, sangen die Engel »Friede auf Erden«[22] in Andeutung, dass Gott in Seinem Sohn der ganzen gegen Ihn rebellierenden Menschheit die Friedenshand entgegenstreckte. Aber was war die Reaktion? Einige wenige haben sich später auf die Seite des Friedefürsten gestellt, aber die überwältigende Mehrheit hat Ihn abgelehnt. So muss Er kurz vor Seinem Tod über Sein Volk sagen: »Wenn auch duerkannt hättest, und selbst an diesem Tag, was zu deinem Frieden dient«[23]. Und wir lesen nicht mehr von »Frieden auf Erden«. Jetzt kurz vor Seinem Tod, wo klar ist, dass die große Masse des jüdischen Volkes, so wie später die große Masse der Menschheit, Ihn verworfen und abgelehnt  hat, jetzt hören wir  nur noch von »Frieden im Himmel«[24]. Auf der Welt aber würde den Anhängern des Friedefürsten Drangsal, Hass und Verfolgung begegnen. Aber gerade in diesen Schwierigkeiten würde der Friede Gottes, der »Friede im Himmel«, ihre Herzen und Gedanken bewahren.[25]

Für diese Welt im Großen und Ganzen aber, die Den verworfen hat, der ihr Versöhnung und Frieden angeboten hat, gibt es wenig Hoffnung. Die Ratlosigkeit und die Angst werden trotz aller Konferenzen und Verhandlungen weiter zunehmen, bis das Chaos der kommenden Kriege und Katastrophen seinen Abschluss findet in dem Höhepunkt der Geschichte: der Wiederkunft Jesu Christi auf die Erde[26].

Dann endlich – und erst dann – wird weltweiter Friede da sein, wenn Jesus Christus als Friedefürst regiert[27]. Dann erst »wird der Kriegsbogen ausgerottet werden. Und Er wird Frieden reden zu den Nationen; und Seine Herrschaft wird sein von Meer zu Meer, und vom Strom bis an die Enden der Erde«[28]. Dann »wird Er richten zwischen den Nationen und Recht sprechen vielen Völkern. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden, und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation wider Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen«[29].

Was kann ich persönlich tun?

Die Konsequenzen für unser persönliches Leben sind – hoffen wir – hinreichend deutlich geworden. Es führt kein Weg daran vorbei, dass ich zuerst in eine persönliche Beziehung zu Gott trete, um dadurch echten und dauerhaften Frieden in meinem Herzen zu erfahren. Dies geschieht dadurch, dass ich im Bewusstsein meiner Schuldhaftigkeit und meines hoffnungslosen Verlorenseins vor Gott komme und Ihm meine Sünden rückhaltlos bekenne. Dadurch empfange ich Vergebung und Reinigung von aller Ungerechtigkeit[30]. Im Vertrauen auf das vollbrachte Werk der Versöhnung darf ich dann Jesus Christus als meinen Erretter und Versöhner, ja als »meinen Frieden« in mein Herz und mein Leben einlassen. Er wird mein ganzes Leben von Grund auf völlig umgestalten und erneuern und mich befähigen, auch für andere ein Friedensstifter zu werden.

Wir, die wir dieses Flugblatt geschrieben haben und verteilen, schreiben nicht vom grünen Tisch aus, sondern wir haben wirklich Jesus Christus als lebendige Realität in unserem Leben erfahren. Manches von dem, was wir hier sagen, mag Ihnen vielleicht unklar und sogar unglaubhaft erscheinen. Wenn Sie deshalb Fragen haben, würden wir uns freuen, wenn Sie uns schreiben oder auf andere Weise Kontakt aufnehmen würden. Sehr gerne schicken wir Ihnen – absolut kostenlos und unverbindlich – ein Buch, in dem junge Menschen ihre Lebensgeschichte erzählen. Sie alle finden in Jesus Christus die Antwort auf ihre tiefsten Lebensfragen und erfahren, wie ER ihr Leben verändert.

A[lois] W[agner] (1983)


Anmerkungen

[1]      Großes Fischer-Lexikon, München 1976, Bd. 6, Art. »Friede«.

[2]  nach Frisco Meizer, Das Wort in den Wörtern. Ein theo-philologisches Wörterbuch, Tübingen 1965, Art. »Freiheit« und »Friede«.

[3]      Kittel, Friedrich (Hrsg.), Theological Dictionary of The New Testament, Grand Rapids 1978 , Bd. 2, S. 400.

[4]      ebda.

[5]      ebda., S. 401.

[6]      Give Peace a Chance (Flugblatt), Jugend mit einer Mission, Hurlach o. J.

[7]      Jakobus 4,1–2

[8]      Jesus Christus in Markus 7, 21–23.

[9]      Römer 15,33; 16,20; 1. Korinther 14,33; 2. Korinther 13,11; Philipper 4,9; 1. Thessalonicher 5,23; Hebräer 13,20.

[10]    Römer 5,6–9: »Denn Christus ist, als wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben; denn für den Gütigen möchte vielleicht jemand zu sterben wagen. Gott aber erweist Seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.«

[11]    Kolosser 1,19–20: »Denn es gefiel der ganzen Fülle Gottes, in Jesus Christus zu wohnen und durch Ihn alles mit Sich zu versöhnen – indem Er Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes –, durch Ihn, sei es, was auf der Erde oder was in den Himmeln ist.«

[12]    Kolosser 1,21–22: »Und euch, die ihr einst entfremdet und Feinde wart nach der Gesinnung in den bösen Werken, hat Er aber nun versöhnt in dem Leib Seines Fleisches durch den Tod«.

[13]    Jesaja 53,5: »Um unserer Übertretungen willen war Er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf Ihm.«

[14]    Epheser 2, 17

[15]    Epheser 2,15

[16]    Epheser 2,14

[17]    Römer 5,1

[18]    Johannes 14,27: »Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch.«

[19]    Johannes 16,33: »Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Drangsal; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden.«

[20]    2. Korinther 5,18.20: »Alles aber von Gott, der uns mit Sich Selbst versöhnt hat durch Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat. So sind wir nun Gesandte an Christi statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt; wir bitten für Christus: Lasst euch versöhnen mit Gott!«

[21]    Römer 10, 15: »Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Friedens verkündigen, die das Evangelium des Guten verkündigen!«
Epheser 6,15: »Und beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens.«

[22]    Lukas 2,14

[23]    Lukas 19,42

[24]    Lukas 19,38

[25]    Johannes 16,33: siehe FN (19). Philipper 4,7: »Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken bewahren in Christus Jesus.«

[26]    Lukas 21,10.11.25–27: »Dann sprach Er zu ihnen: Es wird sich Nation gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich; und es werden große Erdbeben sein, an verschiedenen Orten und Hungersnöte und Seuchen; auch Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel wird es geben. 
…Und es werden Zeichen sein an Sonne und Mond und Sternen und auf der Erde Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit bei brausendem Meer und Wasserwogen, während die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen, denn die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit.«

[27]    Jesaja 9,6

[28]    Sacharja 9,10

[29]    Jesaja 2,4

[30]    1. Johannes 1,9: »Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Er treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.«