Zu den Auflagen von Regierungen und nachgeordneten Stellen wegen der sog. „COVID-19-Krise“ gehör(t)en auch Verbote oder Einschränkungen bzgl. der Gemeindeversammlung und speziell des Gemeindegesangs. Während einschränkende Gesetze bzgl. der Religionsausübung in den USA verfassungswidrig sind (First Amendment: »Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof«), ist die Gesetzeslage und Rechtsprechung in den Staaten der EU und der Schweiz weniger übersichtlich. Die Situation und die vielen Auflagen werden inzwischen –wie auch in den Parlamenten beklagt– als widersprüchlich und volatil wahrgenommen, was den Verordnungen und Gesetzen teilweise jene Überzeugungskraft raubt, die aus Sachlichkeit, Faktengebundenheit und Angemessenheit erwächst.
Auch in der Gemeinde Gottes lös(t)en die Verordnungen und Verbote des Staates aufgrund dieser (keineswegs neuen) Infektionskrankheit Diskussionen aus. Leider sind auch innerkirchlich nicht alle Diskussionen und Stellungnahmen von Sachlichkeit, Sachkenntnis oder Brüderlichkeit gekennzeichnet. Bei aller Wertschätzung der Beteiligten sind die vorgebrachten Argumente und Aussagen wegen ihrer weitreichenden Wirkungen und Potentiale genau zu untersuchen.
Eine öffentliche Position vertritt der Schweizer Roger Liebi (s. z.B. auf der deutschen Website soundwords.de). Er vertritt seine Meinung mit der Ansicht, dass das gemeinsame laute Singen im Gottesdienst nicht biblisch geboten und daher nicht notwendig sei, und versucht dies aus einer Reihe von Bibelstellen sowie rabbinischen Überlegungen zu begründen. Praktisch gibt Liebi für die COVID-Zeiten –mit entsprechenden obrigkeitlichen Einschränkungen des Grundrechtes auf freie Religionsausübung– den Rat, dass es reiche, wenn jemand die erste Strophe eines Liedes vorliest und dann ein Instrument ohne weitere Textlesung und ohne Mitsingen der Gemeinde noch so oft die Liedmelodie spielt, wie Strophen übrig bleiben. Die Gottesdienstmitglieder werden angehalten, währenddessen den Text für sich im Liederbuch synchron stumm mitzulesen.
Zur Begründung behauptet Liebi eine Hierarchie der Gebote Gottes dergestalt, dass das Leben und die Gesundheit/Genesung eines Menschen höher zu werten seien, als ein ihr entgegenstehendes Zeremonial- oder Ritualgebot, wie beispielsweise das Sabbatruhegebot. Dem ist mit Blick auf die entsprechenden Ausführungen Jesu Christi anlässlich akuter oder chronischer menschlicher Not durch Hunger, Krankheit und Unfall (u. ä.) soweit zu folgen (s. z. B. Matthäus 12,1–14; Markus 2,23–28; 3,4; Lukas 6,1–11; 13,14–17). Schon seit der Gesetzgebung am Sinai galt nach Christi autoritativer Interpretation des Gesetzes, dass der Sabbath um des Menschen willen gegeben war, und nicht umgekehrt (Markus 2,27). Diese Einsicht war offenbar bei den „Hütern des Sabbaths“ verloren gegangen. Eine fast unüberschaubare Diskussionsgeschichte und Regelungsdichte umwob zu Jesu Zeiten das Sabbathgebot und führte zu etlichen Konflikten der „Hüter des Sabbaths“ mit Dem, der sowohl „Herr des Sabbaths“ als auch Geber jenes Gebotes ist. In seinen Weherufen gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer, den Deutungs- und Frömmigkeitsexperten jener Tage, lehrte der Sohn Gottes, dass es im Gesetz Gottes (zwar nichts Unwichtiges (Lukas 16,17), aber durchaus) »wichtigere Dinge« gibt, nämlich »das Gericht und die Barmherzigkeit und den Glauben« (Matthäus 23,23). Diese Lehre Jesu steht fest.
(1) Liebi bringt als Beleg seiner Ansicht leider auch Außerbiblisches aus der Zeit des Makkabäeraufstandes (1. Makkabäer 2:31ff): Als die Staatsexekutive des heidnischen Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes aufständische religiöse Juden in ihren Fluchtorten aufsuchten und aufforderten, den götzendienerischen Forderungen des Königs Folge zu leisten, was diese aber als Abfall vom Gesetz Gottes verstanden (2,15), beschlossen diese: »Wir alle wollen lieber schuldlos sterben… So wurden sie am Sabbath überfallen und sie und ihre Frauen und Kinder samt dem Vieh umgebracht, an die tausend Personen.« (1.Makkabäer 2,37–38 LUT1984). Der jüdische Priester Mattatias und seine Freunde beschlossen nach diesem staatlichen Massenmord: »Wenn man uns am Sabbath angreift, so wollen wir uns wehren, damit wir nicht alle umkommen, wie unsere Brüder in den Höhlen ermordet worden sind.« (2,41). Die Verabsolutierung des Sabbathgebots in der damaligen Tradition hatte sich für die aufständischen Juden also als tödlich erwiesen. Die nun erfolgte Aufhebung des Sabbathgebotes im Verteidigungsfall erwuchs mithin nicht aus rein theologischen Überlegungen zum Sabbath oder gar einer plötzlich entdeckten Hierarchie im Dekalog, sondern offenbar aus existenzieller Not, die nicht nur zum Verlust ihrer Identität als Gottesvolk JHWHs, sondern auch zum Holocaust hätte führen können. – Auch in der Damaskusschrift, einer Schriftrolle vom Toten Meer (Qumran) aus dem 1.–2. Jhdt. v. Chr., wird festgehalten, dass das Retten von Menschenleben Vorrang hat vor der Einhaltung des Sabbaths (CD 11,16–17). Diese Regelung war ausdrücklich auf Notfälle eines Menschen begrenzt. Einem Tier beim Wurf oder aus einer Grube heraus zu helfen, war hingegen verboten (11,13ff). – Wie diese außerbiblische, wenngleich wohl geschichtliche, Begebenheit der jüdischen Aufständischen um Mattatias zur biblischen Begründung der Existenz einer Hierarchie in den Geboten Gottes beitragen soll, ist nicht nachvollziehbar. Wie Liebi dann von dort ohne weiteres den Sprung zur Frage der Rechtmäßigkeit des Verbotes des gemeinsamen Singens der neutestamentlichen Gemeinde seitens der „Obrigkeit“ schafft, ist erstaunlich – aber keinesfalls überzeugend. Jemand anders könnte anhand der Geschichte um Mattatias mit genau so viel oder wenig Recht argumentieren, dass es recht sei, dass man den Anordnungen der heidnischen Obrigkeit nicht Folge leistet, sondern entschieden Widerstand leistet, um seine Identität als Gottesvolk, das Gottes Willen tut, nicht zu verlieren. Dazu müsste man aber den gemeinsamen Gesang der Gemeinde Gottes zum Lob Gottes als unverzichtbares Element des Gottesdienstes in der Schrift erkennen, und darin nicht nur verzichtbares Beiwerk sehen. Eine solche Untersuchung fehlt erstaunlicher Weise in den o. g. Ausführungen des Theologen und Musikers Liebi.
(2) Diesem anschließend muss ein Zweites untersucht werden. Wenn es denn eine Hierarchie in den Geboten Gottes gibt (so verstanden, wie Christus darüber lehrt): Ist Liebis Argumentation trefflich und richtig, wenn er das Lob und die Erhebung Gottes im gemeinsamen Lied der Gemeinde einer angeblichen Gesundheitssicherung der Gemeindeglieder unterordnet? Hinkt hier der Vergleich? Oder sind die Gewichte zur Abwägung der Alternativen biblisch anders verteilt? Liebi scheint dies keine Frage zu sein. Die Schrift sagt: »Doch du bist heilig, der du wohnst bei den Lobgesängen Israels.« (Psalm 22,4 ELBCSV 2003). Sie sagt vom Haupt der Gemeinde, dem Sohn Gottes: »Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen« (Hebräer 2,12b; vgl. Psalm 22,23 ELBCSV 2003). Dürfen wir den Lobgesang des Hauptes der Gemeinde, Christi, in und durch seine Gemeinde behindern mit Blick auf mögliche (und äußerst geringe) Gesundheitsgefahren? Galt dieses Prinzip des Primats der Gesundheit auch für die geheimen Versammlungen der verfolgten christlichen Gemeinden unter kommunistischen Regierungen, die stets konkrete Gefahr für Leib und Leben darstell(t)en? Man darf und muss sich an dieser Stelle doch einmal die Frage stellen, um Wen es in der Gemeinde Gottes geht, Wer im Mittelpunkt steht und unter Wessen Leitung der Gottesdienst steht. Viele Christen beantworten diese Frage anders als Liebi, siehe dazu z. B. hier. »Hauptsache gesund!« ist eine Prämisse, die man schwerlich in der Bibel als Leitprinzip der Gemeinde Jesu ausmachen kann.
(3) In Verbindung damit löst sich der Musiker Liebi (Studium von Klavier und Violine) leider auch vom biblisch begründeten, reformatorischen Verständnis des Gemeindegesangs und der Funktion der Gottesdienstmusik. Der Reformator Martin Luther betrachtete Musik als eine Gabe Gottes, die –gleich nach der Theologie eingeordnet– zum Nutzen der Gemeinde gegeben wurde. Musik war für ihn ein wichtiges Mittel, um den persönlichen und gemeinsamen Glauben miteinander öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Daher bediente sich Luther eingängiger Melodien und einfacher, allgemein verständlicher (also deutscher, nicht lateinischer) Texte. Gemeinsame Lieder sollten zuerst Gottes Lob und Anbetung dienen und ebenso gemeinsame Gebete der Gemeinde zu Gott sein. Mit dieser Motivation schrieb Luther metrische Versionen verdeutschter Psalmen, übersetzte Lieder der lateinischen Messe und darüber hinaus über drei Dutzend freie, biblisch fundierte Lieder. „Ein feste Burg ist unser Gott“ (1529; Anspielungen an Psalm 46), „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (Psalm 130) sind bis heute Schatz der bibelgläubigen Gemeinden (vgl. auch seine Lieder zu Psalmen 12, 14, 67 und 124). Die Hymne „Ein feste Burg“ bezeugt das Vertrauen in Gott in Zeiten von Gefahr und Widerstreit gegen die Wahrheit Gottes. Man kann diese Hymne fast als gesungene Predigt über Psalm 46 auffassen. Christuszentrierte Predigt war stets das Anliegen Luthers, und er zeigt dies im Hymnus mit der berühmten Frage der zweiten Strophe: „Fragst du, wer der ist? Er heisst Jesus Christ“. So redet die Gemeinde in öffentlicher, hörbarer Weise glaubensstärkend mit Gott und zueinander. Die von Liebi angeführte klassische Stelle in Kolosser 3,16: »Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade« enthält ja nicht nur die vielleicht auf Sprach- und Musiklosigkeit deutende Passage „in euren Herzen“, sondern auch das öffentliche, laute gegenseitige Lehren und Ermahnen „mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern“, welches nur als wahrnehmbar laute Veranstaltung gedacht sein kann.
Luther verstand, dass Text und Melodie/Musik zusammen gehören und daher gut gepaart im öffentlichen Gottesdienst einzusetzen sind. Seiner Meinung nach gilt als Grundsatz guter Komposition: „Die Noten machen den Text lebendig“, aber niemals können die Noten die Botschaft des Texts ersetzen. Bei der Kirchenmusik Johann Sebastian Bachs ist es vornehmste Aufgabe des Komponisten, das von der Kanzel gepredigte Wort im Kantatentext und durch die Mittel der Musikkomposition darzustellen und auszudeuten, und so das gesprochene Wort der Verkündigung zu begleiten und durch Präsentation und gemeinsames Bekenntnis (Choräle, meist Kirchenlieder) und Reflexion (Arien, Rezitative) zu verstärken. Bekannt ist die Übertreibung: »Bach ist der 5. Evangelist.« Leider ist heute diese integrative „Kirchenmusik“ zur alleinigen Anbetung Gottes (und Erquickung der Seele) aufgeteilt in eher spärlich-ärmlichen Gesang im Gottesdienst, dies zur Verehrung Gottes, und exzellente Kirchenkonzerte mit stark säkularer Prägung und anhaltender Verehrung der Darbietenden. Nehmen wir uns lieber ein Vorbild an solchen Gemeinden, die mit Herzblut Gemeindegesangspflege als Mittel zur Förderung des gemeinsamen Glaubenszeugnisses und zur gemeinsamen Verehrung Gottes im Sinne eines Soli Deo Gloria betreiben (Kolosser 3,16–17).
Die Predigt und Wortverkündigung (samt Lesung) durch Personen mit entsprechenden Geistesgaben und Ämtern war nach Luther also nicht die einzige Weise, mit der das Evangelium in der Gemeinde verkündet wird. Er sah vielmehr die Gemeinde einbezogen in die Bezeugung und Verkündigung der Wahrheit des Evangeliums. Die Versammelten sind nach seinem Verständnis nicht rein passive Zuhörer, Beobachter und Empfänger des Gottesdienstes, sondern miteinander auch aktive Teilnehmer, insbesondere im gemeinsamen Lied und Gebet. Für Luther war dies ein unverzichtbarer Teil des Gottesdienstablaufs. Im Gegensatz zur römisch-katholischen Tradition kümmerte sich Luther darum, dass auch „einfache Leute“ und junge Menschen aktiv in den gemeinsamen Gottesdienst in Familie und Kirche eingebunden wurden. Daher förderte er die Polyphonie, bei der sich jeder entsprechend seiner/ihrer Stimmlage einbringen konnte, zudem auch choralähnliche Kompositionen, die einstimmig und im Stil der Volksmusik didaktisch komponiert waren. Der mehrstimmige gemeinsame Gesang im Gottesdienst kann biblisch bis in die Zeit Asaphs unter König David rückverfolgt werden (z. B. 1. Chronik 15,17–22; 2. Chronik 5,11–14): »Als die Leviten, die Sänger, sie alle, … mit Zimbeln und mit Harfen und Lauten auf der Ostseite des Altars standen, und mit ihnen 120 Priester, die mit Trompeten schmetterten – es geschah, als die Trompeter und die Sänger wie ein Mann waren, um eine Stimme ertönen zu lassen, den HERRN zu loben und zu preisen, und als sie die Stimme erhoben mit Trompeten und mit Zimbeln und mit Musikinstrumenten und mit dem Lob des Ewigen, weil er gut ist, weil seine Güte ewig währt: da wurde das Haus, das Haus des Ewigen, mit einer Wolke erfüllt.« (2. Chronik 5:12-13). Das gemeinsame Lied war für Gottes gerettetes Volk Ausdruck ihres gemeinsamen Glaubens und dankbaren Gotteslobes: »Er … erlöste sie aus der Hand des Feindes. … Da glaubten sie seinen Worten, sie sangen sein Lob.« (Psalm 106, 10–12). »Damals sangen Mose und die Kinder Israel dem HERRN dieses Lied und sprachen so: Singen will ich dem JHWH, denn hoch erhaben ist er; … Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben.« (Das „Lied des Mose“, 2.Mose 15,1–2).
Die Entartung des Gottesdienstes zu reinen Musikveranstaltungen und Theateraufführungen unter der römisch-katholischen Kirchenkultur (und deren Rückschnitt gemäß den Forderungen des gegenreformatorischen Konzils von Trient 1562) zeigt auf, dass man immer von beiden Seiten vom Pferd fallen kann. Der italienische Komponist der Renaissance Giovanni Pierluigi da Palestrina (ca. 1525–1594) rettete den polyphonen Gesang in der röm.-kath. Kirche. Der Schweizer Reformator Huldrych Zwingli (1484–1531) hingegen widerstand unter dem Eindruck des Missbrauchs zeitlebens dem Gebrauch von Musikinstrumenten im Gottesdienst, obwohl er persönlich und zuhause ein großer Freund und Förderer der gemeinsamen Musik war. Zum Glück und Segen der Nachgeborenen konnte sich seine Ablehnung der Musik zur Verehrung Gottes im Gottesdienst nicht dauerhaft durchsetzen. Abusus non tollit usum.
(4) Der Beitrag Luthers zur Förderung des gemeinsamen Liedes der Gemeinde im Gottesdienst als freudige Glaubensbezeugung und ausdrucksstarkes Gebet war einer der bedeutendsten Beiträge der Reformation. Es ist schade und traurig, wenn dies aktuell nach wenigen Monaten der Oppression seitens bestimmter staatlicher Stellen kampflos aufgegeben wird. Viele Gerichtsurteile bis auf die Ebene der Verfassungsgerichte haben inzwischen solche Oppressionen mangels Verhältnismäßigkeit, Begründung, Wirksamkeit o. a. zurückgewiesen oder eingeschränkt. Wir dürfen für die Gewaltenteilung an dieser Stelle also dankbar sein. Liebis Argument, dass Gesundheit und Leben eines Menschen vor (allen?) anderen Geboten der Schrift Vorrang habe, muss jedoch nach biblischer Überprüfung auch mit Maß und Zahl bewertet werden. Ansteckung ist niemals auszuschließen, wenn sich Menschen real treffen und nicht-virtuell und ohne seuchenhygienische Distanzierung Gemeinschaft pflegen. Also ist es eine Frage der Risikoabwägung, des praktischen Glaubens und der Wahl angemessener Verhaltensregeln. Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, wenn man bei Liebi hören muss, dass er sich der maßlosen Übertreibung bedient, indem er die Maßnahmen wegen COVID-19 (Sterberate weltweit zur Zeit 0,031%; Feb. 2021) mit Maßnahmen gegen das Ebolavirus (initiale Sterberate am Fluss Ebola 88%; im Kongo bis Juni 2020 66%; Varianz lt. WHO 25%–90%; Liebi spricht von »7 aus 10«) vergleicht. Da werden also Dinge verglichen, die mindestens drei Größenordnungen auseinander liegen. Dieser Mangel an Wahrheit und Verhältnismäßigkeit hilft sicher nicht dabei, seine Schlussfolgerungen und Handlungsvorschläge dem Mitdenkenden einsichtig zu machen.
Das vernachlässigte Auslegungsproblem zum biblischen Mandat des modernen Verfassungsstaates
Die Interpretation und Anwendung der Lehrtexte des Neuen Testaments zum Mandat (Beauftragung/Weisung von höherer Stelle mit vorgegebener Rolle und Autorität) der »obrigkeitlichen Gewalten« nach Römer 13,1–7, der »Obrigkeiten und Gewalten« nach Titus 3,1 und der »menschlichen Einrichtungen« nach 1. Petrus 2,13–17 für die heute gegebene Situation von demokratischen Verfassungsstaaten bedarf dringend sorgfältiger Exegese- und Transferarbeit. In unseren demokratischen Staaten wird die Staatsgewalt meist dem Volk zugeordnet. Liebi ist wohl Schweizer, aber der oben angeführte Beitrag von ihm wird auf einer deutschen Website ohne weiteren Kommentar zum Ursprungsort dargestellt und vom Veröffentlicher für die deutsche Situation verwendet. Tippen wir nur ein paar Dinge für den Bereich der BRD an, die in den Ausführungen Liebis völlig übersehen oder übergangen werden. (Überlegungen zur speziellen Rechtslage in der Schweiz oder den Vereinigten Staaten von Amerika wären an anderer Stelle anzustellen.)
Zuerst einmal haben wir es bei der BRD mit einem modernen demokratischen Staatswesen zu tun, nicht mit dem römischen Nero-Kaiserreich vor 2.000 Jahren: »Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.« (GG Art 20 (1)). Hier gilt: »Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.« (GG Art 20, (2)). Der Souverän (Unumschränkte) in der BRD ist also nicht der Kaiser, sondern das Volk. Die hier als Grundgesetz verankerte Volkssouveränität bedeutet: »Jede staatliche Machtausübung muss durch das Volk legitimiert sein. … Die Amtsinhaber sind dem Volk bzw. seinen Repräsentanten verantwortlich und können aus ihrem Amt entfernt werden.« (DDD, S. 7). Das Volk übt seine Staatsgewalt »in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung aus« (Art 20 (2)). In diesem Satz ist die geltende Gewaltenteilung bereits enthalten. Dieses alles ist wesensmäßig anders, als es im römischen Reich des 1. Jhdt. nach Christus war. Auch so zu reden, als sei die amtierende Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gleichzusetzen mit Kaiser Friedrich I Barbarossa oder Kaiser Wilhelm I. Friedrich Ludwig von Preußen, ist weder überzeugend noch für unsere Situation heute hilfreich.
»Grundrechte schützen den Freiheitsraum des Einzelnen vor Übergriffen der öffentlichen Gewalt, es sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Zugleich sind sie Grundlage der Wertordnung der Bundesrepublik Deutschland, sie gehören zum Kern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. … Menschenrechte sind überstaatliche Rechte, sie gehören zur Natur des Menschen, es sind natürliche, angeborene Rechte. Dazu gehören die meisten Freiheitsrechte oder Grundfreiheiten, wie Freiheit der Person, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit.« (DDD, S. 15). Kommt es zu Verletzungen der Grundrechte eines Bürgers der BRD, so gilt: »Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.« (Art 19 (4)). Auch dies war im Römischen Reich so allgemein nicht gegeben, Privilegierte konnten sich hingegen auf Sonderrechte berufen. Für einen Deutschen gilt also, dass die Beschreitung des Klageweges keine „Auflehnung“ oder mangelnde Unterordnung gegenüber »Denen in Hoheit« ist, sondern vielmehr sein Recht und ggf. seine moralische Pflicht als Bürger. »Jeder Bürger hat das Recht, bei einer Verwaltungsbehörde einen förmlichen Widerspruch einzureichen, wenn er sich durch deren Maßnahmen zu Unrecht belastet bzw. in seinen Rechten unmittelbar und persönlich verletzt sieht. Führt der Widerspruch nicht zum Erfolg, hat der Bürger das Recht, die Gerichte anzurufen. Diese Rechtsweggarantie beseitigt die „Selbstherrlichkeit der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger“ (Bundesverfassungsgericht), der Einzelne steht nicht als „Untertan“ einer nach Belieben handelnden „Obrigkeit“ gegenüber« (DDD, S. 28).
Jeder Bürger ist den für ihn geltenden Gesetzen unterworfen, hingegen nicht per se bestimmten Einzelpersonen (für Soldaten, Arbeitnehmer u.a. gelten (auch) andere Normen). In der BRD gilt: »die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet« (Art 4, (2)). »Die Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.« (Art 8, (1)). Solange dies nicht unter freiem Himmel erfolgt, vermerkt das GG keine Möglichkeit, dies durch Gesetz einzuschränken, außer man missbraucht dieses Recht zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, was wohl bei einer Gemeinde des Christus nicht gegeben ist. Art. 19 nennt weiteres.
Der Begriff der „Obrigkeit“ ist dem Text des GG fremd (und nicht enthalten), ebenso die Begriffe „Autorität“, „Untertan“ oder „Gehorsam“. Der Begriff „hoheitlich/Hoheit“ taucht vielfach auf und bezeichnet Aufgaben und Rechte des Staates als solchem, die aber auch zwischenstaatlichen Institutionen oder Einzelnen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat stehen, übertragen werden können. Das wirtschaftlich aufstrebende Bürgertum hat im GG die Prinzipien des liberalen Rechtsstaats »im Kampf gegen den monarchischen Obrigkeitsstaat, der die Bürger als Untertanen bevormundete, durchgesetzt« (DDD, S. 26). Mit Verwendung des biblischen Ausdrucks der „Obrigkeit“ bei der Diskussion der Grundordnung und Grundrechte der Bürger der BRD besteht also zumindest gründlicher Erklärungs- und Definitionsbedarf, der von Liebi (und Ähnlichdenkenden) nicht geliefert wird.
Der zivilreligiöse Aspekt des heute meist säkular interpretierten Grundgesetzes kommt vor allem in seiner Präambel zum Ausdruck. Dort wurde von den Verfassern angesichts der grausamen Ursachen, Taten und Folgen des 2. Weltkrieges formuliert, dass sich das Deutsche Volk »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen« dieses GG gegeben habe. Welcher Gott gemeint ist, und wie der Atheist damit umzugehen hat, wird heute offen gelassen. Wie soll aber eine Verantwortung real und greifbar sein, wenn die Instanz nicht geklärt ist? Weiter steht, dass das GG »für das gesamte Deutsche Volk« gelte. Die Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone, späterer DDR, waren mitgemeint, aber nicht miteingebunden, vielmehr wurden sie ca. 40 Jahre später bloßes Beitrittsgebiet (Anhang EV von 1990). Das GG funktioniert mangels Verfassung, wie freie Völker sie sich selbst geben (vgl. Art. 146), praktisch wie eine solche und verwendet den Begriff im Text auch vielfach. Die Präambel des GG ist also als Versuch zu werten, das aufzurufen, was Grundlage zum Funktionieren jeder Demokratie ist, was aber die Demokratie selbst weder liefern noch sichern kann. Ob die Regierung der BRD sich heute im Mandat seitens Gottes und in konkreter Verantwortung vor Gott (dem Gott, den die Grundgesetzschreiber 1949 meinten!) sieht, muss mangels Bekenntnis und Evidenz wohl verneint werden. Wenigstens hier ist eine Parallele zum alten römischen Reich zur Zeitenwende.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Situation und Rechtsstruktur im demokratischen Staatswesen der BRD eine völlig andere ist, als zur Zeit des Paulus im Römischen Reich, und dass dies in den Ausführungen von Liebi leider überhaupt nicht bedacht wird. Er nennt zwar den historischen Kontext zu Paulus Zeiten unter Nero (was für das Verstehen der damaligen Ermahnungen des Paulus unverzichtbar wichtig ist), aber bleibt nach dieser Betrachtung in der Luft hängen. Er schafft es nicht, biblische Vorgaben korrekt in die tatsächliche, aktuelle Situation seiner Zuhörer, die so sehr unähnlich zu der des Ursprungstextes ist, hinein zu denken. So zu tun, als sei unsere Rechtssituation vergleichbar mit der Zeit des Römischen Reiches unter Kaiser Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus, muss als falsch und irreführend beklagt werden. Das selbe gilt, wenn wir die politischen Veränderungen ignorieren oder als irrelevant beurteilen. Dieses staatswissenschaftliche wie pastorale Zukurzspringen schreit nach sorgfältiger Grundlagenarbeit: Wie sind die Bibeltexte aus einer Kaiserreichskultur in unser demokratisches Staatswesen zu übertragen, wo es nicht länger „Untertane“ gibt, sondern wahlberechtigte, mündige und verantwortliche Bürger, denen als Volk grundgesetzlich die Staatsgewalt und Souveränität im Staat zugeordnet ist?
Die besondere deutsche Situation
Es mag sein, dass Christen in Deutschland mit größerer Sorgfalt als andere Nationen bedenken sollten, dass es in ihrem Land vor nicht allzu langer Zeit „deutsche Christen“ gab, die dem braunen Regime mit seiner brutal-heidnischen Religion mit feigem Schweigen, stiller Duldung bis hin zu enthusiastischer Führertreue begegneten. Die damaligen Argumente der Kirche zur Vertretung von „Staatstreue“ und „Führergehorsam“ sollten in unseren Gewissen brennend beständiges Mahnmal sein. Der evangelische Theologe (!) Emanuel Hirsch schrieb z. B. nach der Machtergreifung Hitlers: »Kein einziges Volk der Welt hat so wie das unsere einen Staatsmann, dem es so ernst um das Christliche ist; als Adolf Hitler am 1. Mai seine große Rede mit einem Gebet schloß, hat die ganze Welt die wunderbare Aufrichtigkeit darin gespürt.« (Emanuel Hirsch, Das kirchliche Wollen der Deutschen Christen (Berlin-Charlottenburg, 1933), S. 24. Lt. de.wikipedia.org trat Hirsch 1937 in die NSDAP ein, wurde förderndes Mitglied der SS und denunzierte Kollegen und Studenten.). Besser kann man die Verführtheit und Perversion der Christen in ihrem Verhältnis zu Gott und Staat nicht dokumentieren. Müssen wir heute wieder die Notwendigkeit für eine „Bekennende Kirche“ konstatieren?
Zur Veranschaulichung der „deutschen Erblast“ sei anekdotisch ein Blick auf Wilhelm Stücher (1898–1969) aus Eiserfeld (Siegen) eingefügt, der im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Christen in Kirchen und Freikirchen den antichristlichen Charakter des Nationalsozialismus schon früh durchschaute, entsprechend redete, lehrte und handelte und folglich zahlreiche Oppressionen und Strafen seitens der „Obrigkeit“ erduldete: Die Propaganda der Parteileute stellte ihn als »Volksverräter« dar, die Gestapo spionierte ihn aus, bedrohte ihn und beschlagnahmte alle seine Schriften. Kirchenintern verwies ihn ein führender Mann auf »die Pflicht des Christen zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit« hin. Eine angemessene Berücksichtigung der clausula Petri (Apostelgeschichte 4,19; 5,29) vermisste man leider auch damals schon, entsprechenden Mangel muss man auch bzgl. einer trefflichen Auslegung und Anwendung von Römer 13 beklagen. In seinen Erinnerungen (nach Tonbandaufzeichnungen, Eiserfeld, 1972) liest man, dass Stücher z. B. eine Beteiligung an den Reichstagswahlen 1933 kategorisch ablehnte: Die Schrift spreche nicht davon, »die Obrigkeit tatkräftig zu unterstützen«, sondern ihr unterworfen zu sein, was einen beträchtlichen Unterschied darstelle.
Stüchers Ausführungen zum Widerstandsrecht gehören zum Besten, was je von Mitgliedern der sog. „Brüderbewegung“ in Deutschland verfasst wurde: Die Autorität und Macht der „Obrigkeit“ sei ihr von Gott gegeben, wobei nicht gesagt sei, dass jede obrigkeitliche Institution von Gott eingesetzt sei. Das haben heute offenbar einige wieder vergessen. Stücher meinte, der Christ solle die obrigkeitliche Gewalt allgemein anerkennen, so wie er Gottes Autorität anerkenne. Gott habe jedoch der Obrigkeit Grenzen zugeordnet, wie sie in Römer 13,7 zu lesen sind: »Gebt allen, was ihnen gebührt: die Steuer, dem die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Furcht, dem die Furcht, die Ehre, dem die Ehre [gebührt].« »Wenn sie diese Grenzen überschreite und in einen Bereich vordringe, den Gott, der allein Autorität über die Gewissen habe, sich selbst vorbehalten habe, heiße es zu widerstehen, was die Heiligen zu allen Zeiten getan hätten.« Er warnte die „Brüder“ seiner Glaubensgemeinschaft, nicht zur Hure des Staates zu werden, wie es die Bekennende Kirche in Deutschland bereits mutig formuliert hatte. Dergestalt klar biblisch positioniert erklärte er einmal einem Vernehmungsbeamten, der ihn mit Gefängnisandrohung einschüchtern wollte: »Ich möchte lieber mit gutem Gewissen im Gefängnis sein als mit schlechtem Gewissen in Freiheit.« Er erläuterte später in seinen Erinnerungen: »„Staatsbejahung“ [die der Staat und Bundesleiter Dr. Becker forderte] … war nicht das, was nach Römer 13 jedem Christen oblag, sondern bedeutete eine Bejahung des Nazi-Regimes! – und das war gottlos, antichristlich.« (Quelle: Volker Jordan, Die »Christliche Versammlung« in Deutschland von den Anfängen bis 1945, 3. Auflage, 2006; zit. n. PDF-Ausgabe, S. 64ff.) Einigen Pastoren und Missionaren ergeht es in der Welt des Jahres 2021 bereits ähnlich, nicht nur im Morgen-, sondern auch im Abendland. Antichristliche Oppression kennzeichnet sowohl braune wie rote, sozialistische wie kapitalistische Ideologien.
Widerstand gegen Übergriffe des Staates in die Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit des Menschen wird auf beiden Seiten schnell missverstanden: die einen wollen den politischen oder weltanschaulichen Gegner dämonisieren, die anderen die Beweggründe des andersdenkenden „Glaubensbruders“ diskreditieren. Verweigerung gegenüber übergriffigen Anordnungen eines säkularen oder andersgläubigen Staates bedeutet für den Christen aber nie die Flucht in die Anarchie, sondern Anerkennung, dass da Ein Höchster ist, der auch Oberstes Haupt seiner Gemeinde wie auch Mandatsgeber aller staatlichen Autorität und Gewalt ist. Der Gehorsam gegenüber Jesus Christus, dem Sohn Gottes, zwingt den Christen vielleicht ins Gefängnis oder in die Hand staatlich sanktionierter oder eigenmächtiger Mörder (wie die Inquisitionsgeschichte und noch heute manche muslimischen Länder zeigen), jedenfalls aber auf die Knie vor dem Allmächtigen, der in Seiner Autorität alles regiert und erhält und in Seiner Vorsehung alles lenkt und leitet. Die Psalmen geben uns hier gute Ausdrucksmittel des Glaubens, der Prophet Daniel beeindruckendes Anschauungsmaterial, der Apostel Petrus praktischen Lehrunterricht. Die Hoffnung auf eine vollkommene Regierung und ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit bleibt dem Glaubenden für Christi Reich reserviert und fixiert.
Eine Vordenker-Stimme der Kirche der Reformation
Johannes Calvin hatte sich angesichts der Verweigerung der Religionsfreiheit durch den Staat intensiv mit den biblischen Texten und damaligen Gegebenheiten beschäftigt. Er lebte ja selbst noch in einer Zeit der Könige und Kaiser und lehrte dementsprechend: »Die Schrift … betont … ausdrücklich, es sei die Vorsehung göttlicher Weisheit, daß die Könige herrschen, und gebietet uns besonders, den König zu ehren (Sprüche 8,35; 1. Petrus 2,17).« (Institutio, IV, 20, 7). Calvin war jedoch auch bei den besten Lehrern und Vordenkern Frankreichs in die Lehre gegangen: Erasmus, Le Fevre, Wolmar, Rabelais und Peter de L’Etoile, seinem Lehrer in Orleans. Schon zwei Jahrhunderte vor Montesquieus Idee der Gewaltenteilung führte er in der Stadt Genf den republikanischen Grundsatz ein, dass mehrere Ratsversammlungen sich gegenseitig kontrollierten, damit niemals Macht zentralisiert und damit unausweichlich Tyrannei gefördert würde (1543). Die Räte wurden von den Bürgern für eine begrenzte Amtszeit gewählt, wobei die Liste der wählbaren Kandidaten vom Rat vorbereitet wurde. Die Gewählten mussten sich regelmäßig vor dem Volk verantworten. Dies alles sind wichtige Grundelemente der Demokratie. Calvin verband so Ideale der Aristokratie (Herrschaft aufgrund charakterlicher Exzellenz) mit Idealen der Demokratie (Herrschaft aufgrund der Freiheitsidee). Während seiner Zeit in Basel musste er erfahren, dass etliche französische Protestanten von ihrem Staat (!) lebendig verbrannt worden waren. Calvin lag es daher sehr am Herzen, jede Form der Tyrannei zu verhindern. Seine Regelungen in Genf erwuchsen unmittelbar aus dem biblisch-realistischen Menschenbild, dass der Mensch in seiner Gefallenheit zu übelstem Machtmissbrauch fähig ist, und aus dem biblischen Mandat des Staates nach Calvins Verständnis. Viele seiner späteren Ideen wurden auch politisch in der Schweiz und später in der Republik der USA umgesetzt. (John T. McNeill: Calvin’s Ideas Still Politically Relevant Today. In: Robert M. Kingdom, Robert D. Linder: Calvin and Calvinism: Sources of Democracy? (Lexington, MA: D. C. Heath and Company, 1970), S. 72–76.)
Zur Frage der geeignetsten Staatsform hatte sich Calvin also gründliche Gedanken gemacht und diese in seiner Institutio (Buch IV, Kap. 20 Vom bürgerlichen Regiment, 8) niedergelegt. Die Frage nach der besten Staatsform ist außerhalb der Überlegungen an dieser Stelle. Seine klaren Aussagen dazu (unten meist mit Fettdruck markiert) sind jedoch für die heute wieder notwendige Diskussion der Rolle und des Mandates des Staates nach Römer 13 fruchtbar. »Freilich, wenn man jene drei Regierungsformen, die die Philosophen aufstellen (Monarchie, Aristokratie, Demokratie) an und für sich betrachtet, so würde ich durchaus nicht leugnen, daß die Aristokratie oder ein aus ihr und der bürgerlichen Gewalt gemischter Zustand weit über allen anderen steht, zwar nicht aus sich heraus, sondern weil es sehr selten vorkommt, daß die Könige sich so viel Maß auferlegen, daß ihr Wille niemals von Recht und Gerechtigkeit abweicht, und weil sie ferner auch sehr selten mit solchem Scharfsinn und solcher Vorsicht begabt sind, daß jeder einzelne König soviel sieht, wie es zureichend ist. So bringt es also die Gebrechlichkeit und Mangelhaftigkeit der Menschen mit sich, daß es sicherer und erträglicher ist, wenn mehrere das Steuerruder halten, so daß sie also einander gegenseitig beistehen, sich gegenseitig belehren und ermahnen, und wenn sich einer mehr als billig erhebt, mehrere Aufseher und Meister da sind, um seine Willkür im Zaume zu halten. Das hat einerseits die Erfahrung selbst allezeit bewiesen, andererseits hat es auch der Herr mit seiner Autorität bekräftigt, indem er bei den Israeliten, als er sie, bis er in David das Ebenbild Christi hervortreten ließ, in dem bestmöglichen Zustande halten wollte, eine Aristokratie einrichtete, die an die bürgerliche Regierungsform angrenzte. Und wie ich gerne zugebe, daß es keine glücklichere Art der Regierung gibt als die, wo die Freiheit die gebührende Mäßigung erfährt und in rechter Weise auf beständige Dauer eingerichtet ist, so halte ich auch die für die glücklichsten, denen es erlaubt ist, diesen Zustand zu genießen, und gebe zu, daß sie nichts tun, was ihrer Pflicht nicht entspräche, wenn sie sich wacker und beständig bemühen, ihn zu bewahren und aufrechtzuerhalten. Ja, die Obrigkeiten müssen mit höchster Anstrengung danach streben, daß sie es nicht zulassen, daß die Freiheit, zu deren Beschützern sie eingesetzt sind, in irgendeinem Stück gemindert, geschweige denn verletzt wird; wenn sie dabei zu nachlässig sind oder zu wenig Sorgfalt walten lassen, dann sind sie treulos in ihrem Amte und Verräter an ihrem Vaterlande.«
Calvin fährt fort (IV, 20, 9): »Nun haben wir an dieser Stelle noch kurz darzulegen, was für eine Amtspflicht die Obrigkeit nach der Beschreibung des Wortes Gottes hat und in welchen Dingen diese besteht. Daß sich diese Amtspflicht auf beide Tafeln des Gesetzes erstreckt, das könnte man, wenn es die Schrift nicht lehrte, bei den weltlichen Schriftstellern erfahren. Denn keiner hat über die Amtspflicht der Obrigkeiten, über die Gesetzgebung und die öffentliche Ordnung Erörterungen angestellt, der nicht mit der Religion und der Gottesverehrung den Anfang machte. Und so haben sie alle bekannt, daß keine bürgerliche Ordnung glücklich eingerichtet werden kann, wenn nicht an erster Stelle die Sorge für die Frömmigkeit steht, und daß alle Gesetze verkehrt sind, die Gottes Recht beiseite lassen und allein für die Menschen sorgen. Da also bei allen Philosophen die Religion auf der höchsten Stufe steht und man das auch allezeit bei allen Völkern in allgemeiner Übereinstimmung so gehalten hat, so sollten sich christliche Fürsten und Obrigkeiten ihrer Trägheit schämen, wenn sie sich dieser Fürsorge nicht mit Eifer widmen wollten. Auch haben wir bereits gezeigt, daß ihnen diese Aufgabe von Gott in besonderer Weise auferlegt wird, wie es ja auch billig ist, daß sie ihre Mühe daran wenden, die Ehre dessen zu schützen und zu verteidigen, dessen Statthalter sie sind und durch dessen Wohltat sie ihre Herrschaft innehaben. Deshalb werden auch die heiligen Könige in der Schrift ausdrücklich deshalb aufs höchste gepriesen, weil sie die verderbte oder hinfällig gewordene Verehrung Gottes wiederhergestellt oder für die Religion Sorge getragen haben, damit sie unter ihnen rein und unbeeinträchtigt blühte.«
Und letztlich noch hier (IV, 20, 31): »Aber wie man auch die Taten der Menschen selbst beurteilen mag, so führte der Herr doch durch diese Taten gleichermaßen sein Werk aus, indem er das blutige Zepter schamloser Könige zerbrach und manch unerträgliche Herrschaft stürzte. Das sollen die Fürsten hören – und darob erschrecken!
Wir aber sollen uns unterdessen nachdrücklichst hüten, diese Autorität der Obrigkeit, die mit verehrungswürdiger Majestät erfüllt ist und die Gott durch die ernstesten Gebote bekräftigt hat, zu verachten oder zu schänden – selbst wenn sie bei ganz unwürdigen Menschen liegt und bei solchen, die sie durch ihre Bosheit, soviel an ihnen ist, mit Schmutz bewerfen! Denn wenn auch die Züchtigung einer zügellosen Herrschaft Gottes Rache ist, so sollen wir deshalb doch nicht gleich meinen, solche göttliche Rache sei uns aufgetragen – denn wir haben keine andere Weisung, als zu gehorchen und zu leiden.
Dabei rede ich aber stets von amtlosen Leuten. Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden eingesetzt sind, um die Willkür der Könige zu mäßigen; von dieser Art waren z.B. vorzeiten die „Ephoren“ [fünf Aufsichtsbeamte im antiken Sparta, die jedes Jahr neu gewählt wurden], die den lakedämonischen Königen, oder die Volkstribunen, die den römischen Konsuln, oder auch die „Demarchen“, die dem Senat der Athener gegenübergestellt waren; diese Gewalt besitzen, wie die Dinge heute liegen, vielleicht auch die drei Stände in den einzelnen Königreichen, wenn sie ihre wichtigsten Versammlungen halten. Wo das also so ist, da verbiete ich diesen Männern nicht etwa, der wilden Ungebundenheit der Könige pflichtgemäß entgegenzutreten, nein, ich behaupte geradezu: wenn sie Königen, die maßlos wüten und das niedrige Volk quälen, durch die Finger sehen, so ist solch ihr absichtliches Übersehen immerhin nicht frei von schändlicher Treulosigkeit; denn sie verraten ja in schnödem Betrug die Freiheit des Volkes, zu deren Hütern sie, wie sie wohl wissen, durch Gottes Anordnung eingesetzt sind!«
Weiter betonte Calvin die stete Oberherrschaft Christi, die nicht nur über Seiner Kirche, sondern auch über alle säkularen Staaten und „Obrigkeiten“ besteht. Die „Obrigkeit“ muss, wenn sie im Rahmen ihres göttlichen Mandats bleiben will, den Willen Gottes als höchsten beachten, wenngleich in der Amtsausführung keine Perfektion verlangt werden kann (IV, 20, 32): »Aber bei diesem Gehorsam, der, wie wir festgestellt haben, den Weisungen der Oberen zukommt, ist stets eine Ausnahme zu machen, ja, es ist vor allem anderen auf eines zu achten, nämlich daß er uns nicht von dem Gehorsam gegen den wegführt, dessen Willen billigerweise aller Könige Begehren untertan sein muß, dessen Ratschlüssen ihre Befehle weichen und vor dessen Majestät ihre Zepter niedergelegt werden müssen. Und wahrlich, was wäre das für eine Torheit, wenn man, um den Menschen Genüge zu tun, den zu beleidigen unternähme, um des willen man eben den Menschen gehorcht? Der Herr also ist der König der Könige, und wo er seinen heiligen Mund aufgetan hat, da muß er allein vor allen und über alle gehört werden; dann sind wir auch den Menschen unterstellt, die uns vorgesetzt sind, aber allein in ihm. Wenn sie etwas gegen ihn befehlen, so ist dem kein Raum zu gönnen und zählt es nicht.«
Zum guten Schluss
Es mag sein, dass eine anti-calvinistische Einstellung selbst einem Bürger eines Landes der Reformation den Blick auf jene großartigen und seiner Zeit weit vorauseilenden Ideen des Schweizer Reformators Calvin zur Rolle und zum Mandat des Staates verhüllt.
Halten wir es doch mit dem alten Reformator Luther, der uns den Herzenskompass und die Blicke wieder auf das Zentrum alles Seins und aller wahren Freude richtet, und uns den Mund zum gemeinsamen, öffentlichen Singen zur Ehre Gottes öffnet:
Nun frewdt euch lieben Christen gemayn
Und laßt uns fröhlich spryngen
Das wir getröst unnd all in eyn
Mit lust unn lyebe singen
Was Gott an unns gewendet hatt
Und seyn syesse wunder thatt
Gar theuwr hatt ers erworben.
Martin Luther (1483–1546) 1523. Text nach dem Wittenberger Achtliederbuch (1524). Hauptlied am Reformationstag.
Einige Quellen zum Weiterlesen und Anhören
Grundlagen. Nachdem einige Schreiber und Redner deutliche Kenntnismängel über das Grundgesetz der BRD, wie es „funktioniert“ und wie es zu verstehen ist, haben, sei das Grundgesetz selbst und folgendes Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung als Erstlektüre empfohlen:
- [DDD] Dossier Deutsche Demokratie der Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 (www.bpb.de; PDF). Die Texte stammen von Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarb. u. akt. Aufl., Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2009.
- Die Bundeszentrale hat eine Reihe von Lernmaterialien für den Unterricht über das Grundgesetz auf ihrer Website. Es wäre empfehlenswert und respektfördernd, sich mit den Grundlagen der Materie vertraut zu machen, bevor man darüber redet oder schreibt.
Die auf allerlei Ebenen der „Obrigkeit“ veranlassten Beschränkungen betreffs der Gottesdienste (Religions- und Versammlungsfreiheit) hat die berechtigte Sorge ausgelöst, ob durch die unterschiedlichen Beurteilungen der Situation innerhalb der Gemeinden nicht eine Gefährdung der inner- und intergemeindlichen Einheit der Christen darstellt. Dies ist wohl leider zu bejahen. Auch hier sollte man sich die alte Gerichtsfrage stellen: Cui bono – Wem nützt es?
Folgende zwei Stellungnahmen aus Deutschland sind lesenswert, weil sie die unterschiedlichen Sichtweisen und Einstellungen im Freikirchenbereich deutlich zu erkennen geben. Die besseren Argumente hat wohl das Papier der ERB Frankfurt, das lehrhafte Fundament dazu liefert die ebenfalls angegebene Predigt von T. Riemenschneider:
- Jesus im Mittelpunkt behalten – trotz Corona (backup PDF) von Michael Kotsch u.a. vom 04.01.2021, der auch in der Zeitschrift der KfG veröffentlicht wurde.
- Jesus im Mittelpunkt behalten – trotz Corona. Biblische Widerlegung des Thesenpapiers „Jesus im Mittelpunkt behalten – trotz Corona“ (PDF) der ERB Frankfurt vom 09.03.2021.
- Unterordnung und Widerstand (Römer 13, 1–7) (Video auf YouTube) – Eine sehr empfehlenswerte Predigt von Tobias Riemenschneider zu einem der am häufigsten missbrauchten Texte zum Thema „Christ und Staat“
Nach Erscheinen dieses BLOGS hat sich ein sehr guter, anonymer Diskussionsbeitrag in der Zeitschrift „fest und treu“ (No. 173, 01/2021) mit dem beängstigend geschichtsblinden vorlaufenden Gehorsam in allerlei Gemeindekreisen gegenüber „obrigkeitlichen“ Anordnungen unserer Zeit beschäftigt.
Die verfassungsmäßige Fehlbehandlung durch Angehörige des Bundestags wird in folgendem Beitrag von Professor Lepsius deutlich:
- Das verfassungsrechtliche Argument hat es schwer von Prof. Dr. Oliver Lepsius, LL.M. (Chicago), Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verfassungstheorie an der WWU Münster, als Gastbeitrag für die Legal Tribune Online (LTO) vom 05.02.2021.
Die Diskussion von »Kirche und Staat in Deutschland« ist u. a. seit vielen Jahren Gegenstand der sog. Essener Gespräche (s. insbes. Essener Gespräche 39 (2005)). Es muss daran erinnert werden, dass die Situation in Deutschland bezüglich des Kirchenrechts eine besondere ist, und dass die Vorgaben der Weimarer Verfassung (WRV) bezüglich der gleichzeitigen Trennung und Kooperation von Kirche und Staat in einem säkularen freiheitlichen Staat ohne Staatskirche(n) explizit in das Grundgesetz übernommen wurden (Art. 140 GG: »Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.«). Das GG schließt mit der Neutralität des Staates einerseits eine Staatskirche für die BRD aus, andererseits realisiert es keinen laizistischen Staat (wie z. B. Frankreich). Religion darf auch im öffentlichen Raum sichtbar sein (und die Prägung der Rechtskultur der BRD durch das Christentum ist immer noch wahrnehmbar), aber der deutsche Staat legitimiert sich und sein Recht nicht mehr unter Bezugnahme auf die christliche (oder eine andere) Religion. Das aus der Wahrheit der Heiligen Schrift entnommene Mandat des Staates („Obrigkeit“) seitens Gottes wird im Prinzip vom Staat geleugnet, die »Verantwortung vor Gott« (Präambel des GG) ist damit eine leere Formel.
Gottesanmaßung #1. Insofern der Staat sich für das „irdische Heil“ seiner Bürger zuständig erklärt (die Kirchen wirken arbeitsteilig für das „himmlische Heil“, dürfen sich aber auch in Diakonie/Caritas und Ausbildung engagieren), und den Wohlfahrtsstaat als säkularisierte Heilsveranstaltung anstrebt, haben wir es mit einer Form der Zivilreligion zu tun. Böckenförde schreibt dazu: »Der Staat, auf die inneren Bindungskräfte nicht mehr vertrauend oder ihrer beraubt, wird dann auf den Weg gedrängt, die Verwirklichung der sozialen Utopie zu seinem Programm zu erheben. … Man darf bezweifeln, ob das prinzipielle Problem, dem er auf diese Weise entgehen will, dadurch gelöst wird.« (Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts. Band III: Demokratie und Bundesorgane, 3. Aufl. (Heidelberg, 2005), S. 31-53 (§ 34)). Erwartet der Christ Wohlstand und Gesundheit vom Staat, hat er seinen Gott vergessen.
Gottesanmaßung #2. Dem Bürger des Wohlfahrtsstaates wird zunehmend (und entgegen dem Sinn und der Aussage des GG, s. o.) vermittelt, dass der Staat ihm Freiheiten und Menschenrechte gebe und daher das Recht habe, diese auch wieder zu nehmen. Der biblische Grundgedanke der Menschenrechte ist jedoch, dass diese dem Menschen bereits vor Einrichtung jeglicher Staatsform in den göttlichen Mandaten mitgegeben wurden, es also legitime Aufgabe des nachgeordneten Staates nur sein kann, diese als höheres Recht anzuerkennen und im Rahmen des göttlichen Mandats zu schützen und zu bewahren (Römer 13,3–4).
Gottesanmaßung #3. Da die Herrschaft Christi sich nach der Heiligen Schrift nicht auf seine (christliche) Kirche beschränkt, sondern alles umfasst und über allem steht, ist das Verständnis eines (von Gott) emanzipierten Staates zwingend stets auch ein Gegenentwurf zum biblischen Gottesverständnis und entsprechend verankerten Christentum, d. h. Götzendienst. Die Prioritätsfrage lautet für den Christen nicht: „Christ oder Staat?“, sondern schon immer: „Christus oder Cäsar?“. Siehe einführend dazu:
Speziell zu staatlichen Übergriffen mit Begründungsfiguren, die sich der COVID-19-Pandemie bedienen, hat Dr. Wolfgang Nestvogel, Pastor der Bekennenden Evangelischen Gemeinde Hannover (BEG), auf seiner persönlichen Website eine Materialsammlung zu Corona bereitgestellt. Sie umfasst medizinische, juristische, wissenschaftliche und andere Stellungnahmen. Die Gemeinde BEG wehrt(e) sich auch juristisch gegen übergriffige Grundrechtsbeschneidungen durch die „Obrigkeit“, und versucht so, die im GG verankerte Gewaltenteilung in der BRD fruchtbar zum Wohl der Bürger und Christen einzusetzen.
Parallelen in den USA und Canada. Ein aktueller Beispielsfall staatlicher Oppression gegen einen Pastor in Kanada und seine Gemeinde wird hier angesprochen. Eine Vielzahl von Fällen ist auch in den USA, vor allem in von Angehörigen der Democratic Party regierten Staaten –wie Kalifornien und New York–, bekannt geworden. Zu beachten ist hier, dass in Kanada die Canadian Charta of Rights and Freedoms gilt, in den USA die Constitution und The Bill of Rights mit ihren Amendments. Etliche Autoren in DACH realisieren diese unterschiedliche Rechtslage nicht, sondern scheren alles undifferenziert über einen Kamm. Man sollte nicht vergessen, dass die „Pilgerväter“ einst Europa verlassen haben, weil sie mit Gefängnisstrafen und Exekutionstod durch die „Obrigkeit“ (!) bedacht wurden, wenn sie sich frei versammeln und dabei die Bibel lesen oder predigen wollten. Schon damals gab es eine „Anti-Kirche“, die die Verfolgung Andersdenkender und Andersgläubiger massiv und vor keinen Maßnahmen sich scheuend vorantrieb (z. B. Inquisition).
Ein Nachtrag zu Roger Liebi
Der Schweizer Theologe Dr. Roger Liebi, dessen Ausführungen zum gemeinsamen Singen in der christlichen Gemeinde oben untersucht wurden, lieferte in seinem „News-Letter“ vom 10. Juli 2021 folgenden persönlichen Hintergrund bzgl. Covid19:
»Anfangs Dezember wurde ich jedoch von Covid19 sehr stark betroffen. Der HERR nahm mich damit einige Wochen aus allem Betrieb heraus. Nach längerer Krankheitszeit, verbunden mit einer sehr schweren Lungenentzündung inkl. Erstickungshusten, einem massiven Angriff der Corona-Viren auf die Leber (Hepatitis) und Schwindel, durfte ich weitestgehend wieder genesen. Es hat aber mehr als 6 Monate gebraucht, um zumindest fast wieder zur selben Kraft zu kommen wie davor.«
Seine oben zitierten Ausführungen mögen daher auch vom persönlichen Erleben der Krankheit beeinflusst worden sein. (Seine Frau »hatte sich nach einer Woche Krankheit (wie eine schwere Grippe) relativ schnell von Covid19 erholt«.) Mit seinem internationalen Reisedienst gehört Roger Liebi leider zu der Gruppe von Menschen, die es erst möglich gemacht haben, dass Seuchen und „Pandemien“ sich so rasend schnell auf dem Erdkreis verbreiten können. Auch sein aktueller Kalender ist mit internationalen Reisen und Einladungen Anderer zu solchen Reisen bestückt, auch in Länder hoher Inzidenzwerte trotz hoher Impfquote.