Die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift

 Jesus Christus: Dein Wort ist Wahrheit. (JohEv 17,17)

Die Frage nach der Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift hat viele Motive. Die negativen Motive spannen sich von der Wahrnehmung einzelner schwer verständlicher oder scheinbar falscher Passagen bis hin zu einer grundsätzlichen Leugnung jeglicher Offenbarung oder Ablehnung jeder übergeordneten Autorität. Wer nicht an Gott glaubt, muss konsequenter Weise jedes „Wort Gottes“ ablehnen.

Für den gläubigen Christen ist die Frage nach der Qualität der Heiligen Schrift jedoch eine Frage des Glaubens, die untrennbar mit dem Wesen Gottes verbunden und daher absolut positiv motiviert ist. Der Sohn Gottes bezeugte: „Dein Wort ist Wahrheit“ (Johannes 17,17). Wenn die Heilige Schrift Gottes Wort ist, dann hat die Heilige Schrift die selben Eigenschaften wie Gott selbst. „Im Charakter des irrtumslosen und unfehlbaren Gottes liegt die Irrtumslosigkeit und Unfehlbarkeit seines Produktes, der Bibel, begründet. Der vollkommene Vater von Jesus Christus kann nichts Fehlerhaftes oder Unvollkommenes schaffen, auch nicht in logischer oder naturwissenschaftlicher Hinsicht.“ (M. Kotsch, Bibelbund, 2003)

Das Selbstzeugnis der Schrift über sich mag methodisch als Zirkelschluss abgelehnt werden, aber in der Tat haben wir in diesem speziellen Fall keine höhere Erkenntnisinstanz über das Wort Gottes als dieses Wort Gottes selbst. Nur Gott kann Sein Wort als Sein Wort autorisieren. Das kann man akzeptieren oder nicht – beides mit ewig reichenden Konsequenzen.

Die Autoren der ersten „Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel“ schreiben im Vorwort ihrer Erklärung folgendes:
„Die Autorität der Schrift ist für die christliche Kirche in unserer wie in jeder Zeit eine Schlüsselfrage. Wer sich zum Glauben an Jesus Christus als Herrn und Retter bekennt, ist aufgerufen, die Wirklichkeit seiner Jüngerschaft durch demütigen und treuen Gehorsam gegenüber Gottes geschriebenem Wort zu erweisen. In Glauben oder Leben von der Schrift abzuirren ist Untreue unserem Herrn gegenüber. Das Anerkennen der absoluten Wahrheit und Zuverlässigkeit der Heiligen Schrift ist für ein völliges Erfassen und angemessenes Bekenntnis ihrer Autorität unerlässlich.“
(Quelle: „Die Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel“, zitiert nach der Ausgabe des deutschen Bibelbund e.V., Download als PDF)

Einen Beitrag von Michael Kotsch zur Bedeutung der Chicago-Erklärung findet man hier.

Für die des Englischen mächtigen Leser sei betreffs der aktuellen Diskussion zur Chicago-Erklärung auf das Konferenz-Buch „The Inerrant Word: Biblical, Historical, Theological, and Pastoral Perspectives“ (Hrsg.: John MacArthur; Crossway, 2016) verwiesen. Der englische Originaltext der drei Chicagoerklärungen aus dem Archiv des DTS (Dallas Theological Seminary) kann über folgende Links als PDF heruntergeladen werden:

  1. The Chicago Statement on Biblical Inerrancy (Summit I, Oct 26-28, 1978) | Version mit Erklärungen
  2. The Chicago Statement on Biblical Hermeneutics (Summit II, Nov 10-13, 1982) | Version mit Erklärungen von Norman L. Geisler
  3. The Chicago Statement on Biblical Application (Summit III, Dec 10-13, 1986)

Das Fünfbuch des Psalters

Die 150 Psalmen des Psalters bilden ein Ganzes, eine Einheit, obwohl hier viele Autoren (sieben davon namentlich bekannt) über einem Zeitraum von ca. 1.000 Jahren (Mose: Psalm 90, um 1450 vChr, bis zum postexil. Autor des Psalms 126, ca. 5. Jhdt. vChr) Beiträge geleistet haben. Das Spektrum der Themen ist bibelähnlich groß, sodass Martin Luther 1528 in seiner Vorrede zum Psalter schrieb:[1]

Der Psalter möchte wohl eine kleine Biblia heißen, darin alles aufs schönste und kürzeste, so in der ganzen Bibel steht, gefasst und zu einem kleinen Handbuch gemacht und bereitet ist, so dass mich dünkt, der Heilige Geist habe selbst die Mühe auf sich nehmen wollen und eine kurze Bibel und Exempelbuch von der ganzen Christenheit und allen Heiligen zusammenbringen, auf dass, wer die ganze Bibel nicht lesen könnte, hierin doch fast die ganze Bibel in ein kleines Büchlein verfasst hätte.

Die Psalmen des Psalters wurden weder chronologisch noch nach Autoren geordnet, sondern in fünf Bücher unterteilt. Dies sicher in Anlehnung an die Torah, die ja auch als Fünfbuch (Pentateuch = »Fünfgefäß«) strukturiert wurde: »Die Fünf Bücher Moses« (Kurzübersicht hier). Im Text erkennt man die Bucheinteilung daran, dass jedes Buch (wie jede gute Theologie) mit einer Doxologie, einem Lobpreis Gottes, endet.[2] Und so wurden verschiedene Versuche unternommen, die offenbar gewollten Parallelen zwischen beiden Fünfbüchern zu erkennen und zu verwerten. Der mosaische Pentateuch gibt dabei Themendefinition und Themenabfolge vor (s. Tabelle).

Vergleich der beiden »Fünfbücher« Thora und Psalter[3]

Endnoten

[1] Orig.: »Das es wol möcht ein kleine Biblia heissen / darin alles auffs schönest vnd kürtzest / so in der gantzen Biblia stehet / gefasset vnd zu einem feinen Enchiridion oder Handbuch gemacht vnd bereitet ist. Das mich dünckt / Der heilige Geist habe selbs wöllen die mühe auff sich nemen / vnd eine kurtze Bibel vnd Exempelbuch von der gantzen Christenheit oder allen Heiligen zusamen bringen. Auff das / wer die gantzen Biblia nicht lesen kündte / hette hierin doch fast die gantze Summa verfasset in ein klein Büchlin.« Martin Luther, Vorrede zum Psalter (1528).
[2] Siehe Psalm 41,13; 72,18–19; 89,52; 106,48 und das große Hallelujah-Finale der Psalmen 146–150.
[3] Unter Verwendung von: Benedikt Peters, Das Buch der Psalmen – Teil 1: Psalm 1–41. Dillenburg: CVD, 2004.


Was dem Psalter des AT für den Gläubigen heute mangelt

Der Psalter, das Fünfbuch der Psalmen, ist ein großartiges und wichtiges Element der Poesieliteratur des Alten Testaments (AT) und damit der gesamten Heiligen Schrift. »Die Psalmen entstanden als Antwort des Glaubens auf Gottes Reden zu seinem Volk«[1] zu Zeiten des AT. Als Teil der Heiligen Schrift ist der Psalter genauso Gottes fehlerfreies, autoritatives, weil inspiriertes, Wort, wie jeder Teil des Neuen Testaments (NT).

Der Zusammenhang zwischen AT und NT ist durch einige Aussagen der Schrift explizit gesichert (z. B. Römer 15,4), wird aber auch durch eine Großzahl von Zitaten des AT im NT exemplarisch realisiert.[2] Auch Jesus Christus und seine Apostel haben immer wieder das AT zitiert und zur Verbreitung des Evangeliums von Jesus Christus verwendet (s. z. B. Apostelgeschichte 2,14–36; 8,30–35; 17,11).

So werden auch viele Psalmen (z. T. mehrfach) im NT zitiert und gedeutet, ca. 50 Psalmen des Psalters werden im NT wörtlich oder in Anspielung verwendet. Der Psalter ist damit das im NT am häufigsten zitierte Buch des AT. Eine Untersuchung jener Stellen zeigt, dass im Psalter zeitlose Grundwahrheiten stehen und dass der Psalter viele prophetische Aussagen enthält, insbesondere über Christus (den Messias) und die Zukunft Israels. Der Gläubige des NT findet im Psalter Wichtiges über Christus und Nützliches, das ihn belehrt, überführt, zurechtweist und unterweist (2. Timotheus 3,16; Johannes 6,39f).

Allerdings gehört zur richtigen Auslegung dieser Psalmtexte das Bewusstsein, dass die Offenbarung Gottes fortschreitend war: Was erst nur angedeutet und verschleiert gesagt wurde, wurde später immer klarer geoffenbart. Wenngleich Gläubige des AT und Gläubige des NT auf dieselbe Weise gerettet werden (alle nur durch Christi Opfer, nur aus Gnade, nur durch Glauben) und beide sowohl irdische wie himmlische Hoffnung haben, sind deutliche Unterschiede und Verschiebungen in den Schwerpunktlegungen zu beobachten.

Insbesondere folgende besonderen Offenbarungen sind im AT –wenn überhaupt– nur versteckt oder als Samenkorn enthalten, werden daher im Psalter meist vergeblich gesucht:

  • Das vollbrachte Erlösungswerk war nicht bekannt. Die Gläubigen das AT blickten voraus auf den verheißenen Erlöser und seine Erlösung, aber die Erlösung war noch nicht vollendetes Geschehnis. Eine Argumentation wie z. B. in Kolosser 2,12ff war noch nicht möglich. Umso mehr war der Glaube an die Zusagen Gottes gefordert.
  • Gott war den Glaubenden noch nicht als persönlicher Vater geoffenbart. Wir finden im Psalter vereinzelt den Begriff »Vater« für Gott (z. B. Psalmen 68,6; 89,27; 103,13). Wir Christen dagegen kennen Gott-Vater als den »Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus« (Römer 15,6; 1. Korinther 1,3; Epheser 1,3 usw.). Diese Bezeichnung der in Christus Jesus so eng und intim gewordenen Beziehung zu Gott-Vater wird typisch für die Glaubenden des NT. Jesus hat seine Nachfolger das Beten gelehrt mit der Anrede: »Unser Vater…« (Matthäus 6,9ff). Später bezeichnete er Gott-Vater als »mein Vater« und erntete dafür massiven Widerspruch seitens der Rabbis (Johannes 5,17ff u.v.a.). Nach der Auferstehung nahm Christus die Jünger ausdrücklich in diese Beziehung mit herein: »Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott.« (Johannes 20,17b). Hier wurde etwas Erstaunliches und Neues geoffenbart.
  • Der Heilige Geist wohnte noch nicht ewig bleibend in den Gläubigen. Zumindest war dies so nicht geoffenbart, vielmehr fürchtete man sich davor, dass man vom Heiligen Geist verlassen werden konnte (s. David in Psalm 51,13). Der Heilige Geist war zwar bekannt, aber nicht in ausdrücklichen Lehraussagen zur Trinität, wie wir sie z. B. im Johannes-Evangelium oder im Römerbrief finden. Der Heilige Geist befähigte die Glaubenden des AT zu ihrem Schriftverständnis, gab ihnen geistliche Gaben und Kraft zum Dienst. Aber von ihnen wird nicht gesagt: »…er [Gott-Vater] wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht noch ihn kennt. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.« (Johannes 14,16b–17). – Entsprechend muss man dann Psalm 51,13 verstehen.
  • Die Glaubenden kannten noch nicht eine lebendige Verbindung zu einem verherrlichten Menschen im Himmel. Dies war schon deshalb nicht möglich, weil noch kein Mensch im Himmel war. Dies ist erst seit der Himmelfahrt Jesu Christi der Fall. Psalm 110,1 spricht prophetisch von der Thronbesteigung Christi: »Jahwe sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!«, Fakt wurde sie erst rund 1.000 Jahre später. Kolosser 1,26ff redet vom Geheimnis, dass diese lebendige Verbindung durch »Christus in euch« realisiert wird.
  • Das Geheimnis der Einheit der Gemeinde Gottes mit Jesus Christus war unbekannt. Das NT bezeichnet die Gemeinde und ihre Einheit mit Christus als ein »Geheimnis« (Epheser 3,1ff; 5,32). Sie war folglich im AT völlig unbekannt und nicht geoffenbart. Die Gemeinde Israels in der Wüste (4. Mose 16,9) ist nicht gleichzusetzen mit der Gemeinde des NT, die erst zu Pfingsten durch Herniederkunft und Innewohnen des Heiligen Geistes gegründet wurde. Die neutestamentliche Gemeinde ist auch kein Ersatz oder die Nachfolgerin der alttestamentlichen Gemeinde.
  • Die Entrückung der Gemeinde und der genauere Ablauf des »Tages des Herrn« waren unbekannt. Diese Sachverhalte wurden erst im NT durch die inspirierten Mitteilungen des Apostels Paulus genauer bekannt. Die »selige Hoffnung« ist daher Sondergut der neutestamentarischen Offenbarung, nicht der Psalmen. Was die Schreiber des AT jedoch geoffenbart haben, sind die sicheren Tatsachen des »Tages des Herrn« und der leibhaftigen Rückkehr Jesu Christi, um seine Feinde zu besiegen und sein Reich sichtbar aufzurichten.
  • Cave: Selbst wenn einige Tatsachen den Schreibern des AT durch Inspiration zum Aufschreiben gegeben wurden, bedeutet dies nicht, dass sie völlig verstanden, auf wen und wann prophetische Aussagen Bezug nahmen.

[E]ine Errettung, über welche die Propheten nachsuchten und nachforschten, die von der Gnade euch gegenüber geweissagt haben, forschend, auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte; denen es offenbart wurde, dass sie nicht für sich selbst, sondern für euch die Dinge bedienten, die euch jetzt verkündigt worden sind durch die, die euch das Evangelium gepredigt haben durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist – Dinge, in welche die Engel hineinzuschauen begehren.

1. Petrus 1,10-12 (ELBCSV)

Die oben genannten (und weitere) typisch christlichen Segnungen waren den Schreibern des Psalters nicht bekannt und sind daher im Psalter nicht zu finden. Auch andere Aussagen waren ihnen zur Niederschrift anvertraut, aber sie kannten deren Einordnung in die Heilsgeschichte nicht.[3] Wer das beim Lesen der Psalmen (wie des gesamten AT) nicht beachtet, kommt schnell zu falschen Schlussfolgerungen.

Natürlich kann und soll (!) der Christ viel Kraft aus den Psalmen schöpfen, denn der Gott des AT ist auch der Gott des NT – Er hat sich nie geändert– aber der Christ muss gut bedenken, dass manche Aspekte, wie die Racherufe und Verzweiflungsworte alttestamentlicher Autoren, nicht der christlichen Position vor Gott entsprechen. Sie waren damals angemessen, sie werden z. T. wieder einmal angemessen sein, aber die Zeit der Gemeinde Jesu Christi ist eine Zeit besonderer Offenbarungen und Vorrechte – es ist eine ganz besondere Gnadenzeit:

Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit. … Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.

Johannes 1,14.16-17 (ELBCSV)

Man tut also gut daran, beim Lesen des Psalters den vielzitierten Leitspruch zur progressiven Offenbarung von Augustinus zu beachten:

Novum Testamentum in Vetere latet, Vetus Testamentum in Novo patet.
Das Neue Testament ist im Alten verborgen, das Alte Testament wird im Neuen offenbart.

Augustinus, Quaestiones in Heptateuchum 2,73: PL 34, 623 (um 419–420)

John G. Bellett (1795–1864) aus Dublin schreibt am Ende seines Kommentars zum Matthäus-Evangelium, das ja die Kontinuität, Harmonie und Einheit beider Testamente der Heiligen Schrift überwältigend deutlich belegt, freudig Folgendes:

»And as we thus listen to the voices of prophets and evangelists, as in concert, we may remember those two happy lines:
„In vetere Testamento novum latet,
In novo Testamento vetus patet.

The lights of God which sweetly dawn 
In earliest books divine,
As morning hours to noonday lead, 
Along the volume shine.

‚Tis but the same, tho‘ bright’ning sun, 
Which clearer, warmer glows;
The clouds which veiled his rising beam, 
Fly ere the evening close.«[4]

Literaturverweise und Endnoten

[1] Benedikt Peters, Das Buch der Psalmen – Teil 1: Psalm 1–41 (Dillenburg: CVD, 2004), S. 8.
[2] Beale, G. K., Carson, D. A., Commentary on the New Testament Use of the Old Testament. Grand Rapids, MI; Nottingham, UK: Baker Academic; Apollos, 2007.
[3] Dies widerlegt die hermeneutische Regel, dass die Bedeutung einer Schriftstelle im AT nur genau jene sei, die der Autor bewusst ihr gegeben hat, den sog. authorial intent. – »Authorial Intent. In literary theory and aesthetics, authorial intent refers to an author’s intent as it is encoded in their work. Authorial intentionalism is the view that an author’s intentions should constrain the ways in which a text is properly interpreted. Opponents have labelled this position the intentional fallacy and count it among the informal fallacies.« (https://en.wikipedia.org/wiki/Authorial_intent; 21.09.2022).
Eine der Bibel angemessene Hermeneutik muss zuallererst versuchen, die Schreibabsicht des Autors zu erfassen und den Text entsprechend zu verstehen und ggf. anzuwenden. Aufgrund der Aussage in 1. Petrus 1,10ff darf jedoch die Deutung heute nicht auf den Erkenntnishorizont und die Vorstellungskraft des ursprünglichen menschlichen Autors begrenzt werden. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass der stets und gleichzeitig aktive göttliche (Haupt-)Autor, der Heilige Geist, die Niederschrift so lenken konnte und gelenkt hat, dass z. B. ein prophetischer Text durchaus weiterreichende Bedeutung hat, als der menschliche Autor erfassen oder erforschen konnte. Studiert werden kann dies u. a. anhand der Zitierweise und Zitatsverwendung alttestamentlicher Stellen in neutestamentlichen Schriften, siehe Endnote [2] oben.
[4] John Gifford Bellett, On the Gospel by Matthew, New Edition, Rouse, 1903.

Die fünf Bücher Mose (Pentateuch) – Ein Überblick (I)

Fundament. Die fünf Bücher Mose (Pentateuch von altgr. pentá »fünf« und teûkhos »Gefäß«, also: »Fünfgefäß«; auch: Thora von hebr. ‏תּוֹרָה‎ »Gebot«, »Weisung«, »Belehrung«, von jarah »unterweisen«) bilden das Fundament der ganzen biblischen Offenbarung beider Bibelteile (AT und NT). Die Linien, die in der Genesis aufgenommen werden, ziehen sich durch die gesamte biblische Offenbarung und finden im Buch der Offenbarung Ziel und Vollendung.

Überblickstabelle unter Verwendung von Daten aus Wikipedia (de.wikipedia.org/wiki/Tora; 01.03.2022) 

Überblick. Der Pentateuch skizziert – zumindest als Schattenbild oder Verheißung – die Botschaft der ganzen Bibel. Diese Botschaft beschreibt, wer Gott ist (Selbstoffenbarung seines Wesen), was Gott tut (Beschreibung seiner Werke) und was er vorhat (Plan, Teleonomie = Sinn und Ziel). Der folgende Überblick soll dies verdeutlichen.

»Der Pentateuch ist eine notwendige Einführung in das gesamte Wort Gottes. Er stellt das vor, was anschließend entfaltet wird, und führt uns immer tiefer in die Hoffnung auf die Vollendung hinein, die zwar noch weit entfernt, aber doch sicher ist.«

Samuel Ridout, The Pentateuch. New York: Loizeaux Brothers, 1919.1

Das erste Buch Mose (Genesis)

Name und Thema. Das erste Buch Mose heißt in der hebräischen Bibel nach dem einleitenden Wort Bereschit (»im Anfang«). Es ist das Buch der Anfänge und Ursprünge. Der Anfangssatz »Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde« markiert den Anfang von Raum, Zeit und Materie und benennt als Erste Ursache und Schöpfer aller Dinge den Ewigen. Die Aussage »Im Anfang schuf Gott« ist gleichzeitig Programm für die ganze Heilsgeschichte. Sie gilt für die materielle erste Schöpfung und erst recht für die geistliche zweite Schöpfung, die Neuschöpfung, die Erlösung in Christus. Römer 11,36 beschreibt den großen Bogen und die Teleonomie des Ganzen: »Denn von ihm und durchihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.« Alles Tun Gottes ist Selbst­offenbarung und geschieht notwendig und wesensartig zu seiner ewigen Anbetung.

Inhalte. Wir erfahren in Genesis von Gott und vom Menschen, vom Ursprung der Schöpfung, der Sünde wie auch der Erlösung. Obwohl historisch verlässlich, erfahren wir mehr als nur Historie.

a. Offenbarung Gottes und des Menschen. Hier wird uns geoffenbart, dass Gott als Schöpfer alles ins Dasein rief, wie er es tat, zu welchem Zweck es geschah und vor allem, welchen Platz der Mensch in der Schöpfung hat. Wir erfahren, wie der Mensch – Höhepunkt und Krone aller Schöpfung – fiel, und wie Gott, der Schöpfer, seiner Natur gemäß die Sünde strafen muss, denn er ist als Schöpfer auch Richter. Aber im gleichen Atemzug wird uns in diesem einzigartigen Buch gesagt, dass der allmächtige und heilige Gott, der Schöpfer und Richter, auch der Erlöser ist. Er gibt dem Menschen, kaum ist dieser in Sünde gefallen, bereits Verheißungen der Errettung vom Urheber und damit von der Macht der Sünde und des Todes (3,15). Damit lernen wir bereits im ersten Buch der Bibel alle wichtigen Grundwahrheiten über Gott, den Menschendie Sünde und die Errettung:

  • Gott ist der Schöpfer: Er ist ewig, er ist unendlich weise und er ist allmächtig (Röm 1,20). Als Urheber aller Existenz handelt er absolut souverän. Er erschafft alles durch sein Wort. Er allein ruft das Wahrnehmbare aus Nichtseiendem (Heb 11,3).
  • Gott ist Richter: Er ist Licht, er ist heilig, wahr und gerecht (1Joh 1,5).
  • Gott ist Retter: Er ist Liebe, er bereitet dem Menschen Heil (1Joh 4,16).
  • Gottes Weisheit und Allmacht enthüllt sich in seinen Schöpfungswerken (Kap 1-2).
  • Gottes Heiligkeit zeigt sich in der Vertreibung aus dem Paradies (3), im Tod, der alle Nachkommen Adams ereilt (5), im Gericht der weltweiten Flut (6–8; »Sintflut« = Große Flut), im Gericht der Sprachverwirrung (11).
  • Gottes Liebe zeigt sich in der Errettung Noahs und seiner Familie. Er findet Gnade vor Gott (6,8). Sie zeigt sich in der Gnadenwahl und Berufung Abrahams (12), in der Erfüllung der Verheißung eines Sohnes (21), in der Bewahrung Isaaks und Jakobs (26–36), in der Errettung der Söhne Jakobs durch Joseph (37–50). Darin zeigt sich in strahlender Klarheit, dass das Böse, das der Mensch mit der Sünde in die Schöpfung gebracht hat, Gottes Absichten der Gnade und des Segens nicht zu vereiteln vermag: »Ihr zwar hattet Böses gegen mich im Sinn; Gott aber hatte im Sinn, es gut zu machen, damit er täte, wie es an diesem Tag ist, um ein großes Volk am Leben zu erhalten.« (50,20). Gott hat und braucht keinen »Plan B«, da er allweise und allmächtig ist.

b. Errettung. Das Buch der Anfänge lehrt uns auch die fundamentalsten Wahrheiten über den Weg der Errettung: Sie hat ihren Grund in der göttlichen Gnadenwahl und sie geschieht durch Glauben an Gott: »Noah aber fand Gnade in den Augen Jahwes« (6,8); »Abraham glaubte Jahwe; und er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit« (15,6; vgl. Röm 4,3). Epheser 2,8 sagt dies so: »Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittelst des Glaubens; und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es«. Diese Heilswahrheiten gelten seit der Vertreibung aus dem Paradies für alle nachkommenden Geschlechter und Heilszeiten. Hebräer 11 mit seinem Überblick über den Glauben aller je Geretteten bestätigt diesen Grundsatz.

Bei aller Gnade Gottes, die dieses Buch offenbart, offenbart sich diese stets vor dem Hintergrund des Niedergangs. Alles beginnt überaus herrlich, mit der Herrlichkeit des Schöpfergottes und dem Leben, der Herrschaft und der Wonne des ersten Menschenpaars im Segensraum des Garten Eden. Das Buch endet aber überaus betrüblich: Mit einem Toten in der Enge eines Sarges in Ägypten, fern der Segensheimat (50,26). Wir sehen: Der Lohn des Sünde ist der Tod (1Mo 2,17; Röm 6,23).

Merkhilfe

Urgeschichte und Patriarchengeschichte

  • 1–11: Urgeschichte (4 »S«): Von Unschuld zum Fall zum Leben als Sünder
    SchöpfungSündenfallSintflutSprachverwirrung.
  • 12–50: Patriarchengeschichte (4 Personen): Das Leben der gnädig Berufenen
    Abraham, IsaakJakob (Israel)Joseph.

Das zweite Buch Mose (Exodus)

Name und Thema. Das zweite Buch Mose heißt in der hebräischen Bibel nach einem der ersten Wörter Schemot (»Namen«). Es berichtet uns davon, wie Gott die Nachfahren Abrahams gemäß seiner an ihn gemachten Verheißungen mit Namen ruft. Dieses Buch der Errettung par excellence beginnt bedeutungsvoller Weise nicht mit der Not der Israeliten, sondern mit den Namen derer, die seit den Tagen ihrer Väter der Gegenstand göttlicher Verheißungen gewesen waren. Gott hatte Abraham verheißen, seine Nachkommen sollten zur bestimmten Zeit aus ihrer Knechtschaft befreit werden und das verheißene Land ererben (1Mo 15,16). Und er hatte ihm und Isaak und Jakob verheißen, dass ihr Same überaus zahlreich werde (1Mo 46,3–4).

Exodus lehrt uns, dass Gottes Errettung nicht mit der Not des Menschen beginnt, auch nicht mit dem Willen des Menschen errettet zu werden, sondern mit dem Vorsatz und Willen Gottes: »Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien« (Jak 1,18). Die, welche er zuvorerkannt (d. h. in ewiger Liebe erfasst) hat, die hat er nach Vorsatz berufen (Röm 8,28–30), und zwar mit Namen (d. h. persönlich) berufen: »Und nun, so spricht Jahwe, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein« (Jes 43,1). In diesem Buch sind aber nicht allein die Namen der Erlösten wichtig (siehe 1,1–4 usw., 28,9–30), sondern noch wichtiger ist der Name des Retter Gottes, der sich in ihm offenbart: »Da sprach Gott zu Mose: Ich bin, der ich bin. Und er sprach: Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: ›Ich bin‹ hat mich zu euch gesandt« (3,14) und »Und Jahwe ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit, der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt – aber keineswegs hält er für schuldlos den Schuldigen…« (34,6-7a).

Zusammenhang. Das zweite Buch Mose ist die Fortsetzung des ersten Buches, erkenntlich am Anfangswort »Und«. Exodus setzt da ein, wo Genesis aufgehört hatte: Josephs Nachkommen sind in Ägypten und werden bald der Willkür eines ihnen feindlich gesinnten Despoten ausgeliefert. Das Volk wird von diesem geknechtet (1,13–14) und dem Tod verschrieben (1,16.22). Das Buch endet aber mit Leben und Herrlichkeit: Gottes Herrlichkeit wohnt unter seinem erlösten Volk, und das Volk folgt der Herrlichkeit, die es beständig vor Augen hat (Kap 40). Damit ist Exodus im Gegensatz zu Genesis ein Buch des Aufstieges. Es führt von der Schande der Knechtschaft zur Herrlichkeit der Sohnschaft und von der Bitterkeit des Todes zur Wonne des Lebens. Wie ist dieser Aufstieg erklärbar? Sicherlich nicht durch gesellschaftliche Evolution oder durch moralische Höherentwicklung, sondern einzig durch Gottes Macht: Er hat in Erlösung und Errettung eingegriffen und den unerbittlichen Abstieg in einen unwiderstehlichen Aufstieg gewendet.

Christus (Typologie). In Exodus erfahren wir, dass Gott, um den Menschen zu retten, »herabgekommen« ist (3,8). Das ist nichts anderes als ein bereits hier abgegebenes Versprechen, dass er »in der Fülle der Zeit« (Gal 4,4) vollständig zu uns herabkommen, dass er Mensch werden (Joh 1,14) und als Mensch für uns leiden und sterben sollte (Phil 2,5–8). Exodus lehrt dies zumeist in »Schatten der himmlischen Dinge« (Kol 2,17; Heb 8,5; 10,1).

Das Passah (12) lehrt uns: Der Retter sollte nicht allein Mensch werden, sondern als Mensch an unserer Statt durch das Feuer des Gerichts des gerechten Gottes gehen. Nur auf diesem Weg konnte er sein sündiges Volk aus der Macht seines Tyrannen befreien und zu sich führen (19,4): »Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe« (1Pet 3,18); »unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden« (1Kor 5,7b).

Das erlöste Volk baut seinem Gott und Erlöser nach dessen Anweisungen ein Heiligtum: »Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, damit ich in ihrer Mitte wohne« (25,8). Damit kommt er zu ihnen und öffnet ihnen den Zugang zu ihm, um bei ihm zu sein und ihm zu dienen. Gottes Forderung an den Pharao erfüllt sich: »Lass meinen Sohn ziehen, damit er mir dient!« (4,22b). Entsprechend lässt sich Exodus in Worten des Römerbriefs so zusammenfassen: »Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden« (Röm 6,18).

In Exodus wird erstmals in der Bibel von Gottes Herrlichkeit gesprochen. Im letzten Kapitel lesen wir: »…und die Herrlichkeit Jahwes erfüllte die Wohnung« (40,34b). Einen ähnlichen Satz suchen wir im Schöpfungsbericht vergeblich. Damit will uns der Geist Gottes sagen, dass Gottes Herrlichkeit erst in der Erlösung voll und frei aufscheint. Ist das nicht ein Wunder?! Der Mensch hat gesündigt und damit unermesslich Böses getan. Dieses Böse, das zur Schande und zur Pein des Menschen in die Schöpfung eingedrungen ist, wird Gott zum Anlass, seine Herrlichkeit in einer Weise zu entfalten, wie das durch die Schöpfung nie geschehen konnte, und dem Menschen Höheres zu geben, als er sich durch die Sünde eigenhändig verscherzt hatte (vgl. Joh 9,3; 11,4; 17,22; Off 21,11).

Merkhilfe

Errettung und Erlösung – Von Knechtschaft und Tod (1) zu Gott gebracht (40)

1: WORAUS gerettet (Situation):
(a) aus der Knechtschaft (1,8–14); 
(b) 
aus dem Tod (1,15–22).

2–12: WIE gerettet (Methode):
(a) durch die Geburt, Vorbereitung und Sendung eines Retters (2–11);
(b) den Tod des Retters (12, Passah);
(c) nur mittels Glauben (4,1ff; 5x).

13–40: WOZU gerettet (Ziel):
(a) Um sich Gott hinzugeben, Gott zu leben und Gott zu dienen (13–15);
(b) Um zu Gott gebracht zu werden (16–24);
(c) Damit der Retter-Gott unter seinem erlösten Volk wohne (25–40).

Fortsetzung hier (Levitikus–Deuteronomium), Gesamtdokument (PDF) hier.

Endnotizen

1– Samuel Ridout, The Pentateuch. Chapter 1: Introductory. »But all this will suffice to show us that the Pentateuch is an essential introduction to the entire word of God. It opens up that which is afterward unfolded, and ever leads us on in hope to a consummation which, though distant, is certain.« (Orig.: New York: Loizeaux Brothers, 1919. Quelle: www.bibletruthpublishers.com/the-pentateuch/s-ridout/lbd24119; abgerufen 01.03.2022. PDF: www.brethrenarchive.org/media/364855/ridout-s-_-pentateuch.pdf)

Die fünf Bücher Mose (Pentateuch) – Ein Überblick (II)

Erster Teil hier (Genesis–Exodus), Gesamtdokument (PDF) hier.

Das dritte Buch Mose (Levitikus)

Name und Thema. Das dritte Buch Mose heißt in der hebräischen Bibel nach dem ersten Wort: Wajjiqra’ (»und er rief«). Es ist das Buch der Berufung zur Heiligkeit: Die Heiligen sind dazu berufen, da zu sein, wo er ist (Joh 14,3; 17,23), und so zu sein, wie er ist (1Joh 3,3). Gott selbst bereitet ihnen den Weg in seine Gegenwart und er trifft Vorkehrungen und gibt Weisungen, damit sie für seine Gegenwart passend gemacht sind. Damit kann das Thema des Buches in einem Wort angegeben werden: Heiligkeit (>80-mal). »Denn ich bin Jahwe, der euch aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat, um euer Gott zu sein: So seid heilig, denn ich bin heilig.« (11,45; vgl. 1Pet 1,16).

Zusammenhang. Levitikus ist die Fortsetzung des zweiten Buches, erkenntlich am Anfangswort »Und«. Es knüpft dort an, wo Exodus aufgehört hatte, beim Haus Gottes, und führt dann weiter. In Exodus wurde der Sünder gerettet und zu Gott gebracht, in Levitikus wird der so Erlöste gerufen, nun Gott zu nahen, Gemeinschaft mit Gott zu haben, in sein Haus (Tempel) einzutreten. Diese Gemeinschaft ist möglich durch vermittelnden Priesterdienst – insbesondere des Hohenpriesters – und beständigen Opferdienst. Levitikus ist das Buch der Priesterdas Buch der Anbetung. Es ist das Schattenbild dessen, was Petrus so umschreibt: »…auch ihr selbst [werdet] als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus« (1Pet 2,5; vgl. 2,9 mit der königlichen Priesterschaft). 

Es gibt auch bemerkenswerte Unterschiede zwischen Exodus und Levitikus: Anders als in Exodus ruft Gott Mose weder aus dem Dornbusch (2Mo 3) noch von dem Berg Sinai (2Mo 19), sondern er ruft ihn »aus dem Zelt der Zusammenkunft«. Denn dort wohnt Gottes Herrlichkeit und der Erlöste soll zu ihm eingehen; dies ist die höchste Bestimmung der Erlösten. Das dritte und damit mittlere der Mosebücher führt uns damit ins Herz und auf den Gipfel unserer Bestimmung: Wir werden ewig beim Herrn sein, und wir werden ewig den anbeten, der auf dem Throne ist, und das Lamm. Und so wie das Lamm in der Mitte des Thrones Gottes steht (Off 5,6), so steht dieses Buch in der Mitte der fünf Bücher Mose. Der Dreh- und Angelpunkt aller Wege Gottes ist Menschwerdung, Tod und Auferstehung des Herrn Jesus Christus. 

Christus (Typologie). Die in den ersten sieben Kapiteln beschriebenen blutigen Opfer sind allesamt ein Schattenbild unseres Herrn, der als Lamm Gottes in diese Welt kam (Joh 1,29), »der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat« (Heb 9,14). Auf Grund dieses Opfers können wir Gott nahen und ihm dienen (Heb 9,14b; 10,19). Er ist aber nicht allein Grund, sondern auch Substanz (Inhalt) und Gegenstand aller Anbetung. Die sich anschließenden Kapitel 8 und 9, welche die Weihe der Priester zum Dienst beschreiben, finden ihre Erfüllung in unserem Hohen Priester Jesus Christus. Er ist nicht allein das Opfer, das Gottes Ehre wiederhergestellt und den Sünder gerechtfertigt hat, sondern er ist auch der Hohe Priester, der allein das Recht und die Macht hat, sich für die Seinen vor Gott zu verwenden, damit diesen sein Opfer zugerechnet wird (Heb 8,1–2). Er ist der Priester, der den Aussätzigen für rein erklären und so vor Gott stellen kann (Kap 13–14): »Und siehe, ein Aussätziger kam herzu, warf sich vor ihm nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und er streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will; werde gereinigt! Und sogleich wurde er von seinem Aussatz gereinigt.« (Mt 8,2–3). Und er ist der große Sachwalter, der persönlich dafür sorgt, dass alle Sünden seines Volkes vor Gott bekannt und vor Gott gesühnt werden (16,15–16.21–22): »Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.« (1Joh 2,1–2).

Merkhilfe

Heiligung – Gemeinschaft mit Gott und untereinander

  • 1–10: Wie kann man Gott nahen?
    (a) durch den Opferdienst (1–7); 
    (b) 
    durch den Priesterdienst (8–10).
  • 11–15: Wie soll man Gott nahen? (Reinheitsgesetze für Nahrung, Krankheit)
  • 16–17: Der Große Sühnungstag (jährliches Zentralopfer) und weitere Gesetze
  • 18–22: Wie soll man einander nahen? (Reinheitsgesetze für Gemeinschaft)
  • 23: Wie feiern wir Seine Gegenwart miteinander? (Feste Jahwes)
  • 24–27: Wie sieht die Gemeinschaft der Erlösten aus? (Soziale Verordnungen)

Das vierte Buch Mose (Numeri)

Name und Thema. Das vierte Buch Mose heißt in der hebräischen Bibel wiederum nach einem der ersten Wörter Bemidbar (»in der Wüste«). Es geht um die dem Exodus und der Zeit am Horeb folgende Wüstenwanderung des Volkes Gottes, die wegen vieler Rebellionen (10–25; insbes. 14,22) und fortgesetztem Götzendienst größtenteils (38 der 40 Jahre) ein Irrweg unter Gottes gerechtem Zorn war (vgl. Hes 20,4–26). In diesem Buch des Zornes Gottesfinden sich die uns so geläufigen Geschichten von den Wachteln (vgl. Ps 106,13–15), von der aussätzigen Mirjam, vom geschlagenen Felsen, von den feurigen und von der ehernen Schlange, von Bileam und von Pinehas. Wegen der beiden auffälligen Musterungen und Zahlenangaben bzgl. der ersten (1) und der zweiten (26) Generation (Männliche ab 20 J.) wird das Buch auch »Numeri« (Zahlen) genannt.

Zusammenhang. Numeri ist die zeitlich und vor allem inhaltlich schlüssige Fortsetzung des dritten Buches: Das unter Knechtschaft schmachtende Israel war erlöst und zu Gott gebracht worden, Gott hatte das Volk zu sich gerufen, damit es gleich ihm heilig sei und ihm priesterlich diene. Nun muss Israel als ein von Gott Erwählter, Erlöster und Geheiligter den Weg ziehen, der es durch eine feindliche Welt ans Ziel bringen muss. Sie hätten diesen Weg nicht aus eigener Kraft und eigenem Willen geschafft.

Typologie. Das neutestamentliche Gegenstück wird von Petrus so gesagt: »Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind, euch der fleischlichen Begierden zu enthalten, die gegen die Seele streiten, und dass ihr euren Wandel unter den Nationen ehrbar führt, damit sie, worin sie gegen euch als Übeltäter reden, aus den guten Werken, die sie anschauen, Gott verherrlichen am Tag der Heimsuchung« (1Pet 2,11-12). Numeri beschreibt unseren »Wandel unter den Nationen«, spricht von Erprobung und Bewährung (Jak 1,12), von Widersachern und von Kampf, der uns wider diese verordnet ist (Eph 6,12; Jak 4,7; 1Pet 5,8). 

Numeri spricht von mannigfaltigem Straucheln (Jak 3,2; vgl. Ps 105), aber auch von Gottes gnädigen Vorkehrungen, welche dafür sorgen, dass Sein Volk trotz Versagen und trotz Verzögerung doch am Ziel ankommt: Er nährt es täglich durch das vom Himmel fallende Manna (vgl. Eph 5,29). Er segnet es priesterlich (6,24–26). Er führt es und ist bei ihm bis an das Ende des Pilgerweges (Mt 28,20). Der von ihm erwählte Hohepriester (17) erhält es in der rechten Beziehung zu Gott und rettet es durch eine feindliche Welt hindurch (Heb 7,25). Den Israeliten war als Erbe ein Land in dieser Schöpfung bereitet; auf uns wartet ein himmlisches Erbe (1Pet 1,4). Dieses Erbe kann uns nicht verloren gehen. Dafür sorgt Gottes Macht und Gottes Treue, worauf der zweitletzte Satz des Buches hinweist: »Und so verblieb ihr Erbteil beim Stamm der Familie ihres Vaters« (36,12b). Gott sorgt dafür, dass wir auf dem Weg durch die Wüste unser Erbe nicht verlieren, wiewohl wir schwach sind wie die Töchter Zelophchads, die, auf sich gestellt, das väterliche Erbe verloren hätten. Allein die Heirat mit einem Mann aus ihrem Stamm (36,5–9) vermochte deren Erbe sicherzustellen. Auch wir, die Braut und die Ehefrau des Lammes, verlören auf unserem langen Weg zum Ziel alles, was uns Gott bereitet hat, hätte sich Christus nicht als unser Bräutigam mit uns verbunden und verbürgte nicht er für die Sicherheit unseres Erbes.

Merkhilfe

Dienst und Wandel auf der Wüstenreise

  • 1,1–25,18: Das Ende der ersten Generation in der Wüste (Buchteil 1)
    (a) Die Treue Israels am Sinai (1,1–10,10); 
    (b) 
    Die rebellische Generation in der Wüste (10,11–25,18).
  • 26,1–36,13: Die neue Generation, Ausblick ins Verheißene Land (Buchteil 2)
    (a) Die Vorbereitung der neuen Generation Israels (26,1–30,16); 
    (b) 
    Die Vorbereitung für Krieg und Einzug ins Verheißene Land (31,1–36,13).

Das fünfte Buch Mose (Deuteronomium)

Name und Thema. Das fünfte Buch Mose heißt in der hebräischen Bibel nach den einleitenden Worten ʾēlleh haddeḇārîm (»Dies sind die Worte«), kurz: Debarim (»die Worte«). Das Thema dieses den Pentateuch (»Fünfbuch«) abschließenden Buches ist die Zuverlässigkeit der Aussprüche Gottes und die Bedeutung dieser Worte im Leben der erwählten Nation, es ist das Buch des ins Herz eingepflanzten Wortes Gottes. Alle Worte Gottes werden sich mit Gewissheit erfüllen, sei es zum Segen, sei es zum Fluch (28). Daher wird dem Volk in jedem Kapitel (und in manchen Kapiteln wiederholt) eingeschärft, auf dieses Wort zu hören, es zu bewahren und ihm zu gehorchen. Der geforderte Gehorsam ist kein rein äußerlicher, sondern Frucht eines durch das Wort Gottes erneuerten Herzens (ca. 47x lêḇâḇ»Herz«; im Pentateuch insges. 55x, im AT 252x). Im Neuen Bund wird dies realisiert werden: »[So] spricht Jahwe: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein« (Jer 31,33b; vgl. 2Kor 3,3, Heb 10,10; 15–16).

Das Buch ist nicht, wie der griechische Titel »Deuteronomium« (»zweites Gesetz«) will, eine »Wiederholung des Gesetzes«. Es ist nach (1,5) vielmehr eine Auslegung (be’erdes Gesetzes. Mose liest nicht nur vor, er hält drei Predigten aus dem Wort Gottes (vgl. 2Tim 3,16–4,2). Darin erklärt er dem Volk Gottes, wie ihr Glück sich am (praktischen) Glauben oder Unglauben gegenüber Gottes Wort entscheidet. Zum Beleg liefert er zuerst einen Rückblick über das Ergehen der Kinder Israel seit dem Auszug (1–4). Im Rückblick stellt er dem Volk vor Augen, wie es Gottes Macht zum Fluch erfahren hatte, als es Gottes Wort nicht glaubte (1), danach, wie es Gottes Macht zum Segen erfahren hatte, als es Gottes Wort vertraute (2–3). In den Endkapiteln (28–33) zeigt Mose, dass das Volk eine herrliche Zukunft haben muss, wenn es diesem Wort vertraut und gehorcht, ebenso sicher, wie es eine schreckliche Zukunft haben wird, wenn es diesem Wort nicht vertraut und gehorcht. Mit dem ganzen Gewicht dieses Rückblickes und dieses Ausblickes ermahnt Mose im großen Mittelteil des Buches zum Hören auf Gottes Wort und zum Gehorchen. Das, was man das israelische Glaubensbekenntnis (»Schma Jisrael«, šma‘ yiśra’el = »Höre, Israel!«) zu nennen pflegt, könnte man das Motto des ganzen Buches nennen: »Höre, Israel: Jahwe, unser Gott, ist ein Jahwe! Und du sollst Jahwe, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein« (6,4–6).

Zusammenhang. Mit Deuteronomium schließt sich der Kreis, der mit Genesis eröffnet worden war. In Genesis hatten wir erfahren, wie Gottes Wort alles erschaffen und wie die Auflehnung gegen dieses Wort den Menschen in den Ruin gestürzt hatte. In Deuteronomium erfahren wir, wie alle Worte Gottes in Erfüllung gehen und wie Segen oder Fluch sich an unserem Glaubensgehorsam gegen dieses Wort Gottes entscheidet (vgl. bzgl. des Evangeliums, Röm 1,5 und 16,26). Ebenso aber, wie Gott als der souveräne Schöpfer alles nach seinem Willen schuf (vgl. Off 4,11), ohne dass ihn dabei jemand beriet oder er irgend jemandem etwas schuldig war, so wird er am Ende als der souveräne Retter das Heil an einem unwürdigen Volk vollenden (33), das ihm dabei ebenso wenig beraten hat noch ihm etwas gegeben hat, so dass er ihm die Errettung schuldete (Röm 11,34–36). Gott ist das Alpha und das Omega. Er, der im Anfang schuf, wird am Ende alles vollendenIhm sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Typologie und Prophetie. Deuteronomium wird im NT mehr als 40x zitiert und zusätzlich häufig angespielt, auch Christus verwendete häufig Zitate daraus. Israels Sehnen nach einem König wird hier von Moses vorhergesagt (17,14–20). Das Kommen des Herrn Jesus als Prophet wird angekündigt (18,15.18 mit Apg 3,22–23; 7,37). Weiterhin lesen wir von Weissagungen bezüglich der Zukunft Israels. Auffallend oft (21x) wird der von Gott erwählte Ort für den Gottesdienst (»der Ort, wo Gott seinen Namen wohnen lässt«, also persönlich anwesend ist) angekündigt (noch ohne Ortsangabe; es ist Zion, vgl. Ps 132,13–14). 

Merkhilfe

Herzensgehorsam gegenüber Gottes Wort (Joh 14,21.23)

  • 1,1–5: Vorwort
  • 1,6–4,43: Erste Predigt: Der Blick zurück (Wüstenreise)
  • 4,44–28,68: Zweite Predigt: Verpflichtungen des Bundesvertrages und dessen Ratifizierung
  • 29,1–30,20: Dritte Predigt: Die Bundesbedingungen
  • 31,1–34,12: Abschließende Erzählungen

Abschlusszitat zur Inspiration des Pentateuch

»Die modernen Kritiker haben es gewagt, fast alle Bücher der Heiligen Schrift anzugreifen und zu untergraben, allerdings keines mit einer solchen Dreistigkeit wie den Pentateuch (außer vielleicht die Prophetien Daniels). […] Lassen Sie uns an der weitreichenden, tiefgehenden und endgültigen Tatsache festhalten, dass die Autorität Christi diese Frage für jeden, der ihn als Gott und Mensch anerkennt, beantwortet hat.«

William Kelly, Lectures Introductory to the Bible: 1. Pentateuch. Introduction.2

Endnotizen

2– »Modern criticism has ventured to undermine and assail almost all the books of Holy Scripture, but none with such boldness as the Pentateuch, unless it be the prophecy of Daniel. […] Let us take our stand on the fact, broad, deep, and conclusive, that the authority of Christ has decided the question for all who own Him to be God as well as man.« William Kelly (1821-1906), Lectures introductory to the study of the Pentateuch. Chapter 1: Introductory (London: W. H. Broom, 1871), S. VII. VIII . (Textquelle: https://bibletruthpublishers.com/introduction/william-kelly-wk/lectures-introductory-to-the-bible-1-pentateuch/la76920; abgerufen 01.03.2022. PDF: https://www.brethrenarchive.org/media/360163/lectures_introductory_to_the_study_of_the-pent.pdf).

Anhang: Die Offenbarung Gottes im Pentateuch

Jedes Buch des Pentateuch zeigt uns eine besondere Eigenschaften Gottes (s. Tabelle). Natürlich ist Gott stets Derselbe, auch wenn er sich schrittweise und mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung offenbart. Man wird daher in jedem Bibelbuch stets sein ganzes, wahres Wesen sehen können.