Jesus Christus herrscht als König! (Psalm 2)

Einleitung

Weltpolitische Mächte versuchen beständig, Frieden und Sicherheit herzustellen. Der Völkerbund und dann die UN wurden gegründet, um Frieden auf Erden herzustellen und zu sichern. Doch gab es kein Jahr ihres Bestehens ohne kriegerische Auseinandersetzungen. Auch aktuell versuchen Machtmenschen, ihre Reiche zu sichern und auszubauen. Dabei scheint es ihnen egal zu sein, wie viele Menschenleben und Vermögenswerte das kostet. Andere wollen mit Macht Friedensnobelpreisträger werden. 

Die meisten Menschen sehnen sich nach Frieden und Sicherheit. Dieses Urverlangen nutzen Machtmenschen aller Couleur unverschämt in ihrer Propaganda aus. Eines Tages wird ein »starker Mann« den Weltfrieden ausrufen. Die Heilige Schrift warnt jedoch:

»Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit!, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie …« (1. Thessalonicher 5,3).

Bibelleser wissen: Nur Jesus Christus bringt bleibenden Frieden, denn Gott hat Ihn bereits eingesetzt als den König der Könige (=der oberste König). Wohl dem, der Gotteskind – Königskind!– ist. Es lebt zur Zeit noch auf einem Kampfplatz, auf dem sein König verworfen ist, aber es hat die feste Hoffnung auf das herrliche Wiederkommen des Königs. Davon wollen wir im Folgenden anhand von Psalm 2 skizzenhaft reden.

Die Welt der Königskinder – Ein Kampfplatz von Licht und Finsternis

  • V1–3 Die Nationen toben. Das beschreibt den finsteren Hintergrund der Weltbühne. Seit dem Sündenfall ist diese Welt ein Kampfplatz des Satans gegen Gott und die Seinen. Man will Gottes Souveränität leugnen und jedes Gebot und jede Ordnung des Höchsten samt der Schöpfungsordnung abwerfen.
  • V4–6 Gott thront. Ein harter Bruch geschieht in V4: Der Blick wendet sich abrupt von der finsteren, aufgewühlten Erde weg zum Mittelpunkt des Himmels: »Der im Himmel thront«. Gottes Souveränität als oberster Herrscher tritt vor unsere Blicke. Der Höchste muss angesichts der großartigen Pläne der Menschen lachen. Es ist so lächerlich, wenn Menschen von ihrer Souveränität reden, sich ihrer Macht und Fähigkeit brüsten, und dabei vergessen, dass nur Einer wirklich frei und unumschränkt ist. Und so redet der Allmächtige seinem ewigen Beschluss, den kein Mensch oder Engel verhindern oder ändern kann: »Habe ich doch meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg!«.
  • V7–9 Der gesalbte König kommt! Weil der Beschluss Gottes feststeht, wird er sicher in Erfüllung gehen: Sein bereits gesalbter (=eingesetzter) König wird eines Tages kommen. Dann wird der Sohn Gottes herrschen. Sei Weg lief von der Krippe zum Kreuz und dann zur Krone (vgl. Philipper 2,6–11). Alle drei Stationen sind größte Wunder und stehen absolut fest im Ratschluss Gottes. Wir beten zurecht: »Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde!« (Matthäus 6,10).
  • V10–12 Der Ruf zur Buße. Was folgt daraus für alle Menschen? Folgendes:
    • Wir sollten uns zum Recht weisen lassen! – Gott weist uns Menschen, die Rebellen, zum Recht, zum Gerechten.
    • Wir sollen Gott fürchten und dienen! – Wir sollen Gott in Ehrfurcht begegnen und Ihm allein dienen.
    • Wir sollten Gottes Sohn lieben! – Christen lieben Seine Erscheinung! (s. 2. Timotheus 4,8). »Wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus« (Titus 2,13).
    • »Glückselig alle, die zu ihm Zuflucht nehmen!« –Mit dieser Glückseligpreisung schließt Psalm 2 und endet damit dort, wo Psalm 1 angefangen hat. Man kann die Weisheit dieses Doppelpsalms so zusammenfassen: Gehorche dem Wort Gottes! (Psalm 1) – Gehorche dem Sohn Gottes! (Psalm 2).

Die Hoffnung der Königskinder – Ein König der Herrlichkeit

Psalm 24 redet viermal vom »König der Herrlichkeit« (24,7.8.9.10) – ein wahrlich passender Titel! Psalm 2 nennt hier sieben herrliche Ehrentitel unseres Königs Jesu Christi. Er ist:

  1. Der Gesalbte Gottes (V2) – Er ist der von Gott eingesetzte Christus (Messias).
  2. Der König Gottes (V 6) – Sein Reich ist wunderbar. Es kommt! Das beten wir erwartungsvoll.
  3. Der Sohn Gottes (V 7). – Der Sohn Gottes ist unvergleichlich herrlich und erhaben! Zitiert in Apg 12,33; Hebräer 1,5; 5,5. Er ist eins mit Gott-Vater (Johannes 10,30; 17,11).
  4. Der Erbe Gottes (V 8). – Gott hat Einen, Dem er alles übergeben wird: die ganze Erde mit allen Menschen. Er wird über allen und allem sein, Er wird alles unangefochten besitzen. Sein Volk wird mit ihm erben (vgl. Römer 8,17; Epheser 3,6).
  5. Der Richter Gottes (V 9). – Der Vater hat das ganze Gericht (Weltgericht) dem Sohn gegeben, »damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren« (Johannes 5,22–23). Unser König wird an jenem Tag auf dem »großen weißen Thron« sitzen und alle, die ohne und wider Ihn lebten, richten (vgl. Offenbarung 20,11).
  6. Der Ewige, Gott selbst (V 11). – Die Obersten, die Mächtigen der Erde, die Könige und die Richter, werden aufgefordert, dem Allerhöchsten zu dienen, also Gottesdienst und Anbetung zukommen zu lassen. Was die Glaubenden heute schon mit großer Freude tun: Ihn anzubeten und Ihm zu dienen (vgl. Psalm 100,4–5), werden eines Tages alle tun müssen.
  7. Der Versöhner (V 12) –Davids appelliert an alle: Nimm Zuflucht bei Ihm! Nur das bringt Glückseligkeit.

Zusammenfassung und Ausblick

Jesus Christus ist der von Gott eingesetzte König, dem alle Macht gehört. Glückselig sind die, die jetzt schon Zuflucht bei Ihm suchen!

Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (1. Timotheus 1,17).

1)   Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig,
alles legt ihm Gott zu Fuß.

Aller Zunge soll bekennen,
Jesus sei der Herr zu nennen,
dem man Ehre geben muss.

2)   Fürstentümer und Gewalten,
Mächte, die die Thronwacht halten,
geben ihm die Herrlichkeit;
alle Herrschaft, dort im Himmel,
hier im irdischen Getümmel (and.: Gewimmel]
ist zu seinem Dienst bereit.

3)   Gott ist Herr, der Herr ist Einer,
und demselben gleichet keiner,
nur der Sohn, der ist ihm gleich;
dessen Stuhl [=Thron] ist unumstößlich,
dessen Leben unauflöslich,
dessen Reich ein ewig Reich.

11) Ich auch auf der tiefsten Stufen,
ich will glauben, reden, rufen,
ob ich schon noch Pilgrim bin:
„Jesus Christus herrscht als König,
alles sei ihm untertänig;
ehret, liebet, lobet ihn!“

Philipp Friedrich Hiller (1699–1769), um 1757

Das größte Bauwerk der Welt

[Jesus Christus spricht zu Petrus:] Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus; und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen. (Matthäus 16,18)

Jesus Christus ist der Architekt, Baumeister, Eigentümer, Vollender und Besitzer des größten Bauwerks der Welt: Seiner Gemeinde. Dieses „Bauprojekt“ wurde göttlich geplant, wird heute gebaut und hat ewig Bestand.

Das Verheißungswort Christi »Ich werde meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen« liefert entscheidend Wichtiges über Gottes größtes »Bauwerk«.

Sieben Worte, die die Gemeinde Gottes kennzeichnen

  1. »Ich« – Der Architekt und Baumeister
    • Jesus ist Meister im Bauwesen: er hat die Schöpfung und den Tempel im Himmel gebaut.
    • Er allein ist befähigt, das geistliche Gebäude der Gemeinde (=Tempel) zu errichten.
  2. »werde« – Die Macht und Sicherheit
    • Was Jesus sagt, wird geschieht. Seine Worte sind sicherer als jede menschliche Planung.
    • Das Bauprojekt „Gemeinde“ braucht keinen Plan B, es wird weiter nach dem ewigen Originalplan pünktlich umgesetzt. Göttlich garantiert.
  3. »meine« – Der Eigentümer
    • Die Gemeinde gehört Christus, nicht Menschen (Älteste, Bischöfe, Papst).
    • Wir sind nur Verwalter und haben uns treu und fleißig an die göttlichen Baupläne zu halten (1. Korinther 4,1–2).
  4. »Gemeinde« – Das Bauwerk
    • Nicht ein Gebäude, kein Verein, sondern die Schar aller wahrhaft Gläubigen.
    • Sie besteht aus „lebendigen Steinen“ – echten, wiedergeborenen Christen (1. Petrus 2,4–5).
  5. »bauen« – Das Bauen
    • Fundament ist Jesus Christus (persönlich, 1. Korinther 3,11) und sein Wort (lehrmäßig, Epheser 2,20).
    • Die Gemeinde wird aktiv aufgebaut durch die Mitarbeit der Gläubigen.
    • Es braucht lebendige Steine, geistliche Einheit und göttlich eingesetzte Leiter.
  6. »die Pforten des Hades« – Der Widerstand
    • Der Bau wird angegriffen – durch Tod, Sünde, falsche Lehre und den Teufel.
    • Doch Christus hat die Macht des Todes bereits besiegt (Hebräer 2,14–15).
  7. »werden sie nicht überwältigen« – Die Vollendung
    • Die Gemeinde wird vollendet werden – ohne Verlust oder Schaden, vielmehr schön (Epheser 5,27; Offenbarung 19,7–8).
    • Christus garantiert den Sieg, das Endziel ist sicher: Ewiges Leben mit Ihm in der Herrlichkeit.

Die Herausforderung

  • Lass Dich neu begeistern für die Mitarbeit an Gottes Bauprojekt.
  • Baue treu mit – nicht nach eigenem Geschmack, sondern nach Gottes Bauplan.
  • Wisse: Deine Arbeit an der Gemeinde hat Ewigkeitswert, baue mit Deinem besten Einsatz!

Alle weltlichen Bauwerke werden vergehen – doch Gottes Gemeinde bleibt ewig.


Die Gemeinde ist gegründet / auf Dich selbst, Herr Jesus Christ,
weil Du der Behausung Gottes / Felsengrund und Eckstein bist.
Die der Vater Dir gegeben /aus der Welt zum Eigentum,
führst Du, trotz des Feindes Wüten, / siegreich heim zu Deinem Ruhm.

(Dichter unbekannt)

Schönheit – Eine biblische Besinnung

Wir leben in einer Welt, die von Bildern, Filmen und äußerem Glanz bestimmt ist. Werbung, soziale Medien, Mode, sogar manche Kirchenveranstaltungen, folgen einem klaren Trend: Schön ist, was sichtbar beeindruckt. Wir leben in einer Augenkultur. Das Bild erschlägt das Wort (Wolfgang Zöller, 1986). Wer das Auge lenken kann, kann auch die Gedanken lenken, Gefühle erzeugen, Entscheidungen beeinflussen, Menschen manipulieren. 

Die Frage in dieser kurzen Besinnung soll aber vor allem positiv sein: Was ist eigentlich Schönheit in Gottes AugenGibt es eine biblische Lehre von der Schönheit? Und woran orientiert sich unser eigenes Denken und Empfinden, wenn es um das Schöne geht? Es geht hier nicht um eine Abrechnung mit äußerlicher Schönheit, gar eine rein moralisierende Betrachtung. Dazu ist an anderer Stelle manches gesagt worden. Auch die Heilige Schrift hat viel Praktisches hierzu zu sagen, was Väter und Mütter ihren Söhnen und Töchtern erziehend zu vermitteln haben. Vielmehr geht es hier darum, die biblische Sicht auf Schönheit zu entdecken – eine Sicht, die tiefer geht, als das Auge reicht, und gleichzeitig für das Gotteskind erhebender ist. Wir dürfen erkennen, wie wunderbar und herrlich unser Gott ist, und wie die Gotteskinder diese wahre Schönheit widerspiegeln dürfen. Die angegebenen Bibelstellen können dem Leser als Wanderführer für eine erste Erforschung dieses Themas in der Bibel dienen.

1 Die Quelle aller Schönheit: Gott selbst

Leitverse: Psalm 27,4; Psalm 96,6; Jesaja 33,17; 1. Chronika 16,29

Gott selbst ist die Quelle aller wahren Schönheit. Seine Heiligkeit, seine Majestät, seine Gnade – das alles ist von unbeschreiblicher Herrlichkeit und Schönheit. Die Bibel spricht immer wieder davon, dass Gott »herrlich« ist. Herrlichkeit und Schönheit gehören zusammen.

Schönheit ist bei Gott keine oberflächliche Eigenschaft, sondern Ausdruck seiner Vollkommenheit. Wenn wir also nach wahrer Schönheit suchen, müssen wir bei Gott anfangen. Er ist die Quelle aller wahren Schönheit (diese Aussage ist analytisch wahr). Er ist intrinsisch schön, aber Er verkörpert Schönheit auch in seinem Sohn und in allen seinen Werken.

2 Die Schönheit der Schöpfung – Spiegel seiner Herrlichkeit

Leitverse: 1. Mose 1,31; Psalm 19,2; Prediger 3,11; Römer 1,20

Die Schöpfung ist wunderschön. Vom Sternenhimmel bis zum Detail einer Blume erkennen wir etwas von Gottes kreativer Kraft. Die Bibel nennt dies »das Unsichtbare von ihm«, das »von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen« wird (Römer 1,20).

Doch die Schönheit der Natur ist nicht Selbstzweck. Sie verweist auf den Schöpfer. Sie ruft zur Anbetung.

Frage an uns: Welche Haltung haben wir gegenüber Kunst, Natur, Musik? Sehen wir im Schönen den Hinweis auf den Herrlichen? Führt es uns zur Anbetung Gottes? Oder bleiben wir bei der Form stehen und vergessen den Urheber?

3 Der Mensch als Abbild Gottes: Schönheit im Ebenbild

Leitverse: 1. Mose 1,26–27; Psalm 139,14; 1. Samuel 16,7; Sprüche 31,30

Der Mensch wurde als Abbild Gottes geschaffen. Das heißt: Der Mensch ist Träger einer von Gott gegebenen Würde und Schönheit.

Aber – und das ist entscheidend – Gott sieht tiefer: Er sieht ins Zentrum der Persönlichkeit, ins Herz. »Denn der Mensch sieht auf das Äußere, aber Jahwe sieht auf das Herz«. Die Quelle wahrer Schönheit ist unter der Haut.

Innere Schönheit ist bei Gott entscheidend. Charakter, Frucht des Geistes, Heiligkeit, Gottesfurcht – das sind die Elemente wahrer Schönheit.

Wie oft lassen wir uns von äußerer Erscheinung beeinflussen? Und wie oft vergessen wir, das Herz zu sehen?

4 Die durch die Sünde verzerrte Schönheit

Leitverse: Hesekiel 28,12–17; Jesaja 3,16–24; Römer 1,23-25

Sünde hat unsere Sicht auf Schönheit pervertiert. Luzifer, vom dem letztlich in Hesekiel 28 geredet wird, war ursprünglich »vollkommen an Schönheit« (Hes 28,12), doch sein Stolz (»Dein Herz hat sich erhoben wegen deiner Schönheit«) führte zur Selbstvergottung und damit zum endgültigen Fall. Statt Schönheit als Geschenk zu bewahren, sie als Motiv zur Anbetung des Gebers dieser Schönheit zu verwenden, machte er sie zum Werkzeug der Erhebung und Verführung anderer.

Auch wir Menschen haben die Herrlichkeit Gottes vertauscht gegen Abbilder (Götzen, Ersatzgötter, Surrogate), gegen äußeren (= hohlen, eitlen) Glanz, gegen Selbstvergottung (das ist der Kern der Ursünde).

Wenn Schönheit zur Selbstinszenierung wird, statt zur Anbetung Gottes zu führen, wird sie zum Götzen. Da diese Perversion (Umkehrung) die Herrlichkeit Gottes herabsetzt, wird der Selbstverliebte unausweichlich zum Götzendiener, dem unerlöst ewiges Gericht seitens Gottes sicher ist. Nur in der gnädigen Erlösung durch Jesus Christus wird ein Mensch wieder wahrhaft schön.

Herzensfrage: Wo haben wir Schönheit von Gott gelöst und ihr einen selbstsüchtigen (=sündigen!) Zweck gegeben?

5 Die wahre Schönheit in Christus

Leitverse: Jesaja 53,2–3; Hebräer 1,3; 2. Korinther 4,6

Jesus war nicht äußerlich schön, er war die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes. In ihm erstrahlt die höchste Schönheit, die Schönheit Gottes in Gnade, Wahrheit, Liebe, Demut, Gehorsam, Gerechtigkeit und Heiligkeit. Gott-Vater bezeugte: »Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.« (Mt 3,17; vgl. Mt 12,18; 17,5).

Im Kreuz Christi sehen wir hässlichste Grausamkeit und gleichzeitig höchste Herrlichkeit. Das Kreuz ist der Wendepunkt unserer Sicht: Christus macht hässlich Gewordenes und Gemeintes zum Wendepunkt und führt es zum Siegesglanz. Er macht alles neu (2Kor 5,17; Offb 21,5), er macht alles wieder schön.

Lernen wir, wahre Schönheit in Christus zu finden und an Christus zu messen – nicht an äußeren Maßstäben.

Schönster Herr Jesus, / Herrscher aller Enden,
Gottes und Marien Sohn!
Dich will ich lieben, 
Dich will ich ehren,
Du meiner Seele Freud und Kron!

Alle die Schönheit / Himmels und der Erden
ist gefasst in Dir allein. 
Nichts soll auf Erden
lieber mir werden,
als Du, Herr Jesus Christe mein.

(Autor unbekannt, aus dem 12. Jhdt.)

6 Die Schönheit im Leben der Gläubigen

Leitverse: 1. Petrus 3,3-4; Galater 5,22–23; Titus 2,10

Der Heilige Geist bewirkt in uns eine Schönheit, die von innen kommt, die ganzheitlich ist, uns immer mehr durchdringt: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung – das ist wahrlich himmlische Anziehungskraft.

Auch eine christliche Gemeinde wird nicht durch äußeres Design von Gebäude und Einrichtung schön, sondern durch Heiligkeit, Wahrhaftigkeit, Demut und Liebe der Erlösten.

Lasst uns nach jener Schönheit streben, die Gott gefällt. Diese bleibt.

7 Die ewige Schönheit in Gottes neuer Welt

Leitverse: Offenbarung 21,2.11; Psalm 50,2

Die Gemeinde Gottes erscheint als geschmückte Braut ihres Herrn Jesus Christus. Das neue Jerusalem strahlt in unbeschreiblicher Schönheit. Alles Wertvolle und Glänzende muss zur Vermittlung des Unvergleichlichen herhalten.

Das ist unser Ziel: Schön gemacht durch Christus, vollendet in der Herrlichkeit Gottes. Dort wird alles, was jetzt zerbricht, entstellt oder vergeht, vollkommen schön sein.

Unsere Sehnsucht nach Schönheit findet ihre Erfüllung bei ihm.

8 Schlussgedanken und Anwendung

Fragen wir ganz persönlich:

  • Woran orientierst Du dein Verständnis von Schönheit?
  • Welche Schönheit strebst Du an?
  • Führt Dich Schönheit in Schöpfung und Kunst zur Anbetung Gottes?
  • Welche Schönheit realisierst Du in deiner Familie, deiner Gemeinde, deinem (Gottes-) Dienst?

Möge Gott unsere Augen schärfen und unsere Ästhetik (Schönheitsempfinden) so verändern, dass wir Schönheit so sehen wie Er.

9 Ideen für weitere Überlegungen

Die Gehirnforschung hat uns vermittelt, dass jeder Mensch im Gehirn vernetzte Bereiche (vor allem orbitofrontaler und frontaler Kortex) bekommen hat , die sich dem logisch-faktischen Wahren (wahr, falsch, sowie abstrakte Regeln), dem ethisch Richtigen (richtig, verwerflich) und ästhetisch Schönen (schön, hässlich) widmen. So ist dem (gereiften) Menschen möglich, wertgeleitetet zu handeln (anstatt kurzfristigen Bedürfnisse direkt zu folgen und sie zu befriedigen, werden vielmehr langfristige Ziele verfolgt). Gott hat den Mensch »in seinem Bilde« offenbar so angelegt und begabt, dass er kein rein instinkt- oder lustgesteuertes Tier ist, sondern ein auf Gott und Gottes Schönheit ausgerichtetes Wesen ist (sein sollte). »Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit; auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, ohne dass der Mensch das Werk, das Gott gewirkt hat, von Anfang bis Ende zu erfassen vermag.« (Prediger 3,11).

Das alles hat wichtige Implikationen für Erziehung, persönliche Reifung und charakterliche Bildung, letztlich für das Menschsein. Aber es hat auch für den Glauben und das Glaubensgut wichtigste Implikationen. Die Schrift sagt viel zu diesen drei o.g. elementaren Bereichen, auch bezüglich der wahren Anbetung Gottes. Alle diese Dinge haben bei Gott ihre Quelle, sind Gottes Wesen eigen. Wir verehren Gott nur recht mit dem, das wahr, richtig und schön ist. Darauf sollten wir anhand der Offenbarung Gottes in Schöpfung und Gottes Wort sorgfältig achten.

Aber Achtung, man kann auch hier auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Beachten wir: Das „Äußerliche“ ist weder das Wesentliche noch das (in platonischer Verirrung) zu Vernachlässigende. Das Schöne ist weder zu vergotten noch zu verteufeln.

John N. Darby über die „Arminianer“ (Deutsch)

Der anglo-irische Bibellehrer John N. Darby (1800–1882), einer der einflussreichsten Theologen der frühen „Brüderbewegung“ (sog. „Plymouth Brethren“), hatte in seiner Zeit wiederholt mit Vertretern der Denkschule der „Arminianer“ zu tun. Vor allem in der uralten Diskussion über den „freien Willen“ und der Zu- und Aneignung des ewigen Heils gab es zahlreiche Auseinandersetzungen, die größtenteils in seinen Collected Writings und seinen Letters erhalten geblieben sind.

Am 9. Mai 1879 schrieb Darby aus Pau einen Brief in italienischer Sprache an G. Biava, der einen Artikel über den „freien Willen“ verfasst und wohl Darby zur Beurteilung vorgelegt hatte. Darbys Antwort ist in den Letters in englischer Sprache erhalten geblieben. Hier einige Auszüge in eigener Übersetzung ins Deutsche (englisches Original hier):

»LIEBER BRUDER, – Der Artikel über den freien Willen hat mir sehr gefallen; ich finde nicht, dass es viel hinzuzufügen gibt. Alles hängt von der Tiefe der Überzeugung ab, die wir von unserem sündigen Zustand haben; und unsere Sicherheit und Freude hängen ebenfalls davon ab. Verlorensein oder Gerettetsein sind jene beiden Gegensätze, die unserer Stellung (Zustand) in Christus und unserer Stellung (Zustand) im alten Menschen entsprechen. Aber in der Argumentation der Arminianer gibt es einen völlig falschen Grundsatz, nämlich dass unsere Verantwortung von unserer Macht abhänge. Wenn ich jemandem 100.000 Pfund geliehen habe und er alles verschwendet hat, kann er das natürlich nicht zurückzahlen, aber ist seine Verantwortung deswegen beendet? Sicherlich nicht. Die Verantwortung hängt vom Recht desjenigen ab, der ihm das Geld geliehen hat, nicht von der Fähigkeit desjenigen, der das Geld zu Unrecht verschwendet hat. …

Alle Menschen haben seit dem Sündenfall ein Gewissen, das Wissen um Gut und Böse; sie wissen zu unterscheiden, aber das sagt nichts über den Willen aus. Da also das Gesetz Gehorsam verlangt und das Fleisch nicht unterworfen werden kann, ist es tatsächlich unmöglich, das Gesetz anzunehmen – nicht weil Gott ihn daran hindert, wie ich bereits gesagt habe, sondern weil der Mensch es nicht will. Außerdem verbietet das Gesetz die Begierde, aber der gefallene Mensch hat Begierde in seinem Fleisch [sündigen Wesen]; und auf diese Weise erkannte der Apostel die Sünde. Der Mensch muss sein sündiges Wesen verlieren, bevor er bereit ist, dem Gesetz zu gehorchen: Es ist daher notwendig, von neuem geboren zu werden. Nun kann der Mensch sich selbst nicht göttliches und ewiges Leben geben. Warum dann das Gesetz? Damit die Übertretung überhand nehme. Durch das Gesetz wird die Sünde „überaus sündig“; „das Gesetz erwirkt“ den gerechten „Zorn“ Gottes gegen uns, es erwirkt nicht die Furcht Gottes in uns. Das Gesetz gibt kein neues Leben. Alles, was wir haben, ist Feindschaft gegen Gott. Der Mensch im Fleisch kann das Gesetz nicht in sein Herz aufnehmen. …

Kann das Fleisch [unser sündiges Wesen] Christus empfangen – seine Freude am Sohn Gottes finden? Dann wäre es nicht mehr das Fleisch, es hätte den Geist des Vaters selbst. Wenn es im Menschen etwas anderes als Fleisch gibt, dann ist jener Mensch bereits aus Gott geboren, denn was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch. Wenn das Fleisch seine Freude an Christus finden könnte, besäße das Fleisch das Erhabenste, was es auf Erden und im Himmel gibt: es fände seine Freude dort, wo auch der Vater seine Freude findet. Dann wäre es nicht notwendig, aus Gott geboren zu sein, denn das Erhabenste, was jemand jetzt durch Gnade als Christ besitzt, besaß dieser bereits vor dem Empfang des Lebens, als er Christus empfing. Die Gewissheit der Erlösung wäre aber gleichzeitig dahin: Wenn die Erlösung die Frucht meines eigenen Willens wäre, hängte sie von meinem Willen ab. Wenn sie so leicht hervorgebracht werden könnte, könnte man nicht sagen: „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben.“ …

Es heißt, der Glaube sei nur die Hand, die die Erlösung empfängt, aber was veranlasst uns, die Hand auszustrecken? Es ist die Gnade, die in uns wirkt.«

Quelle: John N. Darby, Letters, Vol. 2 (1868–1879), Nachdr., Kingston-on-Thames: Stow Hill Bible and Tract Depot, o. J., S. 501–503. Fett- und Farbdruck hinzugefügt. 
Textquelle (englisch) online auch hier: https://www.stempublishing.com/authors/darby/letters/52346I.html

Die pelagische Gefangenschaft der Kirche (R.C. Sproul)

Kurz nach Beginn der Reformation, in den ersten Jahren nachdem Martin Luther die 95 Thesen an die Kirchentür in Wittenberg angeschlagen hatte, veröffentlichte er einige kurze Broschüren zu verschiedenen Themen. Eine der provokantesten trug den Titel »Die babylonische Gefangenschaft der Kirche«. In diesem Buch blickte Luther auf jene Zeit in der Geschichte des Alten Testaments zurück, als Jerusalem von den einfallenden babylonischen Armeen zerstört und die Elite des Volkes in die Gefangenschaft verschleppt wurde. Luther übertrug im 16. Jahrhundert das Bild der historischen babylonischen Gefangenschaft auf seine Zeit und sprach von der neuen babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Er bezeichnete Rom (die Römisch-katholische Kirche) als das moderne Babylon, das das Evangelium als Geisel hielt, indem es das biblische Verständnis der Rechtfertigung ablehnte. Man kann sich vorstellen, wie heftig die Kontroverse war und wie polemisch dieser Titel in dieser Zeit war, wenn man sagt, dass die Kirche nicht einfach nur geirrt oder vom Weg abgekommen sei, sondern gefallen sei – dass sie jetzt tatsächlich babylonisch sei, dass sie jetzt in heidnischer Gefangenschaft sei.

Ich habe mich oft gefragt, was Luther wohl sagen würde, wenn er heute leben und in unsere Kultur kommen würde und sich nicht die liberale Kirchengemeinschaften, sondern die evangelikalen Kirchen ansehen würde. Natürlich kann ich diese Frage nicht mit endgültiger Autorität beantworten, aber ich vermute Folgendes: Wenn Martin Luther heute leben und seinen Stift zur Hand nehmen würde, um zu schreiben, würde das Buch, das er in unserer Zeit schreiben würde, den Titel Die pelagische Gefangenschaft der evangelikalen Kirche tragen. Luther sah, dass die Rechtfertigungslehre durch ein viel tieferes theologisches Problem angegriffen wurde. Er schreibt ausführlich darüber in Von der Freiheit eines Christenmenschen. Wenn wir uns die Reformation ansehen und die Soli der Reformation betrachten – sola scriptura • sola fide • sola gratia • solus Christus • soli Deo gloria – war Luther davon überzeugt, dass das eigentliche Thema der Reformation die Frage der Gnade war; und dass der Lehre von sola fide, der Rechtfertigung durch den Glauben allein, die vorherige Verpflichtung zu sola gratia, dem Konzept der Rechtfertigung durch Gnade allein, zugrunde lag.

In der Fleming-Revell-Ausgabe von »The Bondage of the Will« [orig.: De Servo Arbitrio; dtsch.: Vom unfreien Willen, oder: Über den geknechteten Willen, 1525] fügten die Übersetzer J. I. Packer und O. R. Johnston eine etwas provokative historische und theologische Einführung in das Buch selbst ein. So lautet der Schluss dieser Einführung:

Über diese Dinge müssen Protestanten heute nachdenken. Mit welchem Recht können wir uns Kinder der Reformation nennen? Vieles im modernen Protestantismus würde von den Reformatoren der ersten Stunde weder anerkannt noch gutgeheißen werden. Das Buch Vom unfreien Willen zeigt uns ziemlich genau, was sie über die Erlösung der verlorenen Menschheit glaubten. 

Im Lichte dessen sind wir gezwungen zu fragen, ob das protestantische Christentum zwischen Luthers Zeit und unserer Zeit nicht auf tragische Weise sein Geburtsrecht verkauft hat. Ist der Protestantismus heute nicht eher erasmisch als lutherisch geworden? Versuchen wir nicht zu oft, Lehrunterschiede zu minimieren und zu beschönigen, um des Friedens zwischen den Parteien willen? Sind wir unschuldig, was die Gleichgültigkeit gegenüber der Lehre, die Luther Erasmus vorwarf, angeht? Glauben wir immer noch, dass die biblische Lehre wichtig ist? [1]

Historisch gesehen ist es eine einfache Tatsache, dass Luther, Calvin, Zwingli und alle führenden protestantischen Theologen der ersten Epoche der Reformation hier genau auf dem gleichen Standpunkt standen. In anderen Punkten hatten sie ihre Differenzen. Sie waren sich jedoch völlig einig, was die Hilflosigkeit des Menschen in der Sünde und die Souveränität Gottes in der Gnade betraf. Für jeden von ihnen waren diese Lehren das Herzblut des christlichen Glaubens. Ein moderner Herausgeber von Luthers Werken sagt dazu:

Wer dieses Buch aus der Hand legt, ohne erkannt zu haben, dass die evangelische Theologie mit der Lehre von der Unfreiheit des Willens steht oder fällt, hat es vergeblich gelesen. Die Lehre von der freien Rechtfertigung allein durch den Glauben, die während der Reformationszeit zum Zentrum so vieler Kontroversen wurde, wird oft als das Herzstück der Theologie der Reformatoren angesehen, aber das ist nicht richtig. Die Wahrheit ist, dass ihr Denken sich wirklich auf die Behauptung des Paulus konzentrierte, die von Augustinus und anderen aufgegriffen wurde, dass die gesamte Erlösung des Sünders nur durch freie und souveräne Gnade geschieht, und dass die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben für sie wichtig war, weil sie das Prinzip der souveränen Gnade sicherte. Diese Souveränität der Gnade fand in ihrem Denken auf einer noch tieferen Ebene in der Lehre von der monergistischen [allein von Gott gewirkten] Wiedergeburt Ausdruck. [2]

Das heißt, dass der Glaube, der Christus zur Rechtfertigung annimmt, selbst das freie Geschenk eines souveränen Gottes ist. Das Prinzip des sola fide wird erst dann richtig verstanden, wenn es als im umfassenderen Prinzip des sola gratia verankert betrachtet wird. Was ist die Quelle des Glaubens? Ist es das von Gott gegebene Mittel, durch das die von Gott gegebene Rechtfertigung empfangen wird, oder ist es eine Bedingung der Rechtfertigung, die der Mensch erfüllen muss? Hören Sie den Unterschied? Ich möchte es in einfachen Worten ausdrücken. Ich hörte kürzlich einen Evangelisten sagen: »Wenn Gott tausend Schritte unternimmt, um dich für deine Erlösung zu erreichen, musst du letztendlich immer noch den entscheidenden Schritt tun, um gerettet zu werden.« Denken Sie an die Aussage von Amerikas beliebtestem und führendem Evangelisten des 20. Jahrhunderts, Billy Graham, der mit großer Leidenschaft sagte: »Gott erledigt neunundneunzig Prozent, aber du musst immer noch das letzte Prozent tun.«

Was ist Pelagianismus?

Kommen wir nun kurz auf meinen Titel »Die pelagianische Gefangenschaft der Kirche« zurück. Worüber sprechen wir? Pelagius war ein Mönch, der im fünften Jahrhundert in Großbritannien lebte (um 350–420). Er war ein Zeitgenosse des größten Theologen des ersten Jahrtausends der Kirchengeschichte, wenn nicht aller Zeiten, Aurelius Augustinus (354–430), Bischof von Hippo in Nordafrika. Wir haben vom heiligen Augustinus gehört, von seinen großen theologischen Werken, von seinem »Gottesstaat« (De civitate Dei contra Paganos), von seinen »Bekenntnissen« (Confessiones) und so weiter, die nach wie vor zu den Klassikern der christlichen Literatur gehören.

Augustinus war nicht nur ein herausragender Theologe und ein erstaunlicher Intellektueller, sondern auch ein Mann von tiefer Spiritualität und Gebet. In einem seiner berühmten Gebete machte Augustinus eine scheinbar harmlose und unschuldige Aussage in dem Gebet zu Gott, in dem er sagte: »O Gott, befehle, was du willst, und gewähre, was du befiehlst.« Nun, würde Sie es in Rage versetzen, wenn Sie ein solches Gebet hörten? Jedenfalls versetzte es Pelagius, diesen britischen Mönch, ordentlich in Aufruhr. Er protestierte lautstark und appellierte sogar an Rom, dieses grässliche Gebet aus der Feder des Augustinus zu verbannen. Was war der Grund seiner Empörtheit? Er sagte: »Willst du damit sagen, Augustinus, dass Gott das angeborene Recht hat, seinen Geschöpfen alles zu befehlen, was er will? Niemand wird das bestreiten. Gott hat als Schöpfer von Himmel und Erde von Natur aus das Recht, seinen Geschöpfen Verpflichtungen aufzuerlegen und zu sagen: ‚Du sollst dies tun und du sollst das nicht tun.‘ ‚Befiehl, was du willst‘ – das ist ein vollkommen legitimes Gebet.«

Es ist der zweite Teil des Gebets, den Pelagius verabscheute, als Augustinus sagte: »und gewähre, was du befiehlst.« Er sagte: »Wovon redest du? Wenn Gott gerecht ist, wenn Gott rechtschaffen ist und Gott heilig ist und wenn Gott dem Geschöpf befiehlt, etwas zu tun, dann muss dieses Geschöpf sicherlich die Kraft in sich haben, die moralische Fähigkeit in sich haben, es auszuführen, sonst würde Gott es gar nicht erst verlangen.« Klingt logisch, oder? Pelagius wollte damit sagen, dass moralische Verantwortung immer und überall moralische Fähigkeit oder einfach moralische Befähigung impliziert. Warum sollten wir also beten müssen: »Gott, gib mir die Gabe, das zu tun, was du mir befiehlst«? Pelagius sah in dieser Aussage einen Schatten, der auf die Integrität Gottes selbst geworfen wurde, der die Menschen für etwas verantwortlich machen würde, das sie nicht tun können.

In der anschließenden Debatte machte Augustinus deutlich, dass Gott Adam und Eva bei der Schöpfung nichts befohlen hatte, was sie nicht hätten ausführen können. Aber als die Sünde Einzug hielt und die Menschheit fiel, wurde Gottes Gesetz nicht aufgehoben, noch passte Gott seine heiligen Anforderungen nach unten an, um dem geschwächten, gefallenen Zustand seiner Schöpfung Rechnung zu tragen. Gott bestrafte seine Schöpfung, indem er das Urteil der Erbsünde über sie verhängte, sodass jeder, der nach Adam und Eva in diese Welt geboren wurde, bereits tot in Sünde geboren wurde. Die Erbsünde ist nicht die erste Sünder, sie ist das Ergebnis der ersten Sünde. Sie bezieht sich auf unsere angeborene Verderbtheit, durch die wir in Sünde geboren werden: in Sünde haben uns unsere Mütter empfangen. Wir werden nicht in einem neutralen Zustand der Unschuld geboren, sondern in einem sündigen, gefallenen Zustand. Praktisch jede Kirche im historischen Ökumenischen Rat der Kirchen artikulierte zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Geschichte und in ihrer Bekenntnisentwicklung eine Lehre von der Erbsünde. Denn diese geht so klar aus der biblischen Offenbarung hervor, dass es einer Ablehnung der biblischen Sichtweise vom Menschen bedürfte, um die Erbsünde gänzlich zu leugnen.

Genau darum ging es im Streit zwischen Augustinus und Pelagius im fünften Jahrhundert. Pelagius sagte, dass es so etwas wie Erbsünde nicht gebe. Adams Sünde beträfe Adam, und nur Adam. Es gebe keine Übertragung oder Weitergabe von Schuld, Sündenfall oder Verderbtheit an die Nachkommen Adams und Evas. Jeder Mensch werde in demselben Zustand der Unschuld geboren, in dem Adam erschaffen wurde. Pelagius sagte, dass es für einen Menschen durchaus möglich sei, ein Leben im Gehorsam gegenüber Gott, ein Leben in moralischer Vollkommenheit, zu führen, ohne irgendeine Hilfe von Jesus oder irgendeine Hilfe durch die Gnade Gottes dafür zu benötigen. Pelagius sagte damit, dass die Gnade – und hier liegt der entscheidende Unterschied – die Gerechtigkeit erleichtert.

Was bedeutet aber in diesem Zusammenhang »erleichtern«? Die Gnade hilft, macht es einfacher, macht es leichter. Aber man muss diese Gnade nicht haben, man kann auch ohne Gnade vollkommen sein. Pelagius erklärte weiter, dass es für manche Menschen nicht nur theoretisch möglich sei, ein vollkommenes Leben ohne jegliche Hilfe durch göttliche Gnade zu führen, sondern dass es tatsächlich Menschen gebe, die dies tun. Augustinus reagierte darauf mit einem: »Nein, nein, nein, nein … wir sind von Natur aus bis in die Tiefen und den Kern unseres Seins von der Sünde infiziert – so sehr, dass kein Mensch die moralische Kraft hat, sich der Gnade Gottes zuzuwenden.« Der menschliche Wille hat aufgrund der Erbsünde zwar immer noch die Macht zu wählen, ist aber seinen bösen Wünschen und Neigungen verfallen. Der Zustand der gefallenen Menschheit ist einer, den Augustinus als die Unfähigkeit, nicht zu sündigen, beschreiben würde. Einfach gefasst sagte Augustinus damit, dass der Mensch durch den Sündenfall die moralische Fähigkeit verloren habe, das zu tun, was Gott will, und dass er von seinen eigenen bösen Neigungen gefangen gehalten werde.

Im fünften Jahrhundert verurteilte die Kirche Pelagius als Ketzer. Der Pelagianismus wurde auf dem Konzil von Orange (529, ehemals Arausio genannt, in Südfrankreich) verurteilt und erneut auf dem Konzil von Florenz (1437–1447), dem Konzil von Karthago (418) und ironischerweise auch auf dem Konzil von Trient (1545–1563) im 16. Jahrhundert in den ersten drei Anathemas der Kanones der sechsten Sitzung. Die Kirche hat also den Pelagianismus durchweg in der gesamten Kirchengeschichte rundheraus und entschieden verurteilt – weil der Pelagianismus die Gefallenheit unserer Natur leugnet; er leugnet die Lehre von der Erbsünde.

Nun war das, was man als Semi-Pelagianismus bezeichnet, wie das Präfix „semi“ andeutet, eine Art Mittelweg zwischen dem voll ausgebildeten Augustinianismus und dem voll ausgebildeten Pelagianismus. Der Semi-Pelagianismus besagt Folgendes: Ja, es gab einen Sündenfall; ja, es gibt so etwas wie Erbsünde; ja, die grundlegende Natur des Menschen wurde durch diesen Zustand der Verderbtheit verändert und alle Teile unserer Menschlichkeit wurden durch den Sündenfall erheblich geschwächt, so sehr, dass ohne die Hilfe der göttlichen Gnade niemand erlöst werden kann, sodass die Gnade nicht nur hilfreich, sondern für die Erlösung absolut notwendig ist. Wir sind zwar so tief gesunken, dass wir ohne Gnade nicht gerettet werden können, aber wir sind nicht so tief gesunken, dass wir nicht die Fähigkeit hätten, die Gnade anzunehmen oder abzulehnen, wenn sie uns angeboten wird. Der Wille ist geschwächt, aber nicht versklavt. Im Kern unseres Wesens gibt es eine Insel der Rechtschaffenheit, die vom Sündenfall unberührt bleibt. Ausgehend von dieser kleinen Insel der Rechtschaffenheit, diesem kleinen Stückchen Güte, das in der Seele oder im Willen noch intakt ist, liegt der entscheidende Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Es ist diese kleine Insel, die genutzt werden muss, wenn Gott seine tausend Schritte unternimmt, um uns zu erreichen, aber letztendlich ist es der eine Schritt, den wir tun, der darüber entscheidet, ob wir in den Himmel oder in die Hölle kommen – ob wir diese kleine Gerechtigkeit, die im Kern unseres Wesens liegt, ausüben oder nicht. Diese kleine Insel würde Augustinus nicht einmal als Atoll im Südpazifik erkennen. Er sagte, es sei eine Insel der Phantasie (wörtlich.: »mythische Insel«), vielmehr sei der Wille versklavt und der Mensch tot in seinen Sünden und Verfehlungen.

Ironischerweise verurteilte die Kirche den Semi-Pelagianismus genauso vehement, wie den ursprünglichen Pelagianismus. Doch als man im 16. Jahrhundert das katholische Verständnis dessen las, was bei der Erlösung geschieht, wies die Kirche im Grunde genommen das zurück, was Augustinus und auch Aquin gelehrt hatten. Die Kirche kam zu dem Schluss, dass es immer noch diese Freiheit gebe, dass etwas im menschlichen Willen noch intakt sei, und dass der Mensch mit der »vorauslaufenden« Gnade, die Gott ihm anbietet, kooperieren und ihr zustimmen müsse (und könne). Wenn wir diesen Willen ausüben, wenn wir mit den Kräften, die uns noch bleiben, kooperieren, werden wir gerettet. Und so kehrte die Kirche im 16. Jahrhundert zum Semi-Pelagianismus zurück.

Zur Zeit der Reformation waren sich alle Reformatoren in einem Punkt einig: dass der gefallene Mensch unfähig sei, sich den Dingen Gottes zuzuwenden; dass alle Menschen, um gerettet zu werden, völlig, nicht zu neunundneunzig Prozent, sondern zu hundert Prozent von der monergistischen Arbeit der Erneuerung abhängig seien, um zum Glauben zu gelangen, und dass der (rettende) Glaube selbst ein Geschenk Gottes sei. Es ist nicht so, dass uns die Erlösung angeboten wird und wir wiedergeboren werden, wenn wir uns für den Glauben entscheiden. Wir können vielmehr nicht einmal (rettend) glauben, bis Gott in seiner Gnade und Barmherzigkeit zuerst die Neigungen unserer Seelen durch sein souveränes Werk der Erneuerung verändert. Mit anderen Worten: Die Reformatoren waren sich alle einig, dass ein Mensch, der nicht wiedergeboren ist, das Reich Gottes nicht einmal sehen kann, geschweige denn in es eintreten kann (Johannes 3,3.5). Wie Jesus im sechsten Kapitel des Johannesevangeliums sagt: »Niemand kann zu mir kommen, wenn der Vater, der mich gesandt hat, ihn nicht zieht« (6,44). Die notwendige Bedingung für den Glauben und die Erlösung eines jeden Menschen ist seine Erneuerung durch »Geburt von oben«.

Evangelikale und Glaube

Der moderne Evangelikalismus lehrt fast einheitlich und allgemein, dass ein Mensch, um wiedergeboren zu werden, zuerst Glauben ausüben muss. Man muss sich dafür entscheiden, wiedergeboren zu werden. Ist es nicht das, was Sie hören? In einer Umfrage von George Barna[3] äußerten mehr als siebzig Prozent der »bekennenden evangelikalen Christen« in Amerika die Überzeugung, dass der Mensch im Grunde gut ist. Und mehr als achtzig Prozent vertraten die Ansicht, dass Gott denen hilft, die sich selbst helfen. Diese Positionen – oder lassen Sie es mich negativ ausdrücken – keine dieser Positionen ist semi-pelagianisch. Sie sind beide pelagianisch. Zu sagen, dass wir im Grunde gut sind, ist die pelagianische Ansicht. Ich würde davon ausgehen, dass in mindestens dreißig Prozent der Menschen, die diesen Artikel lesen, und wahrscheinlich mehr, wenn wir ihr Denken wirklich eingehend untersuchen, wir Herzen finden würden, die für den Pelagianismus schlagen. Wir sind davon überwältigt. Wir sind davon umgeben. Wir sind darin versunken. Wir hören es jeden Tag. Wir hören es jeden Tag in der säkularen Kultur. Und wir hören es nicht nur jeden Tag in der säkularen Kultur, sondern auch jeden Tag im christlichen Fernsehen und im christlichen Radio.

Im 19. Jahrhundert gab es einen Prediger, der in Amerika sehr populär wurde und ein Buch über Theologie schrieb, das aus seiner eigenen juristischen Ausbildung hervorging und in dem er keinen Hehl aus seinem Pelagianismus machte. Er lehnte nicht nur den Augustinianismus ab, sondern auch den Semi-Pelagianismus, und bezog klar Stellung zum vollen Pelagianismus, indem er ohne Umschweife und ohne jegliche Zweideutigkeit sagte, dass es keinen Sündenfall gab und dass es so etwas wie Erbsünde nicht gebe. Dieser Mann griff die Lehre von der stellvertretenden Sühne Christi heftig an und lehnte darüber hinaus die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben allein durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi so laut und deutlich wie möglich ab. Die Grundthese dieses Mannes lautete: Wir brauchen die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi nicht, weil wir aus uns selbst heraus die Fähigkeit haben, gerecht zu werden. Sein Name ist Charles Finney, einer der am meisten verehrten Evangelisten Amerikas [4]. Wenn Luther nun Recht hatte mit seiner Aussage, dass »sola fide« der Artikel ist, auf dem die Kirche steht oder fällt, und wenn die Reformatoren sagten, dass die Rechtfertigung durch den Glauben allein eine wesentliche Wahrheit des Christentums ist, die auch argumentierten, dass die stellvertretende Sühne eine wesentliche Wahrheit des Christentums ist; wenn sie mit ihrer Einschätzung, dass diese Lehren wesentliche Wahrheiten des Christentums sind, Recht haben, dann können wir nur zu dem Schluss kommen, dass Charles Finney kein Christ war. Ich habe seine Schriften gelesen und sage: »Ich verstehe nicht, wie ein Christ so etwas schreiben kann.« Und doch ist er in der Ruhmeshalle des evangelikalen Christentums in Amerika. Er ist der Schutzpatron des Evangelikalismus des 20. Jahrhunderts. Und er ist kein Semi-Pelagianer; er vertrat vielmehr ungeschminkt den Pelagianismus.

Die Insel der Rechtschaffenen

Eines ist klar: Man kann rein pelagianisch und trotzdem in der heutigen evangelikalen Bewegung vollkommen willkommen sein. Es ist nicht einfach so, dass das Kamel seine Nase in das Zelt steckt; es kommt nicht nur in das Zelt – es wirft den Besitzer des Zeltes hinaus. Der moderne Evangelikalismus betrachtet die reformierte Theologie, die zu einer Art drittklassigem Bürger des Evangelikalismus geworden ist, heute mit Argwohn. Jetzt sagen Sie: »Moment mal, R. C.! Wir sollten nicht alle mit dem extremen Pelagianismus in einen Topf werfen, denn schließlich sagen Billy Graham und der Rest dieser Leute, dass es einen Sündenfall gab, dass man Gnade braucht, dass es so etwas wie Erbsünde gibt und dass Semi-Pelagianer nicht mit Pelagius‘ oberflächlicher und zuversichtlicher Sichtweise der ungefallenen menschlichen Natur übereinstimmen.« Und das ist wahr, keine Frage. Aber es ist diese Behauptung von einer kleinen Insel der Rechtschaffenheit, auf der der Mensch immer noch die Fähigkeit habe, aus sich selbst heraus sich zu bekehren, zu ändern, sich zu neigen, zu entscheiden, das Angebot der Gnade anzunehmen, das offenbart, warum der Semi-Pelagianismus historisch gesehen nicht Semi-Augustinianismus, sondern Semi-Pelagianismus genannt wird.

Ich habe gehört, wie ein Evangelist zwei Analogien verwendete, um zu beschreiben, was bei unserer Erlösung geschehe. (1) Er sagte, dass die Sünde uns so stark im Würgegriff habe, dass es wie bei einer Person sei, die nicht schwimmen kann und in einem tobenden Meer über Bord gehe. Sie gehe zum dritten Mal unter und nur noch die Fingerspitzen seien über dem Wasser zu sehen. Wenn niemand eingreift, um sie zu retten, habe sie keine Überlebenschance, ihr Tod sei gewiss. Und wenn Gott dieser Person keinen Rettungsring zuwerfe, könne sie unmöglich gerettet werden. Und Gott müsse ihm nicht nur einen Rettungsring in die ungefähre Richtung zuwerfen, in der er sich befindet, sondern dieser Rettungsring müsse ihn genau dort treffen, wo seine Finger noch aus dem Wasser ragten, und ihn so treffen, dass er ihn greifen könne. Er müsse also perfekt geworfen werden. Aber dennoch würde diese Person ertrinken, es sei denn, sie nehme ihre Finger und schließe sie um den Rettungsring. So rette Gott sie. Wenn aber diese winzige menschliche Handlung nicht ausgeführt würde, werde sie mit Sicherheit zugrunde gehen.

(2) Die andere Analogie ist folgende: Ein Mann sei todkrank und liege mit seiner tödlichen Krankheit in seinem Krankenhausbett. Es gebe keine Möglichkeit, ihn zu heilen, es sei denn, jemand von außerhalb käme mit einem Heilmittel, einem Medikament, das diese tödliche Krankheit heilen könne. Und Gott habe dieses Heilmittel und käme in das Krankenzimmer mit diesem rettenden Medikament. Aber der Mann sei so schwach, dass er sich nicht einmal selbst das Medikament geben könne, Gott müsse es selbst auf einen Löffel gießen. Der Mann sei aber so krank, dass er fast im Koma liege. Er könne nicht einmal den Mund öffnen, Gott müsse sich vorbeugen und seinen Mund für ihn öffnen. Gott müsse den Löffel an die Lippen des Mannes bringen. Aber der Mann müsse die Medizin trotzdem schlucken.

Wenn wir schon Analogien verwenden, dann sollten wir auch (biblisch) genau sein. Der Mann geht nicht zum dritten Mal unter, vielmehr liegt er in Leichenstarre tot auf dem Meeresgrund. Dort wart ihr einst, als ihr tot wart in Sünden und Vergehen und dem Lauf dieser Welt gefolgt seid, dem Fürsten der Macht der Luft [vgl. Epheser 2,1–3]. Und Gott hat euch mit Christus lebendig gemacht, als ihr tot wart [vgl. Epheser 2,4–8]. Gott tauchte auf den Meeresgrund und nahm diesen ertrunkenen Leichnam und hauchte ihm den Atem seines Lebens ein und erweckte ihn von den Toten. Und es ist nicht so, dass wir in einem Krankenhausbett an einer bestimmten Krankheit gestorben wären, sondern vielmehr, dass wir bei unserer Geburt tot auf die Welt kamen. Die Bibel sagt, dass wir moralisch tot geboren werden.

Haben wir einen Willen? Ja, natürlich haben wir einen Willen. Calvin sagte, wenn man unter einem freien Willen eine Entscheidungsfähigkeit versteht, durch die man die Macht in sich hat, das zu wählen, was man sich wünscht, dann haben wir alle einen freien Willen. Wenn man unter einem freien Willen die Fähigkeit gefallener Menschen versteht, sich zu beugen und diesen Willen auszuüben, um die Dinge Gottes zu wählen, ohne das vorherige monergistische Werk der Erneuerung, dann, so Calvin, ist der freie Wille ein viel zu großartiger Begriff, um ihn auf einen Menschen anzuwenden.

Die semi-pelagianische Doktrin des freien Willens, die heute in der evangelikalen Welt vorherrscht, ist eine heidnische Sichtweise, die die Gefangenschaft des menschlichen Herzens in der Sünde leugnet. Sie unterschätzt den Würgegriff, den die Sünde auf uns ausübt.

Keiner von uns möchte die Dinge so schlecht sehen, wie sie wirklich sind. Die biblische Lehre von der menschlichen Verderbtheit ist düster. Wir hören den Apostel Paulus nicht sagen: »Wisst ihr, es ist traurig, dass es so etwas wie Sünde in der Welt gibt; niemand ist perfekt. Aber seid guten Mutes. Wir sind im Grunde gut.« Sehen Sie, dass selbst eine oberflächliche Lektüre der Heiligen Schrift dies leugnet?

Nun zurück zu Luther. Was ist die Quelle und der Status des Glaubens? Ist er das von Gott gegebene Mittel, durch das die von Gott gegebene Rechtfertigung empfangen wird? Oder ist er eine Bedingung der Rechtfertigung, die wir erfüllen müssen? Ist Ihr Glaube ein Werk? Ist es das eine Werk, das Gott Ihnen zu tun überlässt? Ich hatte kürzlich eine Diskussion mit einigen Leuten in Grand Rapids, Michigan. Ich sprach über sola gratia, und ein Mann war verärgert.

Er sagte: »Wollen Sie mir sagen, dass es letztendlich Gott ist, der ein Herz souverän erneuert oder nicht?«

Und ich sagte: »Ja!«, und das hat ihn sehr verärgert. Ich sagte: »Lassen Sie mich Folgendes fragen: Sind Sie Christ?«

Er sagte: »Ja.«

Ich sagte: »Haben Sie Freunde, die keine Christen sind?«

Er sagte: »Nun, natürlich.«

Ich sagte: »Warum sind Sie Christ und Ihre Freunde nicht? Ist es, weil Sie rechtschaffener sind als sie?« Er war nicht dumm, darum sagte er nun nicht: »Natürlich, weil ich rechtschaffener bin. Ich habe das Richtige getan und mein Freund nicht.« Er wusste, worauf ich mit dieser Frage hinauswollte.

So sagte er: »Oh nein, nein, nein.«

Ich sagte: »Sagen Sie mir, warum. Ist es, weil Sie klüger sind, als Ihr Freund?«

Er antwortete: »Nein.«

Aber er wollte nicht zugeben, dass der entscheidende Punkt die Gnade Gottes war. Er wollte nicht darauf eingehen. Und nachdem wir fünfzehn Minuten lang darüber diskutiert hatten, sagte er: »Okay! Ich sage es: Ich bin Christ, weil ich das Richtige getan habe, ich habe die richtige Antwort gegeben, und mein Freund nicht«

Worauf vertraute diese Person für ihre Erlösung? Nicht auf ihre Werke im Allgemeinen, sondern auf das eine Werk, das sie vollbracht hatte. Und er war Protestant, ein Evangelikaler. Aber seine Ansicht über die Erlösung unterschied sich nicht von der römisch-katholischen Ansicht.

Gottes Souveränität in der Erlösung

Es geht im Kern um Folgendes: Was entscheidet letztlich das Heil? Ist es Teil von Gottes Geschenk der Erlösung oder ist es unser eigener Beitrag zur Erlösung? Ist unsere Erlösung ganz und gar Gottes Werk oder hängt sie letztlich von etwas ab, das wir selbst tun? Diejenigen, die Letzteres sagen, dass sie letztlich von etwas abhängt, das wir selbst tun, leugnen damit die völlige Hilflosigkeit des Menschen in der Sünde und behaupten damit, dass eine Form des Semi-Pelagianismus doch wahr sei. 

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die spätere reformierte Theologie den Arminianismus im Prinzip sowohl als Rückkehr zu Rom verurteilte, weil er den Glauben in ein Verdienstwerk verwandelte, als auch als Verrat an der Reformation, weil er die Souveränität Gottes bei der Errettung von Sündern leugnete, was das tiefste religiöse und theologische Prinzip des Denkens der Reformatoren war. Der Arminianismus war in den Augen der Reformierten in der Tat eine Abkehr vom neutestamentlichen Christentum zugunsten des neutestamentlichen Judentums. Denn sich im Glauben auf sich selbst zu verlassen, ist im Prinzip nichts anders, als sich bei Werken auf sich selbst zu verlassen, und das eine ist genauso unchristlich und antichristlich wie das andere. Angesichts dessen, was Luther zu Erasmus sagt, besteht kein Zweifel daran, dass er dieses Urteil gebilligt hätte.

Und doch ist diese Ansicht heute in bekennenden evangelikalen Kreisen die überwältigende Mehrheit. Und solange der Semi-Pelagianismus, der im Kern einfach eine kaum verhüllte Version des echten Pelagianismus ist, in der Kirche vorherrscht, weiß ich nicht, was passieren wird. Aber ich weiß, was nicht passieren wird: Es wird keine neue Reformation geben. Solange wir uns nicht demütigen und verstehen, dass kein Mensch eine Insel ist und dass kein Mensch eine Insel der Gerechtigkeit hat, dass wir für unsere Erlösung völlig von der reinen Gnade Gottes abhängig sind, werden wir nicht anfangen, uns auf die Gnade zu verlassen und uns an der Größe der Souveränität Gottes zu erfreuen, und wir werden den heidnischen Einfluss des Humanismus nicht los, der den Menschen verherrlicht und in den Mittelpunkt der Religion stellt. Solange wir uns nicht demütigen, wird es keine neue Reformation geben, denn im Mittelpunkt der reformatorischen Lehre steht die zentrale Stellung der Anbetung und Dankbarkeit gegenüber Gott und Gott allein. Soli Deo gloria, Gott allein sei die Ehre.

Anmerkungen

  • [1] J. I. Packer und O. R. Johnston, „Introduction“ zu The Bondage of the Will (Old Tappan, NJ: Fleming Revell, 1957), S. 59–60. Deutsch: Vom unfreien Willen (orig.: De servo arbitrio, 1523). Digitalquelle: https://www.theology.de/downloads/deservoarbitrio.pdf [abgerufen 25.03.2025]. – Siehe auch: Scott Clark, Luther über die Freiheit und Knechtschaft des Willens. 6. November 2017. Digitalquelle: https://www.evangelium21.net/media/781/luther-ueber-die-freiheit-und-knechtschaft-des-willens [abgerufen 25.03.2025] .
  • [2] ders.
  • [3] George Barna (geb. 1954) ist der Gründer von The Barna Group, einem Unternehmen für Marktforschung, das sich auf die Untersuchung der religiösen Überzeugungen und Verhaltensweisen von Amerikanern sowie auf die Schnittstelle zwischen Glauben und Kultur spezialisiert hat.
  • [4] »Charles Grandison Finney (* 29. August 1792 in Warren, Litchfield County, Connecticut; † 16. August1875 in Oberlin, Ohio) war ein US-amerikanischer Jurist, evangelikaler Erweckungsprediger, Hochschullehrer und Rektor des Oberlin Collegiate Institute und wichtiger Vertreter der Heiligungsbewegung und des Oberlin Perfektionismus.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Grandison_Finney, abgerufen 14.04.2025).


Die erste Gemeinde-Bibelschule (Nathan Busenitz)

Eine biblische Rechtfertigung für Bibelschulen und die Ausbildung an einer gemeindenahen Bibelschule lässt sich aus einer Reihe von Bibelstellen ableiten: von Matthäus 28,19 (mit der Betonung der Jüngerschaft) über 2. Timotheus 2,2 (mit Betonung der Ausbildung von Leitern) bis hin zu Titus 1,9 (mit der Betonung, dass Älteste dazu befähigt sein müssen, den Glauben zu lehren, zu verkünden und zu verteidigen).

Es gibt jedoch eine kurze Passage in der Apostelgeschichte, die auf besonders aufschlussreiche Weise einen biblischen Präzedenzfall für die Ausbildung an einer gemeindenahen Bibelschule liefert. Diese Verse, die auf den ersten Blick nicht besonders bedeutend erscheinen mögen, zeigen, wie der Apostel Paulus in der Stadt Ephesus eine theologische Ausbildungsstätte gründet. Ein Kommentator erklärt dazu: »In Ephesus gründete Paulus eine theologische Schule, um zukünftige Führungskräfte für die wachsende Kirche in der Provinz Asien auszubilden« (Simon J. Kistemaker, Acts, NTC, 684).

Es ist unwahrscheinlich, dass Paulus diese Schule »Bibelschule Ephesus« [oder »Christliches Bibel Training Center Asia« ;-)] nannte, aber im Wesentlichen war sie genau dieses.

Der Hintergrund des biblischen Berichts ist die dritte Missionsreise des Paulus (52/53–56 n. Chr.). Nachdem Paulus Antiochia verlassen und die Gemeinden in Südgalatien bereist hatte, begab er sich nach Ephesus. Dort traf er auf etwa ein Dutzend Jünger Johannes des Täufers und führte sie zu Jesus Christus, auf den Johannes hingewiesen hatte (Apg 19,1–7). Lukas nimmt die Erzählung an dieser Stelle auf und schreibt:

Er ging aber in die Synagoge und sprach freimütig drei Monate lang, indem er sich unterredete und sie von den Dingen des Reiches Gottes überzeugte. Als aber einige sich verhärteten und nicht glaubten und vor der Menge schlecht redeten von dem Weg, trennte er sich von ihnen und sonderte die Jünger ab, indem er sich täglich in der Schule des Tyrannus unterredete. Dies aber geschah zwei Jahre lang, so dass alle, die in Asien wohnten, sowohl Juden als auch Griechen, das Wort des Herrn hörten. – Apg 19,8–10 (ELBCSV)

Wie Lukas in den Versen 9–10 erklärt, traf sich Paulus zwei Jahre lang jeden Tag mit einer Gruppe von Gläubigen in einer Schule, um sich mit ihnen über Themen der Theologie zu unterreden. Das ist im Wesentlichen das Grundmodell der theologischen Ausbildung an einer Bibelschule.

Aus diesem kurzen Abschnitt lassen sich drei Merkmale der ersten gemeindenahen Bibelschule ableiten. Und obwohl wir uns davor hüten müssen, einen erzählenden Text aus der Apostelgeschichte als eine normative Vorschrift für die heutige christliche Gemeinde zu missbrauchen, bieten diese Merkmale dennoch hilfreiche Parallelen für diejenigen, die sich heute mit der Ausbildung an einer Bibelschule befassen, sei es als Studierende oder als Lehrende.

Die Verpflichtung: Ein mutiges Bekenntnis zum Evangelium (Apg 19,8–9a)

Er ging aber in die Synagoge und sprach freimütig drei Monate lang, indem er sich unterredete und sie von den Dingen des Reiches Gottes überzeugte. 9 Als aber einige sich verhärteten und nicht glaubten und vor der Menge schlecht redeten von dem Weg…

Apostelgeschichte 19,8 beschreibt den Inhalt der Botschaft des Paulus – eine Botschaft, die er zweifellos auch nach seinem Verlassen der Synagoge und der theologischen Unterweisung der Jünger weiter verkündete. Eine Untersuchung von Vers 8 zeigt, dass die Botschaft des Paulus kontinuierlich und anhaltend (»drei Monate lang«), mutig (»freimütig reden« parrhēsiazomai), sorgfältig (»unterredete« dialegomai), voller Überzeugung („»überzeugte« peithō) und christuszentriert (»von den Dingen des Reiches Gottes«) war. In Übereinstimmung mit seinem von Gott gegebenen Auftrag, das Evangelium zu verkünden, verkündete Paulus drei Monate lang treu die Wahrheit der Erlösung in der Synagoge von Ephesus.

Wie es für diejenigen, die der biblischen Wahrheit treu verpflichtet sind, unvermeidlich ist, stieß Paulus auf Feindseligkeit. Seine Botschaft erwies sich als umstritten (V. 9), nicht weil der Apostel streitsüchtig war, sondern weil das Wort Gottes immer polarisiert. Donald Grey Barnhouse kommentierte diesen Vers wie folgt:

Beachten Sie die Reaktion, die Paulus auf seine Predigten erhielt. Es ist immer dasselbe: Einige reagieren positiv, aber die große Mehrheit ist verhärtet und ungehorsam in ihrer Einstellung. Paulus schrieb darüber in 1. Korinther 2,14: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes kommt, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt werden muss.“ Das ist immer die Reaktion, die jeder Prediger des Wortes Gottes erhält. Das ist die Reaktion, die jeder Christ auf sein treues Zeugnis für die Wahrheit Gottes erhält. (Acts,S. 176)

Dass Paulus sich auch angesichts von Feindseligkeiten unerschütterlich zur Wahrheit bekannte, setzt einen mutigen Präzedenzfall für alle, die heute im Dienst stehen (sei es in einer Gemeinde oder einer Bibelschule). Viel zu viele christliche Institutionen sind schnell bereit, ihre Botschaft zu verwässern, um sich dem Mainstream anzubiedern. Aber die von Gott gegebene Aufgabe eines jeden Gemeindehirten oder Bibelschullehrers ist es, für die Wahrheit einzustehen, egal wie töricht oder unwillkommen sie der Gesellschaft um ihn herum erscheinen mag.

Die Investition: Eine planvolle Konzentration auf die Ausbildung (Apg 19,9b–10a)

… trennte er sich von ihnen und sonderte die Jünger ab, indem er sich täglich in der Schule des Tyrannus unterredete. 10 Dies aber geschah zwei Jahre lang…

Da Paulus nicht mehr in der Synagoge lehren konnte, zog er sich zurück und begann, sich mit den Jüngern in einer nahegelegenen Schule zu treffen (wahrscheinlich einem Hörsaal, der von einem lokalen Philosophen namens Tyrannus genutzt wurde). Everett F. Harrison gibt weitere Aufschlüsse über die Situation:

Paulus‘ neuer Aufenthaltsort war »die Schule des Tyrannus«. Das griechische Wort dafür ist scholē, was zunächst Freizeit bedeutet, dann Diskussion oder Vorlesung (eine beliebte Freizeitbeschäftigung der Griechen), dann eine Gruppe, die solche Vorlesungen besucht, und schließlich den Ort, an dem solche Unterweisungen erteilt wurden. Eine aufschlussreiche Ergänzung im westlichen Text [Codex Bezae[1]] an dieser Stelle besagt, dass Paulus an diesem Ort täglich von der fünften bis zur zehnten Stunde, d. h. von 11 Uhr bis 16 Uhr, tätig war. Dies war die Siesta-Zeit für die Einwohner. Es wird vermutet, dass Paulus den Saal zu einem symbolischen Preis mieten konnte, weil er zu dieser Tageszeit nicht genutzt wurde. (Acts, S. 291)

Die Tatsache, dass Paulus zwei Jahre lang täglich zusammenkam, zeigt, wie sehr er sich persönlich für die Ausbildung seiner Glaubensbrüder engagierte. Wenn der westliche Text korrekt ist, fanden die theologischen Lehrveranstaltungen des Paulus während der üblichen Mittagsruhe (Siesta) der Stadt statt (was darauf hindeutet, dass schläfrige Bibelschüler eine lange Tradition haben). Der Apostel opferte bereitwillig seine persönliche Ruhezeit, um die Jünger zu unterrichten, wahrscheinlich in Form von (Lehr-) Dialogen.

Es ist interessant zu bedenken, dass Paulus, wenn er sich sechs Tage die Woche fünf Stunden lang mit den Jüngern getroffen hat, mit ihnen in den zwei Jahren insgesamt etwa 3.000 Stunden verbracht hat. Das entspricht heute ungefähr 200 Vorlesungseinheiten (in Europa heute: Credit Points, Kreditpunkte; ein Bachelor-Studium umfasst 210 Credit Points; A.d.Ü.).

Bemerkenswert ist auch, dass Paulus sich während dieser Zeit als Zeltmacher finanziell selbst versorgte. F. F. Bruce erklärt:

Wir können uns also vorstellen, wie Paulus den frühen Morgen mit Betreiben seines Handwerks verbrachte (vgl. 20,34; 1Kor 4,12), und dann die nächsten fünf Stunden der noch anstrengenderen Aufgabe des christlichen Lehrgesprächs widmete. Seine Zuhörer müssen von seiner Begeisterung und Energie angesteckt worden sein. (Acts, S. 408)

Eine letzte Bemerkung betrifft den Namen jenes »Tyrannus«, den die meisten Kommentatoren für den Dozenten halten, von dem Paulus den Hörsaal gemietet (oder zur Nutzung überlassen bekommen) hatte. Kistemaker weist auf die Bedeutung seines Namens hin: »Wir wissen nichts weiter über Tyrannus, dessen Name Tyrann bedeutete. Wahrscheinlich war dies ein Spitzname, den ihm seine Schüler gegeben hatten« (Acts, S. 684). Wenn das stimmt, dann hat auch das Vorbild des strengen Bibellehrers eine lange Geschichte.

Auch hier gibt Paulus den heutigen Bibelschullehrern wieder ein überzeugendes Beispiel, über das sie nachdenken sollten. Der Apostel brachte große Opfer, um die nächste Generation christlicher Leiter auszubilden. Es ist unser Vorrecht, dasselbe für diejenigen zu tun, die in unseren Tagen zur Verherrlichung Christi zum christlichen Dienst berufen sind.

Die Wirkung: Ein Beitrag, der Christus in aller Welt ehrt (Apg 19,10b)

…so dass alle, die in Asien wohnten, sowohl Juden als auch Griechen, das Wort des Herrn hörten.

Lukas schließt diesen kurzen Abschnitt mit einem Kommentar zu der Wirkung, die die Ausbildungsstätte des Paulus in Ephesus hatte: »so dass alle, die in [der röm. Provinz] Asien wohnten, sowohl Juden als auch Griechen, das Wort des Herrn hörten«. Paulus konzentrierte sich ganz auf die Ausbildung und die Ergebnisse waren geradezu explosiv. Ein Kommentator merkt sogar an, dass »dieser Ort mit seinen täglichen Lehrdialogen über einen Zeitraum von zwei Jahren es Paulus ermöglichte, den bislang umfangreichsten Einfluss auszuüben, der in der Apostelgeschichte berichtet wird« (David Peterson, Acts, S. 536).

Als Ergebnis dieser Ausbildungsstätte wurden Gemeindehirten ausgebildet und christliche Gemeinden gegründet. Bruce beschreibt die Auswirkungen mit folgenden Worten:

Von da an wurde die Provinz Asien zu einem der wichtigsten Zentren des Christentums. Wahrscheinlich wurden alle sieben in der Apokalypse [Offenbarung] erwähnten Kirchen Asiens in diesen Jahren gegründet, und noch weitere. Die Gründung der Kirchen im Lykos-Tal, in Kolossä, Hierapolis und Laodizea muss in diese Zeit datiert werden: Diese Städte wurden nicht von Paulus persönlich evangelisiert, sondern von seinen Mitarbeitern. (Acts, S. 409)

Und Kistemaker fügt hinzu:

Wir gehen davon aus, dass die von Paulus ausgebildeten Bibelschulstudenten Gemeindehirten in aufstrebenden Gemeinden in Westkleinasien wurden. … Diese Jünger waren maßgeblich daran beteiligt, das Evangelium Christi, also das Wort Gottes, sowohl an die Juden als auch an die Griechen [Nichtjuden] zu verkündigen. (Acts, S. 685)

Die zweijährige Ausbildungsstätte des Paulus hatte durch Gottes Gnade einen unglaublichen Einfluss auf die Verbreitung des Evangeliums und die Sache Christi. Wie R. C. H. Lenski zu Recht hervorhebt:

Paulus nutzte Ephesus als Ausstrahlungszentrum. Während er in dieser Metropole und diesem politischen Zentrum blieb, streckte er seine Fühler mithilfe seiner Assistenten so weit wie möglich aus. Wie viele er davon beschäftigte, lässt sich nicht abschätzen. Eine Gemeinde nach der anderen wurde gegründet. (Acts, S. 790)

Auch hier liefert uns das Beispiel des Paulus ein überzeugendes Vorbild, über das wir nachdenken sollten. Wenn Bibelschulen ihrer gottgegebenen Verpflichtung treu bleiben und die ihnen anvertraute Investition sorgfältig wahrnehmen, können sie mit Freude beobachten, wie Gott ihre Arbeit segnet, indem Gott sein Wort einsetzt, segensreiche Wirkungen in dieser Welt zu zeitigen.

Nathan Busenitz

Dr. Nathan Busenitz ist Executive Vice President und Dekan der Fakultät am The Master’s Seminary. Er ist außerdem einer der Gemeindehirten von Cornerstone, einer Gemeinschaftsgruppe innerhalb der Grace Community Church in Sunvalley, CA (USA).


Endenoten

[1]      Der Codex Bezae, auch Codex Bezae Cantabrigiensis, ist eine Handschrift des Neuen Testaments in griechischer und lateinischer Sprache aus dem 5. Jahrhundert. … Der Codex Bezae enthält die vier Evangelien in der Reihenfolge der westlichen Handschriften (Matthäus, Johannes, Lukas, Markus) und einen Teil der Apostelgeschichte. … Der Codex wird in der Bibliothek der Universität Cambridge aufbewahrt und hat die Signatur MS Nn.2.41. … Er war der einzige Bibeltext aus dem ersten Jahrtausend, der im 16. Jahrhundert bekannt wurde. Der Kodex ist benannt nach Theodor Beza, dem Nachfolger Johannes Calvins. Beza schenkte diesen Codex der Universität Cambridge. Gemäß Beza sei der Codex zuvor im Kloster St. Irenäus bei Lyon gewesen. (überarb. Exzerpt aus: de.wikipedia.org/wiki/Codex_Bezae)

Disclaimer

Dieser Beitrag von Nathan Busenitz im Blog des The Master’s Seminary vom 26. März 2015 wurde von Dr. Busenitz stark erweitert vorgetragen auf der Shepherd’s Conference 2025 (5.–7. März 2025 in Sunvalley, CA, USA) unter dem Titel: General Session 9: Mobilizing the Master’s Men – Paul’s Strategic Commitment to Pastoral Training (hier). – Der Kurzbeitrag hier wurde übersetzt und leicht überarbeitet von grace@logikos.club.

Ein Einwand gegen Gottes Souveränität, der sie beweist (Mike Riccardi)

In Römer 9 erörtert Paulus Gottes absolute Freiheit in seinen Heilsplänen. Er verwendet das Beispiel der Zwillinge Jakob und Esau und erklärt, dass Gottes Entscheidung für Jakob und gegen Esau nichts mit den beiden zu tun hatte. Vielmehr wählte Gott, „damit [sein] Vorsatz nach seiner Wahl bestehen bleibe“ (Römer 9,11b). Diese Wahl wurde „nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund dessen getroffen, der berufen hat“ (Römer 9,12a). Er fährt fort, dass die Erlösung „nicht von dem abhängt, der will oder der läuft, sondern von Gott, der Erbarmen hat“ (Römer 9,16), und untermauert diese Behauptung dann mit dem Hinweis, dass Gott das Herz des Pharaos verhärtet habe, um seine Macht zu demonstrieren und seinen Namen durch die folgenden Ereignisse zu verkünden (Römer 9,17; vgl. 2. Mose 9,16). Paulus fasst seinen Standpunkt dann zusammen, indem er erklärt: „So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er.“ (Römer 9,18).

Dann nimmt Paulus einen Einwand vorweg: „Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er denn noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden?“ (Römer 9,19).

Zunächst wollen wir den Einwand selbst verstehen. Der imaginäre (oder vielleicht nicht so imaginäre) Gesprächspartner des Paulus hat alles verstanden, was Paulus bis zu diesem Punkt über Gott gesagt hat:

  • Er versteht, dass die Erlösung ganz und gar ein Werk der Gnade Gottes ist und gar nichts davon dem Menschen zu verdanken ist.
  • Er versteht auch, dass es Gottes Wille, nicht der Wille des Menschen, ist, der für die Erlösung bestimmend und entscheidend ist (siehe auch Römer 9,16; vgl. Johannes 1,13). Er stellt eine rhetorische Frage, um genau diesen Punkt zu unterstreichen: „Wer widersetzt sich seinem Willen?“ Die Antwort auf diese rhetorische Frage lautet: „Niemand widersetzt sich Gottes Willen!“ „Aber unser Gott ist in den Himmeln; alles, was ihm wohlgefällt, tut er“ (Psalm 115,3). Er spricht: „all mein Wohlgefallen werde ich tun“ (Jesaja 46,10), und „kein Vorhaben [kann ihm] verwehrt werden“ (Hiob 42,2).
  • Er versteht auch, dass Gott den Menschen stets verantwortlich hält, ihn zur Rechenschaft zieht: „Warum tadelt er denn noch?“ (Römer 9,19b).

Die Frage ist also: „Da niemand Gottes Willen widerstehen kann [, sondern diesem völlig ausgeliefert ist], wie kann es dann von Gott gerecht („fair“) sein, dass er immer noch tadelt?“.

Den Einwand verstehen

Dieser Einwand ist für jeden Christen sehr hilfreich, um das Wesen der Souveränität Gottes in der Errettung besser zu verstehen. Denn wie auch immer wir zu den Lehren der Gnade stehen mögen, so müssen unsere Schlussfolgerungen jedenfalls dergestalt sein, dass der Einwand von Römer 9,19 Sinn macht.

Tatsache ist: Dieser Einwand macht nur dann Sinn, wenn drei Dinge wahr sind: (1) Der Mensch muss Buße tun und gerettet werden, wie es Gott befohlen hat. (2) Dem Menschen fehlt die moralische Fähigkeit, Buße zu tun und gerettet zu werden, und: (3) Gott macht den Menschen weiterhin dafür verantwortlich, Buße zu tun und gerettet zu werden, und wird ihn bestrafen, wenn er diesem Befehl nicht folgt.

Philosophisch gesehen macht dieser Einwand nur dann Sinn, wenn „Sollen“ nicht gleichbedeutend mit „Können/Vermögen“ ist – das heißt, wenn ein Befehl nicht unbedingt (implizit) bedeutet, dass der Angesprochene auch in der Lage ist, das zu tun, was ihm befohlen ist. Theologisch gesehen ergibt dieser Einwand nur dann Sinn, wenn die Lehren von der totalen Verdorbenheit des Menschen, der bedingungslosen Erwählung durch Gott und der unwiderstehlichen Gnade im Heil wahr sind.

Es ist für den natürlichen Verstand abstoßend, wenn wir für etwas zur Rechenschaft gezogen werden, das wir nicht fähig sind zu tuninsbesondere, wenn wir festhalten, dass es ein liebender Gott ist, der das verlangt. Und so entwickelten verschiedene Denkschulen alternative Auffassungen von Gottes Souveränität, um Gott vor dem zu bewahren, was sie für ungerecht („unfair“) halten. Keine dieser Alternativen macht jedoch den Einwand in Römer 9,19 verständlich. Betrachten wir kurz drei dieser Alternativen.

Universalismus

Eine dieser alternativen Vorstellungen ist der Universalismus (alle Menschen werden ohne Unterschied gerettet). Gott hat etwas von den Menschen gefordert, das sie nicht in der Lage sind zu erbringen, also kehrt er ihre Sünden unter den Teppich – schließlich sind Kinder Kinder, oder? – und lässt sie vom Haken. Abgesehen davon, dass diese Position offensichtlich im Widerspruch zur Bibel ist, würde sie bedeuten, dass Gott die Menschheit „immer noch tadelt“. Niemand kann seinem Willen widerstehen, also findet er einfach keine Fehler an ihnen. [Anm. d. Üb.: Gott wendet also das Heilswerk auf alle an, ohne diese zu fragen und ohne etwas von irgendjemand zu erwarten und ohne die Ursache des Tadels zu beseitigen.]

Bedingte Erwählung auf der Grundlage vorhergesehenen Glaubens

Eine andere Alternative besteht darin, zu leugnen, dass Gottes Erwählung bedingungslos ist, und stattdessen zu behaupten, dass sie vom Glauben abhängig sei, den Gott in einer bestimmten Person vorausgesehen hat. Anders gesagt: Gott hat Menschen erwählt, weil er im Voraus sah, dass diese ihn eines Tages erwählen würden. Da es für unseren natürlichen Verstand unfair ist, dass Menschen zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie etwas nicht getan haben, das sie gar nicht tun können, behauptet diese theologische Position, dass wir vielmehr in der Lage seien, etwas zu tun – nämlich zu glauben –, wobei dieser Glaube dann zur Folge habe, dass Gott uns Gnade gewähre.

Aber wenn diese Ansicht richtig wäre, hätte Paulus‘ imaginärer Gegenredner in Römer 9,19 sicher nicht seinen Einwand gegen Gottes Erwählung erhoben. Es wäre ja kein Rätsel, warum jene, die nicht glauben, „immer noch getadelt werden“. Sie hatten einfach aus freien Stücken nicht den Glauben gefasst, der notwendig ist, um zum Heil erwählt zu werden. (Also geschah Ihnen mit der Nichterwählung völlige Gerechtigkeit – kein Einspruch nötig.)

Unbedingt freier Wille

Eine weitere Alternative, die der vorherigen ähnelt, besteht darin, zu behaupten, dass Gott zwar („absolut“) souverän ist, sich aber in seiner Souveränität dafür entschieden habe, dem Menschen (auch) eine gewisse Art von Souveränität in Form eines völlig freien Willens zu gewähren. Gott gebiete Buße und Glauben, und er werde diejenigen tadeln, die dann nicht Buße tun und glauben. Nach dieser Ansicht tun diejenigen, die nicht Buße tun und glauben, dies, weil sie den freien Willen haben, Gott anzunehmen oder abzulehnen. Gott habe sein Bestes getan und würde jeden retten, wenn er dies könnte, aber er hat die endgültige Entscheidung über die Erlösung völlig dem (freien Willen des) Menschen überlassen. Mit anderen Worten, sie können durchaus mit ihrem freien Willen „seinem Willen widerstehen“.

Auch bei dieser Ansicht ergibt sich, dass der Einwand in Römer 9,19 keinen Sinn ergibt. Es wäre kein Geheimnis, warum Gott diejenigen tadeln würde, die ihn ablehnen. Doch der Gesprächspartner des Paulus behauptet (durch seine rhetorische Frage), dass sich niemand dem Willen Gottes widersetzt.

Die geniale Gnade

Wenn wir also den Einwand, den Paulus in Römer 9,19 rhetorisch erhebt, verstehen wollen, können wir Gottes Souveränität und die Unfähigkeit des Menschen (zu Buße und Glauben) nicht durch eine Berufung auf die bedingte Erwählung seitens Gottes oder den völlig freien Willen des Menschen erklären. Der Einwand von Römer 9,19 ergibt nur dann einen Sinn, wenn die Lehren von der totalen Verderbtheit des Menschen, der bedingungslosen Erwählung seitens Gottes und der unwiderstehlichen Gnade im Heilswirken Gottes biblisch wahr sind.

Aber wie kann das gerecht (o. „fair“) sein? Wie kann Gott dem Menschen etwas ihm Unmögliches befehlen und ihn dennoch zur Rechenschaft für das Nichtbefolgen ziehen? Wie kann er Menschen befehlen, (mittels Buße und Glauben) wiedergeboren zu werden, wenn doch die Rettung und Wiedergeburt vollständig „an dem begnadigenden Gott“ liegt (Römer 9,16; vgl. Johannes 1,12)? Nun, Paulus‘ Antwort ist, den Fragesteller scharf zu tadeln, der versucht, die Gerechtigkeit Gottes in Frage zu stellen: „Wer bist du denn, o Mensch, der du das Wort nimmst gegen Gott?“ (Römer 9,20). Wenn jemand unterfängt, so Gottes Charakter zu kritisieren, hat er ein völlig verbogenes Verständnis davon, was Gerechtigkeit ist („Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!“; Römer 9,14; vgl. 3,5b–6), und sollte sich besser schnell die Hand vor den Mund halten.

Aber es gibt eine Möglichkeit, diese Frage aus dem aufrichtigen Wunsch heraus zu stellen, Gott besser zu verstehen und ihn dafür anzubeten, wie er sich offenbart hat. Und wenn die Frage in diesem Geist gestellt wird, glaube ich, dass es eine klare Antwort gibt. Und die lautet: Gott schenkt seinem Volk das, was er von ihm verlangt.

Das ist das Geniale an der Gnade Gottes: Indem Gott von jedem Menschen etwas fordert, das für diesen unmöglich ist, zeigt er unübersehbar, wie wirklich hilflos und unvermögend der Mensch in Bezug auf seinen geistlichen Zustand ist. Und weil er etwas vom Menschen fordert, das nur Gott selbst vollbringen kann, stellt er unübersehbar seine eigene Fähigkeit und die Fülle seiner Herrlichkeit zur Schau. Wie Paulus dann weiter erklärt, tut er dies, „damit er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung, die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat“ (Römer 9,23).

Indem Gott gewährt, was er verlangt, zeigt er sich als das A und O, der alles in Allem ist. Er weist dem Menschen die ihm angemessene Position zu: Er ist ein armer Bettler, der völlig auf das angewiesen ist, was er aus Gottes Hand empfängt. Dann schenkt er uns als unser Wohltäter das, was er von uns verlangt, und gewinnt so unsere Zuneigung, sodass wir ihn als überaus liebenswert, überaus würdig und überaus wunderbar begreifen und ergreifen.

Quellen

Der Artikel wurde adaptiert von: Michael Riccardi: An Objection to God‘s Sovereignty that Proves It, The Cripplegate (March 16, 2012), https://thecripplegate.com/an-objection-to-gods-sovereignty-that-proves-it [abgerufen 30.08.2024]. Eigene Übersetzung (grace@logikos.club).

John F. MacArthur und Richard Mayhue, Biblische Lehre: Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit. EBTC, 3. Aufl. 2023, geb., 1.360 Seiten | ISBN: 978-3947196500. Insbes. Kap. VII Die Errettung und Abschnitt 2 Der Plan der Errettung (S. 648–678).

Concursus Dei – Die Souveränität Gottes und die Verantwortung des Menschen (auf logikos.club).

John F. MacArthur, Göttliche Unveränderlichkeit und die Lehren der Gnade (Orig.: Divine Immutability and the Doctrines of Grace, Übersetzung ins Deutsche auf logikos.club).

Von Gefühlen getäuscht (Burk Parsons)

Als Gott uns nach seinem Ebenbild schuf, gab er uns die Fähigkeit zu fühlen und zu denken. Unsere Fähigkeit, Gefühle, Wünsche und Emotionen zu haben, stammt von Gott, daher sind unsere Gefühle, Wünsche und Emotionen bedeutsam für unser Menschsein. Gleichzeitig hat Gott uns auch mit der Fähigkeit zu denken, zu beurteilen und zu entscheiden gesegnet.

Ein Problem entsteht jedoch, wenn wir Denken und Fühlen verwechseln. Viele Menschen scheinen heute den Unterschied zwischen Denken und Fühlen nicht zu verstehen. Darüber hinaus sind viele im Unklaren, wie sie im Leben die richtigen Entscheidungen treffen und die richtigen Schlüsse ziehen können. In früheren Generationen wurde gesagt: „Tu, was recht ist!“ Seit Jahrzehnten jedoch fordert unsere Kultur die Menschen auf: „Tu, was sich gut anfühlt!“ Den Menschen wird dabei vermittelt, dass wahre Freiheit darin bestünde, das zu tun, was sich richtig anfühlt. Anstatt dessen sollten sie gelernt haben, dass wahre Freiheit die Fähigkeit ist, das zu tun, was wir als richtig erkennen.

Es überrascht nicht, dass viele Menschen in unserer Zeit ihre Identität, Sexualität und ihr Geschlecht aufgrund bloßen Fühlens in Frage stellen. Dies sollte uns zutiefst traurig stimmen und uns dazu veranlassen, allen Menschen mit Mitgefühl und Fürsorge das Evangelium zu verkünden. Menschen, die auf solche Weise verwirrt sind, müssen die Gnade Gottes in der Guten Nachricht von Jesus Christus erkennen lernen.

Wenn Ungläubige die Wahrheit über Gott gegen eine Lüge eintauschen, werden sie natürlich das, was sie wissen, gegen das eintauschen, was sie fühlen. Sie werden ihr Wissen über das, was sie für wahr und richtig halten, gegen ihre niedrigsten Gefühle eintauschen, von denen sie erhoffen, dass diese ihnen den besten Genuss bereiten. Am Ende werden Menschen, die von Christus getrennt sind, das tun, was ihnen die angenehmsten Gefühle hervorruft. Der Zeitgeist ermutigt sie darin mit dem verrückten Rat, dass sie ihre Gefühle nicht mit der Realität in Einklang bringen müssten, sondern die Realität mit ihren Gefühlen.

Selbst wir Christen können manchmal von unseren Gefühlen getäuscht werden. Wir können in tiefe Unzufriedenheit, Einsamkeit, Verzweiflung oder Scham verfallen und das Gefühl haben, nicht wirklich gerettet zu sein. Dies kann besonders dann geschehen, wenn wir uns von unserer Sünde erdrückt fühlen und wenn unser Feind uns anklagt. Wir müssen uns dann daran erinnern, dass unsere Gefühle manchmal die größten Lügner sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Gefühle das, was wir [aus Gottes Wort] als wahr und recht erkannt haben, außer Kraft setzen. Wir müssen unseren Gefühlen das Evangelium predigen und den Herrn bitten, uns zu helfen, nie zu vergessen, dass wir in Christus sind. Wir dürfen niemals zulassen, dass sich unsere Lehre unseren Gefühlen beugt, sondern müssen vielmehr mit Sorgfalt darauf achten, dass unsere Gefühle der biblischen Wahrheit entsprechen.

Ein Beitrag von Burk Parsons in Tabletalk Vol. 48, Nr. 6 (Juni 2024), S. 2. Dr. Burk Parsons ist Herausgeber des Magazins Tabletalk und leitender Pastor der Saint Andrew’s Chapel in Sanford, Florida (USA). Eigene Adaptierung und Übertragung ins Deutsche.

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Was drei para-Wörter über das Wesen der Sünde lehren

Über das Wesen der Sünde muss viel und bibelgründlich nachgedacht werden, sonst begreift man weder den mieslichen Stand des gefallenen Menschen, noch die Größe des Opfers des menschgewordenen Sohnes Gottes, noch die Genialität und den Gnadenreichtum der Erlösung.

Einen hilfreichen Blick auf das Wesen der Sünde liefert der Apostel Paulus in seinem Brief an die christliche Gemeinde in Rom. Er gebraucht dort im fünften Kapitel drei Wörter mit der griech. Vorsilbe para:

»14Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose, selbst über die, die nicht gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung [παράβασις parabasis] Adams, der ein Vorbild des Zukünftigen ist.
15Ist nicht aber wie die Übertretung so auch die Gnadengabe? Denn wenn durch die Übertretung [παράπτωμα paraptōma] des einen die vielen gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in Gnade, die durch den einen Menschen, Jesus Christus, ist, zu den vielen überströmend geworden.
19Denn so wie durch den Ungehorsam [παρακοή parakoē] des einen Menschen die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden.«

Römer 5,14.15.19 (ELBCSV 2003)

Sünde war dem Geschöpf (hier: dem Menschen) nur möglich, weil es ihm geschöpflich möglich war, aus seinem früheren Stand herauszufallen. Nur Gott Selbst ist im Wesen unwandelbar und vollkommen. Der Mensch war gut (sogar »sehr gut«; 1.Mose 1,31) erschaffen worden, aber nicht unveränderlich gut geschaffen worden. Die Möglichkeit zur Veränderung in beide Richtungen war also durch seine Wandelbarkeit möglich, mithin auch das Fallen aus der ursprünglichen Unschuld.

Zum Fallen bedarf es des Anstoßes, einer herabziehenden Kraft und einer dieser Kraft unterliegenden Schwäche. Der Mensch fiel durch den Anstoß, den der Mensch am (einzigen!) Gebot Gottes nahm, und wodurch er den Segensraum, den Gott ihm in Verbindung mit dem einzigen Verbot errichtet hatte, verließ. Dergestalt sich selbst des Haltes entledigt habend, wirkte als Zweitursache für den Fall die verführerische Kraft der Schlange, in der der Satan, der Ur-Lügner und Ur-Menschenmörder (Johannes 8,44), wirksam war.

Folglich bezeichnet die Bibel Sünde mit Begriffen wie »das Ziel verfehlen, fehlschießen, von der Bahn abirren« (Hebr.) oder »Herauslaufen aus einer bisher eingehalten Bahn« (Griech.). Andere griech. Schreiber und die LXX verwenden auch den Begriff »aus der Melodie fallend, falsch singend« (πλημμέλεια), also Sünde/Schuld als »Misston«.

»Das Hinausgehen, das Abweichen aus dem Worte oder Gebote Gottes und der daraus folgende Bruch mit Gott ist der Sünde Anfang, und im Beharren auf diesem Weg vollendet sich die Sünde.« (Eduard Böhl, Dogmatik [Bonn/Hamburg, 2004], S. 208).

Paulus betont in der lehrhaften Interpretation des historischen Sündenfalls in Römer 5 dieses »Hinausgehen« mit einem Dreiklang von para-Wörtern.

  • παράβασις parabasis – von para = (hin-)über/daneben und baino = gehen/(ein-)treten, also Übertretung, Überschreiten einer gezogenen Linie, meist im juristischen Sinn: Gesetz, Statuten, Vertragsbestimmung nicht einhalten; der biblische Gebrauch folgt dem juristischen Sinn (vgl. Römer 2,23; 4,15; Galater 3,19; 1.Timotheus 2,14; Hebräer 2,2; 9,15)
  • παράπτωμα paraptōma – von para = (hin-)über/daneben und pipto = fallen, also Fehltritt, ein Fallen aus der rechten Bahn. Stets als Sünde verstanden, daher meist wiedergegeben mit: Übertretung, aber auch mit: Verfehlung, Fehltritt, Fall, Sünde, Vergehung (Römer 4,25; 5,15.16.17.18.20; 11,11.12; 2.Korinther 5,19; Galater 6,1; Epheser 1,7; 2,1.5; Kolosser 2,13).
  • παρακοή parakoē – von para = (hin-)über/daneben und akouo = hören, also danebenhören, weghören, sich weigern zu hören: Ungehorsam (2.Korinther 10,6; Hebräer 2,2). Im AT parallel mit der »Weigerung, auf meine Worte zu hören« (Jeremia 11,10; 35,17).

Der Apostel verweist auf die historischen Tatsachen der Schöpfungsgeschichte und des »Sünden-Falls«, dem Geschehnis der Ur-Sünde. In 1.Mose 3 werden die einzelnen Schritte des Fallens in die Sünde deutlich markiert. Paulus macht in Römer 5,12 deutlich, dass dies der Ausgangspunkt für das Verstehen der Sünde ist. Folgen wir also in groben Zügen dem Geschehen dort, um Paulus in Römer 5 (und wo er sonst Schöpfung und Sündenfall heranzieht) besser zu verstehen.

Die Verführungsmacht des Bösen demonstriert an der Ur-Sünde

Die Verführung des als Schlange auftretenden Satans beginnt mit dem taktisch listigen ersten Schritt, die Frau des ersten Paares anzusprechen, also unter Umgehung Adams, der für das Paar verantwortlich war und der das Gebot Gottes höchstpersönlich empfangen hatte, bevor Eva erschaffen worden war (2.Mose 2,16–17). Es sollte uns nicht verwundern, dass Satan dabei die Hauptschaft des Mannes und mithin die Schöpfungsordnung Gottes missachtet, aber es sollte uns demütigen, dass wir Menschen in Adam und Eva diese Übertretung (parabasis) der Ordnung Gottes ohne Widerspruch hinnehmen.

Der zweite Schritt ist eine listige Frage, in der der Keim der Verführung durch Lüge insofern schon enthalten ist, als das Gebot Gottes in verfälschter Weise zitiert und in eine bewusste Infragestellung gegossen wird: »Hat Gott wirklich gesagt: Ihr sollt nicht essen von jedem Baum des Gartens?« (1.Mose 3,1). Das Gebot Gottes war ja in Hauptsache positiv formuliert worden: »Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen« (1.Mose 2,16), bevor ein einzelner (!) Baum ausgenommen und zum verbotenen Baum erklärt wurde: »aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, wirst du gewisslich sterben« (1.Mose 2,17; ELB1905, vgl. SCHL2000). Bei Satan liegt der Schwerpunkt auf dem Verbot, das wie ein Verbot für alle Bäume klingt: »nicht essen von jedem Baum des Gartens«. Dies ist eine Testfrage, ob Eva das Gebot Gottes exakt kennt und verführerische Verdrehungen in der Formulierung samt der unterschwelligen Anklage (Gott sei restriktiv, anstelle im Überfluss segnend) sofort erkennt. Dafür aber muss man das ganze Gegenteil von „Danebenhören“ tun: Man muss der Stimme Gottes aufmerken zuhören und dieses Wort Gottes im Herzen glaubend aufnehmen (vgl. 1.Mose 22,18; 1.Samuel 15,22; 2.Könige 18,12; Sprüche 2,1–8; 15,31–33; 28,9; Kolosser 1,23; Hebräer 2,1–3; Offenbarung 2,7.11.17.29; 3,6.13.22; 13,9).

Der dritte Schritt wird getan, indem Eva überhaupt der Schlange zuhört und sich nicht abrupt abwendet. Denn gegenüber den Worten der Schlange ist parakoē (Weghören, Ungehorsam) Pflicht. Mit der Entscheidung, wem man das Ohr leiht, trifft man Vorentscheidungen.

Der vierte Schritt ist, dass Eva die Worte und den Gedanken Satans aufnimmt und antwortet. Nun ist der Dialog mit dem Satan begonnen. Welchen sinnvollen Grund könnte es je geben, mit dem obersten Feind Gottes und der Menschen Gedanken auszutauschen? Zumal in ihrer Antwort deutlich wird, dass sie die Fakten nicht klar parat hat: Eva kennt das (bisher einzige!) Gebot Gottes nicht exakt, nur so ungefähr: »Von der Frucht der Bäume des Gartens essen wir; aber von der Frucht des Baumes, der in der Mitte des Gartens ist, hat Gott gesagt: Davon sollt ihr nicht essen und sie nicht anrühren, damit ihr nicht sterbt.« (1.Mose 3,2–4). Sie vergisst zwei entscheidende Wörter des göttlichen Segens- und Gebotsspruches: »nach Belieben« und »gewisslich«. Wenn Gott redet, ist „Danebenhören“ gefährlich. Denn mit dem ersten Wort betonte Gott den Überfluss und die freie Verfügbarkeit seines Segens, und mit dem zweiten Wort betonte Er die Ernsthaftigkeit der Sanktion/Strafe bei Übertretung. Gott schenkt im Überfluss, aber nur im von Ihm gesetzten Rahmen; wird dieser überschritten, ist absolut sicher mit den angekündigten Folgen zu rechnen. Und ob dieser »verbotene Baum« wirklich »in der Mitte des Gartens« stand, oder nun listig zum Zentrum der Diskussion gemacht wird, wissen wir nicht. – Evas Antwort schaltet jedenfalls für Satan das Signal auf »Grün«, um seine Verführung nun noch offener und noch direkter fortzusetzen.

Der fünfte Schritt ist ein offener Angriff der Schlange auf Gottes moralisches Wesen von Licht/Wahrheit und Liebe: »Ihr werdet durchaus nicht sterben, sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses.« (1.Mose 3,4-5). Mit frechem »durchaus nicht« wird Gottes Wahrheit geleugnet, mit dem Rest wird Gottes Liebe in Frage gestellt, werden Gott schlechte Motive unterstellt: »Gott enthält euch etwas Wunderbares vor. Habt den Mut, es euch einfach zu nehmen!«. Und wie bei fast jeder Verführung wird nicht nur durch offenes Reden Wesentliches verleugnet, sondern auch durch Umdeutungen und Verschweigen. »Sein wie Gott« ist dem Geschöpf prinzipiell unmöglich: Der Schöpfer wird immer höher als sein Geschöpf sein. Was geschöpfliche Realität des Menschseins war, ist das Gleichnishafte und Bildhafte des Menschen gegenüber Gott. Diese unter allen Geschöpfen einzigartige Wesenszuweisung befähigt den Menschen zum Gegenüber Gottes. Sie ist Befähigung zu größten göttlichen Segnungen, macht den Menschen aber nicht zu Gott. Niemals wird ein Mensch über den Weg eigener und autonom verschaffter Erkenntnis des Guten und Bösen so werden können »wie Gott«[1]. Die Schöpfungsordnung war eine klare: Gott setzte souverän das Gebot ein und legte die Strafe fest, der Mensch stand unter dem Gebot. Dies war unumkehrbar, offensichtlich und nicht in Frage zu stellen. Leider war diese Täuschung und Verführung des Menschen schon beim ersten Versuch im Garten Eden erfolgreich, und so verwendet Satan sie seitdem immer wieder – und mit großem Erfolg. Um sich selbst drehend und um sich selbst tanzend verbohrt und erniedrigt sich der narzistische und sich zum Gott erklärende Mensch in immer hoffnungslosere Tiefen der Gottesfinsternis.

Der sechste Schritt offenbart, dass der Biss der Schlange das Gift ihrer Lüge erfolgreich Eva injiziert hat. Die Verführung durchdringt lähmend die Schaltzentrale ihres Seins: ihren Geist, ihre Seele, ihr Herz. Man kann diesen inneren Prozess des selbstständigen Denkens, Empfindens und Bilden einer persönlichen Entscheidung am Wort »sah« und an den wertenden Wörtern »gut«, »eine Lust« sowie »begehrenswert« verfolgen. Wir müssen rückblickend feststellen, dass hiermit der »Sündenfall« bereits geschehen ist, denn jede Sünde beginnt im Denken und Begehren, im Herzen (der Persönlichkeitsmitte), sagt der Sohn Gottes (Matthäus 5,22.28; 15,19–20). Die Lust zur Sünde hat die Augen verblendet, die klare Linie, die Gott gezogen hatte, ist ausgeblendet. Das Übertreten (parabasis) ist bei Eva im Denken, im Herzen, im Zentrum also, getan, ihr Fallen im nächsten Schritt ist unausweichlich (Jakobus 1,15).

Der siebte Schritt: Nicht jeder Gedanke, nicht jedes Begehren, nicht jedes Entscheiden führt heute den Glaubenden zwingend auch zur bösen Tat, da Gottes Gnade oft zurückhält. Aber hier im Garten Eden beobachten wir, dass den sündigen Gedanken, Gefühlen, Bewertungen, Entscheidungen Evas – ihrem Übertreten im Herzen – nun auch konsequent die sündigen Taten folgen, und Eva andere (ja: alle anderen!) in die sündige Tat mit hineinzieht, hinein in den großen Fall (paraptōma). Rätselnd fragen wir: Hat hier beim ersten Paar nur Eine gedacht?! Waren da nicht Zwei?! Warum hört man von Adam nichts? Männer: Schweigen zur Unzeit kann große Schuld ermöglichen und zu größtem Übel führen.

»Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise und dass er eine Lust für die Augen und dass der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben; und sie nahm von seiner Frucht und , und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß.«

1. Mose/Genesis 3,6 (ELBCSV 2003)

Und so sehen wir, wie die Sünde »funktioniert«, und wie selbst das erste und beste Menschenpaar miteinander in die Sünde »fällt«. Wie sollen wir Gefallenen, mit jenem Sünderwesen bereits Geborenen, es je besser machen können? Das ist unmöglich.

Der reformierte deutsche Theologe Eduard Böhl (1836–1903) lieferte in seiner Dogmatik eine scharfsinnige Analyse des »Sündenfalls«:

»Der Mensch leiht sein Ohr dem Verführer; er weicht, angelockt durch die Worte des Satans und Gott misstrauend, aus der anfänglich guten, vom Gebot vorgezeichneten Richtung. Also zunächst sündigt der Mensch wider die Gebote der ersten Tafel. Nachdem die nunmehr haltlose Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde (vgl. Jak 1,14.15); der Bruch mit Gott vollzieht sich mit der bösen Tat, und der Übertretung der Gebote der zweiten Tafel ist Tür und Tor geöffnet. … Die Sünde ist also nach dieser Darstellung nicht anfänglich in der Selbstsucht und noch weniger in der concupiscentia, der sinnlichen Begierde, zu suchen! … Die Zweige tragen nicht die Wurzel, sondern die Wurzel trägt die Zweige. Erfassen wir die Sünde bei ihrer Wurzel, wie sie bei Adam erscheint, so müssen wir sagen: Sünde ist das Abweichen von dem lebendigen Gott und dessen Wort aus mutwilligem Ungehorsam und Mißtrauen gegen Gott. Soweit geht die negative Beschreibung. Die positive, das Vorige ergänzende Beschreibung lautet: Sünde ist die Übergabe des Menschen (Adams) an den Teufel, um dessen Willen zu tun, anstatt zu verharren bei dem Worte und Gebote, das aus Gottes Mund gegangen.«

Eduard Böhl, Dogmatik [Bonn/Hamburg, 2004]. S. 208–209.

Damit ist auch eine Antwort auf die Frage: Woher kommt die Sünde? Woher kommt das Böse? gegeben. Es ist keine Sache oder eine Person, die Ursache und Motiv des Bösen ist. Es ist vielmehr ein Mangel, ein Fehlen des Guten, welches unausweichbar ins Böse und in die Sünde führt. Wer Gott und Sein Wort aufgibt, erwirbt damit einen so schweren Mangel, dass das Fallen in Sünde mit Todesfolge unausweichlich ist. Dies ist in der Schrift gut beobachtbar: Zuerst bei Satan und später bei dem ersten Menschenpaar in deren aktiver Rebellion gegen die Ordnungen und Gebote des Schöpfer-Gottes. Wer das Licht verstößt, dem bleibt nur die Finsternis und die Leere des auf sich selbst geworfenen und damit vom Leben abgeschnittenen Geschöpfs.

Rettung aus der Finsternis der Verführung

Für Gott ist die Lage der Verführten und Gefallenen nicht hoffnungslos. Sein Wesen und sein Name ist ja »Retter-Gott« – Jesus. Daher gibt Er dem ersten Menschenpaar in 1.Mose 3,15 einen Hoffnungsfunken, der der erste Zeuge von der kommenden »Sonne der Gerechtigkeit« ist, die aufgehen wird »mit Heilung in ihren Flügeln« (Maleachi 3,20). Vor 2.000 Jahren kam dieser Heiland-Gott im menschgewordenen Sohn Jesus Christus auf unsere Erde, »um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, in der uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe, um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.« (Lukas 1,77-79). Und dieser dort begonnene Weg steht für jeden Glaubenden auch heute noch offen. Er führt den Glaubenden in lichte Höhen, die zu erfassen uns noch nicht völlig möglich ist (1.Korinther 2,9; Epheser 3,14–21).

Wo Gottes Licht und Leben in einem Menschen Raum greift, wird dieser hell und heil. Im Anschauen Gottes weichen alle Schatten und der Mensch hat seinen Lebensraum wieder da, wo Gott ihn segnen kann:

Denn bei dir ist der Quell des Lebens, in deinem Licht werden wir das Licht sehen.

Psalm 36,10 (ELBCSV 2003)

Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

Johannes 17,3 (ELBCSV 2003)

[Jesus Christus spricht:] Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben. … Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.

Johannes 8,12; 12,46 (ELBCSV 2003)

Vor dem Herrn …, um seine Wege zu bereiten, um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, in der uns besucht hat der Aufgang aus [der] Höhe, um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.

Lukas 1,76b-79 (ELBCSV 2003)

Denn der Gott, der sprach: Aus Finsternis leuchte Licht, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.

1.Korintherbrief 4,6 (ELBCSV 2003)

Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn.

Epheserbrief 5,8a (ELBCSV 2003)

Anerkennung. Auf die drei para-Wörter, und damit der auslösenden Idee dieser Kurzstudie, wurde ich in einem Gespräch mit dem Bibellehrer Dr. Benedikt Peters (Arbon, CH) aufmerksam gemacht.

[1] Anhang: Das Erkenntnisvermögen des Menschen

Die Philosophen haben um »objektive« Erkenntnis gerungen, indem sie versuchten, das Erkenntnis-Subjekt (den Erkenntnissuchenden) so weit wie möglich vom Erkenntnis-Objekt (dem Gegenstand des Erkennens) zu entfernen. Erkenntnisse sollten insofern allgemeingültig sein, als eine quasi-göttliche Perspektive eingenommen wird. Man bemüht sich also um eine Ort-Losigkeit und Beziehungslosigkeit des Erkenntnis-Subjekts. Alle individuellen Bezüge seien als »Vorurteil« zu vermeiden.

Biblische Erkenntnis geschieht beim Menschen jedoch weder autonom noch abstrakt, sondern stets in Beziehung zu Gott und dessen Wahrheitsbekundung (Offenbarung). »Objektive Erkenntnis« ist insofern nur dort möglich, wo sich das Erkenntnis-Subjekt nicht als Quelle, sondern als Empfänger der göttlichen Offenbarung (per def. Wahrheit) und als Teilhaber einer Beziehung zum Schöpfer versteht.

»Aus biblischer Sicht stellt sich gerade der philosophische Versuch, einen autonomen, unbedingten Standpunkt einzunehmen, als ›Sündenfall‹ schlechthin dar: Der Mensch tritt aus dem Umsorgt-Sein durch Gott, der für ihn bestimmt, was gut ist (1Mo 2,18), heraus. Er will sein wie Gott (3,5), d.h.: er will ›Gutes und Böses erkennen‹. Gemeint ist nicht eine Erweiterung der kognitiven Erkenntnisfähigkeit, sondern das Eintreten in eine Eigenmächtigkeit…, in der der einzelne Mensch sich selbst Gesetz ist, d.h. selbst bestimmt, womit er Umgang hat und womit nicht, was er tut und was nicht. Dieses Sich-Herauslösen aus der geschöpflichen Beziehung zu Gott und die Beanspruchung einer auto-nomen, göttlichen, unbedingten Position steht in schärfstem Kontrast zu der gemessen an bibl. Maßstäben allein möglichen Erkenntnishaltung.«

»Luther bestimmt den ›natürlichen‹ Menschen als ein auf sich selbst bezogenes Wesen (homo incurvatus in se…). Rein anthropologisch steht der Mensch damit immer in der Gefahr, die Welt nach seinen Begriffen zu ›erklären‹, sie aber nicht zu verstehen, sich seinen Reim auf sie zu machen, ohne ihr wirklich zu begegnen. … Aus geistlicher Sicht kann diesem Drang zu erkenntnistheoretischer Verabsolutierung letztlich wirkungsvoll nicht durch einen Pluralismus miteinander wetteifernder Erkenntnisansprüche begegnet werden, sondern nur durch die Wiedereingliederung des Menschen als Erkenntnis-Subjekt in die ihn allein bewahrende und tragende Relation zu Gott. Im Gegenüber zu Gott erfährt der Mensch die eigene Endlichkeit, wird er demütig und identifiziert die Verabsolutierung der eigenen Begriffe und Vorstellungen über Wirklichkeit als eine gegen Gott gerichtete Hybris

»Dem natürlichen Menschen ist freilich die Beziehung der Demut gegenüber Gott und der Offenheit gegenüber der Welt selbst nicht erreichbar. Bedingung der Möglichkeit eigener Welt- und Gotteserkenntnis ist darum die unser Erkennen freisetzende, uns zuvor erkennende und damit das Scheitern unserer erkenntnistheoretischen Autonomieansprüche aufdeckende Liebe Gottes (Gal 4,9; 1Kor 8,3).«

Aber damals freilich, als ihr Gott nicht kanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind; jetzt aber, da ihr Gott erkannt habt, vielmehr aber von Gott erkannt worden seid, wie wendet ihr euch wieder um zu den schwachen und armseligen Elementen, denen ihr wieder von neuem dienen wollt?

Galater 4,8-9 (Fettdruck hinzugefügt)

Wenn jemand meint, etwas erkannt zu haben, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll; wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt –

1.Korinther 8,2-3

Quelle: Die Gedanken und Zitate dieses Kapitels stammen von: H. Hempelmann, Erkennen, Erkenntnis, in: Das große Bibellexikon, 1. Taschenbuchauflage (Wuppertal, Gießen: Brockhaus, Brunnen, 1996), Sp. 490–491 (Bd. 2). Fett- und Farbdruck hinzugefügt.

Ohne Glauben aber…

Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen;
denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist
und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist.

Hebräerbrief 11,6

Du sagst: Es ist unmöglich.
Gott sagt: Alle Dinge sind möglich! (Lukas 18,27)

Du sagst: Ich bin zu müde.
Gott sagt: Ich will Dir Ruhe geben! (Matthäus 11,28–30)

Du sagst: Niemand mag mich.
Gott sagt: Ich liebe Dich! (Johannes 3,16; 13,34)

Du sagst: Ich kann nicht mehr.
Gott sagt: Meine Gnade genügt Dir! (2. Korinther 12,9; Psalm 91,15)

Du sagst: Ich komme hier nicht mehr raus.
Gott sagt: Ich werde Deine Schritte leiten! (Sprüche 3,5f)

Du sagst: Ich kann das nicht.
Gott sagt: Du kannst alles! (Philipper 4,13)

Du sagst: Ich bin dazu nicht fähig.
Gott sagt: Du bist sehr wohl dazu befähigt! (2. Korinther 9,8)

Du sagst: Es ist die Sache nicht wert.
Gott sagt: Sie ist es doch wert! (Römer 8,28)

Du sagst: Ich kann mir selbst nicht vergeben.
Gott sagt: Ich vergebe Dir! (1. Johannes 1,9; Römer 8,1)

Du sagst: Ich kriege es nicht geregelt.
Gott sagt: Ich werde mich um alle Deine Bedürfnisse kümmern! (Philipper 4,19)

Du sagst: Ich habe Angst.
Gott sagt: Ich habe Dir nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben! (2. Timotheus 1,7)

Du sagst: Ich fühle mich besorgt und frustriert.
Gott sagt: Wirf alle Deine Sorgen auf mich! (1. Petrus 5,7)

Du sagst: Ich habe nicht genug Glauben.
Gott sagt: Ich habe jedem sein Maß an Glauben gegeben! (Römer 12,3)

Du sagst: Ich verstehe nicht genug.
Gott sagt: Ich werde Dir Weisheit geben! (1. Korinther 1,30)

Du sagst: Ich fühle mich allein.
Gott sagt: Ich werde Dich niemals versäumen noch verlassen! (Hebräer 13,5)


Nach einem Artikel (o. V.) in: Bode von het Heil in Christus (Vaassen, NL), Jg. 143, Nr. 6/7 (Juni/Juli 2000).