Die Wahrheit wird euch frei machen

John MacArthur
Grace Community Church, Sun Valley, CA, USA
Predigt am Independance Day 04.07.2021
Leittext: Johannes 8,32b

Der US-amerikanische Theologe und Hirten-Lehrer Dr. John MacArthur, dessen Heimatgemeinde Grace Community Church in Sun Valley (Los Angeles) in der Corona-Zeit manche Schlagzeile machte und einen sehr beachteten Prozess gegen die übergriffigen Maßnahmen des Los Angeles County gewann, äußerte sich am traditionellen amerikanischen »Freiheitstag« (Unabhängigkeitstag; Independence Day) zu falschen Konzepten zur Freiheit, zur politischen Gefährdung der Freiheit und was Jesus Christus tatsächlich meinte, als er sagte: »Die Wahrheit wird euch frei machen« (Johannes 8:32b). Seine Teilanalyse zweier Bücher zum Totalitarismus der Zukunft –vor dem Hintergrund der kontemporären amerikanischen Situation– bilden folgenden Einstieg in eine Predigt über Wahrheit und Freiheit, wie sie in Gottes Wort gelehrt wird (übersetzt und adaptiert aus dem veröffentlichten Transkript durch grace@logikos.club; Quelle: siehe Endnoten).


Wie wir alle wissen, ist heute der 4. Juli; und es ist historisch gesehen ein Tag, an dem wir in diesem Land die Freiheit feiern, zurückgehend auf die Zeit, als Amerika aus einer Revolution heraus geboren wurde und sich seine Freiheit verdiente. Freiheit hat in unserer Gesellschaft immer einen hohen Stellenwert gehabt, zumindest bis heute. In den letzten paar Jahrhunderten schien die Freiheit ganz oben auf der Liste der Dinge zu stehen, die die Menschen in unserer Kultur und Gesellschaft erhalten wollten. Und im Laufe der Jahre gab es eine Redewendung, die im Zusammenhang mit der Freiheit verwendet wurde: »Die Wahrheit wird euch frei machen«.

1  »Die Wahrheit wird euch frei machen« 

Es ist interessant zu wissen, auf wie viele Arten dieser Ausspruch verwendet wurde. Er ist bekannt. Es gibt unzählige Anwendungen davon. Es gibt unzählige Interpretationen davon. Es gibt sogar einige bizarre Memes, die auf dieser Aussage aufbauen: »Die Wahrheit wird dich frei machen.« Ich nehme an, sie ist so umfassend formuliert, dass sie von vielen verschiedenen Bereichen unserer Kultur aufgegriffen wird. 

1.1 Die philosophische Deutung

Platon hat den Anfang einer philosophischen Herangehensweise an diese Aussage gemacht; und die Philosophen haben in Anlehnung an Platon gesagt: »Finde die Wahrheit, die in dir ist –Selbsterkenntnis– und sei dieser deiner Wahrheit treu – und du wirst frei sein.«  Das ist die philosophische Interpretation dieser Aussage.

1.2 Die psychologische Deutung

Es gibt auch eine psychologische Interpretation von »Die Wahrheit wird dich frei machen«. Diese lautet: »Sage die Wahrheit und du wirst frei von Schuld sein.« Sage die Wahrheit, egal wieviel Schaden du damit anderen zufügst. Sei brutal ehrlich; behalte es nicht für dich, sonst fügst du dir selbst psychischen Schaden zu. Freiheit findet man, wenn man sich gegen all die Lügen auflehnt, die man sich selbst über sich erzählt und die andere Menschen über einen erzählen. »Ihre Wahrheit wird Sie befreien, aber Sie müssen daran arbeiten, sie zu gebären«, sagte ein Psychologe.

1.3 Der zynische Ansatz

Und dann gibt es noch die zynische Herangehensweise an die Aussage »Die Wahrheit wird dich frei machen«. Ein Zyniker sagte: »Die Wahrheit wird dich schließlich frei machen, aber am Anfang wird sie dich nur wütend machen.« Meistens macht die Wahrheit nicht frei, sondern verängstigt, ängstigt, deprimiert. Manche Wahrheit wird dein Leben in Gefahr bringen. Manche Wahrheit würde dich, wenn du sie sagst, verhaften und ins Gefängnis bringen. Manche Wahrheit könnte Sie sogar der Gefahr des Todes aussetzen. Wozu also Wahrheit?

2 Die Leugnung absoluter Wahrheit

Die meisten Philosophen, Psychologen und Zyniker würden zustimmen, dass es keine echte, absolute Wahrheit gibt. Wahrheit ist das, was man für sich selbst will; es gibt keine objektive, absolute Wahrheit. Wahrheit ist das, was man für sein Wohlbefinden als Wahrheit empfindet. Sei deiner eigenen Wahrheit treu, und du wirst frei sein von den Dingen, die deine Seele quälen könnten.

2.1 Das Problem des hedonistischen Zeitgeistes

Das Problem mit der objektiven und der absoluten Wahrheit ist, dass sie sehr unangenehm ist, weil die absolute Wahrheit und die objektive Wahrheit moralische Verantwortung aufwerfen. Und das will man in einer hedonistischen Kultur keinesfalls. Die Erhöhung der moralischen Verpflichtung und Verantwortung fühlt sich nicht wie Freiheit an.

2.2 Das Problem einer politisch abhängigen Wissenschaft

»Die Wahrheit wird euch frei machen« hat auch in der Wissenschaft Einzug gehalten. Es war das Motto des California Institute of Technology (CalTech). Sie hatten »The truth shall make you free« bereits 1925 eingeführt. Aber dies hat sich in der wissenschaftlichen Welt nicht wirklich dauerhaft bewährt, denn wenn man die jüngsten Artikel von CalTech-Wissenschaftlern liest, stellt man fest, dass die Wissenschaft nicht mehr von der Suche nach der Wahrheit angetrieben und gelenkt wird, sondern im Wesentlichen von den Forschungsgeldern, die die herrschende politische Partei gewährt. Die Wissenschaft hat sich der Politik dienlich gemacht. Was auch immer die Suche nach der Wahrheit im Jahr 1925 gewesen sein mag, sie ist nun vollständig durch die politischen Vorgaben beeinträchtigt.

2.3 Das Problem einer ideologischen Politik

Und dann ist da noch die Regierung selbst. Wenn Sie das ursprüngliche Gebäude der CIA sehen würden, würden Sie auf der Vorderseite des Gebäudes eingraviert sehen: »Die Wahrheit wird euch frei machen.« Wir sind inzwischen alle ziemlich überzeugt, dass die CIA kein guter Ort ist, um die Wahrheit zu finden. Die CIA ist durch die Politik und die Ideologien unserer Kultur völlig kompromittiert worden. Man würde gerne annehmen, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in unserer Geschichte die Beschützer von allem, was wahr, richtig und gut ist, waren. Aber sie sind von der sie umgebenden Korruption selbst unausweichlich korrumpiert worden.

Es gibt also eine politische und eine soziale Freiheit, die behauptet: »Die Wahrheit wird euch frei machen.« Wie sieht das in unserer Gesellschaft aus? Ich bin, wie alle wissen, kein Sozialkritiker, aber ich denke, dass es eine Perspektive gibt, die helfen wird, wenn wir nun ein wenig über diese zeitlichen, irdischen Perspektiven der Freiheit sprechen.

3 Die Dystopien von Huxley und Orwell

Im Jahr 1932 schrieb ein bekennender Atheist namens Aldous Huxley das Buch Brave New World[1], einen dystopischen Roman, der sich mit der Zukunft befasste und davon ausging, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Westen vollständig dem Totalitarismus verfallen wäre, d. h. der Herrschaft einer dominanten Macht, in der es nur zwei Klassen gibt: die herrschende Klasse und alle Menschen, die ihr unterworfen sind. In Brave New World schilderte er, wie das Leben dort aussehen würde.

Etwa siebzehn Jahre später schrieb George Orwell, ebenfalls ein überzeugter Atheist, 1984[2], einen weiteren dystopischen Roman, der sich mit der Zukunft befasste. Als ich mich kürzlich mit diesen beiden Romanen beschäftigte, habe ich aus diesen beiden Bildern des Totalitarismus in der Zukunft des Westens ziemlich erstaunliche, vorausschauende Einsichten von zwei Atheisten gewonnen. Totalitäre Herrschaft, sagen beide, ist im Wesentlichen die absolute politisch-soziale Versklavung aller Menschen. Wir sind an das gewöhnt, was man »Chattle-Sklaverei« nennt, eine Form der Sklaverei, wo eine Person eine andere Person besitzt. Politische Sklaverei hingegen ist, wenn der Staat einen jeden seiner Bürger besitzt. Die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Arten von Sklaverei auf den Einzelnen sind leider gleich. Wir sind in der amerikanischen Geschichte an einem Punkt angelangt, an dem wir die [alte Form der] Sklaverei hassen. In der Tat haben wir eine massive Bewegung, eine Rassenbewegung, geschaffen, die sich auf die vergangene Sklaverei stützt. Die Menschen erheben sich in hehre Höhen, um die [alte Form der] Sklaverei zu verurteilen, währenddessen sie gleichzeitig bereitwillig Sklaven ihres Staates werden. Am Ende läuft es auf dasselbe hinaus: Jemand besitzt dich und du gibst deine eigene Freiheit auf.

4 Acht Wirkmerkmale des Totalitarismus

Welche Elemente der Gesellschaft und der Politik führen nun zu dieser willigen Art von Staatssklaverei? Unter Berufung auf Orwell und Huxley sagt man, dass der Totalitarismus folgendermaßen aussehen werde. Hier sind die von den Autoren genannten notwendigen Elemente:

Erstens: Man braucht eine ernsthafte Krise. Eine Krise bringt die Freiheit in Gefahr, denn eine Krise erhöht die staatliche Kontrolle. Und je schwerer die Krise ist und je mehr Kontrolle die Regierung erhält, desto mehr Freiheiten verschwinden.

Zweitens: Das Kollektiv ist wichtiger als der Einzelne. Das größere Wohl ist das Wohl der Gesellschaft, nicht das eigene. »Es ist uns egal, was Sie wollen oder was Sie denken, wir müssen die globale Erwärmung stoppen. Ihre Freiheiten sind uns egal, die Dinge, die Sie sich wünschen und die Sie wollen, können Sie nicht sagen; Sie können das nicht glauben; Sie können das nicht tun.« Denn das Kollektiv ist viel wichtiger als der Einzelne. »Der Fortschritt der LGBTQ ist auf sozialer Ebene viel wichtiger für das Wohl der Gesellschaft als alles, was Sie darüber denken.« Das Kollektiv dominiert also das Individuum. Jeder wird in das Kollektiv gezwungen.

Drittens: Man braucht eine Massenpsychose. Man braucht eine Massenpsychose, etwas, das allen Angst macht – wie eine Seuche, wie eine Pandemie, wie Masken -, die eine größere Bedrohung darstellen als die Aufgabe der Freiheit. Die Menschen gaben ihre Freiheiten überstürzt auf, als es eine Bedrohung gab, die eine Massenpsychose auslöste. Halten Sie die Täuschung aufrecht, damit sie weiterhin die Lügen glauben, und Sie eskalieren die Kontrolle.

Viertens: Kontrolle der Informationen. Kontrollieren Sie, was die Menschen hören und was sie deshalb glauben. Die Art und Weise, wie man Informationen kontrolliert, ist die folgende: Man stiftet Verwirrung, sendet alle möglichen unterschiedlichen Signale aus, so dass nichts wirklich klar ist. So schafft man eine Art von akzeptabler Irrationalität, eine Art von Wahnsinn. Man zensiert, was man nicht will; man kontrolliert die Menschen durch Technologie und Medien.

Fünftens: Hedonismus. Das ist ein dominantes Merkmal beider Romane. Lasse alle Arten von Unmoral überall gewähren. Schaffen Sie eine Situation der ungehinderten sexuellen Lust. Lassen Sie die Menschen sich völlig im Vergnügen verlieren, ohne Grenzen für jegliche Art von sexuellem Verhalten. Füllen Sie die Kultur mit Pornografie, denn solange Menschen in ihren sexuellen Gelüsten ungehindert sind, solange sie sich in hedonistischem Vergnügen verlieren, denken sie nicht nach.

Sechstens: Seichte Unterhaltung. Füttern Sie sie mit geistloser, leicht zugänglicher, unwichtiger, ablenkender, pausenlos berieselnder Unterhaltung, damit sie in einer Welt der Fantasie und der emotionalen Stimulation leben, anstatt zu denken. 

Siebtens: Drogen. Machen Sie Drogen für jedermann zugänglich. Unter Drogen stehende Menschen und betrunkene Menschen sind harmlos. 

Achtens: Spaltung und Isolation. Dies ist entscheidend, wenn man eine ganze Bevölkerung übernehmen will: Man isoliert die Menschen voneinander, [trennt sie innerlich]. Wenn man sie so voneinander isoliert, hat man die Kontrolle über das gültige Narrativ. Man nimmt den Menschen Vergleichsmöglichkeiten und Beispiele für Alternatives weg. 

Dies ist es, was sich die Atheisten als Weg zum dystopischen Totalitarismus ausgedacht haben, bei dem die Menschen abgelenkt, betäubt und unter Drogen gesetzt werden und ihre Freiheiten aufgeben.

5 Die größte Gefahr für den Totalitarismus

Was ist nun die größte Bedrohung für diese Entwicklung? Die größte Bedrohung ist ziemlich einfach: Eine andere Autorität als die [totalitaristischen Ideen nachstrebende] Regierung. 

Apropos Regierende: Blicken Sie nicht heilsverlangend auf die Politiker, um von ihnen die Lösung des Problems [der staatlich sanktionierten übergriffigen Gängelung des Bürgers] zu erwarten. Sie sind oft nicht Teil der Lösung, sondern eher Teil des Problems. Sie sind die Mächtigen; sie werden das Problem nicht lösen. Ein Nicht-Politiker hat [in unserem Land] versucht, das Problem zu lösen, aber er bekam von der Klasse der Berufspolitiker keine Unterstützung. Man kann sich nicht an sie wenden, um das Problem zu lösen, denn sie sind die Mächtigen; sie sind die Elite, die Machtgierigen, die nur noch mehr Macht wollen.

Was empfinden die Mächtigen als Bedrohung? Eine andere Autorität – zumal eine Autorität, die eine größere Autorität ist, die eine transzendente Autorität ist, die eine ewige Autorität ist und die sich auf den Seiten der Heiligen Schrift klar offenbart hat. Wer ist also ihr größter Feind? Gott. Welches ist das Buch, das sie am meisten fürchten? Die Bibel.

Ich weiß nicht, wie die Freiheit in dieser westlichen Kultur in Zukunft aussehen wird. Aber ich sehe, wie sich das alles entwickelt – und diese beiden Bücher stammen, wie gesagt, aus den 1930er bis 1940er Jahren. Aber wir haben es auf jeden Fall geschafft, alle Kästchen abzuhaken, um Totalitarismus zu schaffen. Und hier sind wir, so edel aufgebracht über die Freiheit, die den Sklaven in der Vergangenheit weggenommen wurde, während wir gleichzeitig – verdummt, dumm, gedankenlos, lüstern – unsere Freiheiten aufgeben und Sklaven des Staates werden. Am Ende ist dies nichts Anderes.

Aber wenn wir von »Die Wahrheit wird euch frei machen«  sprechen, versagt die Psychologie. Man spielt nur Gedankenspiele mit sich selbst. Die Philosophie versagt, denn die Wahrheit ist nicht in uns. Es hat keinen Wert, zynisch zu sein und zu glauben, dass die Wahrheit nicht existiere, weil es keine objektive, absolute Wahrheit gebe. Das Bildungssystem an den Universitäten versagt. Die Wissenschaft versagt, weil sie korrumpiert wird. Und wenn die Regierung versagt – und das ist beobachtbar – dann wird von ihr das offizielle Narrativ erzählt, einfach weil sie das Sagen hat. Was immer auch »Die Wahrheit wird euch frei machen« bedeutet, es hat nichts mit den Dingen zu tun, über die ich bisher gesprochen habe, denn diese sind alle mehr oder weniger korrumpiert worden. Wir sprechen über etwas anderes.

Schlagen Sie also Ihre Bibel in Johannes 8 auf. Ich weiß nicht, wie die zukünftige Politik aussehen wird. Es ist ziemlich klar, dass wir in Richtung Totalitarismus gehen – wir steuern auf Gedankenkontrolle zu, wir steuern auf Zensur zu, wir steuern auf Unmoral in einem Ausmaß zu, wie wir es noch nie gesehen haben, wo Gesetze gemacht werden, um die Unmoralischen zu schützen und diejenigen zu bestrafen, die moralisch sind. All diese Dinge sind inzwischen Realität geworden. Es ist also ziemlich klar, dass wir uns auf den Weg des Totalitarismus begeben haben, der natürlich auch schon in der Vergangenheit ausprobiert wurde und unausweichlich in einer Katastrophe endete: Stets wurden auf diesem Weg Millionen von Menschen getötet, weil die Menschen, die sich der totalitären Macht widersetzten, umkamen. Das ist geschichtliche Tatsache.

[Fortsetzung siehe: https://www.gty.org/library/sermons-library/81-120/the-truth-shall-set-you-free ]


Endnoten und Literaturhinweise

[1] Aldous Huxley: Brave New World. New York, NY: Harper & Row, 1946. First Perennial Library Edition, 1969. Rezension: Schöne Neue Welt (?) von Grace@logikos.club mit Angabe und Analyse der Merkmale und Ideen der Brave New World (BNW)

[2] George Orwell: 1984. New York, NY: Harper & Row, 1946.

Bildquelle Titelbild: »These words of Jesus are inscribed in marble on a wall at CIA headquarters in Langley, Virginia: “And you shall know the truth and the truth shall make you free” (John 8:32). Photo: Public domain.«

Bleibe beim Text, Prediger!

In 1Timotheus 4,13 sagt Paulus zu Timotheus: »Bis ich komme, halte an mit dem Vorlesen, mit dem Ermahnen, mit dem Lehren.« Beachten Sie, dass die Worte der Heiligen Schrift laut gesprochen (»Vorlesen«) werden, die Menschen werden aufgefordert, dem Wort Gottes zu gehorchen (»Ermahnen«), und die Wahrheit des Textes wird sorgfältig und gründlich erklärt (»Lehren«). Dies sind die Kernelemente einer guten Auslegungspredigt.

Es ist bezeichnend, dass die Heilige Schrift den Predigern stets die gleichen Anweisungen gibt: Sie sollen das gewisse Wort Gottes predigen – und nichts anderes: nicht unsere Meinungen, Popkultur, politische Agenden, Träume, persönliche Visionen oder andere spekulative Vorstellungen. Sie sollen die Schrift treu verkündigen (2Timotheus 4,2), ob dies leicht oder schwer ist, ob die Menschen begeistert reagieren oder auch nicht. Die Bibel ist die einzige Botschaft, die wir im Namen Christi verkünden dürfen. Alles andere ist Verrat an der der hohen Berufung des Predigers.

Wenn man eine Predigt damit beginnt, dass man die Versammelten dazu auffordert, in ihrer Bibel ein bestimmtes Kapitel und einen bestimmten Vers aufzuschlagen, dann muss man bei diesem Abschnitt bleiben, bis man gründlich erklärt hat, was der Sinn dieses Bibeltextes ist. Der Prediger muss den Text sprechen lassen, ohne zu versuchen, ihn abzuschwächen oder dessen Autorität unter dem Deckmantel der sog. politischen Korrektheit abzuschwächen. Man sollte auch nie versuchen, die Bibel an die eigenen, mitgebrachten Vorstellungen anzupassen. Niemals sollte man eine Bibelstelle auf Kosten ihrer wahren Bedeutung »auszulegen« [oder »anzuwenden«].

Ich schäme mich, es zuzugeben, aber die erste Predigt, die ich je gehalten hatte, war ein trauriges Beispiel dafür, was man mit der Schrift nicht machen darf. Ich bin so froh, dass es davon keine Aufzeichnung gibt. Mein Text war: »Und siehe, … ein Engel des Herrn kam aus dem Himmel herab und … wälzte den Stein weg« aus Matthäus 28,2. Ich gab meiner Predigt den Titel: »Die Steine in deinem Leben wegrollen«. Ich sprach über den Stein des Zweifels, den Stein der Angst und den Stein des Zorns. Zweifel, Angst und Zorn sind alles legitime Themen, aber sie haben nichts mit diesem Vers zu tun! Ich erschaudere, wenn ich daran zurückdenke. Aber ich erschaudere auch heute noch, wenn ich höre, wie Prediger ihren Text auf ähnliche Weise behandeln. Traurigerweise ist diese Art des Predigens so üblich geworden, dass der normale Kirchgänger (Gottesdienstbesucher) inzwischen meint, dass eine Predigt genau so aussehen sollte.

Die evangelikalen [dem Wort Gottes verpflichtete] Christen haben nun jahrzehntelang solches Predigen begrüßt und gefördert. Die große Mehrheit der heutigen Predigten ist so oberflächlich, dass es den Anschein hat, der Prediger wolle wohl vermeiden, irgend etwas etwas in Frage zu stellen, was seine Zuhörer bisher glaubten. Und besonders verblüffend ist, wie schnell Prediger sich von ihrem Bibeltext abwenden und sich Geschichten und Geschichtchen, Allegorien, weit hergeholten Anwendungen und schlimmerem Unsinn zuwenden. (Das muss man natürlich tun, wenn man entschlossen ist, allen Wahrheiten der Schrift aus dem Weg zu gehen, die mit den Werten und Glaubenssystemen unserer Kultur im Widerspruch stehen könnten.)

Einer der beunruhigendsten Trends auf den Kanzeln heute ist die beliebte Praxis der Personalisierung und der Überkontextualisierung der Schrift, so dass jeder Text letztlich vom Prediger selbst handelt. Wenn er die Geschichte von David und Goliath behandelt, wird er sie veranschaulichen, indem er berichtet, wie er in seinem eigenen Leben ein Goliath-großes, bedrohliches Problem siegreich überwunden hat. Wenn er über Mose und dessen Konfrontation mit dem Pharao lehrt, wird er eine Geschichte über einen symbolischen Pharao, den er überlebt und besiegt hat, erzählen. Mein Vater pflegte zu sagen: »Hüte dich vor Predigern, die stets der Held ihrer eigenen Illustrationen sind!« Wir müssen heute vor jenen Narzissten warnen, die sich selbst zum Subjekt jedes biblischen Textes machen wollen.

Bleibe dem Text treu. Es ist schließlich das Wort Gottes und nicht ein Drehbuch für Menschen, das sie überarbeiten und mit dem sie sich amüsieren könnten. Mit Paulus gesagt: »Denn wir verfälschen nicht, wie die Vielen, das Wort Gottes, sondern als aus Lauterkeit, sondern als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christus.« (2Kor 2,17). Das Wort, das hier mit »verfälschen« übersetzt wird, ist im Urtext das Verb kapēleuō (»verschachern«), eine Ableitung von kapēlos , dem griechischen Wort für »Krämer«. Es hat eine klare Konnotation von Unaufrichtigkeit und Betrug [aus Geldgier]. Es bezeichnet einen zwielichtigen Verkäufer von minderwertigen Waren, der nur darauf aus ist, schnellen Profit zu machen.

Kein Prediger, der Christus wirklich liebt, möchte das kirchliche Äquivalent eines Schlangenölverkäufers (Quacksalbers) sein. Aber seien wir ehrlich: Die Neigungen unseres gefallenen Fleisches machen auch uns anfällig dazu, nachlässig, oberflächlich, unaufmerksam und faul im vorbereitenden Schriftstudium zu sein. Die harten Anforderungen des Lebens und des Dienstes verleitet uns dazu, Abkürzungen zu nehmen, die wir nie nehmen sollten. Wir müssen diese Neigungen im Ansatz töten, müssen beständig fleißig bleiben und uns daran erinnern, dass wir es mit dem Wort Gottes zu tun haben. Uns bleibt keine Entschuldigung, wenn wir es nicht mit äußerster Sorgfalt behandeln.

Quelle: Auszug aus: John MacArthur: The Preacher And His Bible (Der Prediger und seine Bibel), in: Expositor Magazine, Nr. 6 (Jul/Aug 2015) vom 20.07.2015, S. 14–15. (Eigene Übersetzung)

Unsere Theologie bestimmt unsere Politik

Die Theologie des Menschen bestimmt seine Philosophie des Menschen, die wiederum seine politische Philosophie hervorbringt. Daraus entwickelt sich die Politik einer Nation, aus der sich das Wirtschaftssystem entwickelt. […]

Die natürliche Folge des humanistischen Menschenbildes kann nur eine kontrollierte und reglementierte Gesellschaft sein: Sozialismus, Faschismus, Kommunismus oder der Wohlfahrtsstaat, der sich nicht im Wesen, sondern nur im Grad unterscheidet.

Th. G. Rose

Thomas Gordon Rose (1928–2014)

U.S. Navy Veteran, ehem. Wirtschaftsprofessor am Grove City College, PA (USA), Autor von 7 Büchern und Hunderten von Artikeln zu wirtschaftlichen und politischen Themen

Wahre Freiheit

Nur wer Frieden mit Gott hat, der ist wirklich frei

Freiheit haben wir nur, wenn wir im Einklang mit unserem Ursprung leben, wenn wir also im Frieden mit Gott sind.

Helmut Thielicke (1908–1986) deutscher evangelischer Theologe

Freimachen kann nur die Wahrheit in Person: Jesus Christus

Jesus sprach nun zu den Juden, die ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. … Wenn nun der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein.

Jesus Christus, Sohn Gottes (Johannesevangelium 8:31–32.36)

Gottes Zorn – Muss das sein?

Für viele Menschen, egal, ob sie sich als Christen sehen oder nicht, ist die Aussage: »Gott ist Liebe.« Anfang und auch Ende ihrer Theologie. Für Heiligkeit, Zorn, Rache oder Strafe ist in diesem Gottesbild kein Platz. Entspricht dies aber der Selbstoffenbarung des einen, wahren Gottes in Seinem Wort, oder ist dies ein selbstgemachter „Gott“ (a.k.a. Götze)?

Bibelleser wissen, dass Gottes Zorn eine unverzichtbare Wirkung Seines heiligen Wesens und Seiner Retternatur ist. Ohne Gottes Zorn wäre seine Liebe nicht vollkommen. Und das ist undenkbar. Der amerikanische Theologe A. W. Tozer hat das im vergangenen Jahrhundert gut erfasst und beschrieben:

Da es Gott im Blick auf seine Welt in erster Linie um deren Übereinstimmung mit seiner Lebensordnung, das heißt um Heiligkeit, geht, zieht alles, was im Gegensatz dazu steht, sein ewiges Missfallen auf sich.

Um seine Schöpfung zu erhalten, muss Gott alles zunichte machen, was diese zerstören würde. Wenn er sich erhebt, um der Sünde entgegenzutreten und die Welt vor einem nicht wiedergutzumachenden Zusammenbruch zu retten, dann wird er in der Bibel als zornig beschrieben. Jedes Zorngericht in der Weltgeschichte stellt einen heiligen Akt der Erhaltung dar. Die Heiligkeit Gottes, der Zorn Gottes und das Wohl der Schöpfung sind unzertrennbar vereint. 
Gottes Zorn ist seine völlige Unduldsamkeit allem gegenüber, was verdirbt und zerstört. Er hasst die Sünde, wie eine Mutter die Krankheit hasst, die das Leben ihres Kindes bedroht.

Aiden Wilson Tozer (1897–1963), Das Wesen Gottes – Eigenschaften Gottes und ihre Bedeutung für das Glaubensleben (Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1996), S. 124–125.

Der amerikanische Prediger und Theologe Steve Lawson (*1951) schreibt in seinem exzellenten Buch über die Herrlichkeit und Vollkommenheiten Gottes am Ende auch ein Kapitel über den Zorn Gottes. Hier ein Auszug:

Manche Menschen sprechen so entschuldigend vom Zorn Gottes, als ob dieser die »dunkle Seite« Gottes wäre. Aber die Bibel sagt, »dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist« (1Joh 1:5). Sind wir uns also darin völlig klar: Es gibt keine dunkle Seite Gottes. Er ist ganz und völlig Licht. Jede Eigenschaft Gottes ist absolut rein und völliges Licht, einschließlich dem Zorn Gottes.

Die Heiligkeit Gottes verlangt, dass er durch die Sünde erzürnt wird. Der göttliche Zorn ist die notwendige Reaktion seiner moralischen Reinheit auf jeden und alles, was sein Gesetz bricht. Gott ist makellos, ohne jeden moralischen Makel, und er muss voll heiligen Zornes gegen jede Sünde sein. Er kann nicht gleichgültig gegenüber irgendeiner Ungerechtigkeit sein. Gott empfindet eine tiefe Empörung gegen alles Unheilige. Das gilt nicht nur für die Sünde, sondern auch für den Sünder. Der göttliche Zorn muss sich gegen alles richten, was nicht mit seiner moralischen Vollkommenheit übereinstimmt. Sonst würde Gott aufhören, vollkommen heilig zu sein.

Der Apostel Paulus schreibt: »Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen [o. niederhalten, unterdrücken]« (Röm 1:18). Das Wort »Zorn« (griech. orgē ) steht für die [im Strafgericht] entflammte Wut Gottes über die Sündhaftigkeit der Menschen. Dieses griechische Wort ist als »Orgie« in unsere Sprache eingegangen und beschreibt da die hitzigen, fleischlichen Gelüste unzüchtiger, unmoralischer Partys. Der übergreifende Gedanke, den dieses Wort hier jedoch ausdrückt, ist die Leidenschaft, die intensive, »schwer atmende« Reaktion des heiligen Gottes auf die Sündhaftigkeit des Menschen. Gott ist mit brennender Leidenschaft gegen alles entflammt, was nicht mit seiner eigenen vollkommenen Heiligkeit übereinstimmt.

Paulus betont dasselbe: »Nach deinem Starrsinn und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf am Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes« (Röm 2:5). Der »Tag des Zorns« ist eine Anspielung auf den Jüngsten Tag, an dem Gott alle offenen Rechnungen begleichen wird. Die Unbekehrten häufen Zorn auf Zorn an, der schließlich von Gott entfesselt werden wird. Sie werden an jenem Tag von einer sintflutartigen Flut des göttlichen Zorns gegen sie überrollt werden. Da Gott vollkommen gut ist, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Er jede Verfehlung in der ewigen Hölle bestraft. Der Zorn Gottes ist das notwendige Gegenstück zu Gottes vollkommener Heiligkeit.

Lawson, Steven J., Show Me Your Glory. Understanding the Majestic Splendor of God. (Sanford, FL: Reformation Trust Publishing [Ligonier Ministries], 2020). Zitiert nach: Show Me Your Glory. Kindle-Version (Sanford, FL: Reformation Trust Publishing), Kindle-Positionen 3065-3081. (eigene Übersetzung; grace@logikos.club)

Weiterführende Literatur – Eine Leseempfehlung

Thomas Chalmers (1780–1847)

»Thomas Chalmers war Pastor in Glasgow und Theologieprofessor an der Universität Edinburgh. Er wirkte 1843 maßgeblich an der Gründung der schottischen Freikirche mit, nachdem er aus der Kirche von Schottland ausgetreten war, weil sich in der Staatskirche der Unglaube einschlich.« Er schrieb in einer seiner besten Predigten über den Zorn Gottes und wie dieser in der gegenwärtigen Zeit der Gnade noch zurückgehalten wird, um letztlich im Gericht über alle unbußfertigen Sünder ungehemmt über sie auszubrechen. Die gegenwärtige Zeit ist gekennzeichnet von der Retterliebe Gottes, die alle Menschen ohne Unterschied einlädt und auffordert, zum Retter der Welt, Jesus Christus, umzukehren (d. h. Buße zu tun im Bekennen, Lassen und Hassen der Sünde) und an Ihn zu glauben für Zeit und Ewigkeit.

Den Abdruck des hier thematisch relevanten Teils dieser Predigt finden man übersetzt in: John MacArthur, Die Liebe Gottes. Einblicke in Gottes untergründliches Wesen und Handeln (5. Aufl., Augustdorf: Betanien, 2018), Anhang 1, S. 177–196. Orig.: The God Who Loves (Nashville, TN: Word Publishing, 2001). – Das genannte Buch von MacArthur ist in Gänze lesenswert und äußerst hilfreich, um das Thema des Zornes Gottes biblisch fundiert zu verstehen und richtig einordnen zu können. Dies ist heute, wo eine verschobene, schräge und unvollständige Darstellung üblich geworden ist, um so wichtiger (s. Todd M. Brenneman, Homespun Gospel: The Triumph of Sentimentality in Contemporary American Evangelicalism (Oxford: University Press, 2013).

John F. MacArthur (*1939) und Richard L. Mayhue

John MacArthur und Richard Mayhue haben eine hervorragende systematische Theologie geschrieben, die besonders auch für Nicht-Theologen lesbar ist: Biblische Lehre: Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit (2. Aufl., Berlin: EBTC, 2020. Rezension), 1360 Seiten. Orig.: Biblical Doctrine: A Systematic Summary of Bible Truth (Wheaton, IL: Crossway, 2017), 1024 Seiten.

Die Frage des Zornes Gottes und wie man diesem entgeht durch das im Evangelium dargestellte Heilswerk Gottes wird vertiefend in folgenden Abschnitten besprochen: »Sünde (propitiatio[n])«, S. 699–703 und »Die Hölle«, S. 1110–1115. Als Kurzdefinition wird »Zorn Gottes« so erklärt: »Gottes Missfallen und Hass gegenüber allem Bösen, zusammen mit seiner Absicht, es zu strafen.« (S. 1246). – Selbstverständlich ist es didaktisch sinnvoller, dem Text der Biblischen Lehre von Beginn an zu folgen, um die Grundlagen und Zusammenhänge besser zu erfassen.

Was glauben eigentlich die Amerikaner?

Alle zwei Jahre befragt eine Partnerschaft zwischen Ligonier Ministries und LifeWay Research in einer repräsentativen Umfrage erwachsene amerikanische Bürger zu ihren Überzeugungen über Gott, Errettung, Ethik, die Bibel usw. Auch 2022 wurde diese Umfrage zum »Stand der Theologie« in den USA durchgeführt (Stichprobenumfang: 3.000+). Die Ergebnisse und Auswertungen sind auf der Website thestateoftheology.com einzusehen. Teilweise wurden die Antworten der amerikanischen Gesamtstichprobe mit jenen der Untergruppe der „Evangelikalen“ statistisch verglichen. (Welche Kriterien für die Klasse »evangelikal« angewandt wurden, ist auf der Website nachlesbar.)

Zusammenfassende Auswertung

Die Umfrage zum Stand der Theologie 2022 (The State of Theology 2022) zeigt, dass die Amerikaner zunehmend den göttlichen Ursprung und die vollständige Richtigkeit der Bibel ablehnen. Da sie meinen, dass es keinen dauerhaften Maßstab für die absolute Wahrheit gibt, an dem sie sich orientieren können, halten die Erwachsenen in den USA auch zunehmend an unbiblischen Anschauungen in Bezug auf die menschliche Sexualität fest. Im evangelikalen Bereich werden Grundlehren, wie die Gottheit und Exklusivität Jesu Christi oder die Inspiration und Autorität der Bibel, zunehmend abgelehnt. Es gibt zwar positive Trends, wie die Ansichten der Evangelikalen zu Abtreibung und außerehelichem Geschlechtsverkehr, doch ist gleichzeitig auch eine Widersprüchlichkeit in ihrer Ethik zu beobachten, da immer mehr Evangelikale in den Bereichen Homosexualität und Geschlechtsidentität (Gender) eine unbiblische, säkular-ideologische Weltanschauung übernehmen.

Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die Gemeinde Jesus Christi (Kirche) sich mehr in der Apologetik und Bibellehre engagieren muss. Ungläubigen wird durch eine gut begründete Darstellung und Verteidigung des christlichen Glaubens geholfen, die Inhalte des christlichen Glaubens richtig zu verstehen. Und den Glaubenden helfen Apologetik und Glaubenslehre, wieder mehr Klarheit und Überzeugung darüber zu gewinnen, was sie glauben, und warum sie das glauben, was sie bekennen. Das Volk Gottes muss vermehrt dem Missionsbefehl Christi gehorchen, indem es den ganzen Ratschluss Gottes in der biblischen Evangelisation und Jüngerschaft weitergibt. Die Not ist groß, aber die Macht und die Verheißungen Gottes können die Gemeinde Jesu Christi dazu befähigen, einer verführten und verfinsterten Welt göttliche Wahrheit und göttliches Licht zu bringen.

Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe.

Matthäus 28, 19-20 (ELBCSV)

Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die imstande sind, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt.

2. Timotheus 3,14-17 (ELBCSV)

Quellen

USA: The State of Theology 2022 – Key Findings.

UK: The State of Theology UK 2018 (by ComRes). Das Vereinigte Königreich ist ein Missionsland geworden: Ein Drittel aller Erwachsenen gab als Antwort auf einfache Fragen des christlichen Glaubens zu: »Ich weiß es nicht!«. Sogar die sog. »Evangelikalen« (ca. 2 Mio.) dort haben teilweise irrige Ansichten über Jesus Christus und den Heiligen Geist.

Warum ich die »Frankfurt Declaration« unterschrieben habe

von
John MacArthur
Grace Community Church, Sun Valley, CA, USA
07.09.2022

Christus erklärte: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt … jetzt aber ist mein Reich nicht von hier« (Johannes 18,36). Weit davon entfernt, sich als Rivale des Kaisers (Caesar, Cäsar) aufzuspielen, sagte er, dass Seine Gemeinde einem anderen, höheren Bereich angehört als jede irdische Regierung und dass sie daher keine Bedrohung für die rechtmäßige Autorität des Kaisers darstellt. Der Zweck der christlichen Gemeinde besteht nicht darin, irdische Regierungen zu stürzen oder an sich zu reißen. Jesus bekräftigte dies, als er sagte: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist« (Matthäus 22,21).

Aber Cäsar seinerseits hat Christus immer als Widersacher und Unannehmlichkeit betrachtet. Von Herodes und Pontius Pilatus bis heute haben die irdischen Regierungen immer versucht, Christus und sein Reich zu kontrollieren. Cäsar (die »Obrigkeit«) begnügt sich nicht mit dem, was dem Cäsar gehört; er will auch die Kontrolle über die Dinge, die Gott gehören. Deshalb versuchen irdische Herrscher immer, so viel Herrschaft über die Kirche zu erlangen, wie sie nur können.

Die postmodernen Politiker von heute sind genauso entschlossen wie jede andere Regierung in der Geschichte, sich in Angelegenheiten einzumischen, die Christus betreffen. Sie setzen moralische Maßstäbe durch, die biblischen Grundsätzen feindlich gegenüberstehen. Sie nutzen die Macht der »Kanzel« Cäsars, um biblische Werte als Bedrohung für die Existenz der Menschheit darzustellen. Sie unterstützen und subventionieren sogar solche, die Kinder mit offen antichristlichen Ideologien indoktrinieren wollen. Sie bringen Durchführungsverordnungen, Regulierungsbehörden und willkürliche Auflagen hervor, die die Arbeit der christlichen Gemeinde behindern oder stoppen würden.

In den COVID-Jahren wurde Cäsars Strategie unbestreitbar offensichtlich. Staatliche Restriktionen verlangten von den Kirchen, sich nicht zu versammeln, während Kasinos und Massagesalons weiter betrieben werden durften. Die Behörden schauten weg, als linken Demonstranten freie Hand gelassen wurde, sich zu versammeln und sogar zu randalieren, aber dieselben Beamten arbeiteten unerbittlich daran, die Kirchen geschlossen zu halten.

Gehorsam gegenüber einer solch frechen, unbarmherzig unterdrückenden staatlichen Kontrolle hätte Ungehorsam gegenüber der Heiligen Schrift bedeutet. Gott befiehlt seinem Volk eindeutig, die regelmäßigen Versammlungen zur gemeinsamen Anbetung nicht aufzugeben (Hebräer 10,25). Und: »wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen« (Apostelgeschichte 5,29). Wir nahmen also unsere gemeinsame Anbetung wieder auf, was sofort den Zorn Cäsars auf uns lenkte. Die staatlichen Behörden verfolgten unsere Kirche mit allen möglichen behördlichen Geschossen: rechtlichen Forderungen, Klagen, Verfügungen und Geldstrafen. Sie drohten sogar damit, uns unseren Parkplatz wegzunehmen. Glücklicherweise setzten wir uns vor Gericht durch – ich glaube, vor allem, weil der Bezirk (County) Los Angeles nicht bereit war, seine Gesundheitsbeamten unter Eid aussagen zu lassen.

Unser Sieg in diesem Fall kam genau ein Jahr vor der Veröffentlichung der Frankfurter Erklärung. Während der Fall noch vor Gericht verhandelt wurde, veröffentlichten wir jedoch eine eigene Erklärung mit dem Titel »Christus, nicht Cäsar, ist das Haupt der Kirche«. Was wir damals erklärten, steht in voller Übereinstimmung mit dem Frankfurter Dokument.

Die Regierung der Vereinigten Staaten (und andere in der westlichen Welt) haben sich bereits als Feinde Christi erwiesen, indem sie die Abtreibung legalisiert haben, fordern, dass Homosexualität gefördert und gefeiert wird, sich weigern, die von Gott gegebenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern anzuerkennen, die gleichgeschlechtliche Ehe sanktionieren und die barbarische, heidnische Verstümmelung von Kindern fördern. Diese offenkundigen, von der Regierung geförderten Angriffe auf seit langem etablierte moralische Standards stellen eine formelle, parlamentarische Kriegserklärung gegen Gott, seine Schöpfungsordnung, sein moralisches Gesetz und die Autorität seines Wortes dar. Unsere derzeitige Regierung steht also nicht weniger in Opposition zu Gott als die Baalsanbeter des Alten Testaments. Warum sollten wir nicht erwarten, dass sie hinter Menschen her sind, die ihr Leben für die Sache Gottes und seines Wortes aufs Spiel setzen würden? Es gibt viele Anzeichen dafür, dass gesunden christlichen Gemeinden und treuen Gläubigen eine Welle harter Verfolgung bevorsteht.

Die Aufdeckung all dessen ist ein großes Problem für Kirchen, die versucht haben, Kompromisse mit der Welt einzugehen. Einige von ihnen werden die Wahrheit einfach noch offener verleugnen (einige tun das bereits). Diejenigen, die keine Kompromisse eingehen wollen, um Cäsar zu besänftigen, sollten die Frankfurter Erklärung unterschreiben.

Christus und Cäsar agieren in verschiedenen Bereichen. Die Mission der christlichen Gemeinde ist keine parteipolitische Mission. Es gibt keine politische Lösung für das, was unsere Kultur plagt. Der Auftrag der christlichen Gemeinde besteht darin, das Evangelium zu verkünden, Seelen aus dem Reich der Finsternis zu befreien und sie zu Nachfolgern Christi zu erziehen. Die Christen dürfen nicht von dieser Aufgabe abgehalten werden, um ein rein zeitliches politisches Ziel zu erreichen. Andererseits, je mehr sich Cäsar in Angelegenheiten einmischt, die Christus gehören, desto mehr muss sich die christliche Gemeinde zu ewigen und geistlichen Angelegenheiten äußern, die der Rest der Welt als rein »politisch« behandeln will. Es ist nicht das Vorrecht Cäsars, die moralischen Normen in Fragen wie Abtreibung, sexuelle Perversion, Geschlechterrollen oder anderen Angelegenheiten, in denen die Heilige Schrift klare Grenzen gezogen hat, umzuschreiben. Wir werden uns weiterhin zu solchen Themen äußern, und wenn die Regierung versucht, die Botschaft zum Schweigen zu bringen oder den Überbringer zu bestrafen, werden wir uns nicht beugen.

»Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilt ihr; denn uns ist es unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden.« (Apostelgeschichte 4,19b–20).

Quellennachweise

Die »The Frankfurt Declaration of Christian & Civil Liberties« ist hier veröffentlicht und kann dort auch unterzeichnet werden. Auch einige Übersetzungen sind dort erhältlich. Ein Vortrag der Frankfurter Deklaration in deutscher Sprache ist auf YouTube hier bereitgestellt [Stand 10.09.2022].

Originaler Blog-Artikel von John MacArthur, für logikos.club übersetzt von Grace mit Unterstützung von DEEPL.

Christus oder Cäsar? – Einige Zitate

»Siehe, da nennt er [der Herr Jesus Christus; Lukas 22] die ordentliche Obrigkeit, die aber ihre Gewalt missbrauchte, eine Gewalt des Teufels. Was könnte Klareres geredet werden? Solches redet der Herr aber nicht betreffs des Amtes, sondern betreffs ihrer Personen. Also war wohl das Römische Reich von Gott verordnet, wie wir das aus den Gesichten des Propheten Daniels ersehen. Doch so, wie Nero regierte, tat er dies nicht aus Gott, wenn auch nicht ohne Gottes Ordnung, sondern aus dem Teufel, obschon er ein König und ein Kaiser war, weil er nicht tat, was ein guter Herr und Oberer tun soll. Denn wie anders als aus dem Teufel war es, dass er die Apostel Christi kreuzigte und enthauptete und eine blutige Verfolgung der Kirchen Christi anfing. Also muss man aufpassen, dass man eine tyrannische Gewalt nicht als eine göttliche verteidige. Denn eine tyrannische Regierung ist aus dem Teufel und nicht aus Gott, und Tyrannen sind eigentlich nicht Gottes, sondern des Teufels Diener.«

Heinrich Bullinger (1504–1575): Haußbuch. Die Sechzehende Predig (Heidelberg: Martinum Agricolam, 1568), Doppelseiten LXXIIII–LXXVIII. (Fettdruck hinzugefügt)

»Sowohl die Geschichte Daniels als auch der Befehl Gottes in Matthäus 10 und das Beispiel der Apostel in Apostelgeschichte 4 und 5 […] lehren uns, dass wir dem König oder dem Magistrat nicht gehorchen dürfen, wenn ihre Befehle sich gegen Gott und die rechte Anbetung richten. Vielmehr sollen wir dann unsere Person und unser Leben und unser Glück in die Waagschale werfen.«

Heinrich Bullinger (1504–1575), Reformator in Zürich, 1554. (Fettdruck hinzugefügt)

»Wenn staatliche Rechte den Platz gottgegebener Rechte einnehmen, können wir leicht von Abtreibung über Kindesmord zu Euthanasie übergehen. […]

Da es der Staat und nicht Gott ist, der Rechte schafft, folgt daraus, dass man den Staat logischerweise nicht für Menschenrechtsverletzungen kritisieren kann. Schließlich gäbe es ohne den Staat überhaupt keine Menschenrechte. Wenn der Staat sagt, dass man kein Recht hat, den Staat zu kritisieren, dann ist das so. Der Staat gibt die Rechte und nimmt sie wieder. Chesterton hat es treffend formuliert:

›Nur wenn wir an Gott glauben, können wir jemals die Regierung kritisieren. Schafft man Gott ab, wird die Regierung zum Gott […] Die Wahrheit ist, dass Irreligion das Opium des Volkes ist.‹ [Gilbert Keith Chesterton, Collected Works, Vol. XX (San Francisco: Ignatius Press, 2001), S. 57–58.]«

Erwin W. Lutzer (*1941), Wir werden nicht schweigen. Als Christen für Freiheit und Werte eintreten (Dillenburg: CVD, 2020), S. 203. (Fettdruck hinzugefügt) Lutzer war 1980–2016 Seniorpastor der The Moody Church, Chicago, Illinois (USA).

»Lenin said that religion is the opium of the people… [But] it is only by believing in God that we can ever criticize the Government. Once abolish the God, and the Government becomes the God. That fact is written all across human history; but it is written most plainly across that recent history of Russia; which was created by Lenin… Lenin only fell into a slight error: he only got it the wrong way round. The truth is that irreligion is the opium of the people. Wherever the people do not believe in something beyond the world, they will worship the world.«

Gilbert Keith Chesterton (1874–1936), Christendom in Dublin (World Eucharistic Conference 1932), in: The Collected Works, Vol. 20. (Fettdruck hinzugefügt)

Heinrich Bullinger: Von der Obrigkeit

1568 veröffentlichte der Schweizer Reformator Heinrich Bullinger (1504–1575, Nachfolger Ulrich Zwinglis in Zürich) sein „Haußbuch“ mit einer Reihe von Predigten. Eine dieser Predigten, die sechzehnte, beschäftigte sich im Rahmen einer Betrachtung über die Zehn Gebote mit der Obrigkeit. Der folgende Text ist dem gedruckten Predigttext entnommen und sprachlich etwas unserer Schreibweise angepasst worden.

»Was die Obrigkeit sei.

Das Wörtlein Obrigkeit heißt im Lateinischen Magistratus, und hat seinen Ursprung vom Wörtlein Magister, das heißt Meister, mit welchem angezeigt wird, dass du, wenn du zur Obrigkeit gehörst, Meister, Führer von Oberen des Volkes bist. Diese werden auch die Gewalt von Gott genannt, wegen der Gewalt, die sie von Gott empfangen haben. Die Obrigkeit wird auch eine Herrschaft genannt, wegen der Herrschaft, die ihr Gott auf Erden gegeben und zugelassen hat. Und welche also herrschen, werden Fürsten genannt, von Vorstehen, denn sie sind die vordersten unter dem Volk. Also heißen sie auch Räte von raten, und Könige von regieren, Gebieter von gebieten. Darum ist die Obrigkeit an ihr selbst ein Amt und eine Verwaltung. Aristoteles beschreibt die Obrigkeit also, dass sie eine Hüterin und Erhalterin der Gesetze sei. Und Plutarchus spricht im Büchlein, in dem er lehrt, dass ein Oberer notwendiger Weise geschickt und gelehrt sein soll, spricht unter anderem so: Die Oberen sind Diener Gottes, zum Heil und zur Fürsorge der Menschen, zum Teil, dass sie ihnen austeilen, zum Teil auch bei dem erhalten, das Gott ihnen gegeben hat. Aus der heiligen Schrift aber mag die Obrigkeit also beschrieben werden, dass sie eine Ordnung Gottes sei, dass durch Hilfe und Rat der Vornehmsten die Frommen geschützt und geschirmt, die Bösen aber gestraft, und also wahre Gottesfurcht, Gerechtigkeit, Ehrbarkeit und Ruhe, auch allgemeiner und besonderer Friede, erhalten werden. Daraus folgt dann, dass im Regiment sein, und das Amt der Obrigkeit treulich auszurichten, ein Gottesdienst ist. Denn solches gefällt Gott, und dann ist Obrigkeit ein gutes Ding, aus dem trefflich viele gute Werke entspringen, wie ich in vorgehender Predigt bereits erklärt habe.

Dreierlei Obrigkeit.

[Monarchie.] Es gibt aber dreierlei Obrigkeiten, nämlich: die Monarchie, Aristokratie und Demokratie. Die Monarchie mögen wir ein Reich nennen, in dem einer die oberste Gewalt ausübt und alle Dinge verwaltet durch gerechte und angemessene [billige] Satzungen. Wenn aber ein solcher Regent die Gerechtigkeit und Angemessenheit [Billigkeit] hintanstellt und alle Dinge nach seinem Mutwillen wider Recht und Angemessenheit [Billigkeit] tut, ist er ein Tyrann und seine Gewalt eine Tyrannei, also eine grausame [grimmige] Überwältigung. Solches Laster hängt dem Reich und der Monarchie gerne an und ist dem zuwider. Aristokratie hingegen ist eine Regierung der Vornehmsten und Besten unter dem Volk, da man die allerbesten, frömmsten [frembsten] und redlichsten einer gewissen Zahl erwählt und aussucht, die dem Volk vorstehen. Diese Regierung ist erwachsen aus der Tyrannei. Denn da man anfing zu sehen, wie misslich es wäre, einem Mann alle Gewalt zu lassen, hat man angefangen, die höchste Gewalt vielen und den Besten anzubefehlen. Wenn aber solche vornehmsten Häupter unter dem Volk mit bösen Künsten und Sünden an das Regiment kommen und ihren eigenen Nutz und Frommen suchen, anstelle des allgemeinen Nutzens und des allgemeinen Wohlstand, so ist ihre Regierung damit nicht mehr eine Artistokratie, sondern eine Oligarchie zu nennen, das heißt: eine mutwillige Gewalt weniger Leute, nicht eine gerechtfertigte [billige] Regierung der Besten und Vornehmsten. Auf diese Weise werden die Oligarchen anstelle der Optimatibus, die die Besten und Vornehmsten sind, gesetzt. Demokratie ist eine solche Regierung, wo alle Gewalt beim gewöhnlichen Mann steht. Diese Regierungsform ist aus der Oligarchie erwachsen. Denn da der gewöhnliche Mann gesehen hat, dass auch die Vornehmsten und Auserwähltesten im Volk ihre Gewalt missbrauchen und zu Oligarchen wurden, hat er sie des Amtes enthoben [entsetzt] und die Gewalt behalten und mit mehreren Händen angefangen, alle Dinge zu verwalten und zu regieren. Diese Demokratie aber bricht manchmal auch aus und gerät zu einem Aufruhr und einer Zusammenrottung, wenn sich niemand regieren lassen will, und ein jeder tun will, was ihm gefällt, weil er ja genauso viel zählt, wie jeder andere gewöhnliche Mann, bei dem alle Gewalt steht.

Welche aber von diesen Regierungen die beste sei, will ich nicht urteilen. Viele sind es, die die Monarchie für die beste gehalten haben, unter der Bedingung [hinzu gesetzt], dass der Fürst gut sei, welches aber selten der Fall ist. Die aber dieser Meinung gewesen waren, haben gewöhnlich unter den Monarchen gelebt, wider die zu reden gefährlich war. Im Volk Juda und Israel findet man wenige gute – oder zumindest mittelmäßige – Könige. Darum hat Gott auch durch Samuel dem Volk nicht ohne Ursache geraten, dass sie die Aristokratie, die unter ihnen durch die allerweisesten und vortrefflichsten Männer, Mose und Jethro, aufgerichtet war, behalten sollten. Wiewohl niemand leugnen kann, dass auch bei der Aristokratie große Gefahr und Ungebührlichkeiten [Unkömmlichkeiten] mitlaufen. Viel mehr aber bei der Demokratie. Aber es steht um uns Menschen in diesem Leben ja so, dass es nichts gibt, das nicht irgend einen Mangel hätte. Darum wird das für das Beste gehalten, das obgleich nicht ohne Fehl seiend, doch im Vergleich zu den anderen am wenigsten davon hat.

Man soll aller Obrigkeit gehorsam sein.

Sei es, wie es wolle, jedenfalls heißen uns die Apostel unseres Herrn Jesus Christus, dass wir der Obrigkeit gehorsam sein sollen, sei sie nun ein König oder ein versammelter Rat der Besten unter dem Volk. Es gilt gleich. Denn Paulus spricht in der Epistel an Titus im dritten Kapitel: Erinnere sie, dass sie den Vorgesetzten und der Gewalt untertan seien, der Obrigkeit gehorsam seien. Und zu den Römern [Röm. 13.] : Jedermann sei der Obrigkeit und der Gewalt untertan, denn es ist keine Gewalt denn von Gott, alle Gewalt ist aber von Gott verordnet. Und zu Timotheus spricht er [1. Tim. 2.]: So ermahne ich nun vor allen Dingen, dass man bete und Fürbitte einlege für die Könige und für alle Obrigkeit (usw.). Darum: Ist jemand unter einem Monarchen und König, so sei demselben gehorsam. Ist er unter einer anderen Regierung, Bürgermeistern, Gemeindevorstehern [Schultheißen], Zunftmeistern, Ratsherren, so sei er ihnen desgleichen untertan. Denn es ist besser, man gehorche der Ordnung Gottes, als dass man spitzfindig viel diskutieren wolle über den Unterschied der Regierungsformen und welche von diesen die Beste sei. Dass es aber eine Obrigkeit gibt, ist uns Menschen höchst notwendig, allein schon deswegen vonnöten, weil unsere Sachen ohne eine Obrigkeit in keinem Wohlstand sein noch bleiben mögen.

Ursachen und Ursprung der Obrigkeit. Richter 19.

Denn im Volk Israel standen die Sachen nie übler, als wo sie nach dem Tode Simsons bis auf den Heli [?] keine rechte Obrigkeit hatten, sondern ein jeder tat, was ihm wohlgefiel. Denn allen Menschen ist die Eigenliebe und das eigene Wohlgefallen so angeboren, dass ein jeder allein auf das Seine sieht, dass er an allem, was er tut, Wohlgefallen hat, und das Wort und Werk anderer Leute verachtet. Ja, unsere böse Begierde und unablässliche Eigenliebe führt uns auch dahin, dass wir selbst böse Sachen verstehen als Recht zu beschirmen und sie für recht und gut ausgeben. Wer das nicht glaubt, der weiß nicht, was Menschen sind. Siehe, das Volk Israel war erst aus Ägypten erlöst und hatte erschreckende und große Wunder gesehen, und wurde in der Wüste vom Himmel herab wunderbarlich ernährt, und sah alle Tage neue Wunderzeichen. Doch höre, was Mose, der allermildeste und sanftmütigste unter allen Menschen von diesem heiligen Volk, von dem Volk Gottes, das Gott selbst ein Eigentum nennt, redet. Er spricht also zum Volk: Wie kann ich allein solche Mühe und Last und Hader von euch ertragen? Also tat sich des Fleisches Art auch in der heiligen Gesellschaft und aller herzlichsten Gemeinschaft der ersten Apostolischen Kirchen, ja in den Wiedergeborenen selbst, hervor. Denn es erhob sich ein Gemurmel unter den Griechen wider die Hebräer, weil ihre Witwen übersehen wurden in der täglichen Handreichung. Also zankten sich auch die Korinther vor den heidnischen Richtern, wofür sie vom heiligen Apostel Paulus gar heftig gescholten wurden, der sie anweist, aus den Gläubigen Schiedsleute zu erwählen, die ihre Sachen entscheiden sollen. Deshalb kann uns in dieser Sache niemand vorwerfen, das alte Volk Israel sei ein fleischliches Volk gewesen und noch nicht wiedergeboren, weil wir sehen, dass auch in denen, die wiedergeboren sind, noch des Fleisches verbliebene Schwachheit hängt, die sich immerdar, wo ihr Luft und Anlass gegeben wird, offenbaren wird, Zank und Unruhe hervorbringt, da sie wohl zufrieden sein möchte. Ganz zu schweigen davon, dass der Großteil der Welt nicht nach dem Geist fragt, sondern nur dem Fleisch nachlebt und nachhängt. Darum, weil Gott ein Liebhaber und Gönner der Menschen ist, und ein Erhalter des menschlichen Geschlechts, alles Friedens und aller Ruhe, so hat er die Obrigkeit eingesetzt, als eine Arznei und Hilfe, um den großen Übeln der Menschen zu wehren, dass sie sich mit Angemessenheit und Gerechtigkeit zwischen die lege, die miteinander zanken, sie voneinander trenne, der bösen und unangemessenen [unbillichen] Gewalt wehre, die Unschuldigen beschirme. Darum, wer diese göttliche Ordnung brechen oder aufheben wollte (wir Menschen würden dann allesamt zu Engeln), der würde nichts anderes, als eine Konfusion und Zerstörung aller Dinge, und bewirken, dass wer es am besten vermöchte, der die frömmsten und andere alle unterdrücke und ausrottete. [Die Obrigkeit ist von Gott eingesetzt den Menschen zum Guten] Darum sehen wir aus allem, was wir bisher erzählt haben, ganz klar, dass die Obrigkeit von Gott eingesetzt ist, den Guten zu schirmen und den Bösen zu bestrafen, das heißt, zum Guten und zum Wohlstand aller Menschen. Dies wird unterstützt davon, dass wir finden, dass von Anfang der Welt an stets Obrigkeiten gewesen sind. Des weiteren [item] befestigen solches die Zeugnisse der heiligen Schrift. Als dass Moses im Gesetz die Richter Götter nennt und spricht, dass das Gericht Gottes sei. Aus welchen Worten auch Josaphat genommen hat, dass er zu den Richtern spricht [2. Chr. 19]: Sehet zu, was ihr tut. Dass ihr übet das Gericht nicht für den Menschen, sondern für den Herrn. Und er ist mit euch im Gericht, darum lasst die Furcht des Herrn bei euch sein (usw.). Entsprechend heißt St. Petrus [1. Pet. 2.], der Obrigkeit gehorsam zu sein, um des Herrn willen, von welchem die selbige verordnet ist, zur Rache der Bösen und zum Lob der Frommen. So spricht auch Paulus, der Lehrer der Heiden [Röm. 13.]: Es ist keine Gewalt, als von Gott, und die Gewalt, die da ist, ist von Gott verordnet. Und wer der Gewalt widersteht, der widersteht der Ordnung Gottes. Wer aber dieser widersteht, der wird ein Urteil über sich empfangen. Denn die Gewaltigen sind nicht denen, die Gutes tun, sondern den Bösen zur Furcht. Denn sie sind Diener Gottes, dir zum Guten, und zur Strafe dessen, der Böses tut. Deshalb, wie gesagt, ist die Obrigkeit von Gott und ihr Amt gut, heilig, gottgefällig, recht, nützlich und notwendig allen Menschen, und die so von der Obrigkeit sind, und dies Amt wohl und recht verwalten, die sind Freund, Diener und auserwählte Werkzeuge Gottes, durch die Gott das Heil und den Wohlstand der Menschen wirkt und ausrichtet. Dessen wir Exempel haben an Adam, an allen Erzvätern, an unserem Vater Noah, an Josef, an Mose, an Josua, am Gideon, Samuel, David, Josaphat, Hesekiel, Josia, Daniel, und vielen anderen. Auch die nach den Zeiten unseres Herrn Jesus Christus das Amt der Obrigkeit verwaltet haben.

Gute und böse Obrigkeit.

Es gibt aber hauptsächlich zweierlei Obrigkeit: gute und böse. Eine gute Obrigkeit ist eine, die ordentlich gewählt wurde und auch ihr Amt recht verwaltet. Eine böse Obrigkeit ist eine, die nicht durch ordentliche Mittel in das Regiment gekommen ist, und die das selbige auch nicht recht, sondern nach ihrem Mutwillen verwaltet. [Ob auch die böse Obrigkeit von Gott sei] Hier aber entsteht eine Frage: Ob die böse und tyrannische Obrigkeit auch von Gott sei? Antwort: Gott ist nicht eine Ursache des Bösen, sondern des Guten. Denn Gott ist von Natur gut, und all sein Vornehmen ist gut und dient zum Guten und zum Heil, nicht zum Schaden und Verderben des Menschen. Also ist auch die Obrigkeit, als eine gute, nützliche Ordnung, ohne allen Zweifel von GOTT, der ein Ursprung und Brunnen alles Guten ist. Da muss man aber unterscheiden zwischen der Ordnung Gottes, das ist, dem Amt an sich, und der Person, die das Amt, das an sich selbst gut ist, nicht verrichtet, wie sie sollte. Wenn also in der Obrigkeit Böses gefunden wird, und nicht das Gute, weswegen sie eingesetzt ist, so entspringt dieses Böse aus anderen Ursachen und tragen andere Schuld daran, nämlich die Personen oder Menschen, die Gott nicht folgen, und die gute Ordnung missbrauchen. Und: An Gott, oder der Ordnung Gottes, ist an sich gar keine Schuld. Denn entweder ist da ein Oberster, der in sich selbst böse und von dem Teufel verführt ist, der die Wege Gottes verletzt und diese von sich aus mutwillig übertritt, so dass er besser ein teuflischer als denn ein göttlicher Herrscher [Gewalt] genannt wird. So wie wir dies sehen bei der Obrigkeit Jerusalems, welche wohl den Anfang und Ursprung ihrer Gewalt bis auf Mose, ja auf GOTT selbst hätte zurückführen [rechnen] können, welche aber den Herrn Christum in dem Garten verhaften und binden ließen, so dass der Herr zu ihren Dienern sagte [Luk. 22]: Ihr seid wie zu einem Mörder mit Schwertern und Stangen [Kolben] ausgegangen. Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und ihr habt keine Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis. 

Siehe, da nennt er die ordentliche Obrigkeit, die aber ihre Gewalt missbrauchte, eine Gewalt des Teufels. Was könnte Klareres geredet werden? Solches redet der Herr aber nicht betreffs des Amtes, sondern betreffs ihrer Personen. Also war wohl das Römische Reich von Gott verordnet, wie wir das aus den Gesichten des Propheten Daniels ersehen. Doch so, wie Nero regierte, tat er dies nicht aus Gott, wenn auch nicht ohne Gottes Ordnung, sondern aus dem Teufel, obschon er ein König und ein Kaiser war, weil er nicht tat, was ein guter Herr und Oberer tun soll. Denn wie anders als aus dem Teufel war es, dass er die Apostel Christi kreuzigte und enthauptete und eine blutige Verfolgung der Kirchen Christi anfing. Also muss man aufpassen, dass man eine tyrannische Gewalt nicht als eine göttliche verteidige. Denn eine tyrannische Regierung ist aus dem Teufel und nicht aus Gott, und Tyrannen sind eigentlich nicht Gottes, sondern des Teufels Diener. Oder es begibt sich, dass ein Volk wegen seines ungöttlichen, lasterhaften Lebens es verdient, einen Tyrannen als König zu haben. Aber auch hier kommt Gott keine Schuld zu, sondern den sündigenden Menschen, derentwegen Gott solches verhängte, und einen Angeber [Gleißner] zu ihrem Regenten macht. Hier ist also die böse Obrigkeit von Gott, wie auch Aufruhr, Krieg, Pestilenzen, Hagel, Frost [reyffen?] und anderen Plagen und Unglück der Menschen von Gott sind: Als Strafen der Sünden und Laster, wie auch Gott selbst spricht [Jes. 3.]: Ich will ihnen Kinder zu Fürsten geben und junge Kinder werden über sie herrschen, darum, dass ihre Reden und Ratschläge wider den Herrn sind, um das Angesicht seiner Majestät zu erzürnen. Also hat Gott wider sein Volk und Stadt die grausamen Könige der Assyrer und Babylonier erweckt: Weil sie seinem Wort nicht folgten und nicht taten, was sie sollten.

Ein getreuer Rat für alle Unterdrückten

Wie aber nun die Untertanen gegenüber solchen schrecklichen [grimmigen]und rohen Fürsten und Tyrannen gesinnt sein sollen, lernen wir aus dem Exempel Davids, Jeremias und den heiligen Aposteln. David wusste wohl, wer Saul war, nämlich ein gottloser und grausamer Totschläger, vor dem er fliehen musste[?]. Und obwohl er ein- oder zweimal die Gelegenheit hatte, dass er ihn wohl hätte umbringen können, tat er es doch nicht, sondern verschonte ihn und ehrte ihn als seinen Vater. Genauso Jeremia, der für den Jojakim und den Zedekia betete, obwohl sie beide gottlose Könige waren, und ihnen gehorsam war, solange es nicht wider Gott war. Dann auch vorher, als ich von dem Gebot der Verehrung der Eltern geredet hatte, hatte ich aus der Schrift gezeigt, dass man den Geboten der Gottlosen, die wider Gott sind, nicht gehorchen solle. Denn es ziemt keiner Obrigkeit, dass sie etwas tue und vornehme, das wider das Gesetz Gottes und der Natur ist. Wie sich auch die heiligen Apostel gegen die tyrannischen Obrigkeiten gehalten haben, bezeugen ihre Geschichten. Welche durch Tyrannei gedrängt, ja von gottlosen, lasterhaften Obrigkeiten wider alle Angemessenheit und alles Recht unterdrückt werden, die fassen diesen Rat. 

Aufs Erste bedenken sie, welch große Sünden die Abgötterei und Schnödigkeit und Unzucht vor Gott sind, mit welchen sie den Zorn und die Strafe Gottes verdient und wohl verschuldet haben. 

Danach bedenken sie auch, dass GOTT mit solcher Geißel und Ruten nicht aufhören wird, wo sie den falschen Gottesdienst nicht von sich tun und ihr Leben bessern. Darum ist es notwendig, dass man vor allen Dingen die Religion recht anrichte und reformiere und das Leben ändere und bessere. 

Danach soll man auch ernstlich und emsig beten, dass Gott die Unterdrückten erretten und aus dem Übel erlösen wolle. Denn diesen Rat gibt auch der Herr selbst den Unterdrückten in Lukas im achtzehnten Kapitel und verheißt dabei eine sichere Hilfe und Erlösung [V. 7–8a]. Was aber und wie die Unterdrückten beten sollen, davon haben wir hübsche Beispiele und Formeln in Daniels neuntem und der Apostelgeschichte viertem Kapitel. Unterdessen sollten alle Herzen, die also beschwert sind, auch dessen eingedenk sein, dass die vornehmsten Apostel Christi, sowohl Petrus wie Paulus, gelehrt haben, da jener spricht [2. Pet. 2. | 1. Kor. 10.]: Gott kann die Seinen wohl aus Trübsalen erretten, wie er auch den Lot gerettet hat. Dieser aber spricht: Gott ist treu, der die Seinen nicht wird lassen versucht werden über das hinaus, was sie ertragen mögen, sondern wird neben der Versuchung einen glückseligen Ausgang geben, damit sie es ertragen mögen. Dabei sollen sie auch des Gefängnisses des Volkes Gottes gedenken, als sie siebzig ganze Jahre in Babylonien gefangen gewesen waren. Item der schönen Tröstungen, mit denen sie getröstet worden waren, welche Jesaja in seiner Prophetie vom vierzigsten an bis zum neunundvierzigsten Kapitel beschreibt. Wir sollen eingedenk sein, dass der Herr gut, gnädig und allmächtig ist, weshalb er uns wohl zu helfen vermag. Und er kennt auch viele Mittel, uns zu helfen. Sehen wir nur zu, dass wir die Tyrannen nicht mit unserem vermessenen [schnöden] und gottlosen Leben stärken. Es mag der Herr die Herzen und Gemüter der Regenten (weil die Herzen der Könige in seiner Hand wie Wasserbäche sind, die er leiten kann, wohin er will) bald ändern, so dass die, die bisher am grausamsten gegen uns gewesen waren, von Stund an gütig und freundlich werden. Und jene, die die wahre Religion aufs grausamste verfolgt haben, werden von nun an (die ehemals Verfolgten) aufs Allerinbrünstigste lieben und mit größtem Fleiß fördern. Davon haben wir sehr hübsche und klare Zeugnisse in den Geschichtsbüchern der Könige. Item in den Büchern Esra und Nehemia, auch in der Prophezeiung Daniels. Auch bei Nebukadnezar [Nabuchodonosor], der sich erdreistete, die getreuen und tapferen Märtyrer Gottes im feurigen Ofen zu braten und zu vertilgen wegen ihres wahren Glaubens. Aber bald ward er ein anderer und lobte Gott, dass er sie im Feuer erhalten hatte, und fachte selbst durch veröffentlichtes Edikt und Mandat an, den wahren Gott und die wahre Religion zu predigen und auszubreiten. Ebenso Darius, der Sohn Assyriens, der Daniel in die Löwengrube werfen ließ. Aber Gott ändert ihn gleich dermaßen, dass er ihn wieder herauszog und alle Feinde Daniels in die selbe Grube den Löwen zum Zerreißen vorwarf. Kyrus, der allergewaltigste König der Perser, förderte ebenso die wahre Religion. Item Darius Hystaspes, der mit Beinamen Artaxerxes genannt wird, der dem Volk Gottes vortrefflich half in ihrem Vorhaben, die Stadt und den Tempel zu Jerusalem wieder aufzubauen. Darum sollen wir an der Hilfe Gottes niemals zweifeln. So plagt auch etwa GOTT die Tyrannen oder nimmt sie gar hinweg durch schnelle und grausam schreckliche Krankheiten. [Tyrann: tödte.] Wir sehen das daran, wie es dem Antiochio, dem großen Herodes und seinem Enkel Herodes Agrippa, ebenfalls dem Marentio und anderen Gottes und der Welt Feinden ergangen ist. Manchmal erweckt Gott auch Helden und tapfere Männer, die solche Tyrannen töten und das Volk Gottes erlösen. Viele Beispiele davon stehen im Buch der Richter und der Könige. Damit aber diese Beispiele nicht missbraucht werden, muss man dabei auf die Berufung Gottes sehen. Denn welcher diese nicht hat, oder vor dieser Berufung etwas anfacht, der wird mit seinem Umbringen der Tyrannen nichts schaffen noch ausrichten; vielmehr ist zu befürchten, dass er es nur noch schlimmer macht. Soweit zu diesem Thema.

Von Erwählung der Obrigkeit.

Damit ich aber wieder auf mein vorgenommenes Thema komme, ist auch etwas zu sagen von der Erwählung der Obrigkeit und dabei zum Ersten, wem es zusteht und gebührt, die Obrigkeit zu setzen und zu erwählen. Danach: Wen und was für Leute man dazu erwählen solle. Und zum letzten: Vom Einsetzen und Vorstellen derer, die erwählt wurden.

Wem zusteht, die Obrigkeit zu erwählen.

Vom ersten Stück, wem es zustehe und gebühre, die Obrigkeit zu erwählen, da sollte [mag] kein festes Gesetz noch eine Regel gegeben oder vorgeschrieben werden. Denn an etlichen Orten erwählt die Allgemeinheit [ein gange gemein] die Obrigkeit. An etlichen wählen aber die Oberen einander selbst. An etlichen Orten werden die Fürsten aus Geburt zu Oberherren. Bei diesen Ordnungen soll man bleiben und diesbezüglich keine Unruhe oder Neuerung verursachen. Denn gewöhnlicher Weise werden einem jeglichen Reich und einer jeden Stadt ihre alten Bräuche und Gewohnheiten gelassen, es sei denn, dass solche Bräuche und Gewohnheiten gar unangemessen oder unerträglich sind. Wo aber Fürsten aus einem Stamme oder Geschlecht her geboren werden, da soll man Gott stets treulich anrufen und bitten, dass er gute Fürsten geben wolle.

Was für Leute zur Obrigkeit sollen erwählt werden. Exod. 18.

Zum anderen aber: Wen oder was für Leute man dazu erwählen soll, das stellt uns Gott selbst vor mit diesen Worten: Siehe dich um unter allem Volk nach redlichen Leuten, die gottesfürchtig, wahrhaftig und des Geizes Feind sind. Die setze über sie zu Oberen über Tausend, über Hundert, über Fünfzig und über Zehn, dass sie das Volk allezeit richten. Da fordert Gott vier Dinge an einem guten Ratsherren. 

Zum ersten, dass er ein beherzter, tapferer, redlicher Mann sei, das heißt, dass er dasjenige verrichten möge, wozu er erwählt wird. Das Vermögen steht aber mehr im Gemüt, als denn in Leibeskräften und Gütern. Denn es wird hierbei gefordert, dass er nicht ein Tor sei, sondern weise und erfahren. Gleich wie auch von einem Hauptmann oder Heerführer gefordert wird, dass er eine Ordnung machen könne, und an einen Fuhrmann, dass er den Wagen leiten könne. Also auch an einen Oberen, das er das Regiment verwalten könne. Dabei wird dann auch Tapferkeit gefordert, dass er sich auch dessen annehme [des dörffe unterstehen?], das er kann und versteht. Denn dieses Amt bedarf großer Tapferkeit und Geduld.

[Eine Obrigkeit soll rechtgläubig sein.] Zum anderen wird gesetzt, das anerkanntermaßen das vornehmste und größte ist, nämlich, dass er gottesfürchtig sei, rechtgläubig, nicht abergläubisch. Keiner, der mit Abgötterei umhergeht, wird das Regiment erhalten, sondern es vielmehr verderben. Und wie Gottlose eben sind: Sie werden die Wahrheit und die Religion nicht fördern, sondern verfolgen sie und reißen sie aus. Darum sollen wir die erwählen, die der wahren Lehre anhängen und gesunden Glaubens sind, die dem Wort Gottes glauben und wissen, dass Gott stets bei den Menschen zugegen ist und einem jeden vergilt nach seinem Verdienst. Darum bekennt auch der Kaiser Justinianus in seinen Nouellis Constitut. 109. öffentlich, dass sein ganzer Schirm von Gott sei, warum es auch angemessen sei, dass alle Gesetze und Ordnung auf ihn sehen. Und gleich darauf: Es weiß ein jeder, dass die, welche vor uns das Kaisertum verwaltet haben, wie Leo seligem Gedächtnis, und der teure Fürst Justinus unser Vater, in ihren Constitutionibus und Ordnungen überall verboten haben allen Ketzern, das diese zu keinem Heerzug angenommen noch Gemeinschaft haben sollen in der Verwaltung der allgemeinen Ämter, damit sie nicht durch Anlass des Mitreisens oder durch Verwaltung allgemeinen Handels und Geschäften den Glauben und die Einigkeit der heiligen Katholischen und Apostolischen Kirchen zertrennen und verderben. Und solches haben auch wir getan. Dies schreibt gedachter Kaiser. Und zwar: Wer gottesfürchtig ist, der ruft Gott an und empfängt auch Weisheit von Gott. Und wenn die Oberen Freunde Gottes sind, und sich oft mit Gott besprechen, so ist gute Hoffnung,  dass es ein seliges Regiment sein werde. Hingegen ist nichts anderes zu erwarten als alles Unglück, wenn Feinde Gottes im Regiment sind. 

Zum Dritten wird auch erfordert vom jemand, den man zur Obrigkeit berufen und erwählen soll, dass er wahrhaftig sei, nicht ein Blender/Großmaul [gleißner], nicht ein Lügner, Betrüger, arglistig, der aus einem Munde Kaltes und Warmes blasen könnte, sondern dass er treu, einfältig, offenbar und aufrichtig [auffrecht] sei. Dass er nicht mehr verspreche, als er halte. Dass er den Eid nicht gering achte oder eidbrüchig sei.

Zum Vierten: Dieweil viele in der Obrigkeit nichts anderes suchen als Reichtum und Mehrung ihres zeitlichen Guts, so heißt Gott, dass solche abbestellt werden sollen, und er verbietet allen guten Oberen den Geiz, ja, er fordert, dass sie den Geiz hassen. Gleich wie er auch an einem anderen Ort verbietet, Gaben zu nehmen, sondern auch gebietet, dass man solche ausschlagen soll. Denn Geiz und Gabensucht sind ein Verderbnis auch der guten Obrigkeit. Wer geizig ist und Geschenke liebt, der ist käuflich [dem ist es alles feyl], Gericht und Recht, Rechtssprüche, Freiheit, Gerechtigkeit, ja das Vaterland selbst. Und obwohl Gott hier nur das allerschädlichste Laster nennt, so ist doch kein Zweifel, dass er damit auch andere dergleichen Laster und Untugenden verbietet und will, dass dieselben weit von einer guten Obrigkeit entfernt seien, als da sind: Hoffart, Missgunst, Neid, Hass, Zorn, Spielsucht, Völlerei, Trunkenheit, Hurerei, Ehebruch, und was dergleichen mehr ist.

Diese jetzt herangezogene Stelle wird auch durch andere Stellen des Gesetzes erklärt, wenn man sie gegenüber stellt. So wie Mose in Deuteronomium [5. Buch Mose] im 1. Kapitel zum Volk spricht: Schaffet her weise und verständige Leute, die unter euren Stämmen bekannt sind. In welchen Worten Mose abermals drei Dinge erfordert an denen, die man zur Obrigkeit setzen will. Zum ersten, dass sie weise seien. Der Anfang aber der Weisheit ist die Furcht Gottes. Darum soll man solche Leute anstellen [ordnen], die Gottes und der wahren Religion Freund seien, die auch weise und witzig, nicht Toren und Narren sind. Zum anderen, dass sie verständig seien, das heißt vorsichtig, wohlgeübt durch lange Erfahrung in allerlei Belangen [händeln], dass sie jede zufallende Sache nach Vermögen der Satzungen richten. Zum Dritten, dass sie bekannt seien, das ist, dass deren Frömmigkeit und Redlichkeit jedermann offenbar sei, dass von ihrem so angetriebenen und geführtem Leben und ihren Sitten im Wesentlichen nichts als Gutes bekannt und bezeugt sei. Dass sie auch großen Ansehens seien, nicht verachtet als leichtfertige, unnütze Leute.

In Numeri im 27. Kapitel spricht Mose: Der Herr, der Gott der Geister allen Fleisches, wolle einen Mann setzen über die Gemeinde, der vor ihnen aus- und eingehe und sie aus- und einführe, dass die Gemeinde des Herrn nicht sei wie Schafe, die keinen Hirten haben [V. 15–17]. Aus diesen Worten des teuren Propheten Gottes wir auch lernen, wen man zur Obrigkeit erwählen, und wie auch dasselbige geschehen solle. Moses bittet zum Herrn um einen geschickten Mann. Also sollen auch wir Gott, den Erforscher aller Herzen, bitten und anrufen, dass er solche Leute gebe, an denen kein Mangel oder Fehl sei. Denn wir werden oft an der äußeren Gestalt eines Menschen betrogen, dass wir etwa einen für einen frommen, aufrichtigen, gottesfürchtigen Mann halten, der aber nichts als ein großer Scheinheiliger [gleißner] ist. Gott allein aber kennt die Herzen, den soll man bitten, dass er uns im Erwählen nicht irren oder fehlen lasse. Keiner wird aber besser sein, als einer, welcher den heiligen Geist Gottes hat, und derselbe soll dann auch in allen Dingen und Handlungen tun und lassen sein. Faulbäuche richten und treiben nur andere Leute an und sehen darauf, dass sie nie an die Spitze gestellt werden. Es ist auch sehr unrecht und unangemessen [unbillich], wenn einer anderen Leuten viel vorschreibt, er aber niemals etwas Rechtes oder Gutes tut. Einer, der zur Obrigkeit erwählt ist soll ein Hirte sein, der Tag und Nacht wache und hüte, dass die Herde Gottes nicht in Gefahr komme oder zerstreut oder verderbt werde. Aus diesem Grunde sind nur solche dem Volk Gottes als Oberste zu setzen.

Von der Vorstellung oder Einsetzung der Obrigkeit.

Zuletzt noch, was die Vorstellung oder Einweihung der Obrigkeit betrifft, gibt es unterschiedliche Gebräuche hin und her, sei es in Städten oder Ländern. Jedes Volk aber sei frei gelassen in seinen Gewohnheiten. Doch ist das der beste Brauch, wo man am allerwenigsten äußerliches Gepränge, aber am allermeisten das Gebet braucht. Es ist aber nicht ohne Frucht, sondern nützlich, dass man die, die zur Obrigkeit erwählt sind, mit einer gewissen und ziemlichen Zeremonie einsetze und vorstelle, und dies vor dem ganzen Volk, damit ein jeder wisse, welche Väter des Volkes seien, und welchen er die Ehre schuldig sei, welchen er gehorsam sein solle und für welche er beten solle. Also ist auch unter dem Volk Gottes eine bestimmte Zeremonie gewesen, die sie gebraucht haben, um ihre Könige und die Obrigkeiten einzuweihen. Welches gewisslich von Gott nicht vergeblich, sondern nützlich und von notwendigen Ursachen wegen befohlen und eingesetzt worden ist. Was aber weiter von der Obrigkeit zu reden ist, wollen wir uns aufsparen bis morgen, jetzt aber den Herrn loben und anrufen. Ihm sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.«

Textquelle: Heinrich Bullinger (1504–1575): Haußbuch. Die Sechzehende Predig (Heidelberg: Martinum Agricolam, 1568), Doppelseiten LXXIIII–LXXVIII. Diese Predigt ist auf Doppelseite LXXI überschrieben mit: »Von dem anderen Gebot der anderen Tafel, welches in der Ordnung der Zehn Gebote das Sechste ist, nämlich: Du sollst nicht töten. Item von der Obrigkeit.« Der Drucktext wurde 2021 behutsam in verständlichere Rechtschreibung und Formulierung übertragen. Überschriften und Fettdruck hinzugefügt, Kursivschrift im Original. Marginalien im Original stehen fettgedruckt in eckigen Klammern oder wurden als Überschriften verwendet. Alle sonstigen Ergänzungen in eckigen Klammern wurden hinzugefügt. Verbesserungs- und Korrekturhinweise willkommen.

Johann Neuton über die biblische Lehre der Gnadenwahl

Viele kennen den Engländer John Henry Newton (1725–1807) als jenen Sklavenhändler, der sich zum Christentum bekehrte, das weltbekannte Lied Amazing Grace (1772) dichtete und später entschieden für die Beendigung der Sklaverei eintrat. Er verfasste auch viele lehrreiche Briefe, die gesammelt zu Lebzeiten veröffentlicht wurden. Im November 1775 schrieb er im Rahmen eines längeren Schriftwechsel mit einem »lieben Freund« (dem »Hochehrwürdigen Herrn S.«) folgendes:

»Sie mögen bemerkt haben, daß ich verschiedenemalen von Prädestination oder Gnadenwahl zu reden, mit Fleiß vermieden habe, nicht als wenn ich mich der Lehre schämte, weil, wenn sie in der That dumm, schrecklich und ungerecht wäre, die Schuld davon mit Recht nicht auf mich, denn ich erfand sie ja nicht, sondern auf die h. Schrift fiele, worin sie, wie ich gewiß versichert bin, in eben so deutlichen Worten vorgetragen wird, als die Wahrheit, daß Gott Himmel und Erde schuff. Ich bekenne, daß ich nicht umhin kann, mich darüber zu verwundern, daß Leute, die Hochachtung gegen die Bibel vorgeben, so geradezu und stark ihren Abscheu an dem erklären sollten, was doch die Bibel so ausdrücklich lehret, nemlich: daß Gott nach seiner Gnade und Wohlgefallen einen Unterschied unter den Menschen macht, wenn auch gleich von Natur kein Unterschied unter ihnen Statt findet, und daß alle Dinge, die die Seligkeit solcher Menschen betreffen, durch eine göttliche Predestination oder Vorherbestimmung untrüglich gesichert sind.

Ich gebe dieses nicht für eine vernünftige Lehre aus, (wiewol sie mir im höchsten Grade vernünftig vorkommt) sondern sie ist eine Schriftlehre, oder wenn sie das nicht ist, ist die h. Schrift eine blosse wäckserne Nase, und hat keinen entschiedenen Sinn. Was für Geschicklichkeit wird doch dazu erfordert, um viele Stellen so auszulegen, und ihnen einen solchen Sinn zu geben, daß sie die Vorurtheile, die wir von Natur gegen Gottes unumschränkte Oberherrschaft hegen, besser begünstigen! Math. XI, 25. 26. und XIII, 10–17. Marc. XIII, 20. 22. Joh. XVII, hin und wieder in diesem Capitel. Joh. X, 26. Röm. VIII, 28–30. und IX, 13–24. und XI, 7. Ephes. I, 4. 5. 1Pet. I, 2. […]

Jedoch, wie gesagt, ich habe mir vorgenommen, diesen Punkt dahingestellt seyn zu lassen; weil, so wahr und nothwendig auch immer derselbige an sich selbst ist, die Erkenntniß und das Begreifen desselben nicht nothwendig erfordert wird, um ein wahrer Christ zu seyn, wiewol ich auch fast nicht glauben kann, daß Einer, dem es daran fehlt, ein ächter standhafter Gläubiger seyn kann. […]

Aber ich will es ganz kurz sagen. Ich glaube, daß alle Menschen, weil sie vor Gott verderbt und strafbar sind, von Gott, ohne daß es seiner Gerechtigkeit zum Vorwurf gereichen könnte, hätten mögen sich selbst überlassen werden, um verlohren zu gehen, so wie es gewiß ist, daß er es in Ansehung der gefallenen Engel gethan hat. Allein es gefiel ihm, Barmherzigkeit zu erzeigen, und Barmherzigkeit muss frey seyn. Wenn der Sünder irgendeinen Anspruch darauf hätte, in sofern wäre es Gerechtigkeit und nicht Barmherzigkeit. Er, der unser Richter einmal seyn wird, versichert uns, daß wenige die Pforte finden, die zum Leben führet, weil viele auf dem Wege, der zum Verderben führet, wandeln, und sich untereinander drängen. […] Der Richter der ganzen Erde will Recht thun. Er hat einen Tag vestgesetzt, an welchem er es auch offenbaren will, daß er Recht gethan habe, so daß alle davon überzeugt werden sollen. Bis dahin halte ich es für das Beste, die Sache auf sein Wort anzunehmen, und nicht zu streng dasjenige zu richten, welches dem Jehovah zu thun zukommt.«

Johann Neuton [John Newton]: Unterhaltungen über wichtige Herzensangelegenheiten in Briefen an vertraute Freunde. Aus dem Englischen übersetzt. Erster Band (Elberfeld: Chr. Wilh. Giesen, 1791), S. 345–347.362–363 (17. November 1775). Hervorhebungen hinzugefügt.