Wir haben empfangen … Gnade um Gnade

Der Apostel Johannes schreibt als einer der letzten der Autoren des Neuen Testaments. Die drei synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) sind alle schon einige Jahrzehnte geschrieben und verbreitet worden. Sie portraitierten den Herrn Jesus Christus als den König und Messias Israels, den Knecht Gottes und den wahren Menschen. Aber Johannes hat einen besonderen Auftrag: Er soll von Jesus Christus als dem menschgewordenen ewigen Sohn Gottes schreiben, damit Menschen an Ihn glaubend das ewige Leben haben (Johannes 20,31).

Das erste Kapitel seines Evangeliums ist voll tiefgründiger Aussagen über Christi Gottsein, Menschsein und Sendung. Johannes vergleicht das Kommen Jesu Christi mit dem größten Führer des Volkes Gottes alttestamentlicher Zeit, mit Mose:

Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben;
die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.

Johannes 1,17 (ELBCSV 2003)

Offenbar ist in Jesus Christus ein unvergleichlich Größerer zu uns Menschen gekommen, als der große Mose: der große Gott selbst. Und offenbar hat Jesus Christus etwas unvergleichlich Größeres mitgebracht, als Mose damals übermittelnd liefern konnte, nämlich Gnade und Wahrheit. Er, der als Gott selbst Licht (1.Johannesbrief 1,5) und Liebe (1.Johannesbrief 4,8) ist, bringt „uns allen“ leuchtende Wahrheit und liebende Gnade. Und dies mitnichten spärlich, sondern im Überfließen, „aus seiner Fülle“ [πληρώματος αὐτοῦ]:

Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen,
und zwar Gnade um Gnade [χάριν ἀντὶ χάριτος].

Johannes 1,16 (ELBCSV 2003)

So wundert es nicht, dass vor allem das Evangelium nach Johannes eine Fund- und Schatzgrube für Beispiele, Aussagen und Lehren über die Gnade Gottes ist. Im menschgewordenen Sohn Gottes ist die Gnade Gottes sichtbar und für den Glauben rettend und beglückend greifbar geworden. Während der Apostel Paulus besonders erklärt, dass in Jesus die Gnade Gottes allen Menschen heilbringend erschienen ist (Titus 2,11ff), lehrt der Apostel Johannes vor allem, wie Gott seine Familie aus der verdorbenen, rebellischen Welt durch die Hingabe Seines einzigen Sohnes ans Kreuz rettet, ja: herausliebt (Johannes 3,16). Nun gilt für jeden Glaubenden, dass er im Sohn Gottes ewiges Leben hat, und zwar als Geschenk, nicht als Lohn, sondern „aus Gnade“ (Johannes 20,31).

Der amerikanische Theologe, Autor und Prediger Dr. Steven J. Lawson (Gründer und Präsident von OnePassion Ministries) hat eine Lehrreihe zu The Doctrines of Grace in John zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um 12 Kurslektionen zu je ca. 25 Minuten. Ein Kursteilnehmer hat freundlicherweise seine deutschsprachigen Notizen online zur Verfügung gestellt. Alle Rechte für den originalen Kurs bleiben natürlich beim Autor und beim Veranstalter Ligonier Ministries (Sanford, FL, USA, www.ligonier.org). Die Kursteilnahme mit offener Bibel sei hiermit wärmstens empfohlen.

Quellenverweise

  • Den Kurs in englischer Sprache (Original) kann man hier in verschiedenen Medien und Gruppenlizenzen kaufen.
  • Eine kostenlose Probelektion (Einleitung) des Kurses in englischer Sprache gibt es hier.
  • Kursunterlagen (Study Guide) in englischer Sprache (PDF; backup);
  • Kursunterlagen in englischer Sprache als Taschenbuch, Hörbuch und Audio-CD.
  • Kursnotizen (Mitschrift) in deutscher Sprache (PDF; backup).
  • Eine kürzere Abhandlung gleichen Themas des Baptisten R. Bruce Steward (1936–2006) ist in der Chapel Library der Mount Zion Bible Church enthalten (PDF).
  • Eine grundlegende Abhandlung über die Lehren der Gnade aus reformierter Sicht: James Montgomery Boice und Philip Graham Ryken, The Doctrines of Grace, Wheaton, IL: Crossway, 2002. Deutsch: Die Lehren der Gnade, Oerlinghausen: Betanien, 2009.
  • Eine dogmengeschichtliche Darstellung der Lehren der Gnade in der Plymouth-Brüder-Bewegung: Mark R. Stevenson: The Doctrines of Grace in an Unexpected Place. Calvinistic Soteriology in Nineteenth-Century Brethren Thought. Eugene, OR: Wipf and Stock, 2007). Deutsch: Die Brüder und die Lehren der Gnade. Wie stand die Brüderbewegung des 19. Jahrhunderts zur calvinistischen Heilslehre? Bielefeld: CLV, 2019.
  • Der bekannte Baptist und „Fürst der Prediger“ Charles H. Spurgeon (1834–1892) lehrte ebenfalls die Lehren der Gnade, siehe: Charles H. Spurgeon – Prediger der biblischen »Lehren der Gnade« (auf diesem BLOG).

Ein Glaube ohne Werke ist tot

Seit Jahrtausenden haben sich Christen darüber unterhalten und gestritten, wie Glauben und (Gute) Werke im christlichen Glauben zueinander stehen und miteinander gehen. Sogar der Reformator Martin Luther, der in der Rechtfertigungslehre des Neuen Testaments den Zentralartikel der christlichen Kirche sah, konnte mit der mahnenden Botschaft des Jakobus im Neuen Testament und seiner Aussage, dass die (guten) Werke zur Rechtfertigung führen, eher wenig anfangen.

Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn erretten? …
So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot.
Willst du aber erkennen, o nichtiger Mensch, dass der Glaube ohne die Werke tot ist?

Jakobus 2,14.17.20 (ELBCSV 2003)

Zu schnell wurde ein Gegensatz oder Widerspruch zwischen den Aussagen des Apostels Paulus und des Jakobus wahrgenommen oder behauptet. Beide sind jedoch in der Sache ohne jeglichen Widerspruch. Problematisch ist nur, wenn man den Begriff Rechtfertigung beider Schreiber als identisch in der Blickrichtung ansieht. Beide Schreiber meinen mit rechtfertigen dasselbe: gerecht gesprochen zu werden. Paulus spricht jedoch von der Rechtfertigung eines Sünders vor Gott und durch Gott alleine, während Jakobus von der Rechtfertigung eines Gläubigen durch seine Glaubenswerke angesichts einer beobachtenden Welt spricht: seine Glaubenswerke weisen seinen Glauben als echt aus.

Beide Glaubenslehrer stehen sich also nicht mit überkreuzten Klingen gegenüber, sondern sie verteidigen die selbe biblische Wahrheit Rücken an Rücken gegen unterschiedliche Feinde dieser Lehre: Paulus gegen jene, die mit eigener Frömmigkeit und Werken sich die Annahme bei Gott erarbeiten wollen, Jakobus gegen jene, die meinen, der rettende Glaube in Christus habe nichts mit einem entsprechenden Weg in guten Werken des Glaubens zu tun. Allerdings muss man festhalten, dass beide Schreiber beide Aspekte kennen und lehren. Wenden wir uns zuerst dem Fundamentalartikel der Rechtfertigung allein aus Glauben zu.

Die Schrift lehrt einstimmig die Rechtfertigung »allein aus Glauben«

Sowohl Paulus wie Jakobus halten einmütig und mit der selben zentralen Belegstelle der Schrift fest, dass die Gerechterklärung des Sünders durch Gott alleine auf der Grundlage des Glaubens (d. i. alleine mittels des Glaubens) erfolgt. Beide deuten auf das Glaubensvorbild Abraham und zitieren als Schriftbeleg 1. Mose 15,6:

Und die Schrift wurde erfüllt, die sagt: „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“, und er wurde Freund Gottes genannt.

Jakobus 2,23 (ELBCSV 2003)

Denn was sagt die Schrift? „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet.“

Römer 4,3 (ELBCSV 2003)

Etliche Jahre nach Jakobus schreibt der Apostel Paulus also, dass die Rechtfertigung des Sünders, also seine Für-gerecht-Erklärung seitens Gottes, eine exklusive Sache Gottes ist, die mittels des Glaubens und nur aufgrund des Glaubens, also unter Ausschluss der Anrechnung von Werken (»Gesetzeswerken«), erfolgt.

Darum, aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden. … Denn wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke. …
Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet;

Römer 3,20a.28; 4,5 (ELBCSV 2003)

Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens; und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.

Epheser 2,8-9 (ELBCSV 2003)

Da die Rechtfertigung nach der Schrift »allein durch Glauben«geschieht, stellt dies sicher, dass alle Ehre allein Gott zukommt. Sind wir nicht aufgrund eigener Werke, sondern alleine durch das rettende Werk Jesu gerechtfertigt, dann gebührt alles Lob für unser Heil alleine Ihm. Die Absicht Gottes mit der Rechtfertigung ist also – wie bei allen anderen Aspekten des Evangeliums auch – die Offenbarung und Verherrlichung Gottes: Soli Deo Gloria.

Die reformatorische Position zu Glauben und Werken

Dieses »allein durch Glauben« haben die Reformatoren in ihren grundlegenden vier Exklusivpartikeln mit sola fide bezeichnet: Allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt, nicht durch gute Werke. Dies ist wegen der Altlasten der römisch-katholischen Theologie und der menschlichen Wesensneigung, sich durch eigene Anstrengungen den Weg in den Himmel zu bahnen und sich die Anerkennung seitens Gottes zumindest teilweise zu verdienen, nicht unwidersprochen geblieben.

Martin Luther erklärte 1531 in seiner Wittenbergschen Vorlesung über den Galaterbrief (1535 schriftlich gefasst von Georg Rörer aus seinen Mitschriften) folgendes über Glauben und Werke (zu Galater 2,19):

Daher sagen wir auch, daß der Glaube ohne Werke nichts und nichtig ist. Das verstehen die Papisten und Schwärmer so: der Glaube ohne Werke kann nicht rechtfertigen, oder der Glaube ohne Werke, wenn er noch so wahr ist, vermag nichts, wenn er nicht Werke hat. Das ist falsch. Aber ein Glaube ohne Werke, will sagen ein schwärmerischer Gedanke und ein leeres Geschwätz und ein Traum des Herzens, ein solcher Glaube ist falsch und rechtfertigt nicht.

Martin Luther, Der Galaterbrief. 2. Auflage. Göttingen: Vadenhoeck & Ruprecht, 1987. Textquelle digital.

Johannes Calvin war vielleicht der erste Reformator, der gegen die falsche römisch-katholische Lehre Stellung bezog, die das Konzil zu Trient (6. Sitzung Cum hoc tempore (1547) über die Rechtfertigung, 9. und 11. Kanon) wie folgt formuliert hatte:

9. Wenn jemand sagt, der Sündhafte werde allein durch den Glauben gerechtfertigt; so dass er damit versteht, es werde nichts anderes, das zur Erlangung der Rechtfertigungsgnade mitwirke, erfordert, und es sei keinen Teils notwendig, dass er sich aus Antrieb seines Willens dazu vorbereite, und bereitsam mache, der sei im Bann.
11. Wenn jemand sagt, die Menschen werden gerechtfertigt entweder allein durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi, oder allein durch die Nachlassung der Sünden, mit Ausschluss der Gnade und der Liebe, welche durch den Heiligen Geist (Röm 5,5) in ihre Herzen ausgegossen wird, und ihnen innehaftet, oder auch, die Gnade, durch welche wir gerechtfertigt werden, sei nur eine Gunst Gottes, der sei im Bann.

Deutsche Textquelle: http://www.kathpedia.com/index.php?title=Cum_hoc_tempore [16.02.2021]

Calvin schrieb im gleichen Jahr (1547) eine Antwort auf die Konzilsbeschlüsse und formulierte zum biblischen Zusammenhang von Glauben und Werken u. a. folgendes:

Ich möchte, dass der Leser versteht, dass wir, wenn wir in dieser Frage vom Glauben allein reden, nicht an einen toten Glauben denken, welcher nicht durch die Liebe wirkt, sondern dass wir daran festhalten, dass der Glaube allein die Ursache der Rechtfertigung ist (Galater 5,6; Römer 3,22). Daher ist es allein der Glaube, welcher rechtfertigt, und trotzdem steht jener Glaube, welcher rechtfertigt, nicht alleine da: Genauso wie es allein die Hitze der Sonne ist, welche die Erde erwärmt, so ist doch die Hitze der Sonne nie alleine, weil sie beständig mit dem Licht verbunden ist.

Johannes Calvin, Antidote to the Canons of the Council of Trent, in: Henry Beveridge (Übs.). Tracts and Treatises in Defense of the Reformed Faith. 1851. Nachdruck (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1958) Bd. 3. S. 152. Übers. des Verf.

Eine weitere Spur davon kann man in der Konkordienformel (Formula Concordia, 1580) nachvollziehen, welche einen Versuch darstellt, Zerwürfnisse beizulegen, die nach Luthers Tod zwischen der eher milden Melanchthonschen Richtung (Philippismus) und der eher streng lutherischen Richtung (Gnesiolutheraner) entstanden waren. Unter Artikel III. Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott wird Folgendes als rechtgläubig bestätigt:

8) Wir gläuben, lehren und bekennen, daß, obwol vorgehende Reu und nachfolgende gute Werk nicht in den Artikel der Rechtfertigung vor GOtt gehören, jedoch sol nicht ein solcher Glaube gedichtet werden, der bey und neben einem bösen Vorsatz zu sündigen, und wider das Gewissen zu handeln, seyn und bleiben könte; sondern nachdem der Mensch durch den Glauben gerechtfertiget worden, alsdann ist ein warhaftiger lebendiger Glaube durch die Liebe thätig, Galat. 5 [v. 6]. Also, daß die gute Werk dem gerechtmachenden Glauben allzeit folgen und bei demselben, da er rechtschaffen und lebendig, gewislich erfunden werden; wie er denn nimmer allein ist, sondern allzeit Liebe und Hoffnung bey sich hat.

Formula Concordiae Epitome. Summarischer Begrif der streitigen Artikel, zwischen (…), Artikel III. Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott, Punkt 8 (1577). Textquelle (Druck von Gebauer, Halle, 1747), S. 16 [850]. Betonung mit Unterstreichung ist im Original mit Sperrdruck geschehen. Fettdruck hinzugefügt.

Unter Artikel IV. Von guten Werken wird Folgendes hinzugefügt:

1) Daß gute Werke dem warhaftigen Glauben, wann derselbige nicht ein todter, sondern ein lebendiger Glaube ist, gewislich und ungezweifelt folgen als Früchte eines guten Baums.
2) Wir gläuben, lehren und bekennen auch, daß die guten Werke gleich so wol, wenn von der Seligkeit gefraget wird, als im Artikel der Rechtfertigung vor GOtt gänzlichen ausgeschlossen werden sollen, wie der Apostel mit klaren Worten bezeuget, da er also geschrieben: … Röm. 4. [v. 6.7.] Und abermals: … Ephes. 2. [v. 8. 9.] (…)
10) Wir gläuben, lehren und bekennen auch, daß den Glauben und die Seligkeit in uns nicht die Werke, sondern allein der Geist GOttes die Seligkeit durch den Glauben erhalte, des Gegenwärtigkeit und Inwonung die guten Werke Zeugen seyn.

Formula Concordiae Epitome. Summarischer Begrif der streitigen Artikel, zwischen (…), Artikel IV. Von guten Werken. Textquelle (Druck von Gebauer, Halle, 1747), S. 18–20 [852–854]. Betonung mit Unterstreichung ist im Original mit Sperrdruck geschehen. Fettdruck hinzugefügt.

Will man die biblische Lehre (wie sie im reformatorischen Glauben auch erfasst wurde) sehr vereinfacht mit prägnanten Formeln zusammenfassen, so mag dies so aussehen:

Zu verwerfen: Glaube + Werke = Rechtfertigung.
Festzuhalten: Glaube = Rechtfertigung + Werke

Der Glaube, mittels dessen Gott die Rechtfertigung ausspricht, ist stets ein Glaube, der als lebendiger Glaube auch entsprechende Glaubenswerke zeitigt. Fehlen solche Werke, obwohl Glaube behauptet wird, so lautet die biblische Diagnose: dieser Glaube ist tot, er rettet nicht.

Die Schrift lehrt einstimmig, dass rettender Glaube und Glaubenswerke wesensartig zusammen gehören

Man muss also klar zwischen Glauben und Werken unterscheiden, aber man darf und kann sie –wie die beiden Seiten derselben Münze– nicht voneinander trennen, ohne die ganze Sache zu verlieren.

Paulus wie Jakobus lehren, dass ein von jemand behaupteter Glaube ohne Werke tot und damit im Wesen (Jakobus: »in sich selbst«) nicht der rettende Glaube ist. Die Lebendigkeit (und damit Echtheit) des rettenden Glaubens wird sich stets beweisen in seiner von göttlicher Liebe motivierten Wirksamkeit:

So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot.

Jakobus 2,17 (ELBCSV 2003)

Denn wir erwarten durch den Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit. Denn in Christus Jesus vermag weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirkt.

Galater 5,5-6 (ELBCSV 2003)

Wegen dieses wesensartigen Zusammenhangs kann der Apostel Johannes diesen in seinem Ersten Brief in die Reihe seiner Gotteskind-Prüfsteine mit aufnehmen. »Ihn kennen« markiert den Empfang des ewigen Lebens (Gotteskindschaft), »seine Gebote halten« das Kindeswesen der Liebe gegenüber Gott, das sich im Gehorsam äußert (vgl. 5. Mose 6,4ff).

Und hieran wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht. Wer aber irgend sein Wort hält, in diesem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet. Hieran wissen wir, dass wir in ihm sind. (…)
Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.

1. Brief des Johannes 2,3–5; 5,2–3 (ELBCSV 2003); vgl. 3,22.24

Weil die Lebensbekundungen des neuen Lebens in Christus kein Mechanismus ist, sondern nach Philipper 2,12–13 vielmehr ein wesenseigenes Wirken des glaubenden, gottesfürchtigen Menschen, zu dem er Dank Gottes Wirken in ihm sowohl motiviert als auch befähigt ist, sind diese Lebenserweise des Glaubenden wachstümlich und damit stets unvollkommen. (Ergänzend sei bemerkt, dass mit »euer eigenes Heil« nicht die ewige Errettung der Philipper gemeint ist, denn diese hatten sie offenbar: sie waren »Heilige in Christus Jesus« (1,1), es war ihnen von Gott geschenkt worden, »an ihn zu glauben« (1,29) und ihr »Bürgertum war in den Himmeln« (3,20). Paulus forderte sie angesichts ihrer großen internen Probleme als Gemeinde vielmehr dazu auf, diese in einer christusähnlichen Gesinnung von Demut und Liebe heilstiftend zu lösen.)

Daher, meine Geliebten, … bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.

Philipper 2,12-13 (ELBCSV 2003)

Der Herr Jesus Christus selbst hat den organischen (wesensartigen) Zusammenhang zwischen Glauben und neuem Leben und zwischen neuem Leben und Frucht vielfach in seinen Gleichnissen und Predigten gelehrt. Besonders eindrucksvoll ist dazu sein erstes Gleichnis vom Sämann und den vier Ackerböden (Matthäus 13,3–9; 18–23; vgl. Markus 4,1–12; 13–20; Lukas 8,4–15). Anhaltende Frucht ist Beweis dafür, dass der Same empfangen (aufgenommen) wurde und lebendig ist. Kurzfristiges Aufblühen kann diesen Beweis nicht liefern. Die Frage nach der Quantität (Menge) der Frucht wird nur insofern angesprochen, als dass sie größer Null sein muss; ob sie »30-, 60- oder 100fältig« ist, ist Sache des Wachstums und Wirkungsgrades, jedoch keine Anfrage an die Echtheit (Qualität) der Frucht. (Damit ist auch der Fall des gläubigen Verbrechers neben Christus am Kreuz geklärt.)

Auch bei der Beurteilung von Menschen, die sich als Diener Christi ausgeben (im Dienst als Christen ausgeben), verordnet Christus seinen Nachfolgern zur Urteilsfindung die Beurteilung der »Früchte« dieser Arbeiter. Sein Argument setzt voraus, dass das Wirken eines Menschen stets in Übereinstimmung mit seinem Wesen ist, die Frucht eines Baumes identifiziert eindeutig den Baum. Der Kontrast ist hier nicht wie beim Sämann-Gleichnis zwischen (bleibender) Frucht und Fruchtlosigkeit, sondern zwischen guter und schlechter Frucht.

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Sammelt man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte bringen, noch kann ein fauler Baum gute Früchte bringen. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Deshalb, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Matthäus 7,16-20 (ELBCSV 2003)

Christus sprach auch das altbekannte Problem an, dass die Rede und das Bekenntnis eines Menschen nicht unbedingt mit seinem Wesen und seiner Realität in Übereinstimmung sein müssen. Das Phänomen der Heuchelei, des guten Scheins und des buchstäblichen Pharisäertums ist ja seit dem Sündenfall ein allen Menschen anhaftendes Übel. In seiner Argumentation macht der Herr Jesus deutlich, dass wir die Werke eines Menschen genau ansehen müssen, um sein Bekenntnis zu prüfen, das Sagen eines Menschen muss vom Tun her beurteilt werden, und zwar danach, ob es Ausdruck des Gehorsams gegen Gottes Willen ist:

Nicht jeder, der zu mir sagt: „Herr, Herr!“, wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist.

Matthäus 7,21 (ELBCSV 2003)

Gegenüber den elf glaubenden Aposteln erklärt der Herr Jesus, dass das Geheimnis anhaltenden und sich steigernden Fruchtbringens die Lebensverbindung mit Ihm selbst ist (Johannes 15,1–8):

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, dieser bringt viel Frucht, denn außer mir könnt ihr nichts tun.

Johannes 15,5 (ELBCSV 2003)

Neuzeitliche Debatte

Aus der Geschichte des Volkes Gottes wissen wir, dass der Feind Gottes, der Ur-Lügner Satan, die Wahrheit immer gleichzeitig in beide Richtungen verfälscht, um sicher von der Wahrheit wegzuführen, egal, wie die jeweilige Neigung des Opfers seiner Verführung ist. Am Beispiel der Gemeinde in Korinth ist besonders gut zu beobachten, dass der Teufel seinen Irrtum immer in Paaren der Extreme serviert. C. S. Lewis (1898-1963) schrieb in Mere Christianity (dt.: Pardon, ich bin Christ): »Der Teufel versucht, uns ein Schnippchen zu schlagen. Er schickt der Welt die Irrtümer immer paarweise auf den Hals, in Paaren von Gegensätzen. Und er stiftet uns ständig dazu an, viel Zeit dadurch zu vertrödeln, nachzugrübeln, welches der schlimmere Irrtum sei. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Er baut auf unseren tiefen Unwillen gegen den einen Irrtum, um uns Schritt für Schritt in den anderen hineinzuziehen.«

Die biblische Mitte, die göttlich geoffenbarte Wahrheit nach links und rechts zu bewahren, ist also keine Sache, bei der wir uns schräge oder einseitige Blicke und Vorlieben erlauben dürfen. Bei den Korinthern kann man beispielsweise beobachten: Das Gottesgeschenk der Sexualität darf weder in grenzenloser Ausschweifung missbraucht noch in asketisch-philosophischer Verweigerung verachtet werden. Abusus non tollit usum.

Auch in der Frage, wie rettender Glaube und gute Werke zusammengehören, kann man auf beiden Seiten vom Pferd fallen:

(1) Die Einen verbinden Glauben und Werke so sehr, dass Rechtfertigung und Heiligung zu einem nicht unterscheidbaren Gemisch und Komplex werden, das den biblischen Grundsatz der Rechtfertigung allein aus Glauben verleugnet und die Rechtfertigung zu einem Prozess macht, den unsere Werke maßgeblich beeinflussen. Die Folge ist meist irgendeine Form der Gesetzlichkeit, also jenem Verständnis, dass unsere Werke zu unserem ewigen Heil beitragen. Dass die Schrift dies kategorisch ausschließt, wurde oben schon belegt. Die römisch-katholische Lehre hält bis heute an diesem Irrtum fest.

(2) Die Anderen trennen Glauben und Werke kategorisch so sehr, dass der wesensartige Zusammenhang zwischen beiden verleugnet wird. In den gnostisch beeinflussten Strömungen in der Christenheit führt dies zu einer Trennung der Dinge des Geistes („oben“, geistlich) von den Dingen des Fleisches („unten“, irdisch), wobei das Geistliche das Wesentliche und Wertvolle, das Irdische aber das Unwesentliche und Wertlose sei. Von dort ausgehend irrt man dann auseinandergehend entweder zur Zügellosigkeit (Antinomismus), weil das Irdische, Leibliche nichts mit dem Glauben zu tun habe, oder zu einem alles Irdisch-leibliche entsagenden und verachtenden Asketismus (häufig in den geweihten Ständen anzutreffen). Es ist aber gleichartig falsch, einem Rasputin oder dem Trappistenorden zu folgen.

Die amerikanischen Evangelikalen haben sich in dieser Frage ebenfalls sehr grundlegend auseinander dividiert. Leider hat sich dieser Streit durch die Medien weltweit ausgebreitet.

(1) Die sog. Non-Lordship-Salvation-Richtung leugnet, dass der Erweis des rettenden Glaubens etwas mit einem Leben in Gottesfurcht und mit entsprechenden Glaubenswerken zu tun hat. Zu den Vertretern dieser falschen Richtung gehören bekannte Theologen wie Lewis Sperry Chafer (1871–1952), der Gründer und erste Präsident des renommierten Dallas Theological Seminary (DTS), und Charles C. Ryrie (1925–2016), Professor für Systematische Theologie dieser Hochburg des amerikanischen Dispensationalismus. Ryrie war auch Gastdozent an der Bibelschule Brake in Lemgo (1998–2004), seine Studienbibel (NT 1976, Gesamtbibel 1978, erweitert 1994, deutsch 2012) erfreute sich größter Auflagen und Verbreitung, besonders auch innerhalb der sog. Brüderbewegung (Plymouth Brethren, Elberfelder Brüder). Ryrie lehrte noch, dass die Echtheit des rettenden Glaubens in »gewissen Veränderungen« sichtbar wird: »Mit der Errettung gehen gewisse Veränderungen einher, und wenn ich einige dieser Veränderungen sehe, dann kann ich sicher sein, das neue Leben empfangen zu haben.« (Charles C. Ryrie: Hauptsache gerettet? Was Errettung bedeutet, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg 1998, S. 150).

Zane Clark Hodges (1932–2008), Professor am DTS, formulierte die wohl extremste Trennung von Glauben und Werken in seiner Free Grace Theology. In dieser Radical No-Lordship Theology genannten Ansicht reicht eine rein intellektuelle Zustimmung zu gewissen Heilstatsachen völlig aus, um das ewige Heil zu erhalten. Abwendung von der Sünde, Lebensübergabe an Christus und Gehorsam gegenüber den neutestamentlichen Geboten sind nicht Teil des rettenden Glaubens, sondern gehören zum Bereich der (evtl. später noch folgenden) Nachfolge bzw. christlichen Lebensführung. Gläubige können dauerhaft in die Sünde zurückfallen und den Glauben sogar ganz aufgeben, ohne dass man daraus den Schluss ziehen dürfe, dass diese Person nicht gerettet war und ist. Diese Free Grace Theology wendet sich zurecht gegen den „Arminianismus“, der lehrt, dass dauerhafte Sünde oder Abfall vom Glauben den Verlust des ewigen Heils nach sich ziehe, aber sie wendet sich auch gegen die biblische Lehre, dass der hohepriesterliche Dienst Christi alle wahren Gläubigen bis zum Ende im Glauben erhalten wird (Lukas 22,32; 1. Korinther 1,8; vgl. Punkt 5 der Lehrregeln von Dordrecht). Der Inhalt des rettenden Evangeliums wurde von Hodge so weit eingeschränkt, dass man weder an das Kreuz noch an die Auferstehung Jesu glauben müsse, sondern nur noch an die Verheißung des ewigen Lebens. Alle Arten von Werken, vor der Neugeburt (was biblisch richtig ist) und nach der Neugeburt (was falsch ist) hätten mit dem rettenden Glauben nichts zu tun. Die 1986 gegründete Grace Evangelical Society (GES) vertritt diese radikalen Ansichten heute am deutlichsten.

(2) Die sog. Lordship-Salvation-Richtung hingegen behauptet, dass der Erweis des rettenden Glaubens etwas mit einem Leben in Gottesfurcht und mit entsprechenden Glaubenswerken zu tun hat. Der bekannteste Vertreter dieser Richtung ist der kalifornische Pastor John F. MacArthur (*1939), ehemaliger Präsident von The Master’s University, The Master’s Seminary und des Missionswerks Grace to You sowie Herausgeber der weit verbreiteten MacArthur Studienbibel (über 2 Mio. Kopien). Seine Zentralposition ist, dass das Evangelium, das Jesus Christus predigte, ein Aufruf zur gehorsamen Nachfolge (Jüngerschaft) ist, nicht nur eine Bitte, eine einmalige Entscheidung zu treffen oder einmal ein „Übergabegebet“ zu sprechen. Mit außerordentlicher Klarheit vertritt MacArthur die in der Reformation wiederentdeckte biblische Lehre, dass die Rechtfertigung des Sünders und mithin sein ewiges Heil allein aus Gnade, allein aus Glauben und allein in Christus zu finden ist. Eigene Werke fügen dem nichts hinzu, weder solche vor der Neugeburt, noch solche nach der Neugeburt von oben. Die Entkopplung des ewigen Heils vom Ruf und den Kosten der Christus-Nachfolge hingegen wird als „easy believism“ bezeichnet und als unbiblisch abgewiesen. Die Befreiung von den Gebundenheiten der Sünde geschieht nach der Heiligen Schrift vielmehr durch existentielle Übergabe des Lebens an Christus, was Umkehr vom tödlichen Weg (Lebensstil) des Sünders und wirkliche Freiheit des so geretteten Menschen bedeutet. Das »Wort des Glaubens« und der darauf beruhende, rettende Glaube schließt den Glauben an Christus als Retter wie auch an Ihn als Herrn mit allen rettenden Konsequenzen ein.

Das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil.

Römer 10,8-10 (ELBCSV 2003)

Das Hören, Glauben und Gehorchen ist keine extern aufgepresste Haltung des Christen, sondern das innere Wesen des an Christus Glaubenden. Wer eines Seiner Schafe (geworden) ist, glaubt, hört und folgt dem Sohn Gottes:

…aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen, wie ich euch gesagt habe. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.

Johannes 10,26-28 (ELBCSV 2003)

Martin Luther hat es mit seinem ihm eigenen Duktus schön zusammengefasst:

Es reimen und schicken sich fein zusammen der Glaube und die guten Werke, […] aber der Glaube ist es allein, der den Segen ergreift, ohne die Werke, (der) doch nimmer und zu keiner Zeit allein ist.

Formula Concordia, Zweiter Teil, Solida Declaratio, Wiederholung und Erklärung etlicher Artikel Augsburgischer Konfession…, III. Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott, Nr. 41. (Orig. Luther: »Bene conveniunt et sunt connexa inseparabiliter fides et opera; sed sola fides est, quae apprehendit benedictionem sine operibus, et tamen nun quam est sola.«) Textquelle.

Weiterführende Literatur

John F. MacArthur hat die theologische Auseinandersetzung ausführlich in mehreren Büchern dargestellt. Am deutlichsten wird die „Lordship Salvation“-Debatte von ihm im Buch The Gospel According to the Apostles: The Role of Works in the Life of Faith niedergelegt (Thomas Nelson, 2005, 266 Seiten, ISBN 978-0785271802). Weitere Abhandlungen MacArthurs über das biblische Evangelium sind folgende: The Gospel According to Jesus: What Is Authentic Faith? (Zondervan, 2009; dt.: Lampen ohne Öl, 2. Aufl., CLV, 2012); The Gospel According to Paul: Embracing the Good News at the Heart of Paul’s Teachings (Thomas Nelson, 2018); The Gospel according to God: Rediscovering the Most Remarkable Chapter in the Old Testament (Crossway, 2018).

Der Verführung, das biblische Evangelium dem modernen Menschen zeitgeistmäßig schmackhaft(er) zu machen, trat MacArthur in seinem Buch Hard To Believe (Thomas Nelson, 2010) entgegen (dt.: Durch die enge Pforte: Wie moderne Evangelikale den schmalen Weg breit machen. 4. Aufl., Betanien, 2016).

Joel R. Beeke und Steven J. Lawson haben die Lehraussagen des Apostel Paulus (Röm 3,21–28) und des Jakobus (2,14–26) zur Rechtfertigung ebenfalls gründlich untersucht und in ihrem Buch Glaube und Werke sind kein Widerspruch – Paulus und Jakobus über die Lehre der Rechtfertigung dargelegt (Waldems-Esch: 3L-Verlag, 2021, ISBN 978-3-944799-18-6). Gliederung und Leseprobe auf der Verlagsseite. Original: Root & Fruit: Harmonizing Paul and James on Justification (Free Grace Press, 2020, ISBN 978-1952599019).


C. H. Spurgeon: Freunde muss man nicht versöhnen

Ich habe mich bemüht, eine biblische Begründung für das Handeln Gottes mit dem Menschen zu geben. Er rettet den Menschen aus Gnade. Wenn der Mensch ewig verloren geht, so geht er durch seine eigene Schuld zurecht zugrunde. Fragt jemand: »Ja, wie wollen sie denn diese beiden Lehren miteinander versöhnen?« Meine lieben Brüder, ich versöhne niemals zwei Freunde, niemals. Diese beiden Lehren sind miteinander befreundet; denn sie stehen beide in Gottes Wort und ich werde nicht versuchen, sie miteinander zu versöhnen. Erst wenn du mir zeigst, dass sie tatsächlich Feinde sind, dann werde ich sie versöhnen.

»Aber«, sagt einer, »es gibt eine Menge Schwierigkeiten mit ihnen.« Kannst du mir sagen, welche Wahrheit es gibt, die keine Schwierigkeiten mit sich bringt? »Aber«, sagt er dann, »ich kann diese Wahrheit nicht erkennen.« Nun, ich verlange nicht, dass du diese Wahrheit siehst; ich verlange, dass du sie glaubst. Es gibt viele Dinge in Gottes Wort, die schwierig sind und die ich nicht sehen kann, aber sie sind da, und ich glaube sie. Ich kann nicht sehen, wie Gott allmächtig und der Mensch frei sein kann; aber es ist so und so ich glaube es. Sagt ein anderer: »Ich kann es einfach nicht verstehen.« Meine Antwort lautet: Ich bin verpflichtet, diese Lehren ihnen so deutlich wie möglich zu machen, aber wenn sie überhaupt nichts verstehen, dann kann ich ihnen auch nicht weiterhelfen. Dann lassen wir das. Aber nochmals: Es ist keine Frage des Verständnisses, sondern des Glaubens. Diese beiden Lehren sind wahr; ich sehe nicht, dass sie sich in irgendeiner Weise widersprechen. Selbst wenn sie widersprüchlich erscheinen würden, so würde ich sagen, dass sie einander nur zu widersprechen scheinen, es aber nicht wirklich tun, denn Gott widerspricht sich niemals.

Charles H. Spurgeon, Jacob and Esau. Predigt (Nr. 239) am 16.01.1859 in der New Park Street Chapel in Southwark zum Text Römer 9,13 (»Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.«). In: Spurgeon’s Sermons, Vol. 5 (1859); zitiert nach der Online-Version der Christian Classics Ethereal Library (CCEL) hier.

Originalzitat

»I have endeavoured to give a scriptural reason for the dealings of God with man. He saves man by grace, and if men perish they perish justly by their own fault. “How,” says some one, “do you reconcile these two doctrines?” My dear brethren, I never reconcile two friends, never. These two doctrines are friends with one another; for they are both in God’s Word, and I shall not attempt to reconcile them. If you show me that they are enemies, then I will reconcile them.

“But,” says one, “there is a great deal of difficulty about them.” Will you tell me what truth there is that has not difficulty about it? “But,” he says, “I do not see it.” Well, I do not ask you to see it; I ask you to believe it. There are many things in God’s Word that are difficult, and that I cannot see, but they are there, and I believe them. I cannot see how God can be omnipotent and man be free; but it is so, and I believe it. “Well,” says one, “I cannot understand it. My answer is, I am bound to make it as plain as I can, but if you have not any understanding, I cannot give you any; there I must leave it. But then, again, it is not a matter of understanding; it is a matter of faith. These two things are true; I do not see that they at all differ. However, if they did, I should say, if they appear to contradict one another, they do not really do so, because God never contradicts himself.« 

Querverweise

TULIP – Wer hat’s erfunden?

Es ist üblich geworden, „den Calvinismus” anhand des Akronyms „TULIP” zu beschreiben und zu beurteilen. Von „TULIP” wussten jedoch weder der Namensgeber Johannes Calvin (1509–1564) etwas, noch die reformierten Verfasser der „Lehrregel von Dordrecht“ (1619) in den Niederlanden, noch die reformierten Verfasser der berühmten „Westminster Confession of Faith” (1647/1648), noch andere dem reformatorischen Glaubensgut folgende Bekenntnisse, wie z. B. die „London Baptist Confession” (1677). Kein Reformator hat „TULIP” je verwendet. Woher stammt also diese (anachronistische) Idee, „TULIP” zur Beschreibung des „calvinistischen” (reformierten) Glaubens heranzuziehen?

Nach einem Beitrag von William H. Vail im New Yorker Wochenmagazin The Outlook aus dem Jahr 1913 gebrauchte ein gewisser Dr. McAfee aus Brooklyn das Akronym „TULIP” 1905 als erster, um „Die fünf Punkte des Calvinismus” in einem öffentlichen Vortrag in der Presbyterian Union of Newark darzustellen (William H. Vail, The Five Points of Calvinism Historically Considered, in: The Outlook, Vol. CIV (May-August 1913), (New York: The Outlook Company), S. 394–395 (21.06.1913)). – Bei diesem „Dr. McAfee” handelt es sich wohl um Cleland Boyd McAfee, einem Pastor der Lafayette Avenue Presbyterian Church und späteren Professor für didaktische und polemische Theologie am McCormick Theological Seminary in Chicago. Er war auch Direktor des Presbyterian Board of Foreign Missions. Soweit wir wissen, war dies (1905) der erste Gebrauch des Akronyms „TULIP” als mnemotechnische Hilfe für die Darstellung der reformierten Heilslehre, wie sie in der „Dordrechter Lehrregel” 1619 als Antwort auf fünf Infragestellungen der Heilslehre durch die arminianischen „Remonstranten” aus dem Jahr 1610 formuliert wurde. McAfee erfand und verwendete das Akronym „TULIP” 1905 wie folgt (nach W.H. Vail, a. a. O., S. 394):

  • TTotal Depravity
  • UUniversal Sovereignty
  • LLimited Atonement
  • IIrresistible Grace
  • PPerseverance of the Saints.

William H. Vail liefert im o. g. Artikel von 1913 eine Übersicht über fünf damalige Vertreter der reformierten Heilslehre (A bis E, s. Tabelle unten), die er befragt hatte, welches denn ihrer Meinung nach die „Fünf Punkte” seien (1 bis 5, s. Tabelle unten). Bis auf den 5. Punkt (P) ergaben sich bemerkenswerter Weise recht unterschiedliche Bezeichnungen und Reihenfolgen, die in keinem Fall das Akronym „TULIP” ergeben.

Autoren: A = Abbott’s „Dictionary of Religious Knowledge“ | B = Dr. Francis L. Patton, Präsident des Princeton Theological Seminary | C = Dr. Hugh Black, Union Theological Seminary | D = Rev. George B. Stewart, D.D., Präsident des Auburn Theological Seminary | E = Rev. Isaac N. Rendall, D.D., Präsident em. der Lincoln University in Pennsylvania.

Der amerikanische reformierte Theologe Loraine Boettner (1901–1990) wird als nächster angesehen, der das Akronym „TULIP” 1932 für die Darstellung der „Dordrechter Lehrregel” im Speziellen –und der reformatorischen Heilslehre im Allgemeinen– verwendete: »The Five Points may be more easily remembered if they are associated with the word T-U-L-I-P; T, Total Inability; U, Unconditional Election; L, Limited Atonement; I, Irresistible (Efficacious) Grace; and P, Perseverance of the Saints.« (Loraine Boettner: The Reformed Doctrine of Predestination, 1. Auflage, Januar 1932).

Wenn man sich mit der Lehrentwicklung der 500 Jahre seit der Reformation beschäftigt, fällt auf, dass die Darstellung der reformierten Heilslehre mithilfe von „TULIP” weder die Bezeichnungen der fünf „Lehrstücke” in der „Dordrechter Lehrregel” (1619) übernimmt, noch ihrer Aufbaureihenfolge folgt. (Das 5. und letzte Stück macht dabei eine gewisse Ausnahme.) William H. Vail schreibt dazu: »Selbstverständlich zwingt die Übernahme des Kunstwortes [„TULIP”] die fünf Punkte in eine gewisse Reihenfolge und wirft sie damit möglicherweise aus ihrer angemessenen Ordnung und ihrer logischen Reihenfolge (»Of course the adoption of this word [„TULIP”] restricts the order of the five points, and perhaps throws them out of their proper order and logical sequence.«; a.a.O.).

Auch inhaltlich sind die „Fünf Punkte” nicht mit dem reformierten Glauben oder dem sog. „Calvinismus” gleichzusetzen. Der reformierte Theologe Dr. Hugh Black schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts: »Ich glaube nicht, dass Calvin sein System in diesen [fünf] Punkten zusammengefasst hätte.« (a.a.O., S. 395). Loraine Boettner schrieb 1932: »Möge der Leser sich gegen eine zu enge Gleichsetzung der Fünf Punkte mit dem calvinistischen Lehrsystem wappnen. Während diese [Fünf Punkte] wesentliche Bestandteile sind, schließt das System doch viel mehr ein. … das Westminster Bekenntnis ist eine recht ausgewogene Darstellung des reformierten Glaubens (oder des Calvinismus) und es gibt auch den anderen christlichen Lehren den ihnen angemessenen Raum.« (a.a.O.). Leonard J. Coppes schrieb 1980 eine Zusammenfassung des reformierten Glaubens mit dem Titel: »Are five points enough? The ten points of Calvinism«. Joel R. Beeke schrieb 2008: »Seine [Calvins] Absicht war es, jeden Bereich der Existenz unter die Herrschaft Christi zu bringen, so dass das gesamte Leben zur Verherrlichung Gottes gelebt werden könne. Darum kann der Calvinismus nicht einfach durch eine Hauptlehre oder mit fünf Punkten oder –wenn wir sie denn hätten!– mit zehn Punkten erklärt werden. Calvinismus ist so komplex wie das Leben selbst.« (Living for God’s Glory: An Introduction to Calvinism, S. XII). Sinclair Ferguson schreibt 2008 in einem Beitrag über das Gotteslob (Doxology): »…die sogenannten fünf Punkte des Calvinismus … [sind] mit Blick auf ihre Entstehung zutreffender als „Die fünf Korrekturen für den Arminianismus” zu bezeichnen« (in: Living for God’s Glory: An Introduction to Calvinism, S. 388).

Auch in unserer Zeit verwenden reformierte Theologen für die Darstellung der reformierten Heilslehre andere Punkte und Bezeichnungen als das verkürzte McAfeesche „TULIP”. Bei Kritikern des sog. „Calvinismus” ist diese anachronistische und verfälschend verkürzte Darstellung allerdings recht beliebt und liefert Material für manchen „Strohmann”. Gehen wir daher besser zurück zum Ursprung der Auseinandersetzung.

Lehrregel statt TULIP

Weder die Synode in Dordrecht 1619 noch die reformierten Theologen der folgenden Jahrhunderte haben einstimmig „TULIP” gelehrt. „TULIP” ist erstens eine klare Fehlübersetzung, zweitens inhaltlich eine starke Verkürzung und drittens –historisch und dogmengechichtlich gesehen– ein Anachronismus, wenn jemand damit die „Dordrechter Lehrregel” von 1619 oder die calvinistische (Heils-)Lehre beschreibt. Hier eine tabellarische Gegenüberstellung der Lehrstücke von 1619 und der TULIP-Verkürzung durch McAfee 1905:

Die „Dordrechter Lehrregel” (1619)TULIP (nach McAfee, 1905)
Erstes Lehrstück:
Von der göttlichen Vorherbestimmung
1. Total Depravity
(Völlige Verderbtheit)
Zweites Lehrstück:
Vom Tode Christi und der Erlösung
der Menschen durch denselben
2. Universal Sovereignty
(Allumfassende Souveränität)
Heute auch:
Unconditional Election
(Unbedingte Erwählung)
Drittes und viertes Lehrstück:
Von der Verderbnis des Menschen und
seiner Bekehrung zu Gott und
der Art und Weise derselben
3. Limited Atonement
(Begrenzte Sühnung)

4. Irresistible Grace
(Unwiderstehliche Gnade)
Fünftes Lehrstück:
Vom Beharren der Heiligen
5. Perseverance of the Saints
(Ausharren der Heiligen)

Es wäre der Sache angemessener und einer fruchtbaren Diskussion dienlicher, wenn man sich direkt mit dem offiziellen Lehrdokument der Synode in Dordrecht beschäftigen würde, anstatt irgendwelchen „Fünf Punkten” zu folgen, insbesondere, wenn diese aus Darstellungen von Anti-Calvinisten stammen. Was gewinnt man dabei?

Der Student der „Dordrechter Lehrregel” hat in Lehrstück 2, Artikel 1 bereits vom Wesen und Charakter Gottes, von der Allgenugsamkeit Christi, von der weltweiten Verkündigung des Evangeliums (Mission) und der Notwendigkeit des Glaubens gelesen, bevor er in Artikel 2 zur Frage der Zielsetzung und beabsichtigten Reichweite der Sühnung gelangt. Didaktisch richtig wird ihm in der „Dordrechter Lehrregel” zuerst das Wesen der Sühnung erklärt, bevor die Reichweite der Sühnung besprochen wird. Die Zielgerichtetheit und Bestimmtheit der Sühnung wird direkt aus der Gerechtigkeit Gottes und dem völlig genügsamen, zielgerichteten Opfer Christi (Artikel 3-4) abgeleitet. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit, allen Menschen ohne Unterschied das Evangelium zu predigen, betont (Artikel 5). Artikel 6 bestätigt, dass Gott gerecht ist, wenn er den Ungläubigen verdammt, und Artikel 7 lehrt, dass die Quelle des rettenden Glaubens die Gnade Gottes ist, »die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben« worden ist (2. Timotheus 1,9). – Dieser biblisch richtige und didaktisch kluge Aufbau sollte genutzt und nicht ohne guten Grund aufgegeben werden.

Was macht das „L” in „TULIP”?

Viele evangelikale (früher: dem sola scriptura verpflichtete) Glaubende streiten sich heute anhand von „TULIP”-Darstellungen um die rechte Heilslehre. Etliche Lager haben sich in den letzten Jahrhunderten gebildet, geradezu einander bekämpfende Sekten innerhalb des christlichen Zeugnisses geformt. Ein besonders umstrittener Aspekt von „TULIP” ist das „L”, das für limited atonement, also begrenzte Sühne/Sühnung, stehen soll. Allein dieser Begriff ist ein bitteres, missverständliches Etikett, welches keiner der Reformatoren ohne weiteres so verwendet hätte. Zudem ist weder der (engl.) Begriff „limited” noch der Begriff „atonement” klar und definitiv genug, um die Lehre der Heiligen Schrift eindeutig und klar darzustellen. William D. Barrick urteilt, dass „begrenzt” bzw. „unbegrenzt” vielleicht die Begriffe sind, welche in der Heilslehre am häufigsten missbraucht werden („The Extent…”, S. 4–5). Und der biblische Begriff „Sühnung” (engl. atonement) wird ebenfalls nicht klar und biblisch verwendet (oft mit der falschen Deutung eines „at-one-ment”, einer Einsmachung oder Zusammenführung), zudem oft als Sammelbezeichnung für alles, was Jesus Christus am Kreuz bewirkt hat. Man muss fragen: Gibt es denn überhaupt eine Begrenzung der Sühnung Jesu Christi? Und wenn ja: Wo wird diese in der Schrift gezogen? Beim Wert oder bei der Reichweite der „Sühnung” (wenn überhaupt die biblische Sühnung gemeint ist)? Die Zentralität und Wichtigkeit des Werkes Christi verlangt nach biblischen, klaren Antworten. Das kann hier nur angerissen werden.

Bibelstudenten aller Zeiten war klar, dass das Sühnopfer des menschgewordenen Gottessohnes entscheidender Mittelpunkt eines ewigen Planes der Gottheit ist, und dass Gott im Opfer Jesu ein klares Ziel verfolgte. Das Ziel war weder, dass alle Sünder im Feuersee für ihre Schuld ewig von Gott getrennt und gestraft werden (was absolut gerecht wäre), noch dass alle Sünder letztlich errettet und in Gottes herrlicher Ewigkeit leben werden (sog. Universalismus). Das Heilswerk Gottes richtet sich vielmehr in ewiger, erwählender Liebe auf »die Seinen« (s. Johannes 17,2.6.9.24.26).

Die gesamte Schrift gibt vom planmäßigen und zielorientierten Handeln Gottes in der Menschheits- und Heilsgeschichte beredt Zeugnis. Also sollte man sich tief gehende Fragen stellen: (1) Welches Ziel verfolgt Gott mit dem Opfer Jesu? (2) Was bezeichnete Jesus Christus mit dem »Es«, als Er am Kreuz ausrief: »Es ist vollbracht!« (Johannes 19,30)? (3) Wie ergänzen sich das Werk des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes im trinitarischen Heilswerk (opera ad extra)? (4) Haben die drei Personen der Gottheit eine identische Zielsetzung im Heilswerk? (5) Haben die drei Personen der Gottheit im Erlösungswerk den selben Personenkreis im Blick? (Usw.).

Wer diese Fragen anhand der Heiligen Schrift beantwortet, muss von einer Begrenzung der Sühnung ausgehen, da der Universalismus keine Lehre der Schrift ist, das Heil aller Glaubenden jedoch fest bezeugt ist. Nachdem der Glaube faktisch und biblisch nicht aller Teil ist (2. Thessalonicher 3,2b), ist die Menge der durch Jesu Opfer Erretteten jedenfalls begrenzt. Das Sühnungswerk Jesu Christi sah auch nicht vor, dass Er hypothetisch für alle Menschen aller Zeiten stellvertretend im Gericht Gottes war, also effektiv deren persönliche Schuld bezahlt und Gottes Zorn für sie getragen habe, und es nun alleine am jeweiligen Menschen läge, diesen unterschiedslos allen Menschen im Evangelium ausgehändigten „Blankoscheck” (=Scheck ohne Namen des Empfängers) auch persönlich einzulösen. – Gott verwendet jedoch in der Heiligen Schrift Alten wie Neuen Testaments ein anderes Bild, um sein Rettungswerk als Liebeswerk darzustellen: das von Bräutigam und Braut (z. B. Jesaja 61,10; 62,1–5; Jeremia 31; Epheser 5,23–32; Offenbarung 21,2.9; 22,17). Wie die erwählende Liebe eines Bräutigams selektiv und exklusiv ist –und sein muss– ist Gottes ewige Retterliebe selektiv und exklusiv.

Die o. g. Fragen können also anhand der Heiligen Schrift noch tiefer ins Verständnis des Heilswerks Gottes führen. Dabei wird man die biblischen Lehren des ewigen Vorsatzes Gottes, der persönlichen (namentlichen) Erwählung und Berufung durch Gott, der persönlichen(!) Stellvertretung im Gericht, der Sohnschaft, der Adoption, der monergistischen Wiedergeburt, des Einsgemachtseins mit Christus, der Innewohnung und der Versiegelung mit dem Heiligen Geist (usw.) kennenlernen. Sie bezeugen harmonisch und vielfältig, dass der dreieinige Gott von Ewigkeit her das ewige Heil „der Seinen” zu Seiner Verherrlichung gewollt und geplant hat und in der Zeit mit exakt festgelegtem Ziel ausführt. Auch kann wohltuende Klarheit entstehen, wenn man den biblisch gelehrten Unterschied zwischen Sühnung und persönlicher Stellvertretung zu beachten lernt. Weil das Heilswerk Gottes ein göttlich großes Werk ist, wundert es uns nicht, dass wir es nicht gänzlich umfassen können. Aber wir können und müssen es auf der Grundlage der Heiligen Schrift erforschen und glauben und bezeugen.

Am Buchstaben „L” kann man u. E. gut beobachten, wie mangelhaft übermäßig vereinfachte Darstellungen der biblischen Lehre (hier: à la „TULIP”) sind, und wie mangels Klarheit und Präzision mancher Anlass zu Streitigkeiten und Aneinandervorbeireden fast zwangsweise geliefert wird.

Fazit

Mit diesen kurzen Überlegungen und Hinweisen soll zweierlei nachdrücklich gesagt sein:

  • fundamental: Die Frage nach der Reichweite und Zielsetzung des (Sühnungs-) Werkes Jesu Christi sollte eben NICHT anhand von „TULIP”-Darstellungen beantwortet werden, sondern anhand der Heiligen Schrift selbst, welche alleine die Wahrheit ist (Johannes 17,17b). Unbiblische Darstellungen gibt es leider schon genug.
  • sachlich: Wir sollten auch über „Dordrecht” und „Die 5 Punkte des Calvinismus” nicht schreiben und reden, ohne die Ergebnisse jener Synode studiert zu haben und sie in unserer Darstellung wahrheitsgetreu zu verwenden. Anders gesagt: Primärquellen vor Sekundär- und Tertiärquellen! Unsachliche Darstellungen gibt es leider schon genug.

Die Synode in Dordrecht hat einen biblisch gesättigten und seelsorgerlich hilfreichen Text geliefert, der über vielem steht, das in den vergangenen vier Jahrhunderten über die angesprochenen Fragen des Heils geschrieben wurde. Und anstelle zu betonen, was Christus am Kreuz nicht zustande gebracht hat, lehrt das zweite Lehrstück von Dordrecht, was Vater, Sohn und Heiliger Geist miteinander vollbracht haben, um sich ein „Volk des Eigentums/zum Besitztum” zu erwählen, in Jesu Opfer zu erlösen und ewig zu erwerben (5. Mose 7,6 mit 1. Petrus 2,9). Mit solcher Theologie wird Gottes Volk eher auferbaut, als mit Streitigkeiten über den freien Willen des Menschen und der Souveränität Gottes im Heil. Denn im einzigartigen Heilswerk Gottes geht es um eine großartige Liebesbeziehung:

»Dieser Entschluss, der aus der ewigen Liebe zu den Erwählten hervorgegangen ist, ist von Anfang der Welt bis auf die gegenwärtige Zeit, indem die Pforten der Hölle sich vergeblich widersetzten, mächtig erfüllt und wird auch noch fortlaufend erfüllt, und zwar so, dass die Erwählten zu seiner Zeit zu einer Vereinigung versammelt werden sollen und dass immer eine Kirche der Gläubigen auf das Blut Christi gegründet ist, welche jenen ihren Heiland, der für sie, gleich wie ein Bräutigam für die Braut, sein Leben am Kreuz hingab, beständig liebt, fortwährend verehrt und hier und in alle Ewigkeit preist

„Dordrechter Lehrregel” (1619), Erstes Lehrstück, Artikel 9. Zitiert nach der übersetzten Ausgabe der Selbständigen Evangelisch-Reformierten Kirche: Bekenntnisbuch (Heidelberg, 2010), S. 229. Farbmarkierung hinzugefügt.

Literaturhinweise

William H. Vail, The Five Points of Calvinism Historically Considered, (21. Juni 1913). In: The Outlook, Vol. CIV (May-August 1913), (New York: The Outlook Company), S. 394–395. [Quelle: babel.hathitrust.org; Backup]

Daniel Montgomery und Timothy Paul Jones: PROOF, (Zondervan, 2014, Kindle-Version), S. 210, Fn 22.

David Schrock: Definite Atonement at Dort and the Unity of the Trinity – Put Down TULIP and Pick Up the Canons of Dort, in: CREDO Magazine Vol. 9 (Sept. 2019), Issue 3 [https://credomag.com/article/definite-atonement-at-dort-and-the-unity-of-the-trinity/].

Ed Sanders: The Origin Of The Acronym TULIP – The Five Points Of Calvinism [https://theologue.files.wordpress.com/2014/08/originoftheacronym-tulip.pdf].

Peter Benyola: 400 years after Dort: Why does the human-centric view of salvation persist?Segment 3 | The Canons of Dort (08.09.2018) Copyright 2018, Benyola.net. All rights reserved. Used by permission [http://benyola.net/400-years-after-dort/4/].

Bekenntnisbuch – bestehend aus dem Heidelberger Katechismus, dem Niederländischen Glaubensbekenntnis sowie der Lehrregel von Dordrecht, Übersetzte Ausgabe der Selbständigen Evangelisch-Reformierten Kirche (Heidelberg, 2010) [http://www.serk-heidelberg.de/wp-content/uploads/2010/08/Bekenntnisbuch.pdf].

Loraine Boettner: The Five Points of Calvinism, in: The Reformed Doctrine of Predestination (1932, 13th Printing, Phillipsburg, NJ: Presbyterian and Reformed Publishing Company, 1989), S. 59–201. (eBook: Grand Rapids, MI: Christian Classics Ethereal Library).

James Montgomery Boice und Philip Graham Ryken, The Doctrines of Grace. Wheaton, IL: Crossway, 2002. Deutsch: James Montgomery Boice und Philip Graham Ryken, Die Lehren der Gnade. Oerlinghausen: Betanien, 2009. – Die Autoren beschreiben kurz „Die fünf Punkte des Arminianismus” (a.a.O., 2009, S. 24ff) sowie ebenso kurz (a.a.O., 2009, S. 30ff) und dann ausführlich „Die fünf Punkte des Calvinismus” (a.a.O., 2002, S.67–176 ; a.a.O., 2009, S. 71–197).

William D. Barrick, The Extent of the Perfect Sacrifice of Christ. Sun Valley, CA: GBI Publishing, 2002.

Joel R. Beeke: Living for God’s Glory: An Introduction to Calvinism. Lake Mary, FL: Ligonier Ministries (Reformation Trust), 2008.

Eine schwierige Lehre – Erwählung und Vorherbestimmung

Benedikt Peters hat sich in Vorträgen, Schulungen und Schriften über die biblische Heilslehre vielfach und stets mit Ringen um die biblische Wahrheit bewährt.

In einer Stellungnahme der BEG Hannover zum Thema „Erwählung und Vorherbestimmung“ wird eine Ausarbeitung von Peters (2003) verwendet. Diese ist biblisch fundiert und wohltuend bloß polemischer Seitenhiebe oder parteigeistlicher Angriffe. Wir empfehlen sie daher mit Verweis auf 1. Thessalonicher 5,21 und Apostelgeschichte 17,11. Der Aufbau der Ausarbeitung ist wie folgt:

  1. Eine schwierige Lehre
  2. Eine Übersicht über Gottes ewigen Heilsrat
  3. Was bedeuten die Begriffe „Auserwählung“ und „Vorherbestimmung“ und „Vorkenntnis“?

Link zum Gesamtdokument (PDF): Benedikt Peters: Erwählung und Vorherbestimmung, 2003. (Backup)

Zum Autor: Benedikt Peters, Lic. phil., Ph.D. (*1950, Arbon, CH) hat an der Universität Zürich Griechisch, Hebräisch sowie allgemeine Linguistik studiert. Er ist Ältester einer Gemeinde in Arbon (CH) und übt eine vollzeitliche Lehrtätigkeit in Gemeinden verschiedener europäischer Länder aus. Er ist Vizepräsident des Bibelbundes der Schweiz, Autor zahlreicher theologischer Bücher und unterrichtet am EBTC Zürich u. a. Bibelkunde und Systematische Theologie. Benedikt ist verheiratet und hat vier Kinder.

Was ist der zentrale Gedanke des Calvinismus?

Diese Frage haben sich manche gestellt: Calvinisten, Anti-Calvinisten, interessierte Dogmatiker, Historiker und Philosophen. Sie haben teilweise Antworten erarbeitet oder zumindest Vermutungen geäußert. Da diese Antworten nicht übereinstimmen, muss es richtige und falsche Antworten geben. Hier zwei Stimmen aus dem Insider-Bereich.

H. Henry Meeter (1886–1963)

»Jemand bemerkte einmal: „So wie der Methodist die Errettung der Sünder, der Baptist das Geheimnis der Wiedergeburt, der Lutheraner die Rechtfertigung durch den Glauben, der Herrnhuter die Wunden Christi, der griechisch Orthodoxe das Mysterium des Heiligen Geistes und der Katholik die Universalität der katholischen Kirchen hervorhebt, in der Weise betont der Calvinist die Glaubenslehre über Gott.“ [Pressly, Mason W., Calvinism and Science, Article in Ev. Repertoire, 1891, S. 662.]

Der Calvinist beginnt nicht mit irgend einem Anliegen des Menschen, wie zum Beispiel seine Errettung oder Rechtfertigung, sondern richtet immer seine Gedanken wie folgt: Wie kommt Gott zu seiner Ehre! Er versucht also folgendes biblisches Prinzip zu verwirklichen: „Von ihm, und durch ihn und für ihn sind alle Dinge. Ihm sei Ehre ewiglich“ [Römer 11,36]«

H. Henry Meeter, The Fundamental Principle of Calvinism. Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans, 1930. (Vgl. dergl., The Basic Ideas of Calvinism. 6th Ed., Baker, 1990). Textquelle deutsch online: http://www.calvinismus.ch/calvinismus/ [12.08.2020]

Der zentrale Gedanke, das Grundmotiv, des Calvinismus ist also nach Meeter ein hohes Gottesbild, wie es sich in der Offenbarung Gottes in Seinem Wort darstellt.

Benjamin B. Warfield (1851–1921)

»From these things shine out upon us the formative principle of Calvinism. The Calvinist is the man who sees God behind all phenomena and in all that occurs recognizes the hand of God, working out His will; who makes the attitude of the soul to God in prayer its permanent attitude in all its life-activities; and who casts himself on the grace of God alone, excluding every trace of dependence on self from the whole work of his salvation.«

»The Calvinist is the man who has seen God, and who, having seen God in His glory, is filled on the one hand with a sense of his own unworthiness to stand in God’s sight as a creature, and much more as a sinner, and on the other with adoring wonder that nevertheless this God is a God Who receives sinners

Warfield, B. B, Calvin as a Theologian and Calvinism Today, (Philadelphia: Presbyterian Board of Publication, 1909), S. 23–24. Drei empfehlenswerte Vorträge/Papers darüber, wie ein herausragender „Calvinist“ die Theologie Calvins und den „Calvinismus“ seiner Tage sah und auf das Wesentliche konzentriert beschrieb. Textquelle online: https://thirdmill.org/magazine/article.asp/link/https:%5E%5Ethirdmill.org%5Earticles%5Ebb_warfield%5EWarfield.Calvin.html/at/Calvin%20as%20a%20Theologian%20and%20Calvinism%20Today

Der zentrale Gedanke, das Grundprinzip, des Calvinismus ist nach Warfield ein hohes Gottesbild. Der „Calvinist“ sieht Gott in seiner Herrlichkeit, nimmt in diesem Licht die eigene Unwürdigkeit wahr und kann nicht aufhören, darüber zu staunen, dass Gott Sünder rettet.

Lesestoff

  • The Fundamental Principle of Calvinism – Calvinism a Unified, All-comprehensive System of Thought. Textquelle: https://www.the-highway.com/Calvinism_Meeter.html
  • Coletto, Renato: The central principle of Calvinism? Some criteria, proposals and questions. In: In die Skriflig 49(1), Art. #1969, 8 pages. http://dx.doi. org/10.4102/ids.v49i1.1969 (Textquelle: http://www.scielo.org.za/pdf/ids/v49n1/51.pdf)
  • Warfield, Benjamin B.: Calvin as a Theologian and Calvinism Today. Philadelphia: Presbyterian Board of Publication, 1909.

Unterscheide zwischen allgemeiner Sühnung und persönlicher Stellvertretung!

Der Apostel Paulus schreibt an seinen Mitarbeiter Timotheus:

Denn Gott ist einer, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, [der] Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab als Lösegeld für alle

1. Timotheus 2,5-6 (ELBCSV). Fettdruck hinzugefügt.

Wenn Christus das Lösegeld für alle gegeben hat, sind dann nicht alle Menschen erlöst? Es heißt doch direkt zuvor, wenn auch etwas erstaunlich formuliert (keine Tat Gottes, nur eine Willensbekundung; keine aktive, sondern passive Sprache: „errettet werden“ usw.):

Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

1. Timotheus 2,3-4 (ELBCSV). Fettdruck hinzugefügt.

Warum reden aber sowohl Jesus Christus als auch Seine Apostel davon, dass viele den Weg ins Verderben gehen und nicht alle Teil an der Errettung haben? Wir gehen davon aus, dass die Heilige Schrift widerspruchsfrei ist. Also müssen wir anfangen, in den Linien der Bibel nachzudenken.

Inwieweit wirkt das Sühnungswerk Christi am Kreuz mit Blick auf alle Menschen, und inwieweit wirkt es effektiv nur auf einen begrenzten Kreis von Menschen?

Hier unterscheiden sich katholische und protestantische Ansichten und Lehrmeinungen. Im reformatorischen Bereich herrschen ebenfalls sehr unterschiedliche Lehrmeinungen vor.

Ein Teil dieser Missverständnisse und resultierenden Widersprüche beruhen auf einem unvollkommenen Verständnis dessen, was am Kreuz passiert ist. Gott hat über Jahrtausende hinweg in Typen und Verordnungen vorbereitet, das Werk Christi in seiner Vielfalt und Fülle verstehen zu können. Im Alten Bund feierte Israel unterschiedliche Feste, die alle mit Opfern verbunden waren. Eine Handvoll unterschiedlicher Opfer waren zudem verordnet worden, mit denen man der Frage der Sünde, aber auch der Verehrung Gottes, gottgefällig nachkommen konnte.

Ein jährliches Fest sticht besonders heraus: der Große Sühnungstag (auch Großer Versöhnungstag oder Yom Hakippurim genannt). Es wird in 3. Mose 16 beschrieben. An diesem Tag opferte der Hohepriester des Volkes stellvertretend für das ganze Volk ein Doppelopfer zweier Ziegenböcke.

Der erste Bock, „für JHWH“ (den Ewigen), wird durch Los ermittelt. Er wird als Opfer getötet, sein Blut wird in das Allerheiligste des Tabernakels (Tempels) vor Gott gebracht und auf den „Sühndeckel“ der Bundeslade gesprengt. In der Bundeslade lagen die beiden Gesetzestafeln, das Zehnwort (Dekalog), welche Gottes heilige Ansprüche an das Volk formulierten. Gott thronte auf dieser Bundeslade. Beim Blick in Richtung der Gesetzestafeln sah Gott das Blut, es „sprach“ also in Gottes Gegenwart vom gebrachten Opfer, vom gestorbenen Stellvertreter. Dieser Teil des Rituals wurde durchgeführt, ohne dass von spezifischen Sünden des Volkes die Rede war, oder solche dem Bock durch Handauflegung übertragen worden waren. Es ging erst einmal darum, dass Gott durch den Tod (des Stellvertreters) befriedigt und geehrt wurde: seine Heiligkeit -und mithin sein Zorn über die Sünde- wurden plakativ demonstriert und durch Tod des Sünders (oder seines stellvertretenden Opfers) bedeckt.

Der zweite Bock, Asasel (hebr. für „Abwendung“), wird nicht getötet. Auf sein Haupt bekennt der Hohepriester die Sünden des Volkes. Anschließend wird der Bock in die Wüste gejagt an einen Ort, von wo er nicht mehr zurückfindet ins Lager des Volkes. Das Sinnbild ist klar: Die Sündenmenge wird durch das stellvertretende Opfer aus der Mitte des Volkes weggenommen. Das erinnert an Psalm 103,12: »so weit der Osten ist vom Westen, hat er von uns entfernt unsere Übertretungen«, den Propheten Micha 7,19: »du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen« oder Jeremia 31,34: »Denn ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken« mit den neutestamentlichen Zitaten in Hebräer: »Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.« (8,12, vgl. 10,17). Das Ziel der Sühnung ist, dass die Sünden der Gesühnten nie mehr zum Trennungsgrund oder belastenden, bedrohlichen Gesprächsthema zwischen Gott und Mensch werden. Der gesühnte Mensch darf aufatmen und Frieden mit Gott erfahren.

Zwei Böcke – ein Opfer. Nun sind beide Böcke und die beiden Handlungen damit typologisch in dem einen Werk Christi vollkommen, effektiv und gleichzeitig realisiert worden. Trotzdem dienen diese beiden Böcke dazu, dass wir zwei Aspekte des einen Opfers Christi unterscheiden können.

Erster Bock. Christus starb also zuallererst, um die Sache der Beleidigung und Herausforderung der Heiligkeit und Majestät Gottes, wie sie durch die Sünde des Menschen geschieht, zu klären. Diese Klärung bedurfte des Todes, das Blut des Opfers musste vor Gott gebracht werden. Der Hebräerbrief liefert die verbindliche Interpretation dieses Typus auf Christus hin, er ist eine großartige Erklärung des „Großen Sühnungstages“:

Christus aber – gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut – ist ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.

Hebräer 9,11-12 (ELBCSV). Fettdruck hinzugefügt.

Zweiter Bock. Nachdem diese Sache mit Gott geklärt worden war, also Gottes Heiligkeit demonstriert und sein Zorn bedeckt wurde, wendet sich das Opferritual auch den konkreten Menschen im Volk Gottes und deren Sünden zu. Das Problem der von Sünden belasteten Gewissen musste angesprochen werden. Und so wird nun im zweiten Bock erstmals die Frage der Sünde konkret angesprochen in Handauflegung und Bekenntnis. Das Bekenntnis leistet der Hohepriester stellvertretend und wirksam für die von ihm vertretenen Menschen des Volkes Gottes. Dann wird der Bock aus dem Mitte entfernt und so auch die auf ihn gelegten Sünden weggeschafft. Typologisch wurde damit vorgeschattet, dass das »Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen […] von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!« (Hebräer 9,14 ELBCSV) reinigt. Es entlastet und befreit zum Gottesdienst. Dass dieses an zweiter Stelle erst kommen kann, nachdem zuerst die Sache betreffs des heiligen Zornes Gottes geklärt wurde, ist einleuchtend für alle, die dem biblischen Evangelium glauben.

Ein paar hilfreiche theologische Begriffe

Der erste Bock, der für den HERRN, stellt den Aspekt der Sühnung in ihrem Gott zugewandten Aspekt dar (Fachwort: Propitiation). Hier geht es um Gottes Seite, dass Gott durch die Sünde des Menschen beleidigt wurde, dass diese Sünde eine generelle Barriere zwischen Gott und Mensch aufgebaut hat (vgl. Jesaja 59,2). Daher bedurfte es des einen Mittlers, von dem in 1. Timotheus 2,5 die Rede ist. Sühnung bedeckt also den gerechten Zorn Gottes gegenüber dem rebellischen, sündigen Menschen mit dem Blut (als Beweis des Todes) des Opfers. Aufgrund dessen kann Gott nun in Retterliebe in Christus dem Menschen nahen und ihm im Evangelium ein Friedens- und Versöhnungsangebot in Christus machen (Gott verlangt allerdings die bedingungslose Kapitulation!):

So sind wir nun Gesandte für Christus, als ob Gott durch uns ermahnte; wir bitten an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!

2. Korinther 5,20 (ELBCSV) – Auf den Unterschied zwischen Sühnung und Versöhnung gehen wir hier nicht ein.

Durch den zweiten Bock, den der Abwendung, und das Ritual damit, wird uns vermittelt, dass die Heiligkeit Gottes als gerechte Strafe verlangt, dass jeder Sünder für seine persönlichen Sünden den ewigen Tod im Gericht Gottes erleiden muss. Für den an Christus Glaubenden rechnet Gott jedoch gnädig den Tod Seines Sohnes an. In diesem Fall übernimmt Christus die Sünden dieser/s Glaubenden und stirbt stellvertretend für sie/ihn (strafrechtliche Stellvertretung; engl. penal substitution). Dies ist der dem glaubenden Menschen zugewandte Aspekt der Sühnung (Fachwort: Expiation). Stellvertretung ist eine An-Stelle-von-Beziehung: Einer tritt aus Liebe an die Stelle eines anderen (Galater 2,20) oder einer definierten Gruppe („Gemeinde“, Epheser 5,25). Diese Stellvertretung durch Christus wird im Neuen Testament stets nur zugunsten der Glaubenden gelehrt. Die Ansicht (z. B. des neo-orthodoxen Theologen Karl Barth), dass Christus als Repräsentant und damit auch als Stellvertreter der gesamten Menschheit im Gericht Gottes am Kreuz gewesen sei, ist falsch, sie führt unausweichlich zur Irrlehre der Allversöhnung (Universalismus).

Gottgewandte Sühnung und menschgewandte Sühnung, Genugtuung und Stellvertretung, Propitiation und Expiation, sind also zwei gut zu unterscheidende Begriffe und Sachverhalte im Opfer des Großen Sühnungstages, auch wenn beides in dem einen Opfer Jesu am Kreuz zu sehen und insofern zusammenzuhalten ist.

Damit wird auch deutlich, dass es stets eine korporative Seite und eine persönliche Seite des Opferwerkes Jesu gibt. Jesus starb sühnend mit Blick auf die ganze Welt, aber er starb stellvertretend effektiv (nur) für einzelne Menschen. Betont oder sieht man nur eine Seite, wird man einseitig:

  • Menschen, die von arminianischer Theologie beeinflusst sind, neigen dazu, nur die allgemeine Seite des Sühnungsopfers Jesu zu sehen, welche mit Blick auf alle Menschen geschehen ist.
  • Menschen, die von calvinistischer Theologie beeinflusst sind, neigen dazu, nur die stellvertretende Seite des Sühnungsopfers Jesu zu sehen, welche eben nicht alle Menschen umfasst, sondern nur die zum Heil göttlich Erwählten.

Die beiden Haupttheologen der „Brüderbewegung“, John N. Darby und William Kelly, haben im 19. Jahrhundert hierzu Hilfreiches geschrieben. Hier ein Exzerpt von Darby:

Die Arminianer sehen in dem Tod Christi nichts weiter als ein Opfer für alle und verbinden damit gewöhnlich auf allgemeine Weise das Tragen der Sünden. Dadurch wird alles unklar in Bezug darauf, dass Christus die Sünden des Einzelnen wirklich und vollgültig getragen oder ein besonderes Werk für die Seinigen getan hat. Sie sagen, dass, wenn Gott alle liebte, Er nicht einige insbesondere lieben konnte. Die Errettung wird somit unsicher gemacht und der Mensch nicht selten erhoben, während die Lehre des Vorbildes, die wir in dem Bock der Abwendung haben, gänzlich außer Acht gelassen wird.

Die Calvinisten dagegen halten fest daran, dass Christus die Sünden der Seinigen getragen habe und ihre Errettung somit ganz gewiss sei. Sie bleiben aber bei dem Schluss stehen, dass, wenn Er die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben habe, seine Liebe außer ihr keinen anderen Gegenstand gehabt haben könne. Sie übersehen den unverkennbaren Charakter der Sühnung, sein Sterben für alle und alles. Sie sehen nur die Stellvertretung und berücksichtigen nicht die Bedeutung des Blutes auf dem Gnadenstuhl [d. h. des Blutes des Bockes für den Herrn].

Genau genommen lesen wir von Christus nie, dass Er die Welt, sondern dass Er die Versammlung geliebt hat, und zwar mit der Liebe eines besonderen Verhältnisses (Eph 5). Von Gott dagegen heißt es nie, dass Er die Versammlung, sondern dass Er die Welt geliebt hat (Joh 3,16), was seiner göttlichen Güte entsprach, seiner göttlichen Natur angemessen war; sein Ratschluss aber ist etwas anderes. Seine Herrlichkeit ist das Endziel von allem.

Ohne mich aber dabei aufzuhalten, möchte ich nur darauf hinweisen, welch eine Verwirrung unklare Begriffe über Sühnung und Stellvertretung in der Verkündigung des Evangeliums hervorbringen müssen, indem sie den Ruf an die Welt schwächen oder die Sicherheit des Gläubigen zweifelhaft erscheinen lassen und der Verkündigung der Wahrheit im Allgemeinen Sicherheit und Bestimmtheit rauben.

John N. Darby: Die zwei Seiten der Sühnung. Eigentlich: Sühnung und Stellvertretung. In: Halte fest, Jg. 28 (1985), S. 285ff. Deutsche Textquelle online: https://www.soundwords.de/a956.html [11.08.2020] – Was Darby damals als „Calvinisten“ bezeichnete, würde man heute differenzierter dem Hyper-Calvinismus zuordnen.

Leseempfehlungen

Eine gute Einführung und Erklärung der Rituale und Opfer am „Großen Sühnungstag“ und ihre Erfüllung im Opfer Jesu Christi liefern Bruno Oberhänsli und Willem Ouweneel. Als Angehörige der englischen „Brüderbewegung“ folgen sie im wesentlichen deren Haupttheologen John N. Darby und William Kelly.

John N. Darby über die „Arminianer“

Der anglo-irische Bibellehrer John N. Darby (1800–1882), einer der einflussreichsten Theologen der frühen „Brüderbewegung“ (sog. „Plymouth Brethren“), hatte in seiner Zeit wiederholt mit Vertretern der Denkschule der „Arminianer“ zu tun. Vor allem in der uralten Diskussion über den „freien Willen“ und die Aneignung des ewigen Heils gab es zahlreiche Auseinandersetzungen, die größtenteils in seinen Collected Writings und seinen Letters erhalten geblieben sind.

Am 9. Mai 1879 schrieb Darby aus Pau einen Brief in italienischer Sprache an G. Biava, der einen Artikel über den „freien Willen“ verfasst und wohl Darby zur Beurteilung vorgelegt hatte. Darbys Antwort ist in den Letters in englischer Sprache erhalten geblieben. Hier einige Auszüge:

DEAR BROTHER, – I am much pleased with the article on free will; I do not find that there is much to add to it. All depends on the depth of the conviction that we have of our sinful condition; and security and joy depend on it likewise. Lost and saved answer the one to the other: our condition in the old man, and our condition in Christ. But in the reasoning of Arminians there is a totally false principle, namely that our responsibility depends on our power. If I have lent £100,000 to any one, and he has squandered it all, certainly he is not able to pay, but has his responsibility come to an end with his ability? Certainly not. Responsibility depends on the right of the person who has lent it to him, not on the ability of the one who has wrongfully wasted the money.

All men have a conscience, the knowledge of good and evil, since the fall; they know how to distinguish, but that says nothing as to the will; so that since the law demands obedience, and the flesh cannot be subject, to receive the law is in fact an impossibility – not that God hinders him, as I have already said, but because man does not wish it. Further, the law forbids lust, but fallen man has lust in his flesh; and it is in this way that the apostle knew sin. Man must lose his nature before being disposed to obey the law: it is therefore necessary to be born again. Now man cannot give himself divine and eternal life. Why then the law? In order that the offence might abound; by the law sin becomes „exceeding sinful“; „the law works“ the righteous „wrath“ of God against us – not the fear of God in us; it does not give a new life, and that which we have is enmity against God. Man in the flesh cannot receive the law into his heart. …

Can the flesh receive Christ – find its pleasure in the Son of God? Then it is no longer the flesh; it has the mind of the Father Himself. If there is anything there but the flesh, then the man is already born of God, since that which is born of the flesh is flesh. If the flesh can find its pleasure in Christ, the flesh possesses the most excellent thing that is to be found, not only upon earth, but in heaven itself; it finds its pleasure where the Father finds His: it would not be necessary to be born of God; the most excellent thing that he possesses now, through grace, as a Christian, he possessed already before receiving life, in receiving Christ. The certainty of salvation is gone at the same time: if salvation is the fruit of my own will, it depends upon it; if it can be thus easily produced, it cannot be said, „Because I live, ye shall live also.“ …

It is said that faith is but the hand that receives salvation, but what disposes us to offer the hand? It is the grace that works in us.

John N. Darby, Letters, Vol. 2 (1868–1879), Nachdr., Kingston-on-Thames: Stow Hill Bible and Tract Depot, o. J., S. 501–503. Fett- und Farbdruck hinzugefügt. 
Textquelle online auch hier: https://www.stempublishing.com/authors/darby/letters/52346I.html

John N. Darby und der 17. Artikel der Anglikanischen Kirche

Der anglo-irische Bibellehrer John N. Darby (1800–1882) war zweifellos einer der einflussreichsten Denker und Theologen der frühen „Brüderbewegung“ („Plymouth Brethren“). Er verbreitete sein Gedankengut durch extensives Schreiben und Reisen in aller Welt. Seine Liebe für das Wort Gottes führte dazu, dass er an mindestens drei Bibelübersetzungen aus den hebräischen und griechischen Grundtexten maßgeblich beteiligt war: der englischen Darby-Bibel, der französischen Pau-Bibel und der deutschen Elberfelder Bibel.

Darby gehörte der Church of Ireland an, wo er 1825 als Diakon und später als Priester ordiniert wurde. Hunderte von Römisch-katholischen Kirchengliedern verließen ihre Kirche, glaubten an das biblische Evangelium und schlossen sich der Church of Ireland an. Wenige Jahre später (um 1831) verließ Darby Dienst und dann Kirche, weil der anglikanische Erzbischof in Dublin verlangte, dass Neubekehrte Georg IV. als rechtmäßigem König Irlands die Treue zu schwören hätten.

Es gab also für Darby genügend Gründe, in große Distanz zur anglikanischen Kirche zu gehen. Aber er verwarf nicht aus sektiererischen Erwägungen heraus jene Lehren der Anglikanischen Kirche, die er gut in Gottes Wort gegründet sah. Dies wird deutlich in seinem Urteil über den Artikel XVII der 39 Glaubensartikel der Anglikanischen Kirche, der kritische Punkte der Heilslehre, nämlich die Vorherbestimmung und die Erwählung, behandelt. Er lautet:

»17. Von der Vorherbestimmung und Erwählung

Die Vorherbestimmung zum Leben ist der ewige Vorsatz Gottes, wodurch er (vor Grundlegung der Welt) nach seinem uns verborgenen Ratschluss fest beschlossen hat, diejenigen, welche er aus dem Menschengeschlecht in Christus erwählt hat, vom Fluch und der Verdammnis zu erretten und sie als Gefäße der Ehre durch Christus zur ewigen Seligkeit zu bringen. Darum werden diejenigen, welche mit solch einem herrlichen Vorzug Gottes beschenkt worden sind, durch seinen Geist, der zur rechten Zeit wirkt, nach Gottes Vorsatz berufen. Durch die Gnade gehorchen sie der Berufung. Sie werden aus freier Gnade gerechtfertigt. Sie werden als Söhne Gottes an Kindesstatt angenommen. Sie werden dem Bilde seines eingeborenen Sohnes Jesus Christus gleich gestaltet. Sie wandeln heilig in guten Werken und gelangen endlich durch Gottes Barmherzigkeit zur ewigen Seligkeit.

Die gottgemäße Beachtung der Vorherbestimmung und unsere Erwählung in Christus ist voll lieblichen, angenehmen und unaussprechlichen Trostes für gottesfürchtige Menschen und für diejenigen, die in sich die Kraft des Geistes Christi verspüren. Bei ihnen werden die Handlungen des Fleisches und ihre irdischen Glieder getötet und ihr Gemüt zu himmlischen und hohen Dingen emporgehoben. Teilweise festigt und stärkt dies sehr ihren Glauben an die ewige Seligkeit, der sie sich durch Christus erfreuen, teilweise entzündet dies heftig ihre Liebe zu Gott. Doch führt auf der andern Seite die dauernde Beachtung der Vorherbestimmungslehre neugierige, fleischliche und des Geistes Christi ermangelnde Menschen zu einem sehr gefährlicher Absturz. Durch diesen stößt sie dann der Teufel entweder in große Verzweifung oder in die nicht weniger große Gefahr eines höchst unmoralischen Lebens hinein.

Weiter müssen wir die göttlichen Verheißungen so annehmen, wie sie uns in der Heiligen Schrift im allgemeinen dargestellt sind; und in unseren Handlungen muß jener Wille Gottes befolgt werden, der uns ausdrücklich im Worte Gottes offenbart wurde

»PREDESTINATION to life is the everlasting purpose of God, whereby, before the foundations of the world were laid, He hath constantly decreed by His counsel secret to us, to deliver from curse and damnation those whom He hath chosen in Christ out of mankind, and to bring them by Christ to everlasting salvation as vessels made to honour. Wherefore they which be endued with so excellent a benefit of God be called according to God’s purpose by His Spirit working in due season; they through grace obey the calling; they be justified freely; they be made sons of God by adoption; they be made like the image of His only-begotten Son Jesus Christ; they walk religiously in good works; and at length by God’s mercy they attain to everlasting felicity.
As the godly consideration of Predestination and our Election in Christ is full of sweet, pleasant, and unspeakable comfort to godly persons and such as feeling in themselves the working of the Spirit of Christ, mortifying the works of the flesh and their earthly members and drawing up their mind to high and heavenly things, as well because it doth greatly establish and confirm their faith of eternal salvation to be enjoyed through Christ, as because it doth fervently kindle their love towards God: so for curious and carnal persons, lacking the Spirit of Christ, to have continually before their eyes the sentence of God’s Predestination is a most dangerous downfall, whereby the devil doth thrust them either into desperation or into wretchlessness of most unclean living no less perilous than desperation.
Furthermore, we must receive God’s promises in such wise as they be generally set forth in Holy Scripture; and in our doings that will of God is to be followed which we have expressly declared unto us in the word of God.«

Deutsche (übersetzte) Textquelle: http://www.rekd.de/index.php?id=10#9-18 [11.08.2020] Farb- und Fettdruck hinzugefügt. »Die ursprüngliche Version der 39 Artikel wurde in lateinischer Sprache verfaßt und 1563 vom englischen Unterhaus angenommen. Erst 1571 wurden dann endlich die 39 Artikel von Elisabeth I. [unter der England endgültig protestantisch geworden war] als verbindlich in englischer Sprache für die Gesamtkirche eingeführt. … Die 39 „Artikel der Religion“ von 1562 sind das bis heute gültige offizielle Lehrbekenntnis der Kirche von England.«

Darby bezeugte bereits 1831 seine völlige Übereinstimmung mit den Inhalten des 17. Artikels in einem Pamphlet, das in Oxford herausgegeben wurde. In seinen Writings kann man lesen:

For my own part, I soberly think Article XVII. to be as wise, perhaps I might say the wisest and best condensed human statement of the views it contains that I am acquainted with. I am fully content to take it in its literal and grammatical sense.

I believe that predestination to life is the eternal purpose of God, by which, before the foundations of the world were laid, He firmly decreed, by His counsel secret to us, to deliver from curse and damnation those whom He hath chosen in Christ out of the human race, and to bring them, through Christ, as vessels made to honor, to eternal salvation. I believe therefore that those who are endued with so excellent a gift of God, are called according to His purpose working in due time; that they obey the calling through grace; that they are freely justified; that they are adopted to be children of God; that they are made conformed to the image of His only begotten Son Jesus Christ; that they do walk holily in good works; and that at length, through the mercy of God, they do attain to everlasting felicity.

John N. Darby, The Collected Writings, Bd. 3: Doctrinal, Vol. 1, (London: G. Morrish), S. 4–5. Fettdruck hinzugefügt, kursiv im Original.

Manche deuten diese Zustimmung seiner zeitlichen Nähe zum Dienst in der Anglikanischen Kirche geschuldet und insofern als unreif. Dem ist aber nachweislich nicht so, denn er schreibt fast 50 Jahre später und nahe dem Ende seines Lebens in zwei Briefen des Jahres 1880:

As to Article XVII., I quite admit that God’s predestination is secret to us, but the seventeenth Article is not: it is very plain, and I think very good. …
the seventeenth Article … is really a very wise statement as I remember it …

John N. Darby, Letters, Vol. 3 (1879–1882), Nachdr., Kingston-on-Thames: Stow Hill Bible and Tract Depot, o. J., S. 70, 71. Erster Brief vom 23.03.1880, zweiter an den selben Empfänger mit 1880 datiert. Fettdruck hinzugefügt.

Die spätere Entwicklung der Soteriologie großer Teile der „Plymouth Brethren“ zu eher arminianischem Denken ist, wie Stevenson in seiner Dissertation gründlich untersucht und ausführlich belegt hat, ein Verlassen der eigenen theologischen Wurzeln. Mit Anleihe bei Charles H. Spurgeon könnte man analog von einem „Downgrade“ sprechen. Die Gottzentriertheit des biblischen Evangeliums wurde und wird zeitgeistig beeinflusst immer mehr von der egozentrischen Denkweise verdrängt. Dies ist besonders in den „offenen“ Splittergruppen der „Brüderbewegung“ und bei Evangelisten der Bewegung zu beobachten. Der amerikanische Pragmatismus und Glaube an das Menschenmögliche fügt diesem Trend hier und da mit seiner Methodengläubigkeit besondere Duftnoten bei.

Weitere Literatur über und von John N. Darby

  • John Nelson Darby schrieb am 17.04.1872 in einem Brief aus Paris etwas ausführlicher über den „freien Willen“ des Menschen, siehe: Collected Writings of John Nelson Darby, Letters Bd. II, S. 164 ff.; verdeutscht hier.
  • Weremchuk, Max S.: John Nelson Darby. Loizeaux Brothers, 1993. (ISBN 978-0872139237)
  • Kelly, William: John Nelson Darby – as I Knew Him. Belfast, Northern Ireland: Words of Truth)
  • Cross, Edwin N.: Unknown and Well Known: A Biography of John Nelson Darby. London: Chapter Two, 2006. (ISBN 978-1853072307) – Eine Überarbeitung und Erweiterung des gleichnamigen Buches von W. G. Turner.
  • Internet Archive mit Titeln Darbys.
  • University of Manchester Special Collections (ELGAR) mit Papers of John Nelson Darby (1,85 Regalmeter).
  • Collected Writings of John Nelson Darby, 34 Bd., Hrsg. William Kelly, Dublin: G. Morrish, 1879–1883; sowie: Notes and Comments on Scripture (7 Bd.), Letters (3 Bd.), Notes and Jottings (1 Bd.), Spiritual Songs (1 Bd.), Full Indexes (1 Bd.) und Synopsis of the Books of the Bible (5 Bd.)
  • Mark R. Stevenson: The Doctrines of Grace in an Unexpected Place. Calvinistic Soteriology in Nineteenth-Century Brethren Thought. Eugene, OR: Wipf and Stock, 2007 (ISBN 978-1-4982-8111-9). Deutsch: Mark R. Stevenson: Die Brüder und die Lehren der Gnade. Wie stand die Brüderbewegung des 19. Jahrhunderts zur calvinistischen Heilslehre? Bielefeld: CLV, 2019.

Vom Wert und der Reichweite des Sühnungswerkes Christi am Kreuz

Arminianisch denkenden Menschen werfen den „Calvinisten“ oft vor, sie würden das Werk Jesu Christi am Kreuz unzulässig begrenzen und einengen. Dies entnehmen nicht wenige der unglücklichen Bezeichnung „begrenzte Sühnung“ (engl. limited atonement), die als Begriff eine geraume Zeit nach Calvin einem der sog. „Fünf Punkte des Calvinismus“ (den „Lehren der Gnade“ Gottes) zugeordnet wurde. Dieser Vorwurf beruht meistens auf einem Missverständnis, einer Nichtkenntnis oder einem willentlichen Verzerren dessen, was die Reformierten tatsächlich lehr(t)en. Einige verwenden daher lieber trefflichere Bezeichnungen wie „particular redemption“, „definite redemption“, „limited redemption“, „actual atonement“, „intentional atonement“ o. ä.

Angeblicher Höhepunkt des „Calvinismus“ war die Dordrechter Synode der reformierten Kirchen der Niederlande (1618–1619) gegen die „Remonstranten“ (die später oft nicht völlig richtig nach dem Amsterdamer Prediger Jakobus Arminius, späterem Professor in Leiden, „Arminianer“ genannt wurden). Die internationale Synode stellte die sog. „Lehrregeln von Dordrecht“ gegen die Falschlehren der Remonstranten auf. Man beachte, dass es um das zweite Lehrstück geht, nicht das dritte, was das noch später entstandene Akronym TULIP (L für limited atonement) falsch nahelegt:

»Zweites Lehrstück: Vom Tode Christi und der Erlösung der Menschen durch denselben

Artikel 3
Dieser Tod des Sohnes Gottes ist das einzige und vollkommenste Opfer und Genugtuung für die Sünden, unendlich an Kraft und Wert, überflüssig genügend, die Sünden der ganzen Welt zu sühnen.
Artikel 4
Deshalb ist dieser Tod von so großer Kraft und so großem Wert, weil die Person, welche ihn erlitt, nicht nur ein wahrer und vollkommen heiliger Mensch ist, sondern auch der eingeborene Sohn Gottes, desselben ewigen und unendlichen Wesens mit dem Vater und dem Heiligen Geist, wie unser Heiland sein musste. Sodann, weil sein Tod mit dem Gefühl des Zornes Gottes und des Fluches, den wir durch unsere Sünden verdient hatten, verbunden ist.
Artikel 5
Übrigens ist es die Verheißung des Evangeliums, dass wer an den gekreuzigten Christus glaubt, nicht verlorengeht, sondern das ewige Leben hat. Diese Verheißung muss allen Völkern und Menschen, zu denen Gott das Evangelium nach seinem Wohlgefallen sendet, gemeinschaftlich und ohne Unterschied verkündigt und vorgestellt werden mit dem Befehl zur Buße und zum Glauben.
Artikel 6
Dass aber viele, die durch das Evangelium berufen sind, nicht in sich gehen und nicht an Christus glauben, sondern durch Unglauben umkommen, das geschieht nicht, weil dem am Kreuz dargebrachten Opfer Christi etwas fehlt oder weil es nicht ausreicht, sondern durch ihre eigene Schuld.«

Die Dordrechter Lehrsätze. 400. Jubiläum der Dordrechter Synode (1618/1619), Reformations-Gesellschaft-Heidelberg e. V. (Hg.), 2019. Fett- und Farbdruck hinzugefügt.

Auswertung. Artikel 3 macht also völlig klar, dass Kraft und Wert des Opfers Christi als unendlich gesehen wird, insofern also nicht als begrenzt verstanden wird. Artikel 4 erklärt dann, dass dieser Wert in der Größe und dem Wert der Person begründet ist, die sich geopfert hat: der Mensch gewordene, heilige, eingeborene Sohn Gottes. Artikel 5 lehrt, dass die Verkündigung der Verheißung dieses Rettungswerks im Evangelium nicht begrenzt werden darf, sondern allen Völkern und Menschen verkündigt und vorgestellt werden muss. Auch hier ist keine Begrenzung, z. B. auf die Erwählten, zu lesen. Artikel 6 macht klar, dass der Unglaube und das Verlorengehen alleine die Schuld des Menschen ist, und niemals im Werk Christi (und irgendeiner Begrenzung dessen) zu finden ist.

Fazit. Die zitierte Lehrregel steht den Falschmeldungen etlicher Autoren und Redner der anti-calvinistischen Szene entlarvend entgegen: Es wird keine Begrenztheit im Wert des Sühnungswerks oder in der Verkündigung der Verheißungen des Evangeliums gelehrt. Auch die Schuldfrage und die Verantwortung des Menschen wird deutlich benannt. Dies entspricht dem klaren Zeugnis der Heiligen Schrift.

Einige beispielhafte Belege reformierter Schreiber

1. Der Reformator Johannes Calvin (1509–1564) – War er eigentlich ein „Calvinist“? – vertrat die alte Formel:

Christus passus est sufficienter pro omnibus, efficaciter [tantum] pro electis.
Deutsch.: „Christi Leiden ist ausreichend für alle, wirksam [nur] für die Erwählten.

Zitiert nach: Phillip Schaff, The Creeds of Christendom, Bd. 1, The History of The Creeds, S. 518. Auch Charles Hodge, Systematic Theology (1871; Nachdr., Grand Rapids, MI: Wm. B. Eerdmans, 1940), Bd. 2, S. 545–46, erwähnt dies als übliche Sicht der sog. Augustinianer. W.G.T. Shedd, Dogmatic Theology, erwähnt es ebenfalls. (Usw.)

Weitere Aussagen Calvins über das unbegrenzte Angebot des Opfers Christi finden sich z. B. in seinen teilweise überraschenden Kommentaren zu Johannes 3,16 und Römer 5,18 (s. u.).

2. Der nach Amerika ausgewanderte niederländische reformierte Theologe Rienk B. Kuiper (1886–1966) ist ein Beispiel dafür, dass „die Calvinisten“ eben nicht in jeder Hinsicht die Absichten und Wirkungen des Sühnungswerks Christi auf die Erwählten begrenzen. Er schrieb in seinem Buch For Whom Did Christ Die?:

»According to the Reformed faith the divine design of the atonement is in an important respect limited. But the Reformed faith also insists that in other respects it is universal. It can be shown without the slightest difficulty that certain benefits of the atonement, other than the salvation of individuals, are universal.
Therefore the statement, so often heard from Reformed pulpits, that Christ died only for the elect must be rated a careless one. To be sure, if by „for“ be meant in the place of, the statement is accurate enough … If, however, by „for“ be meant in behalf of, it is inaccurate, to say the least. Certain benefits of the atonement accrue to men generally, including the non-elect. Like all things that are, this is so by divine design.«

R. B. Kuiper, For Whom Did Christ Die?: A Study of the Divine Design of the Atonement (Wm. B. Eerdmans, 1959; Nachdr., Wipf and Stock, 2003), S. 78–79 (Kapitel 5 „Scriptural Universalism“). Fett- und Farbschrift hinzugefügt, Kursiv im Original.


3. Der amerikanische reformierte Theologe Loraine Boettner (1901–1990) schrieb 1932 in seinem Buch The Reformed Doctrine of Predestination, das aus seiner Masterarbeit (Th.M.) am Princeton Theological Seminary entstand, dass die Sühnung (Atonement) „streng genommen“ ein „unbegrenzter Vorgang“ ist, deren Anwendung jedoch (in Form der Erlösung, also der Vergebung der Sünden und Befreiung vom daraus entstandenen Fluch; Eph 1,7; Röm 3,24; Gal 3,13; 1.Pet 1,18–19 u. a.) begrenzt ist:

»The question which we are to discuss under the subject of „Limited Atonement“ is, Did Christ offer up Himself a sacrifice for the whole human race, for every individual without distinction or exception; or did His death have special reference to the elect? In other words, was the sacrifice of Christ merely intended to make the salvation of all men possible, or was it intended to render certain the salvation of those who had been given to Him by the Father? Arminians hold that Christ died for all men alike, while Calvinists hold that in the intention and secret plan of God Christ died for the elect only, and that His death had only an incidental [beiläufige] reference to others in so far as they are partakers of common grace. The meaning might be brought out more clearly if we used the phrase „Limited Redemption“ rather than „Limited Atonement.“ The Atonement is, of course, strictly an infinite transaction; the limitation comes in, theologically, in the application of the benefits of the atonement, that is in redemption. But since the phrase „Limited Atonement“ has become well established in theological usage and its meaning is well known we shall continue to use it.«

Loraine Boettner, The Reformed Doctrine Of Predestination, Thirtieth printing 1989 (Phillipsburg, NJ: Presbyterian and Reformed Publishing Company, 1932), S. 150 (Kapitel 12 „Limited Atonement“). Fett- und Farbschrift sowie Text in eckigen Klammern hinzugefügt.

Kommentar: Die vom reformierten Theologen Boettner getroffene Unterscheidung zwischen der universalen Sühnung und der definitiven, begrenzten Erlösung (o. Vergebung, Stellvertretung im Gericht usw.) bzgl. des Opfers Jesu haben etliche Autoren der „Plymouth Brüder“ (in D.: Elberfelder Brüderbewegung) früher exklusiv für sich reklamiert. Man bewertet dies heute als ihren kreativ-theologischen Beitrag zur Soteriologie (Heilslehre) des 19. Jahrhunderts (s. z. B. Mark R. Stevenson in The Doctrines of Grace in an Unexpected Place, 2017). Wenn allerdings heute immer noch behauptet wird (meist durch ungeprüftes und unreflektiertes Abschreiben aus alten Quellen, wie z. B. den Schriften der Cheftheologen der „Brüderbewegung“, John N. Darby und Wm. Kelly): »Während Calvinisten in der Sühnung häufig nur den Aspekt der Stellvertretung sehen…«, oder: »Die calvinistisch geprägte Vorstellung von Sühnung kennt die Seite der Genugtuung oder dass Gott im Hinblick auf die ganze Welt unbegrenzt zufriedengestellt wurde, nicht.« (Dirk Schürmann auf soundwords.de [2015, 2021]), irrt jedoch, wie oben gezeigt. Man sollte nicht Dinge behaupten oder gar bewerten, die man nicht studiert hat oder die völlig veraltet sind.

Eine unsaubere Terminologie der Heilsbegriffe stiftet zudem manches Missverständnis: Mal redet man von Sühnung, mal von Versöhnung, Erlösungswerk, Opfer Jesu, Vergebung, Errettung, Heil usw. Diese Begriffe bezeichnen jedoch zumeist unterschiedliche Aspekte des Werkes Jesu am Kreuz. Wenn die Begriffe aber nicht geklärt sind, ist das Gesagte (Geschriebene) oft nicht das Gemeinte und – fataler Weise – nicht das Verstandene. Beachtet werden muss auch, dass die Heilige Schrift diese Begriffe nicht immer gleichartig verwendet. Um den Sinn eines Begriffs an einer Stelle zu erfassen, muss vor allem der Kontext aufmerksam beachtet werden, reine „Wortstudien“ oder konkordante Vergleiche und Gleichsetzungen reichen nicht aus. Stevenson beobachtete auch bei dem erwähnten Theologen der frühen „Brüderbewegung“ (Plymouth Brethren), John N. Darby (1800–1882), dass dieser sein Verständnis in der Heilslehre schärfen und entsprechend Nuancen beachten musste. Stevenson sieht es daher als notwendig an, in der Soteriologie (Heilslehre) den „Calvinismus“ der „Brüder“ und vieler reformierter Theologen vom unbiblischen „Hyper-Calvinismus“ strikt zu trennen:

»As Darby’s views developed, his position on the atonement became more nuanced. He made a crucial distinction between propitiation and substitution. Propitiation is Godward and thus in the work of Christ there is ‘an adequate and available sacrifice for sin for whoever would come.’61 But Darby did not believe that Christ bore, as a substitute, the sins of all people. He wrote, ‘I can address all, and declare to them that this satisfaction [for sin] has been made… But I cannot say to all that Christ bore their sins, because the word does not say it anywhere. If He had borne their sins, they would certainly be justified.’62 Darby explained how this impacted his preaching, ‘I can say to all, that propitiation has been presented to God. They have but to look there, and going to God by that blood they will be received; they have nothing to wait for. They will not go unless the Father draw them, but this is a matter of sovereign grace, with which I have nothing to do in my preaching—in my teaching, yes, but not in my address to unconverted souls.’63 It is reasonable to conclude that Darby was a strict Calvinist who saw a particularity in the atonement but did not share the hyper-Calvinist refusal of a universal gospel offer.«

Mark R. Stevenson, „Early Brethren Leaders and the Question of Calvinism“, in: Brethren Historical Review 6:2–33 [2010]. – FN61: »[Darby], CW, 29, p.287.«; FN62: »[Darby], Letters, vol.1, p.98.«; FN63: »Ibid.«. Fett- und Farbdruck hinzugefügt. Link zu einem PDF-Exzerpt.

Weitere Untersuchungen

Eine weitere Untersuchung könnte sich der Frage widmen, inwiefern die Wirksamkeit und effektiven Anwendung der Sühnung begrenzt ist. Denn begrenzt ist sie, wenn wir den klaren Lehren Jesu und seiner Apostel folgend nicht an die Irrlehre der Allversöhnung (sog. Universalismus) glauben.

Die eher „calvinistische“ Deutung sieht das Sühnungswerk (Boettner folgend genauer gesagt: die Erlösung, also die Anwendung) Jesu in Zielsetzung und Absicht (engl. purpose) begrenzt, zumindest im Aspekt der persönlichen Stellvertretung im Gericht, die nur für die Erwählten stattfand und diese effektiv rettete. Dies ist auch die traditionelle Position der „Brüderbewegung“ (Plymouth Brethren, KLC Brethren), die allerdings immer mehr in Richtung arminianischer Falschlehren verlassen wurde und wird.

Die eher „arminianische“ Deutung hingegen begrenzt die Wirksamkeit des Sühnungswerkes Christi auch, aber nun vielmehr darin, dass dieses Sühnungswerk die Rettung von Menschen nur möglich mache („Die Tür aufstieß“, eine/n Chance/Weg eröffnete), aber die Rettung keines einzigen Menschen effektiv vollbrachte. Jeder sollte einmal die Heilige Schrift unter Gebet studieren, um zu verstehen, was Christus gemeint hatte, als Er am Kreuz ausrief: „Tetélestai! – Es ist vollbracht!“

Quellen

  • Die Dordrechter Lehrsätze. 400. Jubiläum der Dordrechter Synode (1618/1619), Reformations-Gesellschaft-Heidelberg e. V. (Hg.), 2019. Download: https://reformationsgesellschaft.de/wp-content/uploads/2018/05/2018-05-04-Dordrechter-Lehrsaetze-WEB.pdf [10.08.2020]
  • Calvin über Römer 5,18: https://www.ccel.org/c/calvin/comment3/comm_vol38/htm/ix.x.htm, http://www.calvinismus.ch/wp-content/uploads/roemer.html
    »Christi Gerechtigkeit und Gehorsam kam nicht seiner Person allein zugute, sondern greift weit darüber hinaus und macht die Gläubigen reich, welche sie zum Geschenk empfangen. Ein Gemeinbesitz für alle Menschen ist die Gnade nun deshalb, weil sie für alle öffentlich ausgeboten ward, nicht etwa weil alle sie wirklich hinnähmen. Christus hat zwar für die Sünden der ganzen Welt gelitten, und alle empfangen unterschiedslos das Angebot der Güte Gottes: aber nicht alle nehmen es an
  • Calvin über Johannes 3,16: https://www.ccel.org/c/calvin/comment3/comm_vol34/htm/ix.iii.htm
    »That whosoever believeth on him may not perish. It is a remarkable commendation of faith, that it frees us from everlasting destruction. For he intended expressly to state that, though we appear to have been born to death, undoubted deliverance is offered to us by the faith of Christ; and, therefore, that we ought not to fear death, which otherwise hangs over us. And he has employed the universal term whosoever, both to invite all indiscriminately to partake of life, and to cut off every excuse from unbelievers. Such is also the import of the term World, which he formerly used; for though nothing will be found in the world that is worthy of the favor of God, yet he shows himself to be reconciled to the whole world, when he invites all men without exception to the faith of Christ, which is nothing else than an entrance into life.«