In memoriam J. I. Packer (1926–2020)

James Innell Packer, besser bekannt als J.I. Packer, war einer der einflussreichsten Evangelikalen des 20. Jahrhunderts. Er starb am Freitag, den 17. Juli im Alter von 93 Jahren. 

Packer verteidigte viele Jahrzehnte die Authentizität und folglich die Autorität der Bibel. Auch in zahlreichen anderen Fragen half er schriftgegründeten Christen, ihre Position zu begründen, etwa in der Sexualethik, der Frage der Frauenordination, der Hölle oder dem Sühnewerk Jesu Christi. 

Packer wurde in England geboren, wuchs dort auf und studierte ab 1949 Theologie an der Universität von Oxford. Parallel zu seinen Masterstudien und einer Promotion über die Heilslehre des großen Puritaners Richard Baxter war er Diakon und dann Priester der Anglikanischen Kirche und verbunden mit der evangelikalen Bewegung.

Bis heute ist sein Werk Evangelism and the Sovereignty of God (Inter-Varsity Fellowship, 1961; Nachdr. 1991) wert, gelesen werden. Packer schrieb lange vor dem Aufkommen von ProChrist, Willow Creek und Jesus House über die dort gepflegten pragmatisch-erfolgsorientierten Evangelisationsmethoden folgendes:

»Wenn wir vergessen, dass es Gottes alleiniges Recht ist, Frucht zu wirken, wo das Evangelium verkündigt wird, werden wir anfangen, uns selbst dafür verantwortlich zu fühlen. Und wenn wir vergessen, dass Gott allein den Glauben wirken kann, werden wir immer mehr denken, Bekehrungen zu schaffen sei letztlich von uns und nicht von Gott abhängig, und dass der entscheidende Faktor in der Evangelisation die Art der Darbietung sei. Und diese Denkart führt uns – konsequent zu Ende gedacht – weit in die Irre. …
Sehen wir uns das einmal genauer an: Wenn wir meinen, unsere Aufgabe sei mehr, als nur Christus anzubieten, wenn wir meinen, wir hätten Bekehrungen zu produzieren – also nicht nur treu, sondern auch erfolgreich zu evangelisieren – dann werden wir pragmatisch und berechnend an die Evangelisation herangehen.«

J. I. Packer, Evangelism and the Sovereignty of God (Downers Grove, Ill.: Inter-Varsity Fellowship, 1961), S. 27–28.

1973 schrieb Packer das Buch Gott erkennen (Knowing God), von dem ca. 1,5 Mio. Exemplare verkauft wurden (Hodder & Stoughton, GB und InterVarsity Press, USA). Es gehört heute noch zu den Standardwerken der eigentlichen Theologie, das weltweit gelesen wird.

1977 war der damals noch britische Staatsbürger das einzige Gründungsmitglied des International Council on Biblical Inerrancy, der kein Bürger der Vereinigten Staaten war. In diesem Gremium war er federführend bei der Erstellung der Chicago-Erklärung über biblische Irrtumslosigkeit von 1978 und der Chicago-Erklärung für biblische Hermeneutik 1982.

1979 zog Packer nach Kanada, um einen Lehrstuhl am Regent College in Vancouver anzunehmen, den er bis zu seiner Emeritierung innehatte.

Packer war Herausgeber der christlichen Zeitschrift Christianity Today und steuerte oftmals Beiträge bei. Er war auch Gesamtherausgeber für die English Standard Version (ESV), eine evangelikale Überarbeitung der Revised Standard Version (RSV).

Kritisiert wurde er aus den eigenen Reihen für sein späteres Engagement für die Ökumenische Bewegung und seine Mitwirkung am Buch Evangelicals and Catholics Together (1994), das er mit seinem Wunsch nach zeugnishafter Einheit der Christen begründete.

Quellen: de.wikipedia.org/wiki/James_Innell_Packer; en.wikipedia.org/wiki/J._I._Packer [21.07.2020] u.a.

Schlimmer gehts immer

Der russlanddeutsche Waldemar Boger betreibt eine Website mit Predigten und Ausarbeitungen in deutscher und russischer Sprache. Er ist so fanatisch begeisterter Leugner der Heilssicherheit in Christus, dass er jeden, der ihm nicht folgt, mit harten Worten verurteilt. Man kann wohl kaum ein wirreres Durcheinander an missbrauchten Bibelstellen, falsch verwendeten biblischen Begriffen, unfairen Zitat(fetz)en und unkontrollierten Vorannahmen finden, wie jenes, mit dem der Autor seine Thesen der Unsicherheit des göttlichen Heils und des „ewigen Lebens auf Bewährung“ versucht zu untermauern. Dabei versucht er, allerlei christliche Autoren, die seine Thesen nicht unterstützen, als Irrlehrer abzuservieren.

Auf seiner Website veröffentlichte Boger eine Ausarbeitung über sog. „gemäßigte Calvinisten“, zu denen er (eigentlich alle anderen, aber) offenbar auch Wilfried Plock zählt. In seiner Beurteilung des Buchs von Wilfried Plock: Warum ich weder Calvinist noch Arminianer bin behauptet er zwar:

»Ich respektiere alle Brüder, aber ich hasse die unbiblische [sic] Lehren, die verbreitet werden. Mein kategorischer Ton, [sic] bezieht sich nur auf unbiblische Lehren und auf keinen Fall auf die Brüder.«

Waldemar Boger, Was glauben gemäßigte Calvinisten?, S. 50. Textquelle: https://www.bibelwort-ru.net/app/download/14308275623/Was+glauben+gemäßigte+Calvinisten.pdf?t=1574412068 (21.07.2020)

Er straft sich jedoch im selben Heftchen mehrfach Lügen, denn sein „kategorischer Ton“ betrifft nicht nur Ansichten und Lehren, sondern er steckt tatsächlich auch Brüder in seine (zwei) Kategorien-Schachteln. Die Mülltonne seiner Schachteln trägt die Aufschrift „Calvinisten“:

»In Bezug auf das Heilsverständnis können alle Christen nur in Calvinisten oder Arminianer eingeteilt werden. Nach dieser Definition ist W. Plock ein wirklicher Calvinist, wenn auch nur ein gemäßigter Ein-Punkt-Calvinist

Waldemar Boger, a.a.O., S. 5. Fettdruck hinzugefügt.

»W. Plock sagt, wie er die Ansicht über den Willen des Menschen bekommen hat: „Diese Sicht wurde mir schon vor 35 Jahren durch meine geschätzten und inzwischen heimgegangenen Lehrer Walter Tlach und Heiko Krimmer vermittelt“ (http://www.calvinismus-check.de/schwaechen-und-gefahren-der-arminianischensicht/, Stand: 30.10.2018).
Dann begründet er die Richtigkeit dieser Sicht noch mit Aussagen von Roger Liebi. Aber Heiko Krimmer wie auch Roger Liebi haben sich als gottesfurchtlose Calvinisten erwiesen

Waldemar Boger, a.a.O., S. 10. Fettdruck hinzugefügt.

Das hätte sich Wilfried Plock sicher nicht gedacht, dass er einmal als „(gemäßigter) Calvinist“ geehrt würde! Oder Dr. Roger Liebi als „gottesfurchtloser Calvinist“. Was für Boger wohl synonym ist.

Wer ganz rechts steht, für den ist alles links. Calvin rotiert im Grab. Jetzt noch etwas schneller. Schon steigt Rauch vom Cimetière des Rois auf.

Der Autor hat sich aufgrund seines Umgangs mit dem Wort Gottes und seinen der Wahrheit Gottes zuwider laufenden Lehren seinen Platz in der »Hall of Shame« wohl verdient.

Von der Vermessenheit, Gott rechtfertigen zu wollen

»Der alte Drang der Vernunft, Maß aller Dinge zu sein, erhebt auch in unserem Theologisieren das Haupt. Gott soll sich selbst und sein Tun an unseren Normen ausweisen, soll sich vor unserem Forum rechtfertigen. Die Vernunft weiß, was gerecht ist, und Gott hat sich, will er sich nicht selbst disqualifizieren, nach diesem Kriterium (=Merkmal, Kennzeichen) zu richten. …

Der „gesunde Menschenverstand“ will Gott messen; wenn das nicht vermessen ist!
Gerät die Vernunft ins Theologisieren, wird sie „fromm“, so will sie (statt Gott anzugreifen) Gott verteidigen, gebärden sich als sein Advokat: Nein, sagt sie, nicht Gott ist Schuld; nicht an ihm liegt es, sondern am Menschen. Herr X hätte glauben sollen, aber er hat eben nicht „das Seine“ getan. So unternimmt es die Vernunft, „Gott zu entschuldigen und den freien Willen zu beschuldigen“ (LD 271/Mü 135). Sie will Gottes Handeln einsichtig und plausibel machen. Wem? Sich selbst, der Vernunft! Sie will nachweisen, wie „vernünftig“, „human“, „gerecht“ Gott doch handelt, will ihn nicht nur freisprechen, sondern ihm ein „Verdienstkreuz“ verleihen. Dabei merkt die verblendete Vernunft nicht, dass eine Verteidigung Gottes nicht weniger überheblich, ja gotteslästerlich ist, wie ein Angriff auf seine Ehre!

„Dahin kommt es, wenn wir mit menschlicher Vernunft Gott messen und rechtfertigen wollen, wenn wir die Geheimnisse der Majestät nicht ehrfürchtig verehren, sondern forschend in sie eindringen, dass wir, von Scheinruhm erdrückt, statt einer Entschuldigung tausend Gotteslästerungen von uns geben“ (LD 272f/Mü 137).

Freilich meint sie es gut, die Vernunft. Aber mit wem? Mit sich selbst! Sie merkt in ihrer Verblendung nicht, dass es ihr nur scheinbar um Gott geht, in Wahrheit aber um die Selbstbehauptung, um ihr eigenes Überleben. Denn das gäbe der Vernunft den Todesstoß, wenn sie vor der Souveränität (=Herrschaftsgewalt, Unabhängigkeit, Überlegenheit) Gottes ihre Waffen strecken müsste, gerade auch ihre scheinfrommen Verteidigungswaffen! Wenn sie sich so beugen müsste, dass sie alle ihre Normen und Ansprüche aus der Hand legte und Gott wahrhaft Gott sein ließe: Herr Gott, was „gerecht“, was „gut“ ist, das weißt und bestimmst du allein. Was du tust, das ist heilig, gerecht und gut! Nicht, weil ich es einsehen könnte, weil es mir plausibel wäre, sondern weil du GOTT bist („Glaube und Geist urteilen… dass Gott gut sei, und wenn er auch alle Menschen verdürbe“, LD 274/Mü 132).

Gerade bei der Erwählungsfrage geht es um die entscheidende Probe: Wollen wir recht bekommen in und bei Gott? Oder soll Gott endlich bei uns zu seinem Recht kommen? Können wir uns ganz Gott ausliefern, uns Gott ganz anheim geben – auf Gedeih und Verderb? Wenn Gnade wirklich Gnade ist, dann ist sie völlig frei und souverän, kann weder ergründet, noch auf irgend eine Weise gefordert werden. Einen Anspruch auf Gnade kann es nicht geben, das wäre reiner Widersinn! Ist Gnade reines, unvorhersehbares, ja undenkbares Wunder, dann kann es ihr gegenüber weder moralische („Verdienst“) noch intellektuelle („Vernunft“) Forderungen geben. Gerade an der Erwählungsfrage kommt es heraus, ob die Vernunft sich unter das Kreuz Christi beugt, ihr Todesurteil (Kreuz) auf sich nimmt, bedingungslos kapituliert und spricht: „Wir können’s (wollen’s) nicht ergründen, wir können (wollen) nur vertrauen.“ Da ist die Wiedergeburt geschehen: Da ist die Vernunft vom „Baum der Erkenntnis“ hin zum Kreuzesstamm geführt worden. Da gehen ihr die Augen auf:

„Es ist nicht unsere Aufgabe, das (die Geheimnisse der göttlichen Majestät) wissen zu wollen, sondern vielmehr, diese Geheimnisse anzubeten.“ Glauben heißt für Luther Deum justificare: Gott recht geben, nur ihm, ihm ganz und gar

Erwähnte Referenzen: LD = Luther deutsch (10 Bd., hg. von Kurt Aland 1957–1974); Mü = Münchener Lutherausgabe (6 Bd. plus 7 Ergänz.bd., 1948–1965).

Quelle: Siegfried Kettling: Was kann der menschliche Wille leisten? (Ennepetal: Mission zur Verbreitung des Wortes Gottes, 2013), S. 49–52. Textquelle: https://info2.sermon-online.com/german/SiegfriedKettling/Vom_Unfreien_Wille.pdf [abgerufen am 20.07.2020; Fett-, Farb- und Kursivdruck hinzugefügt]

Das o. g. Buch von Siegfried Kettling ist eine redaktionell gekürzte Ausgabe des dritten Kapitels Vom unfreien Willen des Buches Typisch evangelisch – Grundbegriffe des Glaubens vom gleichen Autor (TVG Brunnen/Brockhaus, 1992).

Sokrates – Neuer, alter Inspirator der klugen Christen?

Am 31. Januar 2013 luden Eric Metaxas und Socrates in the City Dr. John Lennox, Professor für Mathematik an der Universität Oxford, in den Union Club in New York City zu einem Vortrag ein. Er wollte eine Methode darlegen, wie man die ersten Kapitel der Genesis lesen und interpretieren könne, ohne weder bei der aktuellen Wissenschaft noch bei der Heiligen Schrift Abstriche machen zu müssen. Angesichts des überwiegend gott- und bibelfeindlichen Wissenschaftsumfeldes und der „wissenschaftlichen“ Entstehungsmythen klingt dies wie: Ein Mathematiker auf der Suche nach der Quadratur des Kreises. Zehn Minuten in die YouTube-Aufzeichnung des Events hinein kommt Lennox zu Wort und macht sofort klar, wes Geistes Kind er ist:

»Sokrates is one of my great intellectual heroes.«

John Lennox im Video des o.g. Events, siehe https://youtu.be/0FmO2XKMe6g, 10:12 Min.

Lennox stellt im Vortrag die Auslegung der Schöpfungstage als 24-Stunden-Tage in Frage mit dem Verweis, dass die „anerkannte“ Wissenschaft von größeren Zeiträumen ausgehe (Evolution, Alter der Erde usw.), und dass die (Römisch-Katholische) Kirche sich schon einmal geirrt habe (im Galileo Galilei-Konflikt im 17. Jhdt.), und dass man wohl dem Bibeltext treu sein, aber auch in der Wissenschaftswelt nicht als Idiot dastehen wolle. Wenn Sokrates der Held ist, dann mag das alles verständlich sein. Ist Sokrates nun der neue Inspirator der christlichen Apologeten? Oder ein alter? Braucht man ihn überhaupt?

Es geht nämlich auch anders. Professor Dr. John MacArthur, bekannter Autor, Redner und Pastor aus Kalifornien, argumentiert aufgrund des Bibeltextes für eine Erschaffung in sechs 24-Stunden-Tagen. Er glaubt an Jesus Christus als allmächtigem Schöpfer-Gott und Retter und ist überzeugt, dass die Heilige Schrift das wahre und autoritative Wort Gottes ist, dessen Text mit konsistenter Hermeneutik zu erschließen ist. Auf dieser Basis kommen er und sein Kollegenteam am The Master’s Seminary zu einem anderen Ergebnis, als Dr. Lennox. Lennox greift das literarische Argument auf, dass das Wort Tag (yom) im Buch Genesis mehrfältig gebraucht wird, und daher Freiheit für eine Interpretation dieses Wortes an dieser Stelle im Sinne „sehr lange Zeiträume“ bestünde. Aber dies ändert nichts daran, dass die Verwendung des Wortes yom bei den sechs Schöpfungstagen eine besondere ist (mit Zahlwort), und dass prinzipiell eine Wortbedeutung immer vom Kontext und nicht von der Erwartungshaltung und den Wünschen und Ängsten des Lesers bestimmt wird.

Beobachtung: Wenn man, wie Lennox, die Wissenschaft als oberstes Erkenntniskriterium verwendet (auch wenn er das als Grundsatz vielleicht abstreiten mag) und Sokrates als seinen intellektuellen Helden verehrt, kommt man zu anderen Ergebnissen, als wenn man, wie MacArthur, von der Offenbarung der Bibel herkommt und alle „wissenschaftliche“ Erkenntnis ihr im Glaubensgehorsam unterordnet.

Sokrates hat uns die Idee der Schule und ihre Methode gegeben. Aber bei supernatürlichen Ereignissen wie der Schöpfung Himmels und der Erde ex nihilo hilft alle Gelehrtheit und Wissenschaft nichts, da braucht der Mensch Offenbarung und lebendigen Glauben an den Ewigen. Die Schrift beseitigt diesbezüglich jeden Zweifel:

Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist.

Die Bibel, Hebräer 11,3 (ELB03)

Die Auseinandersetzung zwischen Glauben und Bibel einerseits und griechischer Philosophie und humanistischer Wissenschaft andererseits erinnert an die beiden berühmten Kontrahenten des jahrhundertealten Streits um die Frage des „freien Willens“: den katholischen Humanisten Desiderius Erasmus und den Reformator Martin Luther. Martin Luther griff die Vollkommenheitstheorie der Röm.-Katholischen und der Griech.-Orthodoxen Kirche mit biblischen Argumenten an, weil er überzeugt war, dass diese Theorie die biblische Heilslehre verfälschte. Erasmus war stark von der griechischen Philosophie beeinflusst. Eines seiner überlieferten Gebete beginnt mit der Anrufung des Sokrates:

O heiliger Sokrates, bete für uns! (»Sancte Socrates, ora pro nobis!«).

Desiderius Erasmus, Colloquies, übers. v. Nathan Bailey, Revue. E. Johnson, Hrsg. (London: Reeves and Turner, 1878) Bd. 1, S. 186. Zitiert nach: Martin Erdmann, Siegeszug des Fortschrittsglaubens, Bd. 1, S. 137.

Interessant wäre zu wissen, wie John Lennox in der Frage des „Freien Willens“ Position bezieht. Eher bei Erasmus/Sokrates oder bei Luther/Heilige Schrift?

Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum.

Literaturhinweise

  • John F. MacArthur, Der Kampf um den Anfang, Bielefeld: CLV, 2003.
  • Reinhard Junker, Genesis, Schöpfung und Evolution – Exegetische, hermeneutische und systematisch-theologische Studien, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2020.
  • Walter Hilbrands, Wie lang waren die Schöpfungstage? Eine Untersuchung des hebr. jom („Tag“) in Gen 1,1-2,3, Wort-und-Wissen-Diskussionsbeitrag 3/06 mit 25 Anmerkungen mit weiteren Belegtexten. (Quelle im Web (PDF), Backup) Siehe auch: www.wort-und-wissen.de
  • ICR, Creation Basics & Beyond: An In-Depth Look at Science, Origins, and Evolution, Dallas, TX, USA: Institute for Creation Research, 2013 (www.icr.org).

Strohmänner – Wenn der geistige Brennstoff ausgeht

Ein „Strohmann“ (engl. straw man) ist eine bestimmte Form und/oder Logik eines Arguments, die den Eindruck erweckt, das Argument eines Gegners zu widerlegen, während die wirkliche Idee des gegnerischen Arguments entweder gar nicht angesprochen oder nicht trefflich widerlegt wurde.

Dies soll gelingen, indem man das Argument des Gegners mit einem selbsterfundenen, leichter angreifbaren Argument vertauscht. Diesen logischen Fehler zu begehen, wird als „Strohmann-Attacke“ bezeichnet. Die Strohmann-Attacke klärt in der Sache des Arguments überhaupt nichts, es ist ein Schein-Argument. Ein Strohmann-Angriff ist daher oft Hinweis darauf, dass die Position des Angreifers sehr schwach ist, dass er nicht in der Lage ist, sachlich und logisch trefflich zu argumentieren.

Varianten der Strohmann-Attacke sind [nach: https://en.wikipedia.org/wiki/Straw_man]:

  • Kontextfehler. Man zitiert einen Gegner, ohne den Kontext anzugeben oder zu würdigen. Das heißt, man zitiert so (und teilweise in solchen Bruchteilen), dass die Absicht und Meinung des Gegners nicht wahrhaftig und zutreffend wiedergegeben wird.
  • Repräsentationsfehler. Man präsentiert jemand als repräsentativen Verteidiger einer Auffassung, der diese Auffassung nur schwach und/oder fehlerhaft darstellt, und widerlegt dann die schwachen oder mangelhaften Argumente dieses Verteidigers. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass jeder, der die Auffassung jenes Gegners hält –und damit die gegnerische Auffassung selbst– widerlegt sei.
  • Reduktionsfehler. Man reduziert und vereinfacht unzulässig und greift dann dieses selbsterzeugte, zu stark vereinfachte, Argument an. Damit soll der Eindruck erweckt werden, man habe das eigentliche Argument widerlegt.
  • Übertreibungsfehler. Man übertreibt (teilweise ins Absurde gehend) das Argument des Gegners und greift dann diese übertriebene, verzerrte Version des Arguments an. Hier soll der Eindruck erweckt werden, dass durch die Widerlegung der selbsterzeugten, verzerrten Version des Arguments das Argument selbst widerlegt sei. (Eine Sonderform ist das „slippery slope“-Argument, das behauptet, dass ein erster kleiner Schritt, von dem der Gegner redet, zwingend zu einer Kette weiterer Schritte führe, die letztlich unausweichlich zu einem anerkannt negativen Ende führen [vgl. Domino-Effekt; principiis obsta].)

Ein Beispiel

Schon der Reformator Martin Luther (1483–1546) beschwerte sich beim Streit »in bezug auf den Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt« darüber, dass seine Gegner diese Methode der dialektischen Eristik verwendeten. Die Gegner Eck und Emser et alii unterstellten Luther, dass er gegen »den Gebrauch des Sakraments unter einerlei Gestalt« argumentiert habe. Dagegen wendet er sich wie folgt:

Id quod & ipse conatur asserere, eo ipso contra me pugnaturus. Respondeo, id genus disputandi omnibus familiare esse, qui contra Lutherum scribunt, ut hoc asserant quod impugnant, aut fingant quod impugnent.
(Das versucht er selbst zu verfechten und will doch eben damit gegen mich streiten. Darauf antworte ich, dass diese Art des Disputs alle die an sich haben, die gegen Luther schreiben: Sie stellen eine Behauptung auf, die sie dann anfechten, oder sie erdichten etwas, gegen das sie dann losziehen.)

Martin Luther, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium. Praefatio. Wittenberg, 1520.

Was Charles H. Spurgeon Dave Hunt oder Wilfried Plock sagen würde

Charles Haddon Spurgeon (1834 – 1892), zweifelsohne einer der gesegnetsten Prediger der letzten beiden Jahrhunderte, war leider auch Zeuge und Opfer des Lehrstreits zwischen den sog. „Arminianern“ und den „Hyper-Calvinisten“ seiner Tage. Er sah sich daher genötigt, zur Klarstellung der Position seiner baptistischen „Metropolitan Tabernacle“-Gemeinschaft in London eine Konferenz über die „Lehren der Gnade“ abzuhalten. Sie fand am 11.04.1861 statt, Spurgeon war damals 27 Jahre alt.

Einleitend sagte Spurgeon Worte, die auch heute noch an die Adresse manches unverantwortlichen und oft aggressiven „Anti-Calvinisten“ zu richten wären:

»Es gibt eigentlich nichts, worüber die Menschen mehr belehrt werden müssen, als über die Frage, was „Calvinismus“ wirklich ist. Die allerinfamsten (niederträchtigsten) Behauptungen wurden gegen uns erhoben, manchmal, so befürchte ich, von Menschen, die genau wussten, dass diese völlig unwahr sind. Bis zum heutigen Tag gibt es viele unter unseren Gegnern, die, wenn ihnen der Stoff ausgeht, schnell einen Strohmann erfinden und basteln, dem sie dann das Schild „Johannes Calvin“ umhängen und alle ihre Pfeile auf ihn abschießen.

Wir sind heute nicht zusammengekommen, um deinen Strohmann zu verteidigen. Schieße doch weiter auf ihn – oder brenne ihn nieder, wenn du willst und dir dies Freude bereitet. Widerstehe doch weiter Lehren, die wir nie gelehrt haben. Schimpfe ruhig über Vorstellungen, die –von deinem Gehirn einmal abgesehen– nie wirklich [bei uns „Calvinisten“] existierten.

Wir sind zusammengekommen, um darzulegen, was unsere Ansichten wirklich sind. Wir vertrauen darauf, dass jeder, der nicht mit uns übereinstimmt, uns doch zumindest die einfache Gerechtigkeit erweist, dass er unsere Ansichten weder falsch noch verdreht darstellt. Wenn jemand unsere Lehren widerlegen kann, dann soll er jene Lehren erst fair wiedergeben und dann über den Haufen werfen. Aber warum sollte jemand zuerst eine Karikatur unserer Ansichten erzeugen und danach versuchen, diesen eine Abfuhr zu erteilen?«

Charles H. Spurgeon, Exposition of The Doctrines of Grace (11.04.1861), in: The Complete Works of C. H. Spurgeon, Band 7, Predigt Nr. 385.

Bemerkungen

Strohmann. Ein „Strohmann“ (engl. straw man) ist eine bestimmte Form eines Arguments und ein logischer Fehler, der den Eindruck erweckt, ein Argument eines Gegners zu widerlegen, während die wirkliche Idee des Arguments entweder gar nicht angesprochen oder nicht trefflich widerlegt wurde. Dies soll gelingen, indem man das Argument des Gegners mit einem ähnlichen, selbsterfundenen und leichter angreifbaren Argument vertauscht und dieses widerlegt. Dieses Vorgehen wird als „Strohmann-Attacke“ bezeichnet. Es klärt in der Sache des Arguments des Gegners überhaupt nichts. (Siehe auch: „Strohmänner…“)

Wilfried Karl Plock (1957–…) studierte evang. Theologie und ist der Herausgeber (CMD Hünfeld GmbH) und Autor etlicher anti-calvinistischer Bücher. Obwohl diese nachweislich Fehler, verzerrende Halbsatz-Zitate und Unterstellungen enthalten, tritt Plock in Seminaren als Vermittler „verbindender Gedanken“ zwischen „Calvinisten“ und „Arminianern“ auf. Er selbst vertritt eine Heilslehre, die man evtl. als Mischung von „4-Punkt-Arminianer“ und „1-Punkt-Calvinist“ einordnen könnte. Zumindest sagt er ein klares »NEIN zu einer individuellen Erwählung zum Heil«. Vorträge, ein Buch und die von ihm betriebene Website calvinismus-check.de liefern eine bunte Mischung von Anti-Calvinismus und Angriffen auf Brüder und Glaubenswerke, die als „Calvinisten“ oder „versteckte Calvinisten“ eingestuft werden. Positiv und beipflichtend zu Wort kommen Prädestinationsleugner und -revisionisten und „Arminianer“ wie Roger Olson, Ken Wilson, Dave Hunt, Streitenberger u.a., sowie eher reformiert denkende jüdische Autoren wie Arnold Fruchtenbaum.

David „Dave“ Charles Haddon Hunt (1926–2013) studierte Mathematik an der UCLA und verfolgte eine Karriere als Managementberater und Manager. Mit 47 Jahren ging er in vollzeitlichen Missionsdienst, gründete The Berean Call (heute von T. A. McMahon geleitet) und wurde als „Sekten-Jäger“ gegen Katholiken, Muslime und Mormonen und als christlicher Apologet in Schrift und Radiosendungen bekannt. Obwohl er den sog. „Plymouth Brethren“ nahestand und viele brüderliche Warnungen bekam, wandte er sich 2002 in einem Buch gegen den sog. „Calvinismus“ in der Heilslehre der ursprünglichen „Brüderbewegung“ und der des reformierten Glaubens. Das Buch enthält nachweislich sachliche Fehler und tendenziöse Falschdarstellungen, weshalb es von keinem Verlag in den USA gedruckt wurde, sondern im Eigenverlag erscheinen musste. Mit 87 Jahren starb Hunt in Bend, OR, USA.

Spurgeon über das Miteinander der Wahrheiten von Gottes Vorherbestimmung und von des Menschen Freiheit

Charles Haddon Spurgeon (1834 – 1892) war kein Wankelmütiger oder Flüsterer, wenn es um die Verkündigung der biblischen Wahrheit ging. Tausende hörten ihm zu und Gott gebrauchte seine Predigt des Evangeliums, um unzählige Sünder zur Umkehr und zum Glauben zu rufen.

Natürlich erlebte Spurgeon auch die alte Kontroverse zwischen den falschen Heilslehren, wie sie sich in seinen Tagen darstellte. Er war selbst oft genug Ziel von Angriffen von „Arminianern“ wie „Hyper-Calvinisten“ sowie anderer Falschlehrer und Fehlgeleiteter. Für ihn war es jedoch eine Gewissenssache, also eine Sache direkt zwischen ihm und Gott, dass er das Evangelium Gottes ganz und gar so verkündigte, wie es die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift ausreichend, irrtumsfrei und autoritativ definiert. In einer Zeit, von er er klagte: »Manche Leute haben zwanzig verschiedene Heilsbotschaften („Gospels“) in ebenso vielen Jahren empfangen«, ging es ihm um die eine, »die alte Wahrheit«:

»Die alte Wahrheit, die Calvin predigte, die Augustinus predigte, die Paulus predigte, ist die Wahrheit, die ich heute predigen muss, wenn ich nicht treulos gegen mein Gewissen und gegen Gott handeln soll. Ich kann mir die Wahrheit nicht hinbiegen; ich habe auch noch nie davon gehört, dass mir erlaubt sei, die rauhen Kanten einer Wahrheit abzuschleifen. Das Evangelium von John Knox ist auch mein Evangelium. Der Donnerhall, der einst ganz Schottland erfüllte, muss auch in England wieder gehört werden.«

Schmuckzitat im Kapitelkopf von: Charles H. Spurgeon, A Defense of Calvinism, in: Charles H. Spurgeon, The autobiography of Charles H. Spurgeon, Bd. 1, S. 167–178, Kap. XVI.

In seiner „Verteidigung des Calvinismus“ spricht Spurgeon nicht die Summe dessen an, was Calvin je gelehrt und vertreten hat, sondern was man damals unter dieser Bezeichnung verstand: die Heilslehre (Sühnung, Erlösung usw.), wie sie die reformierten Glaubenden bekannten und glaubten.

Ein Hauptpunkt der Streitigkeiten zwischen den Jahrhunderte alten Parteien der „Arminianer“ und der „Calvinisten“ ist das Verständnis davon, wie sich die Souveränität Gottes in der Vorherbestimmung (Prädestination) und die Verantwortung des Menschen für seine freien Entscheidungen, Worte und Taten in der Heilsfrage darstellen, ob und ggf. wie diese „sich vertragen“ oder ob hier vielmehr ein unlösbarer Widerspruch vorliege. Spurgeon beantwortet diese Frage mit klaren Worten:

»Das System der Wahrheit (»system of truth«), das in der Heiligen Schrift offenbart wurde, entspricht nicht einer einzigen Geraden, sondern zwei solcher Linien gleichzeitig. Zum Beispiel lese ich in einem Buch der Bibel: „Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ [Offenbarung 22,17]. Trotzdem werde ich in einem anderen Teil des selben inspirierten Wortes belehrt, dass „es nun nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott [liegt]“ (Römer 9,16). Ich sehe an der einen Stelle, dass Gott in seiner Vorsehung über allem thront, und trotzdem sehe ich an anderer Stelle unausweichlich, dass der Mensch so handelt, wie es ihm gefällt, und dass Gott des Menschen Handlungen in großem Maß dessen freien Willen überlassen hat.

Wenn ich nun behaupten würde, dass der Mensch in seinem Handeln so frei sei, dass Gott die Handlungen des Menschen nicht im Griff hätte, dann wäre ich gefährlich nahe an den Atheismus abgedriftet. Wenn ich andererseits behaupten würde, dass Gott alle Dinge so beherrsche, dass kein Mensch mehr so frei sei, um für sein Tun verantwortlich zu sein, dann befände ich mich sogleich im Antinomianismus [dem Glauben, dass der Christ überhaupt kein moralisches Gebot zu beachten habe] oder im Fatalismus [dem Glauben, alles sei unvermeidlich und schicksalshaft durch ein universelles, unpersönliches Prinzip vorherbestimmt].

Ich kann beide Tatsachen: 1. dass Gott zuvorbestimmt (prädestiniert), und 2. dass der Mensch trotzdem verantwortlich ist, sehr klar erkennen. Manche glauben, dass diese Tatsachen inkonsistent und einander widersprüchlich seien. Wenn ich jedoch in einem Teil der Bibel sehe, dass alles vorherbestimmt ist, dann ist dies die Wahrheit. Und wenn ich in einem anderen Teil der Schrift sehe, dass der Mensch für alle seine Taten verantwortlich ist, dann ist das ebenfalls die Wahrheit. Es ist alleine meine Torheit, die mir erlaubt vorzustellen, dass diese beiden Wahrheiten der Schrift je einander widersprechen könnten. Ich glaube zwar nicht, dass diese beiden Wahrheiten auf irgendeinem irdischen Amboss in eins geformt werden könnten, aber sie werden sicherlich in der Ewigkeit eins sein. Diese beiden Linien sind zwar eng, aber so parallel, dass der menschliche Geist ihnen soweit ihm möglich nachspüren kann, ohne je zu entdecken, dass sie zusammenlaufen. Aber sie laufen sicher zusammen, und sie werden sich irgendwo in der Ewigkeit verbinden, nahe am Thron Gottes, aus dem alle Wahrheit entspringt.«

Charles H. Spurgeon, A Defense of Calvinism, in: Charles H. Spurgeon, The autobiography of Charles H. Spurgeon, Bd. 1, S. 167–178, Kap. XVI (Kapitelkopf). Ebenso: Charles H. Spurgeon, A Defense of Calvinism, (Banner of Truth, Nachdruck 2008). Fett- und Farbdruck hinzugefügt.
[http://www.romans45.org/spurgeon/calvinis.htm oder: https://www.princeofpreachers.org/spurgeon-sermons/a-defense-of-calvinism; 11JUL2020]

Vertiefende Literatur

  • Donald A. Carson, Divine Sovereignty and Human Responsibility: Biblical Themes in Tension (Atlanta: John Knox, 1981). Dies ist eine revidierte und vereinfachte Form seiner Dissertation, Predestination and Responsibility: Elements of Tension-Theology in the Fourth Gospel Against Jewish Background (Cambridge, 1975).
  • Wolfgang Nestvogel, Erwählung und/oder Bekehrung? – Das Profil der evangelistischen Predigt und der Testfall Martyn Lloyd-Jones (Dissertation an der Theologischen Fakultät der Uni Erlangen/Nürnberg; auch: Shaker Verlag, 2001), 600 Seiten.

Charles H. Spurgeon – Prediger der biblischen »Lehren der Gnade«

Charles Haddon Spurgeon (1834 – 1892) war einer der größten Prediger der letzten Jahrhunderte. Der Spurgeon-Biograph Lewis Drummond nannte ihn den größten Prediger, den»Fürsten unter den Predigern« (»Spurgeon: Prince of Preachers«; Kregel Publ., 1992). Viele wurden von seinen Predigten angezogen, das Metropolitan Tabernacle in London war regelmäßig mit 5.000–6.000 Zuhörern gefüllt.

Steven Lawson fasst die enorme Breite und Tiefe des Wirkens Spurgeons in Wort und Schrift wie folgt zusammen:

»Schon im Jahr 1863 waren von Spurgeons Predigten mehr als 8 Millionen Kopien verkauft worden. Bei seinem Heimgang im Jahr 1892 waren es schon 50 Millionen. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren mehr als 100 Millionen Predigten in 23 Sprachen verkauft worden, eine Anzahl, die kein Prediger vorher oder nachher je erreicht hat.

Heute hat diese Zahl die 300 Millionen überschritten. Ein Jahrhundert nach seinem Tod liegen mehr gedruckte Werke von Spurgeon vor, als von jedem anderen englischsprachigen Autor. Spurgeon ist historisch gesehen der am häufigsten gelesene Prediger.«

Steven Lawson, The Gospel Focus of Charles Spurgeon, (Reformation Trust Publishing), S. 17.

Die unglaubliche Reichweite der Predigten Spurgeons wurde nicht durch das Verklickern eines seichten Evangeliums erreicht. Ganz im Gegenteil: man wird von der theologischen Reichhaltigkeit der Predigten Spurgeons beeindruckt. Er verschwendete seine Zeit nie mit netten, ohrenschmeichelnden Allgemeinplätzen und ging beim Predigen den schwierigeren Lehren der Heiligen Schrift nie aus dem Weg. Spurgeon ist ein Vorbild für alle, die Gottes Wort anschaulich, klar und reichhaltig verkündigen wollen.

Der Zeitgeist der »Evangelikalen« heute führt viele ins Erstaunen darüber, dass ein so begabter Evangelist wie Spurgeon in seinen Predigten immer wieder sehr begeistert jenen Schatz der Reformation verkündigte, den wir heute die »Lehren der Gnade« nennen. Seine Predigten und Schriften sind gesättigt mit den biblischen Wahrheiten, die heute einige auf »Die 5 Punkte des Calvinismus« reduzieren wollen.

Interior View of the Metropolitan Tabernacle

Bereits bald nach Eröffnung des riesigen Metropolitan Tabernacle in London Mitte März 1861 veranstaltete Spurgeon am 11. April 1861 eine Bibelkonferenz zum Thema »Die Lehren der Gnade« (»Exposition of the Doctrines of Grace«). Seiner Einleitung schlossen sich dann fünf andere Prediger an, die über jeden der sog. »Fünf Punkte« sprachen: Erwählung, menschliche Verdorbenheit, besondere Erlösung, wirksame Berufung und Ausharren der Glaubenden in Christus Jesus bis ans Ende. [1]

In seiner Autobiographie schrieb Spurgeon ausführlich über seinen festen Glauben an die biblischen »Lehren der Gnade«:

»Die alte Wahrheit, die Calvin gepredigt hat, die Wahrheit, die Augustin gepredigt hat, sie ist auch die Wahrheit, die ich heute predigen muss, sonst wäre ich unaufrichtig gegenüber meinem Gewissen und gegenüber Gott. Ich darf die Wahrheit nicht selbst gestalten; es ist mir fremd, die rauhen Kanten einer biblischen Lehre abzuschleifen. Ich habe das gleiche Evangelium, wie John Knox. Das, was durch Schottland gerauscht ist, muss auch wieder durch England rauschen.« …

»Es gibt niemand, der mehr an den Lehren der Gnade festhält, als ich. Wenn mich jemand fragte, ob ich mich schäme, ein Calvinist genannt zu werden, dann würde ich antworten: Ich möchte nichts anderes heißen, als Christ. Aber wenn du fragst, ob ich die lehrmäßigen Anschauungen von Johannes Calvin für richtig halte, dann antworte ich, dass ich sie im großen und ganzen für richtig halte. Ich bekenne dies gerne. Aber es liegt mir fern zu denken, dass Zion nur calvinistische Christen enthält, oder dass niemand gerettet würde, der nicht an diese Lehren glaubt.«

Charles H. Spurgeon, A Defense of Calvinism, in: Charles H. Spurgeon, The autobiography of Charles H. Spurgeon, Bd. 1, S. 167–178, Kap. XVI. Farbdruck hinzugefügt.

Spurgeon liefert eine sehr wichtige Klarstellung mit Blick auf den Spitznamen (heute: Schimpfnamen, Pejorativum) »Calvinist«. Er kommentierte bezüglich dieser Bezeichnung:

Jene Lehre, die nun »Calvinismus« genannt wird, entsprang nicht von Calvin. Wir glauben, dass sie von dem großen Begründer aller Wahrheit entsprang. … Wir verwenden diesen Ausdruck also nicht, weil wir der Tatsache, dass Calvin diese Lehren gelehrt hat, eine außerordentliche Bedeutung zurechnen würden. Wir wären in der Tat genauso bereit, diese Lehren mit einem anderen Namen zu bezeichnen, wenn wir denn einen solchen finden könnten, der besser verstanden werden würde und welcher insgesamt genauso mit den Tatsachen übereinstimmen würde.

Charles H. Spurgeon, Exposition of the Doctrines of Grace, (April 11, 1861) [https://www.spurgeon.org/resource-library/sermons/exposition-of-the-doctrines-of-grace/#flipbook/ abgerufen: 11JUL2020] Fettdruck hinzugefügt.

Spurgeon nannte sich also nicht »Calvinist«, weil er Johannes Calvin besonders verehrte, sondern weil er glaubte, dass die »Lehren der Gnade« direkt aus den Seiten der Heiligen Schrift stammen. Für ihn war der Begriff »Calvinismus« einfach ein Kürzel für »Evangelium Jesu Christi«. Er sah die »Lehren der Gnade« klar als biblische Lehren an und lehrte sie daher auch furchtlos von seiner Kanzel aus. Er sagte:

»Mir steigt keinesfalls die Schamesröte ins Gesicht, wenn ich euch heute die Lehre von der Souveränität Gottes predige. Was die Lehre der Auserwählung angeht, so werde nicht herumeiern, sondern sie so uneingeschränkt und offen wie möglich predigen. Ich werde keine Angst davor haben, die große Wahrheit des Ausharren der Heiligen darzulegen. Ich werde die unzweifelhafte Wahrheit der Schrift über die wirksame Berufung der Erwählten Gottes nicht zurückhalten. Ich werde mich nach Kräften und mit Gott Hilfe bemühen, vor euch, die ihr meine Herde geworden seid, nichts davon zurückzuhalten. Ich sehe ja, dass die meisten von euch inzwischen ›geschmeckt haben, dass der HErr gütig ist‹ [Psalm 34,8], und daher werde ich mir jetzt die Mühe machen, durch das gesamte System der ›Lehren der Gnade‹ zu gehen, damit die Heiligen erbaut und gefestigt werden in ihrem allerheiligsten Glauben.« [Judas 20]

Charles H. Spurgeon, Particular Redemption, (February 28, 1858), Predigt über Matthäus 20,28 [https://www.spurgeon.org/resource-library/sermons/particular-redemption–2/#flipbook/ abgerufen: 11JUL2020]

Für Spurgeon und seine Gemeinde[2] bedeutete die Vernachlässigung der Predigt der »calvinistischen Heilslehre«, dass er seiner Gemeinde etwas Wichtiges vorenthalten würde. Dazu war er aber niemals bereit, denn diese Wahrheiten werden in der Heiligen Schrift gefunden und werden gerade durch Gottes verordnetes Mittel weitergegeben: durch die Predigt des ganzen Evangeliums:

»Wie werden sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger? … Also ist der Glaube aus derVerkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.«

Römerbrief 10,14.17 (ELB03)

Endnoten

[1] Nach C. H. Spurgeon sprachen: John Bloomfield: Election; Evan Probert: Human Depravity; James A. Spurgeon (C.H. Spurgeons Bruder): Particular Redemption; James Smith: Effectual Calling, sowie William O’Neil: Final Perseverance of Believers in Christ Jesus.
[2] Die »Doctrinal Basis« (Lehrgrundlage) der Gemeinde The Metropolitan Tabernacle macht klar, dass die Gemeinde heute noch eine unabhängige reformierte Baptistengemeinde (»independent reformed Baptist church«) ist. Die zwei ersten der sieben Hauptpunkte (»key biblical policies«) lauten:
«Doctrines of grace. We teach the doctrines of grace (in the reformed faith, often summarised as the ‚five points of Calvinism‘). Our doctrinal basis is the Baptist Confession of Faith, 1689.
Free offer of the Gospel. We believe in the universal tender of salvation, also called the free offer of the Gospel, dedicating one ­service every Sunday to persuasive evangelistic preaching, and praying that God will use this for the salvation of precious souls. Evangelism is a ­foremost duty for us, embracing evangelistic Sunday Schools, youth outreach, and other measures des­cribed in these pages.«

Weitere Ressourcen

  • The Spurgeon Center for Biblical Preaching at Midwestern Seminary (Kansas City, MO, USA) – »Making visible the lifelegacy and libraryof Charles Haddon Spurgeon« (https://www.spurgeon.org/)
  • The Spurgeon Archive (http://www.romans45.org/spurgeon/mainpage.htm)
  • Spurgeon Gems (https://www.spurgeongems.org)
  • Charles H. Spurgeon, A Defense of Calvinism [Eine Verteidigung des Calvinismus] (http://www.romans45.org/spurgeon/calvinis.htm 11JUL2020)

Spurgeon: Die Wahrheit über die Sühnung durch Christus muss verkündigt werden

»We hold that Christ, when He died, had an object in view, and that object will most assuredly, and beyond a doubt, be accomplished. We measure the design of Christ’s death by the effect of it. … We cannot so belie our reason as to think that the intention of Almighty God could be frustrated, or that the design of so great a thing as the atonement, can by any way whatever, be missed of. We hold—we are not afraid to say that we believe—that Christ came into this world with the intention of saving „a multitude which no man can number;“ and we believe that as the result of this, every person for whom He died must, beyond the shadow of a doubt, be cleansed from sin, and stand, washed in blood, before the Father’s throne. We do not believe that Christ made any effectual atonement for those who are for ever damned; we dare not think that the blood of Christ was ever shed with the intention of saving those whom God foreknew never could be saved, and some of whom were even in Hell when Christ, according to some men’s account, died to save them. …

For you must bear this in mind, that some of you, perhaps, may be ready to dispute things which I assert; but you will remember that this is nothing to me; I shall at all times teach those things which I hold to be true, without let or hindrance from any man breathing.

Now, beloved, when you hear any one laughing or jeering at a limited atonement, you may tell him this. General atonement is like a great wide bridge with only half an arch; it does not go across the stream: it only professes to go half way; it does not secure the salvation of anybody. Now, I had rather put my foot upon a bridge as narrow as Hungerford[1], which went all the way across, than on a bridge that was as wide as the world, if it did not go all the way across the stream.«

Charles H. Spurgeon, Particular Redemption, Predigt am 28FEB1858 über Matthäus 20,28 [https://www.spurgeon.org/resource-library/sermons/particular-redemption–2/#flipbook/ 11JUL2020]

[1] Die Hungerford Bridge wurde 1845 als reine Fußgängerverbindung über die Themse in London eröffnet. Die enge Fußgängerbrücke hatte den Ruf, heruntergekommen und bei Nacht gefährlich zu sein. Später wurde sie mehrfach umgebaut und ist heute eine Eisenbahnbrücke zum Bahnhof Charing Cross.

Freude ist eine ernste Sache

»Christus will, dass sein Volk fröhlich ist. Wenn sein Volk eines Tages vollkommen gemacht ist, wie Er es zu Seiner Zeit sicherstellen wird, dann wird es auch vollkommen fröhlich sein. Der Himmel ist ein Ort reinster Heiligkeit, aber genauso ist er ein Ort ungetrübten Frohsinns. Je mehr wir für den Himmel zubereitet werden, umso mehr werden wir jene Freude besitzen, die Teil des Himmels ist. Es ist der ausdrückliche Wunsch unseres Heilandes, dass Seine Freude heute schon in uns sei, und dass unsere Freude völlig werde.« [Johannes 15,11; vgl. 17,13]

»Christ wishes his people to be happy. When they are perfect, as he will make them in due time, they shall also be perfectly happy. As heaven is the place of pure holiness, so is it the place of unalloyed happiness; and in proportion as we get ready for heaven, we shall have some of the joy which belongs to heaven, and it is our Saviour’s will that even now his joy should remain in us, and that our joy should be full.«

C. H. Spurgeon, The Metropolitan Tabernacle Pulpit Sermons, 63 Bände (London: Passmore & Alabaster, 1855–1917), Bd. 51, S. 229.