Deus spes nostra est – Gott ist unsere Hoffnung

Gestern entdeckte ich einen alten Metallknopf, der wohl einmal an einem alpenländischen Janker hing, den ich als Kind getragen hatte. Die Mitte dieses kreisrunden Knopfes ziert ein (Reichs-)Adler, wie man ihn überall als Wappentier sehen kann. Das Besondere ist: Rings herum steht in Großbuchstaben: »DEUS SPES NOSTRA EST«. Das hat mich neugierig gemacht: Wie gerät eine solche Glaubensaussage auf einen Knopf einer einfachen Trachtenjacke?

Und siehe da: Der Knopf ist ein (reproduziertes) Relikt aus jener Zeit und Gegend, wo der christliche Glaube allgemeines, öffentliches Gut und alltägliche Selbstverständlichkeit einer Gesellschaft war. So findet man diesen Spruch (u.a.) als Hoffnungs-Wahlspruch im Schaffhausener Standeswappen. So berichtet es der Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums von 1896 auf Seite 116. Es war seit dem ausgehenden Mittelalter in der Eidgenossenschaft üblich, im Stadt- und Standeswappen Glaubenssätze und Bekenntnisse des christlichen Glaubens zu zeigen, nur wenige Kantone verzichteten darauf. Auch auf Münzen fanden diese Sätze Verbreitung (s. Abb. unten) und wurden so ubiquitäres Allgemeingut. Einzig das eidgenössische Wappen wurde eingefasst mit den Worten: »Einer für Alle, Alle für Einen« in Deutsch, Französisch und Italienisch, dem inoffiziellen nationalen Motto der Schweiz, das den bundesgenossenschaftlichen Zusammenhalt ausdrückt und am Bundeshaus in Bern eingemeißelt steht. Die einzelnen Wahlsprüche der Kantone lauten:

Kanton

Wahlspruch

Übersetzung ins Deutsche

Zürich 

Domine conserva nos in pace

Herr, erhalte uns in Frieden

Bern 

Deus providebit

Gott wird sorgen

Luzern 

Dominus illuminatio mea

Der Herr ist mein Licht

Uri 

Soli Deo gloria

Allein Gott die Ehre

Schwyz 

Turris fortissima nomen Domini

Der Name des Herrn ist ein starker Turm

Obwalden 

Dilexit Dominus decorem justitiae

Der Herr liebt die Zierde der Gerechtigkeit

Nidwalden 

Pro fide et patria

Für Glaube und Vaterland

Zug 

Cum his qui oderant pacem eram pacificus

Mit denen, die Frieden hassen, war ich friedlich

Freiburg 

Esto nobis Domine turris fortitudinis a facie inimici

Sei uns, Herr, ein starker Turm gegen den Feind

Solothurn 

Cuncta per Deum

Alles durch Gott

Baselstadt 

Domine conserva nos in pace

Herr, erhalte uns in Frieden

Schaffhausen 

Deus spes nostra est

Gott ist unsere Hoffnung

Appenzell I.Rh.

Super omnia libertas

Freiheit über alles

Appenzell A.Rh.

Jedem das Seinige

 

Graubünden 

Hie alt fry Rhätia

Hier altes freies Rätien

Waadt 

Liberté et patrie

Freiheit und Vaterland

Wallis 

Soli Deo gloria

Allein Gott die Ehre

Genf 

Post tenebras lux

Nach der Dunkelheit das Licht

Der Kanton Schaffhausen trug seinen Wahlspruch ganz bewusst durch die Jahrhunderte. Der Wappenexperte (Heraldiker) Adolphe Gautier schrieb in seinem Wappenbuch der Schweizer Kantone 1878 folgendes fest: «La devise de Schaffhouse est: Deus spes nostra est. Elle est beaucoup plus usitée que toutes celles que nous avons vues jusqui’ici« (Adolphe Gautier, Les armoiries et les couleurs de la Confédération et des Cantons Suisses, Genève et Bâle, 1878, S. 82. Verdeutscht: »Der Wahlspruch von Schaffhausen lautet: Deus spes nostra est. Er wird viel häufiger verwendet als alle anderen, die wir bisher gesehen haben«.).

Auch auf Münzen wurde der schöne Denkspruch verwendet. So wird berichtet, dass er schon 1550 auf einem Thaler zu finden war, und seitdem auf beinahe allen Schaffhausener Münzen: Halb- und Viertelthaler (gleichwertig zum Viertelthaler: der Örter = ein Viertelgulden), Batzen (4 Kreuzer) und Kreuzer (1 Gulden = 60 Kreuzer). Dies war üblich bis letztmalig 1677.

Vorher war der Spruch »O rex gloriæ Christe veni cum pace« (»O König der Herrlichkeit, Christus, komm mit Frieden«) üblich gewesen, ein traditioneller liturgischer Ruf, der aber nach der Reformation nicht mehr verwendet wurde. Der neue Spruch war auf Deutsch schon in Konstanz verwendet worden auf dem sog. »Konstanzer Reformationsthaler«: »Got ist unser aller Hail und Hofnung« (1537–1541). Weil Münzen natürlich in aller Hand waren, fand der aufgeprägte Spruch weite Verbreitung und wurde im Lauf der Zeit zum offiziellen Schaffhauser Wahlspruch.

Nebst auf Münzen wurde der Wahlspruch von der Hoffnung in Gott auch auf anderen öffentlichen Gegenständen und Gebäuden angebracht, wie Glocken, öffentliche Gebäude, Deckengemälde (vor allem in Kirchen), Standarten, Schiffe (z.B. beim ersten Raddampfschiff »Stadt Schaffhausen«, das 1851–1892 fuhr) u.Ä. Auch in anderen christlichen Ländern sind noch Spuren davon zu finden. So findet man den Sinnspruch »In te Domine speravi« (»Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft«; aus Psalm 31,2; 71,1) über den beiden Portalen des Hochtor-Tunnels auf der Scheitelstrecke der Großglockner Hochalpenstraße, auf 2.504 Metern Seehöhe, an der Grenze zwischen Salzburg und Kärnten.

Leider ist sowohl der Denkspruch als auch der lebendige christliche Glaube, der ihn zeitigte und ihn in der Lebensrealität der Menschen verankerte, verblasst und fast in Vergessenheit geraten. Nur gelegentlich wird der Denkspruch von der wahren Hoffnung des Menschen bei Reden, in Chroniken oder kirchlichen Veranstaltungen wieder hervorgeholt. Die Reformation –und mit ihr die im absolut Guten, Gott,– verankerten Güter Glaube, Wahrheit, Freiheit, Solidarität, Nächstenliebe, Erlösung und Verantwortung vor Gott– hat scheinbar die abendländische Welt längst verlassen.

Und in der Bundesrepublik Deutschland

Im (anderen) »Land der Reformation«, Deutschland, gab es in den letzten Jahren heftige Debatten um die weithin sichtbare Inschrift an der Außenseite der restaurierten Kuppel des Berliner Schlosses. Da steht in goldenen Lettern zu lesen: »Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.« Dies ist ein Text, der aus den neutestamentlichen Bibelversen Apostelgeschichte 4,12 und Philipperbrief 2,10 zusammengesetzt wurde. König Friedrich Wilhelm IV. hatte ihn für die 1845 bis 1854 durch den Architekten Friedrich August Stüler errichtete Kuppelkonstruktion über der Westfassade von Schlüters barockem Schlossbau, der preußischen Residenz in Berlin, vorgegeben. Das Haupt der Kuppel ziert ein großes goldenes Kreuz.

© dpa / Bernd von Jutrczenka

Im Schloss ist heute nach der Rekonstruktion das »Humboldt Forum« beheimatet, das einen Ort für den Dialog der Weltkulturen bieten will. Wie verträgt sich das mit den klaren, positiven Aussagen des Evangeliums Gottes? Es wundert fast nicht, dass Claudia Roth (*1955; Bündnis 90/Die Grünen), Staatsministerin beim Bundeskanzler von 2021 bis 2025 und Beauftragte der Bundesregierung der BRD für Kultur und Medien, an vorderster Front der ablehnenden Kritiker stand. Klare christliche Aussagen, sogar zentrale Inhalte der »Guten Botschaft« (Evangelium) aus berufener Quelle, den christlichen Aposteln Petrus und Paulus, dürfen nicht mehr Teil der öffentlichen Kultur der BRD sein. Zumindest müssen sie »kontextualisiert« werden, was hier offenbar bedeutet, dass die »frohe Botschaft Gottes« an alle Menschen umgedeutet und eingegrenzt wird auf die angeblich rein politische Absicht dieser Verse und deren symbolhaften, öffentlichen Anbringung durch den damaligen Monarchen. Das ist ärmlich und verarmend.

Und es ist kindisch-leugnend, wie der sprichwörtliche Vogel Strauß. Diese Inschrift gehört zur deutschen Geschichte. Definitiv. Man mag gerne die Intention des Preußenkönigs zur Anbringung dieser Bibelverse »kontextualisieren«, aber nur Dummen oder Geblendeten kann man unterjubeln, dass damit auch die ewige Rettungskraft und Wahrheit dieses Gotteswortes in Frage gestellt worden sei. Mögen der Bote und der Anlass auch zurecht kritikwürdig sein, was da nach sozialistischem Raubbau und ideologischer Selbstverherrlichung jetzt wieder steht, ist über Politik, Kultur und Zeit erhaben gültig, denn der Autor ist der Schöpfer-Gott, der sich uns Menschen in Jesus Christus als Retter-Gott nahte und noch nahe ist. (Ja, Jesus, der Gesalbte, war kein Preuße, sondern »Retter der Welt«; Johannes 4,42.) Wird dieser Retter-Gott aus Politik und Kultur (und Glaube!) der Gesellschaft verdrängt, bleiben am Ende nur noch die Heilsversprechen der Politiker, der Ideologen und der Sekten. Leugnet eine Gemeinschaft Gott, oder –gleichwertig– macht ihn beliebig, macht sich diese Gesellschaft selbst zu Gott, zum letzten Ziel, Sinn und Wert. Die Bibel bezeichnet solche selbstgewählte Verblendung krass und richtig als »Torheit« (Psalm 14). Glaubende Christen jedoch wissen um diese Problematik und beten daher inständig und anhaltend für ihr Volk und dessen Repräsentanten zu Dem, der alle Macht hat und alle Ehre gebührt (1.Timotheus 2,1–7).

Nachdem die Entfernung des Spruches als offensichtliche Geschichtsklitterung und Denkmalszerstörung zurückgewiesen wurde, befürwortete Frau StM’in Claudia Roth, die auch Vorsitzende des Stiftungsrates des Humboldt Forums ist, Kunstprojekte, die die Texte nachts in LED-Technik mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Laufschrifttexten (z.B. aus dem Grundgesetz oder der Menschenrechtserklärung) überstrahlen sollten. Die Stiftung Humboldt Forum distanziert sich mit Tafeln von der ursprünglichen Botschaft des Kuppeltextes: »Alle Institutionen im Humboldt Forum distanzieren sich ausdrücklich von dem Allgemeingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des Christentums.« Als »Kunstprojekt« inszeniert sollen anstatt der »Guten Nachricht« von Gott Werte des Humanismus und des Menschen leuchtend sichtbar werden. Dies wiederum empörte etliche Rekonstruktionsbefürworter und Spender. Der Vorsitzende des »Förderverein Berliner Schloss«, der über 100 Mio. Euro Spendengelder für die rekonstruierte Barockfassade gesammelt hat, nannte die Pläne, die Inschrift abändern zu wollen, »einen kulturellen Bruch, wie wir ihn in unserer Geschichte noch nie hatten – die Herrschaft der Säkularisierung über unsere zweitausend Jahre alten Wurzeln im Christentum«. So hören wir lautstark und manchmal schrill die Stimmen der Politik, der Kultur und des Zeitgeists. Aber wo war die Stimme der Gemeinde Jesu Christi?

Der Kunsthistoriker Peter Stephan versuchte, die Rauchschwaden der oft entrüsteten und verdrehten Debatte wegzupusten. Er schrieb, dass die Schlosskuppel vielmehr der Abgrenzung gegen Cäsarenwahn und absolutistische Herrschaftsansprüche diene. König Friedrich Wilhelm IV. hätte darin zum Ausdruck bringen wollen, dass kein Herrscher und kein Staat sich als Heilsbringer betrachten solle. Die Preußen sollten nicht vor ihrem König, sondern gemeinsam mit ihm vor Gott niederfallen. Das ist durchaus bedenkenswert in einer Zeit, wo immer wieder Politiker mit Anwandlungen politischer Allmacht letztlich infrage stellen, dass nicht Cäsar, sondern Christus, das Haupt der Gemeinde Gottes und Schöpfer und Gebieter jedes Menschen ist. Auch jedes Politikers. Daher beten glaubende Christen auch explizit für sie vor Dem Höchsten. Denn dort ist allein Hoffnung zu finden für alle Fragen, deren Beantwortung und Bewältigung der Mensch offenbar nicht mächtig ist.

Fazit

Die Säkularisierung und Wendung zu Naturreligionen und zur gottlosen Zivilreligion (s. klassisch bei Jean-Jacques Rousseau, Du contrat social, 1762; vgl. kontemporär bei Robert N. Bellah, Civil Religion in America, 1967) ist weit vorangeschritten. Der Baum der Völker versucht, ohne glaubensstarke Wurzeln in Gott den globalen Stürmen zu trotzen. Er wird fallen (Daniel 4,6ff). Dauerhafter Friede wird erst dann kommen, wenn anerkannt wird, »dass die Himmel [=der Schöpfer-Gott] herrschen.« (Daniel 4,23b). Er wird kommen. Genau so, wie Er gesagt hat.

Egal, wie säkularisiert unser Denken und Glauben wird; egal, welche Machtphantasien ideologisch und pseudo-religiös verklärt mit massenmedialem Nachdruck verbreitet werden; egal, wie sehr die Nationen toben und die Völkerschaftes Eitles [=Nichtiges, Hohles, Leeres] sinnen (Psalm 2): Der Gläubige blickt wie seit Jahrtausenden auch heute auf und weiß: »Deus spes nostra est!«: »Es ist in keinem andern Heil … denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters.« »Glückselig alle, die zu ihm Zuflucht nehmen!« (Psalm 2,12).

Ich erhebe meine Augen zu den Bergen:
Woher wird meine Hilfe kommen?
Meine Hilfe kommt von dem Ewigen,
der Himmel und Erde gemacht hat.

(Psalm 121,1–2)

Thaler der Stadt Schaffhausen (1620-1624)
Auf der Rückseite ist deutlich zu lesen: “DEVS SPES NOSTRA EST”. Silbermünze, groß, mit dem doppelköpfigen Reichsadler.

Dicken der Stadt Schaffhausen (1631)
Auch diese Münze trägt auf der Rückseite “DEVS SPES NOSTRA EST”. Der »Dicken« ist eine kleinere Silbermünze (in Schaffhausen etwa 1/5 eines Thalers).