Wenn das Herz nach Ewigkeit sucht, muss Gott das Ziel sein

Was rufen uns denn diese Gier und diese Unfähigkeit zu, wenn nicht dies, dass es einst im Menschen ein wahres Glück gegeben hat, von dem ihm jetzt nur das Zeichen und die ganz wesenlose Spur geblieben sind und die er nun vergebens mit allem auszufüllen trachtet, was ihn umgibt, wobei er von den fernen Dingen die Hilfe erwartet, die er von den gegenwärtigen nicht erhält, doch sie alle sind dazu nicht fähig, weil dieser unendliche Abgrund nur durch etwas Unendliches und Unwandelbares ausgefüllt werden kann, das heißt durch Gott selbst.

Blaise Pascal (1623–1662): Pensées sur la religion et nur quelques autres sujets (kurz: Pensées = Gedanken), Section VII: Moral und Lehre, Teil 2 (um 1670 erstmalig veröffentlicht). Link.

Da die Menschen kein Heilmittel entdecken konnten gegen den Tod, das Elend, die Unwissenheit, so sind sie darauf verfallen, um sich glücklich zu machen, nicht daran zu denken. Das ist alles, was sie erfinden konnten, um sich über so viel Uebel zu trösten. Aber das ist ein sehr elender Trost, weil er darauf hingeht, nicht das Uebel zu heilen, sondern es bloß kurze Zeit zu verbergen, und indem er es verbirgt, macht er, daß man nicht daran denkt, es wirklich zu heilen. So geschieht es durch eine seltsame Verkehrtheit der Natur des Menschen, daß das Mißbehagen, sein empfindlichstes Uebel, in gewisser Art sein größtes Gut ist, weil es mehr als alles andre dazu beitragen kann, ihn seine wahre Heilung suchen zu machen, und daß das Vergnügen, welches er als sein größtes Gut ansieht, in der That sein größtes Uebel ist, weil es mehr als alles andre ihn davon abhält, das Heilmittel für sein Uebel zu suchen. Das eine wie das andre ist ein vorzüglicher Beweis von dem Elend und dem Verderben des Menschen und zugleich von seiner Größe; denn nur deshalb fühlt der Mensch sich bei allem unbehaglich und sucht diese Menge von Beschäftigungen, weil er die Vorstellung des Glücks hat, das er verloren. Da er es in sich nicht findet, sucht er es umsonst in den äußern Dingen, ohne je sich zufrieden stellen zu können, weil es weder in uns noch in den Geschöpfen ist, sondern in Gott allein.

Blaise Pascal, Pascal’s Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Erster Theil: Gedanken, die sich auf Philosophie, Moral und schöne Wissenschaften beziehn, Siebenter Abschnitt: Elend des Menschen, Ziffer 4. (Berlin, 1840); Link..