FIAT LUX – Erhellung oder Verdunklung?

James G. McCarthy
Fiat Lux
Kann eine Handvoll Studenten ein Rätsel lösen, das Theologen seit Jahrhunderten beschäftigt? – Lehr-Roman
CMD, Pb., 334 Seiten | ISBN: 9783981017380
(seit 28.11.2016 als epub eBook, EAN 9783939833765) 

Der Herausgeber, Wilfried (Karl) Plock, Vorsitzender der „Konferenz für Gemeindegründung e. V. (KfG)”, bewirbt dieses Buch mit folgenden Worten: »Das Buch von Jim McCarthy behandelt das Spannungsverhältnis von Erwählung und Vorherbestimmung einerseits und der Verantwortung des Menschen auf der anderen Seite. … McCarthys Werk gehört – ohne Übertreibung – zu den besten Büchern, die ich je in meinem Leben gelesen habe.« – Damit sagt er subjektiv einiges über sich selbst, sein Leben und seine Lektüre aus. Der Autor McCarthy schrieb das Buch unter dem Titel „John Calvin Goes to Berkeley” (heute: City Christian Press, 2009). Er konnte bereits 2005 auf Einladung von Fred Colvin et alii im Salzburger Land im Rahmen einer sog. Glaubenskonferenz (s. u.) die Thesen seines Buches verbreiten. Wir fragen uns hier, was objektiv von diesem Buch zu halten ist. Eine Reihe von Aspekten soll uns bei diesem Fragen leiten.

POSITIV ist, dass der Autor die geistige und geistliche Situation an einer der bekanntesten Universitäten der (ehemals) christlichen USA darstellt und dabei aufzeigt, welchen Problemen und Widerständen evangelisierende Christen sich an so einer „aufgeklärten” Uni gegenübergestellt sehen. Die Intoleranz der Toleranten wird deutlich, wenn es um Jesus Christus geht. Weiterhin sehr positiv ist: Der Autor hat ein Herz für die Evangelisation dieser jungen Intellektuellen. Und so nimmt er den Missionsauftrag Jesu als Hintergrund, um die Tragik davon aufzuzeigen, dass sich die, die miteinander das Evangelium zeugnishaft leben und einmütig predigen sollten, über die Botschaft selbst und die „Methode” der Evangelisation zerstreiten. Man kann davon ausgehen, dass der Autor hier einschlägige eigene Erfahrungen und Kenntnisse einbringt, wenngleich die Personen und Handlungen fiktiv sind.

HINTERGRUND DES AUTORS. Bei öffentlichen Vorträgen in Österreich („Glaubenskonferenz” St. Johann 2005 – Das Evangelium verstehen und weitergeben) gab der Autor viele explizite Hinweise über seine persönlichen Bezüge zu den Handlungen und Personen des Romans und kündigte die Veröffentlichung des Werkes an. McCarthy hatte bei sich zuhause einen Bibelhauskreis mit ca. 50 Studenten der nahe gelegenen Universität UC Berkeley. Beim gemeinsamen Studium des Johannes-Evangeliums kam es zu intensiven Diskussionen über verschiedene Verse, insbesondere aus Kapiteln 6 und 10, in denen Gottes souveränes Handeln deutlich bezeugt wird. McCarthy neigte schon vorher zur Betonung des „freien Willens” des Menschen und hatte sich für alle dieser Annahme (scheinbar) widersprechenden Bibelstellen einige den „freien Willen” bestätigende Bibelstellen zurechtgelegt, um „die Waage der Bibelstellen” immer zu seinen Gunsten neigen zu können. Nach den etwas heftigeren Denkanstößen im Studentenkreis hatte sich McCarthy dann – wie die Studierenden im Roman – intensiv mit theologischen Werken zur Heilslehre beschäftigt, was ihn aber letztlich mehr verwirrte, als half. Dann versuchte er, eine eigene Theorie „nur auf Grundlage der Heiligen Schrift” zu entwickeln und dabei seine Methodik vom deduktiven zum induktiven Ansatz umzustellen (vgl. den Rat des Weisen im Buch!). Er landete auf diesem Weg nach eigenen Worten schließlich nicht bei den Antworten der Reformatoren, weil er seine Fragen auch nicht im Bezugsrahmen der Reformatoren beantwortete (so z. B. der „Einengung der Calvinisten auf die Souveränität Gottes”), sondern im Bezugsrahmen der ganzen Heiligen Schrift. Wie im Buch wird auch beim gegebenen biographischen Hintergrund deutlich, dass kein Mensch „ohne Vorurteile und ohne vorgefasste Meinung” an den Bibeltext herangeht. McCarthy verkündet als ersten Auslegungsgrundsatz, dass man eine Stelle immer im Licht des „allgemeinen Bildes und Tenors” der Heiligen Schrift interpretieren muss. Da dieses „Bild” und dieser „Tenor” bei McCarthy zugegebener Weise eine Priorität für den „freien Willen des Menschen” reserviert und er so einige Anleihen bei der arminianischen Theologie übernimmt, interpretiert er dann auch in seinem angeblich „induktiven Ansatz” alle Stellen so, dass sie möglichst gut seiner Grundannahme entsprechen und diese damit scheinbar stützen und bestätigen (das allerdings ist deduktiv!). Diesem exegetischen Zirkelschluss (die Exegese wird eingeengt auf die Vorannahmen, soll dann aber ihrerseits als Beweis der Vorannahmen herhalten) unterliegen auch seine Helden im Roman, explizit die weibliche Figur Angela, die die männliche Hauptfigur des Romans, Alex, entsprechend beeinflusst, s. u. Daraus könnte man schließen, dass der Autor die Gefahr der theologisch vorgefärbten Exegesebrille gar nicht realisiert hat – oder sie nur bei „den anderen” wahrnimmt.

THEOLOGISCH. Der Roman ist kein neuer Beitrag der in den Colvin-Gemeinden im „Salzburger Land” exzessiv gepflegten Kategorie „Die neueste Evangelisationsmethode”, sondern widmet sich ausdrücklich einem theologischen Thema, einem zutiefst schwierigen Thema zudem: Es geht im Kern um die Heilslehre (Soteriologie) und dort um das Jahrhunderte alte „Problem” der angeblichen Spannung zwischen Auserwählung, Berufung, Buße, Souveränität Gottes und Verantwortung des Menschen usw. Der Buchuntertitel ließ trotz Fragezeichen darauf hoffen, dass »eine Handvoll Studenten ein Rätsel lösen kann, das Theologen seit Jahrhunderten beschäftigt hat«. Dieser Untertitel hätte den informierten Kaufinteressenten warnen sollen. Erstens sind die jungen Leute im Roman nun nicht wirklich mit den Christen, Denkern und Theologen zu vergleichen, über deren Werke sie später brüten (und sie nicht wirklich verstehen) werden. Daher kommt auch nichts Neues, geschweige denn Besseres, dabei heraus. Zweitens gibt es diese jungen Erwachsenen ja gar nicht, sondern sie sind fiktive, konstruierte Gestalten, deren sich der Autor bedient, um seine persönliche Meinung in dieser spannenden Frage darzustellen und zu verteidigen. Es ist interessant zu beobachten und zu analysieren, wie der Romanautor dies anstellt.

Wer über das Heilshandeln Gottes schreibt, der schreibt über jenes Handeln Gottes, in dem Er sich wie nirgends sonst selbst-geoffenbart hat. Er schreibt mithin nicht „nur” über das Handeln Gottes, sondern zugleich über das Wesen Gottes. Da sollte man annehmen, dass der Mensch seine Schritte vorsichtig setzt und nicht in übermütiger Torheit oder Ahnungslosigkeit mitten in die Hybris eines intellektuellen oder emotionalen Definitionsversuches Gottes hineinspringt. Es gibt wirklich Erdenwürmer, die sich zumuten, Gott und Sein Handeln mit Intellekt und Logik umfassend erklären zu können. Wer sich aber einmal anhand der Heiligen Schrift mit dem Wesen der Heiligen Schrift, dem Wesen des Gottes und Menschen Jesus Christus oder der Ewigkeit Gottes (usw.) beschäftigt hat, muss demütig eingestehen, dass unser menschlicher Verstand nicht alle Rätsel, Geheimnisse und Spannungen auflösen kann. Schon die All-Eigenschaften Gottes und deren vollkommene Gesamtheit im Wesen Gottes stellt den Menschen als raum- und zeitgebundenes, irdisches Geschöpf vor prinzipielle Erkenntnisschwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten beobachtet man dann auch im Roman durchweg in den Gesprächen der Studierenden. Sie hätten sich viel öfter anstelle der Frage: „Ist es logisch?” oder „Entspricht es meinen Emotionen?” (Hallo, Angela!) die evangelikale Urfrage „Steht es in der Heiligen Schrift?” stellen sollen.

EVANGELISATION. Wir wissen genug über Gott und über das Heilshandeln Gottes, dass wir gläubig werden können und dass wir die Gute Nachricht so predigen („verkündigen”) können, dass Gott das zur Wiedergeburt des Hörers verwenden kann (Römer 10,14–17; 1.Petrus 1,23–25 u. a.). Aber wir wissen deswegen noch nicht alles. Die Frage nach der Ordo Salutis (welcher Schritt des Heils auf welchen logisch und/oder zeitlich folgt) kann man auch anhand der Heiligen Schrift nicht bis ins Kleinste definieren. Das können wir ja noch nicht einmal beim „natürlichen” Leben, selbst da ist für die Wissenschaft noch Unerklärliches: Was ist denn „Leben”? Warum keimt ein Samenkorn? Warum? Was passierte da wo wie wann? Übertragen wir diese Fragen auf das „Neue Leben“. Da wissen wir ja noch nicht einmal, wo der Heilige Geist weht, wir sehen erst die Wirkungen, wenn Er irgendwo solche zeitigt (Johannes 3)! Nochmals: Wir wissen aus der Schrift genug, um Mitarbeiter Jesu zu sein, um am Evangelium priesterlich dienen zu können. Aber das neue Leben bleibt ein Wunder Gottes, bleibt ein Geschenk der Gnade Gottes. Bei allem Bemühen, Pflanzen und Begießen sollten wir nie vergessen, dass es Gott ist, der das Leben und das Wachstum gibt, wie Er will.

POSITIV finde ich die Wendung, nach Studium der theologischen Systeme und Bekenntnisse (meiner Meinung nach für einen Theologen unerlässlich, wir sind ja nicht die ersten Denker und Christen auf dieser Welt!) direkt zur Heiligen Schrift zu gehen, zur „Primärliteratur”. Wer in der Diskussion der Lehrsysteme oder gar der Persönlichkeiten stecken bleibt, kommt nicht zum Kern der Sache. Aber wieder drängt sich die Parallele mit der Philosophiegeschichte auf: Die Rückkehr zu den antiken Quellen (ad fontes) war nämlich auch das Prinzip des Humanismus der Renaissance, der sich durch Rekurs auf die Antike als maßgeblicher Norm für alle Fragen und Lebensbereiche vom „finsteren Mittelalter” abgrenzen wollte. Und das sieht zwar oberflächlich genauso aus, wie die Frage „Was sagt die Heilige Schrift?”, ist aber gottloser Humanismus. Nehmen wir es positiv und folgen wir diesem Hinweis, dann könnten wir lernen, die einschlägigen Bibelzitate nicht immer nur durch die Brille (Interpretationsnorm) eines Gedankensystems (einer speziellen Theologie) zu sehen, sondern aus der Fülle des Zeugnisses der Heiligen Schrift eine ausgewogene und richtige (wenn auch nicht logisch „dichte”) Lehre zu gewinnen. Es kann dann sein, dass die Wahrheit in den beiden „Extremen“ (Souveränität Gottes und Verantwortung des Menschen) gleichzeitig zu finden ist, und nicht in einem „Mittelweg”, wie es William MacDonald trefflich wiedergegeben hat. Anders gesagt: In derart „schwierigen” Themen wie der Heilslehre ist es angesagt, vom deduktiven Ansatz zum induktiven Ansatz zu wechseln und immer wieder die Frage zu stellen „Steht es in der Heiligen Schrift?” sowie „Was bedeutet dies?“, und daraus dann mittels sorgfältiger Exegesearbeit zu erkennen: „Was lehrt die Heilige Schrift?”

INKONSEQUENT. Obwohl der Autor die induktive Vorgehensweise als Lösung empfiehlt und seine Studenten durchführen lässt (offenbar aber nur im Schnelldurchgang), kommt doch an kritischer Stelle entlarvend durch, dass das im Buch entscheidende Denken dann doch von vorgefassten Meinungen, Spekulationen und Vorstellungen ausgeht und im Licht dieser Vor-Eingenommenheit (Präsuppositionen, systemische „Brille“ einer Tradition) biblische Aussagen bewertet, annimmt oder verwirft (also deduziert). Die hübsche Angela, die auf die Hauptperson des Romans (dem Koreaner Alex) durch eine Liebesbeziehung einen sicher nicht zu unterschätzenden emotionalen Einfluss ausübt, macht das deutlich. Sie hat sich ein Bild von Gott zurechtgelegt, und als sie etwas hört, das nicht zu ihrem Gottesbild passt, dann verwirft sie diese Aussage („Gott als Oger”). Als die in der Heiligen Schrift bezeugte Liebe Gottes nicht ihrer persönlichen Auffassung von Liebe entspricht, ist sie emotional aufgebracht. Wäre sie wirklich eine „evangelikale” Christin, wäre sie zur Schrift gegangen (ad fontes; sola scriptura) und hätte alles (!) gelesen, was Gott über Sich und Seine Liebe und Sein vollkommenes Wesen geoffenbart hat… und hätte daran ihr Gottesbild entsprechend der Wahrheit korrigiert. Als Bibellehrer wünscht man sich, der Autor hätte hier von seinen Romanfiguren alles das zusammentragen lassen, was das Wort Gottes über die Liebe und Gnade Gottes und was das Wort Gottes über seine Heiligkeit, seinen Zorn, Grimm und Rache sagt. Anstelle dessen ist z. B. das gesamte Kapitel 63 voller Spekulationen über Gott, die Engel, Satan, den Fall usw., z. B.: „Gott muss sich furchtbar gefühlt haben.” Selbstkonstruierte Gottesbilder, bei denen wir entscheiden, was wir vom biblischen Zeugnis hereinnehmen, ernst nehmen, und was nicht (was wir verdrängen), sind aber keine Gottesbilder, sondern Götzen. Das sollte uns sehr ernst und nachdenklich stimmen, vor allem, wenn der Herausgeber es »den besten Büchern, die ich je in meinem Leben gelesen habe« zuordnet.

LOGIK. „Es wäre unlogisch, alle Menschen überall zur Buße aufzurufen, wenn er genau wüsste, dass dies nur einige könnten”, sagt der Romanheld Alex (S. 305). Damit sagt Alex (oder der Autor McCarthy) aber mehr über seine „Logik“ aus, als über Gott und das Evangelium. Die generelle Frage lautet hier, ob Gott vom Menschen etwas fordern kann, von dem Er weiß, dass es der Mensch absolut nicht tun/halten kann. (Ob das wirklich etwas mit „Logik” zu tun hat, ist eine andere Frage. Imperative adressieren in der Sprache grundsätzlich das Geforderte, nicht das Mögliche.) Am Beispiel des Dekalogs könnte sich jeder Bibelleser zweifelsfrei versichern, dass dies Gott tatsächlich tut. Es war Gott von Anfang an klar, dass kein Mensch die 10 Gebote halten kann. Trotzdem gab Er den Dekalog und forderte unter Androhung der Todesstrafe dessen strikte Einhaltung. Dass diese Gebote vom Gesetzgeber und Richter nicht „locker”, sondern sehr streng interpretiert werden, macht Jesus Christus in der Bergpredigt deutlich. Und dass außer Jesus Christus niemand den Dekalog gehalten hat noch halten kann, ist auch klare Aussage der Schrift. Damit ist gezeigt, dass Gott durchaus vom Menschen das Einhalten Seiner Gebote fordern kann (und Buße zu tun ist ein Gebot Gottes an alle Menschen; Apg 17,30), auch wenn kein Mensch aus sich heraus (d. h. ohne effektives Wirken Gottes) dieses Gebot halten kann. Alex denkt falsch (nämlich unbiblisch), egal ob er das „logisch” oder „unlogisch” findet. Hätte er doch einmal –wie viele andere Studenten– an Martin Luthers Tisch gesessen und aus dessen Mund gehört: „Die höchste Kunst eines zukünftigen Theologen ist, dass er sehr sorgfältig zwischen der Klugheit der Vernunft und des Wortes, d. h. der Weisheit Gottes, unterscheide. Denn die das vermengen, vermischen den Himmel mit der Erde.” (Tischreden, WA Nr. 2146).

The Sather Gate. »Fiat Lux«  ist das Motto im Siegel der University of California: »Es werde Licht!«. – Deutlich erkennbar: der fünfzackige Stern bzw. das Pentagramm, aus dem alle Lichtstrahlen kommen.

LUX ODER LUCIFER. Die Betonung der Logik im Buch riecht verdächtig nach dem aufklärerischen Titel der deutschen Version des Buches „Fiat Lux!”, das nach der Story wohl dem Symbol des Sather Gates der UC Berkeley entliehen wurde. „Fiat Lux!” wurde angeblich der Bibel (Genesis 1:3) entnommen, nur zeigt der fünfzackige Stern über der recht unscheinbaren Inschrift alles überstrahlend an, dass hier eine völlig andere Quelle die Strahlen des Lichts ausbreitet. Der Fünfzackenstern ist verbunden mit der römischen Gottheit Luzifer (lat. „Lichtbringer”), die auch als Venus und als „Morgenstern” oder Phosphoros (griech. „Lichtbringer”) bekannt ist; Luzifer wird als Überbringer des Lichts und der Erkenntnis verstanden. In der Satanischen Bibel des Satanisten LaVey von 1969 erscheint Luzifer als einer der vier Kronprinzen der Hölle. Als Herr des Ostens und des Elements Luft fungiert er als „Lichtbringer” und steht für Intellektualität und Aufklärung (Belege und Foto s. u. a.: http://en.wikipedia.org und http://de.wikipedia.org/wiki/Luzifer). Was soll man dem hinzufügen? Diese im Ornament verdeutlichte Zweideutigkeit ist für dieses Buch peinlich, um das wenigste zu sagen.

ZWISCHENFAZIT. Es ist mühsam, sich durch Hunderte von Seiten quälen zu müssen, um am Ende zu versuchen, aus der Menge an Wörtern einige Tröpfchen „Geist” zu destillieren. Der Autor hätte sicher auf 5–10 Seiten seine besondere Heilslehre präsentieren können und hätte damit dem Leser viel Zeit gespart. Er hätte in einem solchen sachlichen Artikel die Quellen offenbaren können, aus denen er seine Ideen zog. Dass diese „Lösung” des Jahrhunderte alten Theologieproblems neu sei, ist Roman-Fiktion. Den Jubelrufen urteilend mag wohl auch der Herausgeber darauf hereingefallen sein. Die Ideen sind jedenfalls nicht neu. Das weiß jeder, der sich mit diesen Fragen auseinandersetzt:

  • Dass die Schrift lehre, dass Gott eine anonyme Gruppe von Menschen bzgl. irgendwelcher Heilsfolgen erwählt habe, ist auch nichts Neues, das haben beispielsweise Roger Forster und V. Paul Marston 1973 gelehrt („corporate/class election”) und nach ihnen W. Klein (1990).
  • Dass die Vorkenntnis Gottes und die Auserwählung seitens des Vaters auf eine Funktion der Allwissenheit Gottes reduziert wird, ist auch nicht wirklich neu, sondern klassischer Arminianismus.
  • Dass der natürliche Mensch weder verfinstert am Verstande noch geistlich tot sei, sondern doch noch so klar denkend und lebendig (wenn auch krank, evtl. todkrank), dass er geistliche Lebensfunktionen wahrnehmen und geistliche Entscheidungen fällen kann, die ihm das Heil garantieren, war schon lange vor McCarthy zu lesen bei Irrlehrern wie Pelagius, Armininus u. a.
  • Dass kein Mensch Gutes tut, dass kein Mensch Gott sucht, das liest man zwar im Evangelium Gottes über seinen Sohn Jesus Christus (Römer 3,11-12), also im „Wort der Wahrheit”, aber nicht bei diesen „Lösungen”, die stets im Widersatz zur Wahrheit der Schrift davon ausgehen, dass der Mensch Gott suche und finde.

Egal, aus welchen unterschwelligen Motiven diese Heilslehre konstruiert wird, Gott hat es wirklich nicht nötig, sich von Menschen vom Vorwurf der Ungerechtigkeit oder Lieblosigkeit – um das Geringste zu sagen – retten zu lassen. Nicht wir haben den Maßstab der Gerechtigkeit, Heiligkeit und Liebe und könnten Gott damit messen und beurteilen (oder in Schutz nehmen), sondern Gott und Sein Wort sind dieser Maßstab und wir Menschen müssen uns daran messen lassen. Gott ist heilig. Gott ist Liebe. Gott ist gerecht in allem seinem Handeln. Wo Menschen das endlich begreifen, ist dies der Anfang heilsamer Gedanken und gesunder Heilslehre.

POSITIV ist die Betonung der Verantwortung des Menschen, denn diese ist biblisch: der Mensch muss umkehren und glauben, sonst geht er verloren. Positiv ist die Betonung der biblischen Wahrheit, dass Gott alle Menschen liebt und allen Menschen viel Gnade und Güte erweist, sogar Seinen Feinden (sog. allgemeine Gnade)! Positiv ist ferner die Betonung, dass das Opfer Jesu Christi für alle Sünder ausreichen würde. Am Ende werden aber nur die Menschen die Heilsfolgen dieses Opfers Jesu effektiv erfahren, die glauben und umgekehrt sind. Darüber sind sich sogar die einig, die in dieser Frage sonst viele Differenzen haben, aber gemeinsam keine Allversöhner sind. Das volle ewige Heil ist begrenzt, nicht unbegrenzt. Und wer an die biblisch bezeugte Allwissenheit und Vorkenntnis Gottes glaubt, wird zugeben, dass Gott schon immer und ohne Irrtumsmöglichkeit namentlich wusste, wer (welches Individuum) effektiv in den Genuss des stellvertretenden Opfers Jesu kommen wird.

NEGATIV. Im Gegensatz zur arminianischen Sicht lehrt die Heilige Schrift unter Vorkenntnis (prognosis), dass Gottes Vorkenntnis nicht einem rein informatorischen Vorher-Wissen Gottes über Handlungen oder Entscheidungen eines Menschen entspringt, dem Gott mechanisch-sklavisch folge, sondern einem vorzeitlichen Vorher-Planen Gottes, mithin Seinem Willen und Seiner Entscheidung, welches in Personen (sog. freien moralischen Agenten) mit absoluter Sicherheit Wirklichkeit wird.  „Erkennen” (z. B. Römer 9,29; 1.Petrus 1,20) bedeutet in der Bibelsprache/kultur häufig nicht nur bloße Information, sondern deutet auf eine persönliche Beziehung (des Lebens und der Liebe). Und vorhergesehen werden nicht Taten oder Entscheidungen eines Menschen (wie es das arminianische Theologiesystem lehrt), sondern die Menschen selbst, wie eine Exegese der Heiligen Schrift in Epheser 1,4 klar aufzeigt.

WARUM EIN ROMAN? Es ist erstaunlich, dass ein ernster Bibelleser auf der Suche nach Antworten zur Heilslehre einem „christlichen Roman” etwas abgewinnen kann. Da sind kirchengeschichtliche Darstellungen schon näher an der Realität. Das eine sind Geschicht(ch)en, das andere ist Geschichte. Warum wählte der Autor die Romanform? Es bleibt verborgen. Ist die Wahrheit nicht „spannend” genug? Das literarische Genre eines Romans gibt einem Schreiber aber einige Mittel an die Hand, die jemand, der sich auf eine rein sachliche Erörterung beschränkt, nicht hat. Man gewinnt den Eindruck, dass der Autor von „Fiat Lux!” mit einigen solcher Mittel bewusst hantiert:

  • Die Figuren und Charaktere eines Romans sind fiktiv, erlauben also nicht den Wahrheits- oder Faktentest, man kann sie nicht nachprüfen. Aussagen eines Romans haben mithin weder Authentizität noch Autorität für den Glauben; solche Methodenwahl ist für das Ziel der biblischen Belehrung äußerst fragwürdig
  • Sach- und Glaubensaussagen werden an konstruierte Figuren geknüpft und damit die sachliche Diskussion um objektive Heilstatsachen auf eine subjektive Ebene gezogen. Das geschieht im Roman unterschwellig und sublim. 
  • Ist Vorherstehendes gelungen, kann man von der redlichen Rhetorik auf die Eristik (unzulässige Streitrhetorik) umschwenken. Aus einer sachlichen und offenen Bewertung der Fakten (die wird im Roman ja nur vorgespielt und ist wie gesagt konstruiert) geht man in der Eristik auf eine Bewertung, Beurteilung und Verurteilung der beteiligten Personen über. Es ist sicher kein Zufall, dass der Autor den Charakter des „Rod” und den seines Förderers so negativ wählte. Wenn die Botschaft nicht passt, dann greife den Boten an! Das ist ein klassischer Argumentationsfehler bzw. eine Manipulationstechnik (sog. Brunnenvergiftung). Eine Spielart davon wird von „Anti-Calvinisten“ (wie z. B. auch dem Herausgeber) gerne gegen den „Calvinismus” eingesetzt. Bevor sachliche Argumente oder Belege dargestellt werden, wird einleitend behauptet, dass es „die anderen” sind, die »ihre Sichtweisen erbarmungslos anderen aufdrücken, selbst wenn dies Gemeinde-Spaltungen nach sich zieht. Gläubige werden oft aus ihren eigenen evangelikalen Gemeinden hinausgedrängt«. Beweise spielen hier i. d. Regel keine Rolle, Verleumdungen arbeiten ohne solche. Damit soll der Leser moralisch gegen die andere Position voreingenommen werden. Manchmal hofft man wohl auch, damit die sachlichen Schwächen der eigenen Argumentation überdecken zu können. Es wäre sicherer und angemessener (und wahrer?), wenn man einmal davon ausgeht, dass alle Seiten dieses Disputs das Potential und ggf. die Schuld haben, Böses zu tun und Übles zu verursachen. Wer das so plump auf die „Gegenseite” abschiebt, der entlarvt sich als unredlich. Für den Roman hätte sich gut ausgewirkt, wenn der Autor nicht auf diese Weise seine Leser versucht hätte zu manipulieren. 

AUSGEWOGENHEIT. Die (hypercalvinistische) Sicht von Rod und seinem skurrilen Lehrvater ist unbiblisch, ihr (fiktives) Reden und Handeln bestätigt dies. Nun wäre es wohl ausreichend gewesen, diese unbiblische Sicht anhand der ausgewogenen und geraden Wahrheit der Heiligen Schrift aufzuzeigen. (Genau das wird der Autor wohl für sich in Anspruch nehmen wollen, leistet es aber nicht.) Anstelle dessen wird ein flacher Arminianismus als Gegenlösung angeboten. Irrtum bekämpft man aber nicht mit Irrtum, sondern mit der Wahrheit, mit der ganzen Wahrheit. Es hat doch keinen Wert, den Hypercalvinismus (oder sonst einen -Ismus) mit einem anderen –Ismus zu bekämpfen. Das sind Lehrstreitereien. Es genügt der Wahrheit, als Wahrheit dargestellt zu werden. Wir müssen sie weder schmackhaft machen, noch sie unserer „Logik“, unseren Voreingenommenheiten oder unseren Emotionen unterstellen. Man kann die Wahrheit nicht „verbessern“, ohne sie zu verderben. Wir müssen auch nicht versuchen wollen, Geheimnisse logisch zu erklären. McCarthy hat der Wahrheit keinen Dienst erwiesen, wenn er dem Irrtum des Hypercalvinismus eine Spielart des altbekannten Arminianismus entgegen hält. Er folgt damit nur dem allgemeinen Trend der „Evangelikalen” in die „pelagianische Gefangenschaft”.

KEIN GRUND ZUM JUBELN. Das Buch schneidet Themen und Probleme an, die eine sorgfältigere Bearbeitung unter demütigem Gebet und auf der Grundlage der Wahrheit Gottes verdient gehabt hätten. Jede/r mag selbst entscheiden, ob er/sie nach der theologisch flachen und überdies manipulativen Lektüre den Jubelrufen des Herausgebers folgen will, die in vielen Anzeigen und Buchbesprechungen immer noch zu lesen sind. Klappern gehört zum Handwerk, und auch Plock muss mit seinem Verlag Geld verdienen. Dass dieser theologisch-seichte Roman jedoch unter die „Best Five” eines unter Evangelikalen recht bekannten Predigers und Herausgebers kommen konnte, zaubert ein dickes und ungläubiges Fragezeichen auf das Gesicht des Bibellesers.

BRÜDERLICHKEIT. Am Ende dieser Rezension sei mit Blick auf die immer heftigere Bekämpfung und teilweise boshaften Verleumdung der „Calvinisten“ seitens der „Anti-Calvinisten“ (und ähnlich miesen „Retour-Kutschen“) erinnert: Es ist uns Christen nicht gestattet, die Person des Glaubensbruders mit Häme zu überziehen oder ihn mit Unwahrheit und Unterstellung zu verleumden. Irrtum muss mit den Waffen des Lichts bekämpft werden (Römer 13,12). Die Wahrheit muss in Liebe festgehalten und bekannt werden (Epheser 4,15). Wir alle sind noch Wachsende und Lernende (1.Petrus 2,2; 2.Petrus 3,18). Die Gnade, die uns gerettet hat, gebietet und ermöglicht uns, dem unreifen wie auch dem irrenden Glaubensbruder mit Gnade und Wahrheit in Liebe zu begegnen. Das wird im Eifer des Gefechts zu schnell vergessen und generiert peinliches „Friendly Fire“.


Über den Autor von Fiat lux

James G. McCarthy oder Jim McCarthy (* 1952 in San Francisco, California) ist ein amerikanischer Theologe, Bibellehrer und Autor, früherer Katholik und jetzt evangelikaler Christ innerhalb der „Brüderbewegung“ Amerikas. James G. McCarthy ist einer der Gründer von Good News for Catholics, einer Organisation von ehemaligen Katholiken, die 1981 in Kalifornien gegründet wurde.

McCarthy wuchs in San Francisco als Sohn irischer Einwanderer auf. Anfang zwanzig trat er aus der katholischen Kirche aus, da er deren Lehren nicht mit seinem Verständnis der Bibel vereinen konnte. Er war Ältester in einer evangelikalen Freikirche (Grace Bible Chapel in San Jose). McCarthy war verheiratet mit Jean (verwitwet) und hat drei Kinder. Inzwischen (2020) lebt er in Lubbock, Texas.

[Ergänzung aus anderen Quellen:] Jim and his wife, Jean (dec.), came to Christ in their mid-twenties through a home Bible study. In the months that followed, they became more active in the Catholic faith, but left the Church two years later when convinced that Roman Catholic teaching could not be reconciled with the biblical gospel of salvation.

In 1981, Jim graduated from the Discipleship Intern Training Program (DITP), a nine-month program of Bible instruction and practical training hosted by Fairhaven Bible Chapel in San Leandro, California. In 1983, Hillview Bible Chapel in Cupertino, California, commended Jim and Jean to fulltime Christian ministry. In 1984, the McCarthys moved to Ireland to assist two Irish churches, returning to California again in 1986 when Jim was asked to join the faculty of the DITP. In 1996, they returned to Cupertino to assist in the ministry at Hillview Bible Chapel, and in 1999 helped to start Grace Bible Chapel in San Jose, where Jim served as an elder. He continues to teach in the DITP, now hosted by Grace Bible Chapel and Hillview Bible Chapel, and is a frequent speaker at Bible conferences in the U.S. and abroad. In 2013 he started Galilee Program, a Lafayette, Louisiana based discipleship and ministry training program for young adults.

When Jim came to Christ in 1975, he looked for literature to help him understand the differences between Roman Catholicism and Christianity based solely on the Bible. Disappointed with the quality and tone of what was available at the time, he began to produce his own materials. In 1981, he founded the ministry of Good News for Catholics to help distribute the new literature. Since then he has produced a popular video documentary titled Catholicism: Crisis of Faith (Lumen Productions, 1991) and has authored several books: The Gospel According to Rome (Harvest House Publishers, 1995); What You Need to Know About Roman Catholicism—Quick Reference Guide (Harvest House, 1995); What Every Catholic Should Ask (Harvest House, 1999), and Talking with Catholic Friends and Family (Harvest House, 2005). He has also coauthored a book with John Waiss, a Catholic priest and member of Opus Dei, titled Letters Between a Catholic and an Evangelical (Harvest House, 2003).More recently, Jim has begun writing on other subjects. His latest book is John Calvin Goes to Berkeley (City Christian Press, 2010), a novel about five students who try to solve the mystery of predestination.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/James_G._McCarthy [zuletzt abgerufen: 26.06.2020]
http://plymouthbrethren.org/author/15 [zuletzt abgerufen: 26.06.2020]
http://www.sweldersconf.com/speaker [zuletzt abgerufen: 26.06.2020]