Welche Gefahren entstehen, wenn wir im Verkündigungsdienst KI nutzen?

»Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren« 
(Apostelgeschichte 6:4)

Kaum eine Gabe Gottes kommt ohne Gefahr. Feuer wärmt und zerstört. Sprache segnet und verflucht. Reichtum kann Gutes tun und zugleich Götzen dienen. Und nun schenkt uns Gottes Vorsehung ein neues Werkzeug: Künstliche Intelligenz (KI) – ein Werkzeug, das Texte schreibt, Bibelstellen analysiert und Ratschläge formuliert, ohne jemals zu beten. Die Frage ist also nicht, ob Prediger und Gemeindehirten KI benutzen werden, sondern ob sie die geistlichen Gefahren erkennen, die im Gebrauch von KI liegen.

Die Gefahren sind zahlreich – und sie sind nicht in erster Linie technisch, sondern geistlich. Davon wollen wir in diesem Artikel reden.

1. Die Gefahr des verdrängten Herzens

Die erste und tiefste Gefahr ist, dass ein Gemeindehirte von einer Maschine zu empfangen sucht, was er eigentlich von Gott empfangen soll. Echte Verkündigung wächst im Verborgenen – auf den Knien, nicht auf der Tastatur. Paulus sagt: »Denn ich habe es weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi« (Galater 1,12).

Ein Verkündiger, der zu schnell zu KI greift, um Ideen, Gliederungen oder Beispiele zu finden, läuft Gefahr, dass sein Herz erkaltet. Das kann dann schreckliche Folgen haben. Denn die Wahrheit Gottes wird nicht durch Informationsdarbietung zur Flamme, sondern durch Ringen im Gebet und durch Gottes Geist, dessen Wort zu durchbohrten Herzen führt (Apostelgeschichte 2,37).

KI kann helfen, Einsicht vorzutäuschen, aber sie kann nicht vor der Heiligkeit Gottes zittern. Sie kann über Gnade sprechen, aber sie hat nie Gnade erlebt. Und so kann ein Prediger beginnen, fremde Worte mit geliehener Leidenschaft zu sprechen – Worte, die der Geist Gottes nie in ihm entzündet hat. Die Lippen mögen sich bewegen, Rhetorik mag aufblitzen und Anekdoten gut unterhalten, doch das Herz brennt nicht mehr dabei. Wer soll dabei warm werden? Wer soll dabei entzündet werden? (Lukas 24,32).

2. Die Gefahr einer hohlen Autorität

Predigen heißt nicht: Informationen vermitteln. Es heißt: göttliche Wahrheit mit Autorität zu bezeugen, um bei den Zuhörern Lebensveränderung auszulösen. Der Apostel Paulus wies Titus an: »Dieses rede und ermahne und überführe mit aller Machtvollkommenheit [a.ü.: mit allem Nachdruck]« (Titus 2,15a). Der Apostel Petrus lehrt: »Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes; wenn jemand dient, so sei es als aus der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus« (1.Petrus 4,11). Die Autorität des Predigers ist also nicht zuerst intellektuell, sondern geistlich. Ihre Quelle ist nicht KI, sondern Gott selbst in Seinem Wort.

Wer seine Predigten zunehmend von einer Maschine schreiben lässt, steht vor seiner Gemeinde als Handwerker der Worte – nicht als Botschafter Gottes. Ton und Inhalt mögen eindrucksvoll sein, aber das geistliche Gewicht fehlt. Denn hinter den Worten steht keine persönliche Begegnung mit Christus. Die Zuhörer merken es vielleicht nicht sofort, aber mit der Zeit verliert die Predigt ihren Geschmack – das »So spricht der HErr« wird zu einem »So sagt chatGPT«.

3. Die Gefahr der schleichenden Täuschung

Ein Gemeindehirte könnte sagen: »Ich benutze KI doch nur als Hilfsmittel!« Vielleicht. Doch jedes Werkzeug prägt seinen Benutzer in dem, was er wahrnimmt, was er tut und wie er es tut. Unsere Werkzeuge prägen unsere Kultur.[1]Wenn wir uns daran gewöhnen, Maschinen das Denken zu überlassen, verlieren wir leicht das wache geistliche Unterscheidungsvermögen, das uns befähigt, Wahrheit von Täuschung zu unterscheiden (1.Könige 3,9; 1.Korinther 12:10; Hebräer 5,12–14).

Die Schlange im Garten brauchte keine neue Lüge zu erfinden – sie musste nur Gottes Wort leicht verdrehen. Ebenso muss KI nicht offensichtlich irren, um zu täuschen. Es genügt, wenn sie die Übung des geistlichen Prüfens schwächt. Denn wahres Erkennen kommt nicht aus Rechenleistung, sondern aus Erneuerung des Sinnes (Römer 12,2).

Die erste Aufgabe des Predigers ist nicht, schöne Sätze zu produzieren, sondern Wahrheit zu erkennen. Und diese Erkenntnis wächst nicht durch Maschinen, sondern durch Heiligung – durch den Heiligen Geist, der mittels der Heiligen Schrift lehrt, überführt, zurechtweist und praktisch unterweist (2.Timotheus 3,16–17).

4. Die Gefahr einer menschenzentrierten Dienstauffassung

Eine weitere Gefahr liegt im schleichenden Übergang von Gottvertrauen zu Effizienzvertrauen. KI verspricht Zeitersparnis, Stil und Relevanz. Aber Reich-Gottes-Arbeit ist nie effizient. Der Same wächst verborgen. Der Wind des Geistes weht, wo er will.

Wenn ein Gemeindehirte anfängt, Erfolg in Reichweite und Ästhetik zu messen, verliert er leicht das Ziel aus den Augen: Buße und Glaube. Paulus sagte: »[M]eine Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe, sondern auf Gottes Kraft« (1.Korinther 2,4).

Diese Kraft entsteht nicht durch Algorithmen, sondern durch Schwachheit, die Gott sucht. Ein Computer kann nicht sterben oder auferstehen, ist nicht vom Heiligen Geist bewohnt und beseelt – und darum kann er auch keine Auferstehungskraft vermitteln. Konservennahrung kann man rasch zusammenstellen und »fast« verabreichen – aber sie ist fürs Pflanzen, Reifen und Ernten völlig ungeeignet.

5. Die Gefahr eines verkümmerten Gebetslebens

Wo Technik blüht, verdorrt oft das Gebet. Wenn man in dreißig Sekunden bekommt, was früher drei Stunden Gebet und Arbeit kostete, erscheint Beten plötzlich ineffizient. Aber Beten war nie effizient – es ist Ausdruck der Abhängigkeit.

Jesus hätte Steine in Brot verwandeln können, doch Er wählte den Hunger – um dem Vater gehorsam zu bleiben. Ebenso muss ein Gemeindehirte bereit sein, Mühe und Langsamkeit zu ertragen, damit sein Herz hungrig nach Gott bleibt.

Jede Predigt, die ohne Gebet entsteht, ist ein Haus auf Sand. Worte mögen stehen, bis der Sturm kommt – dann fällt das Ganze in sich zusammen. KI kann Gliederungen liefern, aber nur der Geist kann Salbung schenken. Und die Salbung des Heiligen Geistes zerbricht Herzen – nicht clevere oder philosophisch anspruchsvolle Formulierungen.

6. Die Gefahr, die Stimme des Hirten zu verlieren

Ein Gemeindehirte (Ältester) ist nicht nur Lehrer, sondern auch Hirte (Epheser 4,11). Er muss sein Volk kennen – ihre Schmerzen, Versuchungen, Freuden. KI kann Daten auswerten, aber sie kann keine Tränen sehen. Sie kann Statistiken lesen, aber keine Herzen tragen. Sie kann Unmengen von theologischen Artikeln und Predigten lesen, wird aber kein Tröpfchen Heiligen Geist haben.

Die Stimme des Hirten hat Autorität, weil sie Wahrheit in Liebe vermittelt (Epheser 4,15). Und Liebe lässt sich nicht automatisieren. Wenn Prediger ihre Worte auslagern, wird ihre Stimme irgendwann fremd. Und Jesus sagt: »[D]ie Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen« (Johannes 10,4–5). KI kann die Stimme eines guten Hirten nur nachäffen, sogar täuschend ähnlich (was die Schlange im Garten Eden auch konnte), aber nicht aus der Wahrheit im Herzen erzeugen.

7. Die Gefahr, das Kreuz zu vergessen

Am Ende liegt unter allen Gefahren diese: KI kann nicht bluten. Sie kann keine Last tragen. Sie kann kein Kreuz aufnehmen. Wahre Verkündigung fließt aus den Wunden des Gekreuzigten – durch die Wunden seiner Diener. »Daher wirkt der Tod in uns, das Leben aber in euch« (2.Korinther 4,12).

Wenn ein Gemeindehirte oder Prediger sich zu sehr auf KI verlässt, trennt er die Botschaft vom Kreuz von der Lebensweise des Kreuzes. Das Evangelium mag noch auf seinen Lippen liegen, aber nicht mehr in seinem Leben. Und wo das Kreuz nicht mehr Form und Inhalt unseres Lebens und Predigens prägt, verliert das Evangelium seine überzeugende Kraft (1.Thessalonicher 1,5–10; 2.Korinther 5,11).

8. Ein nachahmenswertes Vorbild

Esra hat uns ein nachahmenswertes Vorbild für alle Verkündiger hinterlassen: »Denn Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz Jahwes zu erforschen und zu tun und in Israel Satzung und Recht zu lehren.« (Esra 7,10). Verkündigung fängt mit der rechten Herzenseinstellung an, geht zum Wort Gottes, um es intensiv (im Detail) und extensiv (in Gänze) zu studieren (vgl. Psalm 1,2), es dann aufs eigene Denken und Tun fruchtbringend anzuwenden und schließlich entsprechend gereift (»ergriffen«) und »begriffen« es lehrend auf die Herzen des Volkes Gottes zu legen als »Wort des Herrn«.

Darum, liebe Mitbrüder im Verkündigungsdienst:
Lasst uns die Werkzeuge unserer Zeit nicht verachten – aber lasst uns sie mit heiliger Wachsamkeit gebrauchen. Nutze sie, wenn du musst, aber gib ihnen nicht dein Herz.

Tausche niemals die Flamme göttlicher Offenbarung gegen das Flimmern digitaler Inspiration. Wenn der Geist Gottes einen Menschen erfüllt, wird sogar seine Schwachheit zur Stärke (1.Korinther 2,3–5). Aber wenn ein Mensch auf eine Maschine vertraut, wird selbst seine Stärke hohl.

Besser ein zitternder Prediger mit Bibel und Gebet – als eine gefällig-elegante Predigt ohne Seele.

Quellen & Disclaimer

Dieser Artikel wurde u.a. angeregt durch einen (englischsprachigen) Interview-Beitrag mit John Piper: Should I Use AI to Help Me Write Sermons? (24.02.2025). Onlinequelle: https://www.desiringgod.org/interviews/should-i-use-ai-to-help-me-write-sermons [10.10.2025].

Lesenswert auch der (englischsprachige) Artikel von Abner Chou, Präsident von The Master’s University and Seminary: Biblical Wisdom on Artificial Intelligence (28.10.2023). Onlinequelle: https://www.math3ma.institute/journal/jan2025-chou [10.10.2025].


[1]            Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan (1911–1980) schrieb sinngemäß: »We shape our tools and thereafter our tools shape us.« (»Wir formen unsere Werkzeuge, und danach formen unsere Werkzeuge uns.«). Neil Postman (1931–2003), ein Schüler McLuhans, hat den Gedanken weitergeführt: »Every technology carries with it a philosophy, a bias, a way of being in the world.« ((»Jede Technologie bringt eine Philosophie mit sich, eine Tendenz, eine bestimmte Art, in der Welt zu sein.«). Beide beobachteten, dass insbesondere neue, gehypte Technologien die Tendenz haben, die eigentliche Botschaft in den Hintergrund zu drängen und sich dafür selbst in den Vordergrund zu stellen: Das Medium selbst wird zur Botschaft (McLuhan, The Medium Is the Massage, 1967; das Buch wurde absichtlich mit diesem Druckfehler im Titel verkauft!).