Strohmänner – Wenn der geistige Brennstoff ausgeht

Ein „Strohmann“ (engl. straw man) ist eine bestimmte Form und/oder Logik eines Arguments, die den Eindruck erweckt, das Argument eines Gegners zu widerlegen, während die wirkliche Idee des gegnerischen Arguments entweder gar nicht angesprochen oder nicht trefflich widerlegt wurde.

Dies soll gelingen, indem man das Argument des Gegners mit einem selbsterfundenen, leichter angreifbaren Argument vertauscht. Diesen logischen Fehler zu begehen, wird als „Strohmann-Attacke“ bezeichnet. Die Strohmann-Attacke klärt in der Sache des Arguments überhaupt nichts, es ist ein Schein-Argument. Ein Strohmann-Angriff ist daher oft Hinweis darauf, dass die Position des Angreifers sehr schwach ist, dass er nicht in der Lage ist, sachlich und logisch trefflich zu argumentieren.

Varianten der Strohmann-Attacke sind [nach: https://en.wikipedia.org/wiki/Straw_man]:

  • Kontextfehler. Man zitiert einen Gegner, ohne den Kontext anzugeben oder zu würdigen. Das heißt, man zitiert so (und teilweise in solchen Bruchteilen), dass die Absicht und Meinung des Gegners nicht wahrhaftig und zutreffend wiedergegeben wird.
  • Repräsentationsfehler. Man präsentiert jemand als repräsentativen Verteidiger einer Auffassung, der diese Auffassung nur schwach und/oder fehlerhaft darstellt, und widerlegt dann die schwachen oder mangelhaften Argumente dieses Verteidigers. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass jeder, der die Auffassung jenes Gegners hält –und damit die gegnerische Auffassung selbst– widerlegt sei.
  • Reduktionsfehler. Man reduziert und vereinfacht unzulässig und greift dann dieses selbsterzeugte, zu stark vereinfachte, Argument an. Damit soll der Eindruck erweckt werden, man habe das eigentliche Argument widerlegt.
  • Übertreibungsfehler. Man übertreibt (teilweise ins Absurde gehend) das Argument des Gegners und greift dann diese übertriebene, verzerrte Version des Arguments an. Hier soll der Eindruck erweckt werden, dass durch die Widerlegung der selbsterzeugten, verzerrten Version des Arguments das Argument selbst widerlegt sei. (Eine Sonderform ist das „slippery slope“-Argument, das behauptet, dass ein erster kleiner Schritt, von dem der Gegner redet, zwingend zu einer Kette weiterer Schritte führe, die letztlich unausweichlich zu einem anerkannt negativen Ende führen [vgl. Domino-Effekt; principiis obsta].)

Ein Beispiel

Schon der Reformator Martin Luther (1483–1546) beschwerte sich beim Streit »in bezug auf den Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt« darüber, dass seine Gegner diese Methode der dialektischen Eristik verwendeten. Die Gegner Eck und Emser et alii unterstellten Luther, dass er gegen »den Gebrauch des Sakraments unter einerlei Gestalt« argumentiert habe. Dagegen wendet er sich wie folgt:

Id quod & ipse conatur asserere, eo ipso contra me pugnaturus. Respondeo, id genus disputandi omnibus familiare esse, qui contra Lutherum scribunt, ut hoc asserant quod impugnant, aut fingant quod impugnent.
(Das versucht er selbst zu verfechten und will doch eben damit gegen mich streiten. Darauf antworte ich, dass diese Art des Disputs alle die an sich haben, die gegen Luther schreiben: Sie stellen eine Behauptung auf, die sie dann anfechten, oder sie erdichten etwas, gegen das sie dann losziehen.)

Martin Luther, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium. Praefatio. Wittenberg, 1520.