HerzensGebet: Für das eigene Herz beten (Andacht)

Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist;
denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens. 

Sprüche Salomons 4,23

Wie soll das gehen: »Mehr als alles hüte dein Herz!« (NEÜ)? Bestimmt nicht ohne anhaltendes, gezieltes Gebet! Wir sollten daher regelmäßig für unser Herz, unsere Seele, beten, denn (nach biblischem Menschenbild) werden alle Lebensfunktionen (Denken, Fühlen, Wollen usw.) zentral von dort gesteuert und »fließen« von dort heraus.

Gott hat uns in der Neugeburt anstelle unseres angeborenen kalten, toten Herzens ein neues, »fleischernes«, lebendiges Herz geschenkt. Aber wir stecken noch in vielen alten, sündigen Gewohnheiten. Da muss Veränderung her! Und daran arbeitet Gott der Heilige Geist in uns mittels geistlicher Mittel. Das Gebet ist eines davon.

Wie wir für unser Herz –und das anderer!– beten, sollte in Übereinstimmung mit dem sein, was Gottes Wort dazu sagt. Beten wir regelmäßig für unser Herz und für das unserer Ehepartner, Kinder, Ältesten und Glaubensgeschwister! Was sollten wir beten? Hier einige Vorschläge:

  1. Neige mein Herz. Das erste, was meine Seele braucht, ist eine feste innere Neigung zu Gott und Seinem Wort. Ohne dies wird in meinem Leben nichts von echtem Wert passieren. Ich muss Gott kennen lernen, sein Wort lesen und mich Ihm nahen wollen. Woher kommt dieses Wollen? Von Gott! Daher lehrt uns Psalm 119,36 zu beten: »Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen und nicht zum Gewinn!«
  2. Öffne meine Herzensaugen. Als nächstes bedarf ich, dass die Augen meines Herzens geöffnet werden. Wenn ich durch meine neue Herzensneigung zum Wort Gottes gezogen werde, dann will ich dort sehen, was wirklich geschrieben steht – und nicht nur meine eigenen Ideen. Wer öffnet die Augen meines Herzens? Gott! So lehrt uns Psalm 119,18 zu beten: »Öffne meine Augen, damit ich schaue die Wunder aus deinem Gesetz.« 
  3. Erleuchte meine Herzensaugen. Meine Herzensaugen müssen erleuchtet werden, damit ich die »Wunder« im Wort Gottes erkennen kann. Ich will nicht nur bloß interessante Fakten lesen, sondern die Herrlichkeit darin wahrnehmen. Wer erleuchtet meine Herzensaugen? Gott! Epheser 1,18 lehrt uns zu beten, dass »Er erleuchte die Augen eures Herzens.«
  4. Einige mein Herz. Meine Erfahrung macht mir betroffen bewusst, dass mein Herz ziemlich geteilt und zertrennt ist: manche Bereiche werden erleuchtet, während andere im Dunkel bleiben. Deswegen sehne ich mich danach, dass mein Herz für Gott zusammengefasst und geeinigt wird. Woher kann solche Ganzheit und Einheit kommen? Von Gott! Daher lehrt uns Psalm 86,11 zu beten: »Lehre mich, Jahwe, deinen Weg: ich will wandeln in deiner Wahrheit! Einige mein Herz zur Furcht Deines Namens.«  
  5. Sättige mein Herz. Was ich mit all der Beschäftigung mit Gottes Wort und dem Werk des Geistes Gottes in Beantwortung meiner Gebete erreichen will ist, dass mein Herz in Gott –und nicht durch die Dinge der Welt– völlig befriedigt und gesättigt wird. Woher kommt solche Befriedigung? Von Gott! So lehrt uns Psalm 90,14 zu beten: »Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade [o. Güte, anhaltenden Liebe], so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen.« 
  6. Stärke mein Herz. Ich möchte nicht, dass dieses mein Glücklichsein zerbrechlich oder schwach ist, sondern vielmehr stark, beständig und langlebig – auch angesichts größter Widrigkeiten. Ich will auch in den dunklen Zeiten stark in der Freude und ausdauernd sein. Woher kommt solche Stärke und Ausdauer? Von Gott! So lehrt uns Epheser 3,16 zu beten, »dass er [der Vater] euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen.« 
  7. Mache mich fruchtbarIch möchte nicht, dass meine Stärke in Christus nur für mich fruchtbar ist, sondern auch für andere. Ganz offenbar ist »Geben seliger als Nehmen« (Apg 20,35). Daher will ich gute Werke und »Bemühungen der Liebe« (1Thess 1,3) für andere tätigen, damit die Herrlichkeit Gottes in meinem Leben gesehen werde und auch andere schmecken und sehen mögen, dass der Herr gütig ist (Ps 34,9; 1Petr 2,3). Wer erzeugt solche guten Werke der Liebe (vgl. Eph 2,10)? Gott! So lehrt uns Kolosser 1,10 zu beten, »um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, fruchtbringend in jedem guten Werk.«  
  8. Geheiligt werde Dein Name. Damit bei all solchem Bitten und Anstreben das wichtigste Ziel nicht aus den Augen verloren werde, sollten wir Tag für Tag als fliegendes Banner über allen unseren Bitten beten (Mt 6,9): »Geheiligt werde Dein Name!« — Herr bewirke, dass aufgrund meines Lebens und Dienens Dein Name bekannt und gefürchtet und geliebt und in Ehren gehalten und bewundert und gepriesen wird und dass in diesem Namen Urvertrauen gegründet wird.

Wir wollen dies alles im Namen Jesu Christi erbitten, denn Gott gibt uns diese Dinge nur auf Grundlage des Sterbens Jesu und nur »in Ihm«. Christus starb für uns und beseitigte so den Zorn Gottes, damit der Vater uns freizügig alle geistlichen Segnungen schenken kann (vgl. Röm 8,32).

Herr, lehre uns von Anfang bis Ende auf biblische Art und Weise und mit einer biblischen Sicht, wie Du in dieser Welt handelst, zu beten. Zeige Dich uns und wie Du wirkst, damit wir beten, wie es sich gehört. Und lehre uns zu beten wie es sich gehört, damit wir Dich sehen und wie Du wirkst.

Denn die Augen Jahwes durchlaufen die ganze Erde, 
um denen treu beizustehen,
deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist.

2. Chronika 16,9a (ELB2003)

Was ihr auch tut,
arbeitet von Herzen als dem Herrn
und nicht den Menschen.

Kolosser 3,23 (ELB2003)

Referenzen

Diese Andacht entstand in eigener Adaptierung und Übersetzung aus der Vorlage von John Piper, Taste and See, S. 63–65 (Grace@logikos.club, 2009).

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Danke, Glaubensschwester!

Immer wieder vergesse ich in dieser schnelllebigen Zeit »Danke!« zu sagen. Oft bin ich wirklich dankbar, aber manchmal vergesse ich einfach, dies die Leute auch wissen zu lassen. So nehme mir heute einmal die Zeit, Dir, meiner Schwester in der Familie Gottes, ein herzliches Dankeschön zu sagen.

Hebräer 10,25 sagt uns, dass wir die Zusammenkünfte nicht versäumen sollen, und Du hast Dir diesen Vers zu Herzen genommen. Woche für Woche sehe ich Dich in den Versammlungsstunden der Gemeinde. Das ist für mich eine echte Ermutigung. Ich weiß, dass einige von Euch ungläubige Ehemänner haben und dass Eure Umstände nicht immer die einfachsten sind. Ich schätze Deinen Einsatz und die Opfer, die Du bringst. Noch besser sieht und bewertet dies unser Herr und Heiland Jesus Christus.

In 1Thessalonicher 5,17 werden wir angehalten, ohne Unterlass zu beten. Ich weiß, dass einige von Euch für mich beten. So steht über meinem Leben die beständige Herausforderung, ein Leben zu leben, das sich Deines Einsatzes im Gebet für mich als würdig erweist. Ganz besonders möchte ich Dir dafür danken, dass Du für mich betest, wenn ich lehre oder predige. Die Verantwortung, das Wort Gottes klar und praktisch verpflichtend weiterzugeben, ist zu groß für mich, als dass ich sie ohne Dein Gebet tragen könnte.

In Römer 12,13 wird uns gesagt, dass wir Gastfreundschaft üben sollen. Ein Mahl mit Gläubigen zu teilen hat für mich immer etwas ganz Besonderes. Ich weiß noch, wie ich als Student und Junggeselle die Gastfreundschaft von Geschwistern im Herrn so positiv erfahren durfte. Das traf auch —oder gerade— auf die einfachsten Mahlzeiten zu, die wir teilen durften. Gastfreundschaft hat mir viel gegeben, teilweise lebenslange Freundschaften und Erinnerungen. Deswegen preise ich mich auch glücklich, dass der Herr Jesus mir eine gastfreundliche Ehefrau zur Seite gestellt hat, und dass ich mit ihr dem Herrn und den Seinen etwas davon zurückgeben darf. Danke, liebe Glaubensschwester, dass Du ebenfalls von Herzen mit der Pflege der Gastfreundschaft »gute Werke« tun willst (1Timotheus 5,10).

In Philemon 1,7 sagt der Apostel Paulus zu seinem Freund »ich hatte große Freude und großen Trost durch deine Liebe«. Das trifft auch auf mich zu. Deine christliche Liebe hat mir Freude und Trost gebracht — auch wenn ich einmal nicht gerade sehr liebenswert war. Auch nach Versagen und Rückschlägen versuche ich immer wieder, »mein Bestes« für Christus und Seine Gemeinde zu geben, und Du hast mir oft mit einem Wort der Ermutigung dabei geholfen.

1Korinther 14,34 sagt, dass die Frauen in den Gemeindeversammlungen schweigen sollen. Ich habe gelernt, Deine aktive, aber stille, Beteiligung an den Versammlungen wertzuschätzen. Ich vermute, dass es oft Dein stilles Gebet ist, das die Atmosphäre beim Brotbrechen bestimmt. Vielleicht bekomme ich nie die Chance, alle diese Gebete zu hören, aber ich weiß ganz sicher, dass sie alle gehört werden! Ich weiß, dass Deine Gebete einen wichtigen Beitrag zur Anbetung leisten und ich danke Dir dafür. Dein aktives Stillesein ist mir ein gutes Vorbild. Ich selbst erlebe nicht selten, dass mir die Worte fehlen, um zu sagen, was mich im Herzen bewegt. Du bist ein lebendiges Beispiel dafür, dass geistlich gesonnene Menschen ihr Herz auch schweigend im Gebet vor unserem himmlischen Vater ausschütten können.

1Korinther 11,3 spricht von Haupt-sein. Deine feine und sanfte Unterordnung unter Dein Haupt ist für mich eine beständige Erinnerung daran, dass auch ich mich meinem Haupt –Jesus Christus– unterwerfen muss. Dein Beispiel hat mir dabei geholfen. Früher, als Kind, gehorchte ich meinen Eltern. Heute ordne ich mich den Ältesten der Gemeinde unter. Selbst in meinem »weltlichen« Beruf muss ich mich meinem Vorgesetzten unterordnen. Du hast demonstriert, dass sich eine Person unterordnen kann, ohne in irgendeiner Weise deswegen geringwertiger zu sein. Du bist genauso im Bilde Gottes geschaffen, würdig und wertvoll, wie jedermann. Es tut mir leid, wenn irgendein Mann diese Lektion (immer) noch nicht verstanden hat.

Ich lese in Sprüche 31 von der tüchtigen Frau. In verschiedener Hinsicht habe ich ihre Qualitäten auch in Deinem Leben gesehen. Auch Du arbeitest hart und fleißig. Auch Du bist gütig und herzlich. In Sprüche 31,23 sehen wir, dass ihr Ehemann unter dem Volk und bei den Führern des Volkes geachtet war. Ein Gutteil des Respekts, den ich bezüglich mancher Männer in der Gemeinde empfinde, hat seine Ursache in den feinen, christlichen Qualitäten, die deren Ehefrauen offenbaren. Damit hat sich manche Ehe­frau als doppeltes »Schmuckstück« (Sprüche 12,4) erwiesen.

Wir leben in einer sexuell aufgeladenen Atmosphäre und von Zeit zu Zeit ist es für einen Mann nicht leicht, seine Gedanken von sündigen Dingen abzuhalten. Du folgst in der Wahl und Gestaltung Deines Äußeren 1Timotheus 2,9 und ich schätze Deine Schamhaftigkeit und Sittsamkeit. Es ist leicht, mit Unanständigkeit Aufsehen zu erregen, aber Du fällst auf wegen Deiner Schicklichkeit.

Zum Schluss möchte ich Dir, liebe gläubige Mutter, für die harte Arbeit danken, die Du im Aufziehen der nächsten Generation der Heiligen leistest. Wie bei einer Lois oder Eunice (2Timotheus 1,5) kann  sich Dein ungeheuchelter Glaube in Deinen Kindern wieder zeigen. Wir leben in einer Welt, die auf Mütter wie auf Aschenbrödel »mitleidig« herabschaut, aber ich sehe oft mit Bewunderung auf Dich.

Vielen Dank, Schwester! Gott segne Dich!

Dein Glaubensbruder 

Was ist das Zentralanliegen des „Calvinismus“?

Vorwort

Immer wieder wurde und wird versucht, das theologische Monumentalwerk von Johannes Calvin (auch: die Lehre Calvins, den „Calvinismus“, den reformierten Glauben) kurz zusammenzufassen und prägnant auf den Punkt zu bringen, weil der jeweiligen Leserschaft offenbar nicht zugemutet werden könne oder solle, das Werk Calvins selbst einmal in Ruhe zu studieren und anhand der Bibel zu prüfen (Apg 17,11). 

Dieser Versuch wird auch von anti-calvinistischer Seite aus immer wieder unternommen. Nicht selten muss man dabei beobachten, dass einfach von anderen abgeschrieben wird: das Richtige, das Gefälschte und das Falsche. Sekundär- und Tertiärzitate häufen sich. Ob dies auf Faulheit, Ignoranz oder Desinteresse an echter Auseinandersetzung anhand der Originalquellen beruht, sei hier dahingestellt, aber es führt nicht selten zu einem Zerrbild, das nur die eigenen Vorurteile bedient, mithin nur eine Widerspiegelung der eigenen theologischen Meinungen und Vorurteile ist. Dies ist vor allem in theologisch und biblisch weniger bewanderten Freikirchen, Gemeinschaften und religiösen Vereinen und deren Rednern und Autoren zu beobachten, die sich dem Anti-Calvinismus verschrieben haben. Zum Glück muss dies nicht die Endstation sein (Psalm 1,1–2; 119,67).

Es macht also viel Sinn, auch einmal einen „Calvinisten“ zu befragen, jemand, der nicht nur Ahnung und Vorurteile, sondern Fachkenntnis von der Materie und daher ein qualifiziertes Fachurteil besitzt. Zu diesen kann man sicher den reformierten Pastor und Theologen Joel R. Beeke (*1952) zählen, den Präsidenten des Puritan Reformed Theological Seminary in Grand Rapids, Michigan (USA).

In seinem Buch Living for God’s Glory: An Introduction to Calvinism (etwa: Leben zur Verherrlichung Gottes: Eine Einführung in den Calvinismus) geht er der Frage nach, was denn der Kern, das Mark (marrow), des Calvinismus sei. Hier ist sein Ergebnis [1] (eigene Übersetzung von Grace@logikos.club). Bibeltreue, gottesfürchtige Glaubende werden das meiste und entscheidende davon wahrscheinlich nicht als »calvinistisch«, sondern einfach als christlich und biblisch bezeichnen. Denn »Leben zur Verherrlichung Gottes« war, ist und bleibt das Urthema, der Sinn und die Bestimmung des Menschen, insbesondere des glaubenden Christen.

Erfreulich und entscheidend wichtig ist, dass Beeke nicht eine Eigenschaft (Vortrefflichkeit, Vollkommenheit) Gottes vor allen anderen auswählt, wie manche dies gerne verzerrend tun, sondern Gott Selbst in den Mittelpunkt stellt [„Theo-zentrismus“, „Gott im Mittelpunkt“, bedeutet: alles dreht sich um Gott]:

»Theozentrismus

Wenn wir den Calvinismus auf ein Begriff, ein Konzept reduzieren müssten, folgen wir am besten Warfield, der sagte, dass reformiert zu sein bedeutet, theozentrisch zu sein. Das Hauptinteresse der reformierten Theologie ist der dreieinige Gott, denn der transzendente-immanente, väterliche Gott in Jesus Christus ist Gott selbst. Calvinisten sind Menschen, deren Theologie von der Vorstellung von Gott beherrscht wird. Mason Pressly hat es so gesagt: »So wie der Methodist die Idee der Erlösung der Sünder in den Vordergrund stellt, der Baptist das Geheimnis der Wiedergeburt, der Lutheraner die Rechtfertigung durch den Glauben, die Böhmischen Brüder [auch: Brüder-Unität] die Wunden Christi, das Mitglied der Griechisch-orthodoxen Kirche die Mystik des Heiligen Geistes und der Romanist die Katholizität der Kirche, so stellt der Calvinist immer den Gedanken an Gott in den Vordergrund.«[2]

Reformiert zu sein bedeutet, die umfassende, souveräne, väterliche Herrschaft Gottes über alle Dinge und Bereiche zu betonen: jeden Bereich der Schöpfung, alle Unternehmungen der Geschöpfe und jeden Aspekt des Lebens des Gläubigen. Das vorherrschende Motiv im Calvinismus ist: „Am Anfang […] Gott“ (1Mo 1,1).

In seiner Beziehung zu uns hat Gott nur Rechte und Befugnisse. An Pflichten bindet Er sich souverän und gnädig nur durch Bundesschlüsse. Im Bund übernimmt Er die Pflichten und Verantwortungen, die er als unser Gott hat, aber das ändert nichts daran, dass Er selbst die erste Ursache und das letzte Ziel aller Dinge ist und bleibt. Das Universum wird nicht durch Zufall oder Schicksal bestimmt, sondern durch die vollständige, souveräne Herrschaft Gottes. Wir existieren nur zu einem Zweck: Ihm die Ehre zu geben. Wir haben gegenüber Gott nur Pflichten, keine Rechte. Jeder Versuch, diese Wahrheit in Frage zu stellen, ist zum Scheitern verurteilt. In Römer 9,20b heißt es: „Wird etwa das Geformte zu dem, der es geformt hat, sagen: Warum hast du mich so gemacht?“ Gott erlässt seine Gesetze für jeden Bereich unseres Lebens und verlangt unbedingten Gehorsam. Wir sind aufgerufen, ihm mit Leib und Seele zu dienen, im Gottesdienst und bei der täglichen Arbeit, jede Sekunde eines jeden Tages.

Reformiert zu sein, bedeutet also, sich mit dem vollständigen Charakter der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf zu befassen. Es bedeutet, das ganze Leben coram Deo zu betrachten, das heißt, vor dem Angesicht Gottes zu leben. Wie Warfield schrieb:

»Der Calvinist ist ein Mensch, der [überall] Gott erkennt: Gott in der Natur, Gott in der Geschichte, Gott in der Gnade. Überall sieht er Gott in seinem mächtigen Schreiten, überall spürt er das Wirken seines mächtigen Armes, das Pochen seines mächtigen Herzens. Der Calvinist ist ein Mensch, der Gott hinter allen Erscheinungen sieht und in allem, was geschieht, die Hand Gottes erkennt, die Seinen Willen ausführt. [Der Calvinist] macht die Haltung, die die Seele im Gebet zu Gott einnimmt, zu seiner ständigen Haltung in allen Lebensaktivitäten; [er] wirft sich völlig und ausschließlich auf die Gnade Gottes und schließt jeden Gedanken daran, dass das Werk der Erlösung auch nur im Geringsten von ihm selbst abhängig sei, aus.« [3]

Die Lehre von Gott – einem väterlichen, souveränen Gott in Jesus Christus – ist daher das Zentrum der reformierten Theologie. R. C. Sproul drückt es so aus: »Wie wir das Wesen und den Charakter Gottes selbst verstehen, beeinflusst, wie wir das Wesen des Menschen verstehen, der Gottes Ebenbild trägt; das Wesen Christi, der wirkt, um den Vater zu befriedigen; das Wesen der Erlösung, die von Gott bewirkt wird; das Wesen der Ethik, deren Normen auf Gottes Charakter beruhen; und eine Unzahl anderer theologischer Überlegungen, die alle auf unserem Verständnis von Gott beruhen.« [4] 

Calvinisten definieren also alle Lehren auf eine gottzentrierte Weise. Die Sünde ist schrecklich, weil sie eine Beleidigung für Gott ist. Die Erlösung ist wunderbar, weil sie Gott die Ehre gibt. Der Himmel ist herrlich, weil er der Ort ist, an dem Gott alles in allem ist. Die Hölle ist höllisch, weil sie der Ort ist, an dem Gott seinen gerechten Zorn offenbart. Gott ist der Mittelpunkt all dieser Wahrheiten.

Bedenken wir beispielsweise einmal, was der wahre Grund dafür ist, dass Sünde so überaus schrecklich ist. Ein Christ mag anführen, dass die Sünde den Sünder schädige und ihn ins Elend führe, aber ohne eine auf Gott ausgerichtete Perspektive wird er den wichtigsten Punkt von allen übersehen: Sünde ist ein Affront gegen Gott selbst, wie David in Psalm 51,6 bekennt: »Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was böse ist in deinen Augen; damit du gerechtfertigt wirst, wenn du redest, für rein befunden, wenn du richtest.«

Das häufigste Wort im Römerbrief, dem größten Lehrtext der Bibel, ist nicht Gnade, Glaube, Glauben oder Gesetz, sondern Gott. Die meisten der großen theologischen Aussagen im Römerbrief beginnen mit Gott:

  • Gott hat sie hingegeben (Röm 1,24.26.28)
  • Gott wird jedem vergelten wird nach seinen Werken (Röm 2,6)
  • Gott wird das Verborgene der Menschen richten […] durch Jesus Christus (Röm 2,16)
  • Gott hat ihn dargestellt hat als ein Sühnemittel durch den Glauben an sein Blut (Röm 3,25)
  • Gott rechtfertigt die Gottlosen (Röm 4,5)
  • Gottes Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist (Röm 5,5)

Als Calvinisten sind wir in Gott verliebt. Wir sind überwältigt von seiner Majestät, seiner Schönheit, seiner Heiligkeit und seiner Gnade. Wir suchen seine Herrlichkeit, sehnen uns nach seiner Gegenwart und richten unser Leben nach ihm aus.

Andere Christen sagen, dass Evangelisation oder Erweckung ihr größtes Anliegen sei, und diese Dinge müssen uns natürlich sehr am Herzen liegen. Aber letztlich haben wir nur ein Anliegen: Gott zu kennen, ihm zu dienen und ihn verherrlicht zu sehen. Das ist unser Hauptziel. Die Rettung der Verlorenen ist deshalb wichtig, weil sie zur Verherrlichung des Namens Gottes und zum Kommen seines Reiches führt. Die Läuterung der Gesellschaft ist wichtig, weil sie uns hilft, Gottes Willen auf Erden so zu tun, wie er im Himmel getan wird. Bibelstudium und Gebet sind wichtig, weil sie uns in die Gemeinschaft mit Gott führen.«

Aus Hiob zum Letzten

[Elihu:] Siehe, Gott handelt erhaben in seiner Macht; wer ist ein Lehrer wie er?
Wer hat ihm seinen Weg vorgeschrieben, und wer dürfte sagen: Du hast unrecht getan? Erinnere dich daran, dass du sein Tun erhebst, das Menschen besingen. Alle Menschen schauen es an, der Sterbliche erblickt es aus der Ferne. Siehe, Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis; die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich. […]

[Hiob:] Ich weiß, dass du alles vermagst und kein Vorhaben dir verwehrt werden kann.
Wer ist es, der den Rat verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn beurteilt, was ich nicht verstand, Dinge, zu wunderbar für mich, die ich nicht kannte. Höre doch, und ich will reden; ich will dich fragen, und du belehre mich!
Mit dem Gehör des Ohres hatte ich von dir gehört, aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum verabscheue ich [mich] und bereue in Staub und Asche.

Hiob 36,22-26; 42,2-6 (ELB2003)

Endenoten

[1] Joel R. Beeke, Living for God’s Glory: An Introduction to Calvinism. 1. Aufl. (Sanford, FL: Ligonier Ministries, 2008), Kapitel 3 The Marrow of Calvinism, Abschnitt Theocentrism, S. 40–42.

[2] Mason Pressly, „Calvinism and Science“ in: Evangelica Repertoire (1891), S. 662.

[3] B. B. Warfield, Calvin as a Theologian and Cavinism Today (London: Evangelical Press, 1969), S. 23–24.

[4] R. C. Sproul, Grace Unknown: The Heart of Reformed Theology (Grand Rapids: Baker, 1997), S. 25.

Göttliche Unveränderlichkeit und die Lehren der Gnade

John MacArthur,
Divine Immutability and the Doctrines of Grace.
Vorwort in: Steven J. Lawson
Foundations of Grace (A Long Line of Godly Men)
Lake Mary, FL: Ligonier Ministries, 2006.
Übersetzt von grace@logikos.club, 2023.

Die Bibel unterstreicht wiederholt und unmissverständlich die Tatsache, dass Gott sich nicht ändert. In der Tat kann er sich nicht ändern, weil er sich in seiner absoluten Vollkommenheit nicht verbessern und in seiner ewig festen Natur nicht verschlechtern kann. Seine Person ändert sich nicht: »Denn ich, der Herr, ich verändere mich nicht« (Mal 3,6a). Seine Pläne ändern sich nicht: »Der Ratschluss des Herrn besteht ewig, die Gedanken seines Herzens von Geschlecht zu Geschlecht« (Ps 33,11). Seine Absichten ändern sich nicht: »Darum hat Gott, als er den Erben der Verheißung in noch stärkerem Maße beweisen wollte, wie unabänderlich sein Ratschluss ist, sich mit einem Eid verbürgt « (Hebr 6,17 SCH2000). Gott ändert seine Meinung nicht: »Und auch lügt nicht das Vertrauen Israels, und er bereut nicht; denn nicht ein Mensch ist er, um zu bereuen.« (1Sam 15,29); oder seine Worte: Der »Heilige Israels … nimmt seine Worte nicht zurück« (Jes 31,1–2); oder seine Berufung: »Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar« (Röm 11,29; vgl. Hebr 13,8; Jak 1,17). Bei Gott gibt es keine Veränderungen, keine Abweichungen und keine Überraschungen (vgl. Ps 102,27).

Gott nimmt weder zu noch ab. Er wird nicht besser oder schlechter. Er ändert sich nicht aufgrund veränderter Umstände – es gibt keine unvorhergesehenen Notfälle für den Einen, der ewig allwissend ist. Seine ewigen Absichten bleiben für immer bestehen, weil er für immer besteht (Ps 33,11). Er re-agiert niemals, sondern er agiert (handelt) stets – und zwar so, wie es ihm gefällt (Ps 115,3).

Aus menschlicher Sicht hat es natürlich manchmal den Anschein, dass Gott seine Pläne oder sein Handeln aufgrund des Verhaltens der Menschen ändert. Aber aus Gottes Sicht ist das nicht der Fall. Weil er die Zukunft genau kennt und immer gekannt hat, weil er sie nach seinem unabänderlichen Willen geplant hat, handelt er immer so, wie er es von Ewigkeit her geplant hat. Während die Menschen nicht wissen, wie Gott handeln wird, und manchmal erstaunt sind, wenn sie sehen, wie sich seine souveränen Pläne entfalten, ist Gott nie überrascht. Er fährt fort, so zu handeln, wie er es immer getan hat, nach seinem ewigen Plan und Wohlgefallen (vgl. Ps 33,10–12; Jes 48,14; Dan 4,35; Kol 1,19–20).

Was die Menschheit betrifft, so hat Gott vorherbestimmt, ein Volk zu seiner eigenen Ehre zu erlösen. Nichts kann diesen Plan durchkreuzen (Joh 10,29; Röm 8,38–39). Vollkommenes Wissen, vollkommene unbeeinflusste Freiheit und vollkommene grenzenlose Macht, um alles zu vollenden, was er vollkommen gewollt hat – absolute Heiligkeit und moralische Vollkommenheit, die ihn dazu verpflichten, seinem Wort gegenüber wahrhaftig und treu zu sein – bedeuten, dass Gott das, was er vor Beginn der Zeit zu tun begonnen hat, auch tut und nach Ablauf der Zeit vollenden wird.

Diese weitreichenden, herrlichen Absichten Gottes sind in der Bibel offenbart und durch die Geschichte der Erlösten hindurch klar verstanden worden. Das Wort Gottes hat sie unmissverständlich offenbart, und seit der Vollendung des Kanons der Heiligen Schrift haben alle korrekten Ausleger der Bibel die gottverherrlichende Lehre vom souveränen, unveränderlichen göttlichen Vorsatz geglaubt und verkündet. Diese Wahrheit, die oft als Gnadenlehre (o. Lehren der Gnade) bezeichnet wird, hat ihren Ursprung in der souveränen Entscheidung Gottes in der Ewigkeit vor der Zeit.

Gott kann sich nicht ändern, sein Wort kann sich nicht ändern und sein Ziel kann sich nicht ändern. Seine Wahrheit ist dieselbe, weil Er die Wahrheit ist (vgl. Ps 119,160; Joh 17,17; Tit 1,2; Hebr 6,18). Im Gegensatz zur sogenannten Theologie der Offenheit Gottes (Open Theism), die behauptet, dass Gott die Zukunft nicht kenne und sich daher den Umständen laufend anpassen müsse, während diese sich entfalten, stellt die Bibel Gott als den allwissenden Herrscher über alle Ereignisse dar, seien sie vergangen, gegenwärtig oder zukünftig. Mit den Worten Jesajas (Jesaja 46,9–10):

Erinnert euch an das Frühere von der Urzeit her, 
dass ich Gott bin, und sonst ist keiner, 
dass ich Gott bin und gar keiner wie ich; 
der ich von Anfang an das Ende verkünde 
und von alters her, was noch nicht geschehen ist; 
der ich spreche: Mein Ratschluss soll zustande kommen, 
und all mein Wohlgefallen werde ich tun; […]
Ich habe geredet und werde es auch kommen lassen; 
ich habe entworfen und werde es auch ausführen.

Göttliche Gerechtigkeit und die Lehre von der Erwählung

Trotz der Klarheit, mit der die Heilige Schrift dieses Thema anspricht, tun sich viele bekennende Christen heute schwer damit, Gottes Souveränität anzuerkennen – vor allem, wenn es um sein Erwählungswerk in der Erlösung geht. Ihr häufigster Einwand ist natürlich, dass die Lehre von der Erwählung ungerecht sei. Doch ein solcher Einwand entspringt eher menschlichen Vorstellungen von Fairness als dem objektiven, göttlichen Verständnis von wahrer Gerechtigkeit. Um die Frage der Erwählung angemessen behandeln zu können, müssen wir alle menschlich-begrenzten Überlegungen beiseitelassen und uns direkt auf das Wesen Gottes und seinen gerechten Maßstab konzentrieren. Bei der göttlichen Gerechtigkeit muss die Diskussion beginnen.

Was ist göttliche Gerechtigkeit? Einfach ausgedrückt: Sie ist ein wesentliches Attribut Gottes, durch das er ohne Begrenzungen vollkommen und unabhängig genau das tut, was er tun will, und zwar wann und wie er es tun will. Da er der Maßstab der Gerechtigkeit ist, ist alles, was er tut, grundsätzlich (per definitionem) gerecht. Wie William Perkins vor vielen Jahren sagte: »Wir sollten niemals denken, dass Gott eine Sache tue, weil sie gut und richtig sei, sondern vielmehr, dass eine Sache gut und richtig ist, weil Gott sie will und bewirkt.«

Deshalb definiert Gott für uns, was Gerechtigkeit ist, denn er ist im Wesen gerecht und rechtschaffen. Was er tut, spiegelt dieses sein Wesen wider. Sein freier Wille – und nichts anderes – steht hinter seiner Gerechtigkeit. Das bedeutet, dass alles, was er will, gerecht ist, und zwar nicht aufgrund eines äußeren Gerechtigkeitsmaßstabes, sondern einfach, weil er es so will.

Weil die Gerechtigkeit Gottes ein Ausfluss seines Wesens ist, unterliegt sie nicht den gefallenen menschlichen Annahmen darüber, was Gerechtigkeit sein sollte. Der Schöpfer schuldet dem Geschöpf nichts, nicht einmal das, was er gnädiger Weise zu geben bereit ist. Gott handelt nicht aus Pflicht und Zwang, sondern aus seinem eigenen, unabhängigen Vorrecht heraus. Das ist es, was es bedeutet, Gott zu sein. Und weil er Gott ist, sind seine frei beschlossenen Handlungen in sich stets richtig und vollkommen.

Zu sagen, dass Erwählung ungerecht sei, ist nicht nur unzutreffend, sondern verkennt auch das eigentliche Wesen der wahren Gerechtigkeit. Was fair, richtig und gerecht ist, ist das, was Gott tun will. Wenn Gott also diejenigen auswählen will, die er retten will, dann ist es in sich gerecht (seinem Wesen entsprechend), dass er das tut. Wir können unserem Verständnis von Gottes Wirken nicht unsere eigenen Vorstellungen von Fairness aufzwingen. Stattdessen müssen wir die Heilige Schrift heranziehen, um zu sehen, wie Gott selbst in seiner vollkommenen Gerechtigkeit entscheidet, zu handeln.

Was ist die Lehre von der Erwählung?

Die Vorstellung, dass Gott tut, was er will, und dass das, was er tut, wahr und richtig ist, weil er es tut, ist grundlegend für unser Verständnis der gesamten Heiligen Schrift, einschließlich der Lehre von der Erwählung.

Im weitesten Sinne bezieht sich die Erwählung auf die Tatsache, dass Gott sich frei entscheidet (oder: erwählt), was er tut, und dieses so zu tun, wie er es für richtig hält. Wenn er handelt, tut er das nur, weil er sich willentlich und unabhängig dafür entscheidet. Gemäß Seines eigenen Wesens, seines vorherbestimmten Plans und seines Wohlgefallens entscheidet er sich, das zu tun, was er will, ohne irgendeinen Druck oder irgendwelche Schranken durch äußere Einflüsse.

Die Bibel weist immer wieder auf diesen Punkt hin. Beim Schöpfungsakt hat Gott genau das geschaffen, was er erschaffen wollte, und zwar so, wie er es erschaffen wollte (vgl. 1Mo 1,31). Und seit der Schöpfung hat er alles in der menschlichen Geschichte souverän vorgeschrieben oder zugelassen, um den Erlösungsplan zu verwirklichen, den er zuvor entworfen hatte (vgl. Jes 25,1; 46,10; 55,11; Röm 9,17; Eph 3,8–11).

Im Alten Testament wählte er aus allen Völkern der Welt ein Volk für sich aus, nämlich Israel (5Mo 7,6; 14,2; Ps 105,43; 135,4). Er wählte die Israeliten nicht deshalb aus, weil sie besser oder begehrenswerter waren als andere Völker, sondern einfach, weil er sich entschlossen hatte, sie zu erwählen. Mit den Worten von Richard Wolf: »Wie seltsam von Gott, die Juden zu erwählen!“ Das Gleiche hätte auch für jedes andere Volk gegolten, wenn Gott dieses ausgewählt hätte. Gott wählt, wen immer er wählt, aus Gründen, die ganz und gar seine sind.

Das Volk Israel war nicht der einzige Empfänger von Gottes Auserwählung in der Heiligen Schrift. Im Neuen Testament wird Jesus Christus als »mein Auserwählter« bezeichnet (Lk 9,35). Auch die heiligen Engel werden als »auserwählte Engel« bezeichnet (1Tim 5:21). Und die Gläubigen des Neuen Testaments werden »Gottes Auserwählte« genannt (Kol 3,12; vgl. 1Kor 1,27; 2 Thess. 2,13; 2Tim 2,10; Tit 1,1; 1Petr 1,1; 2,9; 5,13; Offb 17,14), was bedeutet, dass die Gemeinde Jesu eine Gemeinschaft der Erwählten oder »Auserwählten« ist (Eph 1,4).

Als Jesus zu seinen Jüngern sagte: »Ihr habt nicht mich auserwählt, sondern ich habe euch auserwählt« (Joh 15,16a), hat er diese Wahrheit unterstrichen. Und das Neue Testament bekräftigt sie an vielen Stellen. Apostelgeschichte 13,48b beschreibt die Erlösung mit diesen Worten: »[E]s glaubten, so viele zum ewigen Leben bestimmt waren.« In Epheser 1,4–6 heißt es, dass Gott »uns auserwählt hat in ihm [Christus] vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe; und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten«. In seinen Briefen an die Thessalonicher erinnert Paulus seine Leser daran, dass er wusste, dass Gott sie auserwählt hatte (1Thess 1,4), und dass er für sie dankbar war, dass »Gott [sie] von Anfang erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit« (2Thess 2,13b). Das Wort Gottes ist eindeutig und klar: Die Gläubigen sind solche, die Gott vor aller Zeit zum Heil erwählt hat.

Die »Vorkenntnis« [SCH2000: »Vorsehung«], auf die sich Petrus bezieht (1Petr 1,2), sollte nicht mit einfachem Vorherwissen verwechselt werden. Einige lehren diese Ansicht und behaupten, dass Gott in der Ewigkeit vor der Zeit in die Geschichte hineingeschaut habe, um zu sehen, wer auf seinen Ruf zum Heil antworten würde, und dann die Erlösten auf der Grundlage ihrer Antwort ausgewählt habe. Eine solche Erklärung macht Gottes Entscheidung von der Entscheidung des Menschen abhängig und verleiht dem Menschen eine Souveränität, die nur Gott zusteht. Sie macht Gott zu jemand, der passiv erwählt wird, statt zu Dem, der selbst aktiv auswählt. Und diese Auffassung missversteht auch die Art und Weise, in der Petrus den Begriff »Vorkenntnis« verwendet. In 1. Petrus 1,20 verwendet der Apostel die Verbform dieses Wortes (griech. prognosis), um sich auf Christus zu beziehen (»der zwar zuvor erkannt ist«). In diesem Fall schließt das Konzept der »Vorkenntnis« sicherlich die Idee einer bewussten Entscheidung ein. Daraus ist zu schließen, dass dasselbe gilt, wenn Petrus an anderen Stellen prognosis auf die Gläubigen anwendet (vgl. 1Petr 1,2: »auserwählt nach Vorkenntnis Gottes«).

Auch im neunten Kapitel des Römerbriefs werden die Erwählungsabsichten Gottes aufgezählt. Dort wird Gottes auserwählendes Vorrecht in Bezug auf seine rettende Liebe zu Jakob (und Jakobs Nachkommenschaft) im Gegensatz zu Esau (und Esaus Nachkommenschaft) deutlich dargestellt. Gott erwählte Jakob und nicht Esau, aber diese nicht aufgrund von etwas, das Jakob oder Esau getan hatten, sondern nach seinen eigenen freien und unbeeinflussten souveränen Absichten. Jenen, die daraufhin mit: »Das ist ungerecht!« protestieren könnten, weist Paulus in die Schranken mit der Frage: »Wer bist du denn, o Mensch, der du das Wort nimmst gegen Gott? « (Röm 9, 20).

Diese Übersicht ließe sich um viele weitere Bibelstellen ergänzen. Doch so eindeutig das Wort Gottes auch ist, die Menschen haben immer wieder Schwierigkeiten, die Lehre von der Erwählung zu akzeptieren. Nochmals: Der Grund dafür ist, dass sie zulassen, dass ihre vorgefassten Meinungen darüber, wie Gott handeln sollte (basierend auf einer menschlichen Definition von Fairness), die Wahrheit seiner Souveränität, wie sie in der Heiligen Schrift dargelegt ist, außer Kraft setzen.

Offen gesagt, der einzige Grund, an die Erwählung zu glauben, ist, dass sie ausdrücklich in Gottes Wort steht. Kein Mensch und kein Gremium von Menschen hat diese Lehre erfunden. Wie die Lehre von der ewigen Bestrafung steht sie im Widerspruch zum Diktat des fleischlichen Verstandes. Sie widerstrebt den Empfindungen des nichtwiedergeborenen Herzens. Wie die Lehre von der Dreieinheit Gottes und der wunderbaren Geburt unseres Erlösers muss die Wahrheit der Erwählung, weil sie von Gott geoffenbart wurde, mit einfältigem und bedingungslosem (zweifelfreiem) Glauben angenommen werden. Wenn man eine Bibel hat und ihr glaubt, hat man keine andere Wahl, als zu akzeptieren, was sie lehrt.

Das Wort Gottes stellt Gott als den Leiter und Lenker aller Geschöpfe dar (Dan 4,35; Jes 45,7; Lam 3,38), als den Allerhöchsten (Ps 47,2; 83,18), als den Herrscher über Himmel und Erde (1Mo 14,19; Jes 37,16) und als den, gegen den niemand bestehen kann (2Chr 20,6; Hiob 41,10; Jes 43,13). Er ist der Allmächtige, der alles nach dem Ratschluss seines Willens wirkt (Eph 1,11; vgl. Jes 14,27; Offb 19,6) und der himmlische Töpfer, der die Menschen nach seinem Wohlgefallen formt (Röm 9,18–22). Kurz gesagt, er ist der Entscheider und Bestimmer des Schicksals eines jeden Menschen und der Lenker jeder Einzelheit im Leben eines jeden (Spr 16,9; 19,21; 21,1; vgl. 2Mo 3,21–22; 14,8: Esra 1,1; Dan 1,9; Jak 4,15) – was eigentlich nur eine andere Art ist, zu sagen: »Er ist Gott«.

Warum hat Gott beschlossen, die Erlösten zu erwählen?

Obwohl sich die Lehre von der Erwählung allgemein auf alles bezieht, was Gott tut, bezieht sie sich in einem spezifischen neutestamentlichen Sinn meist auf die Erwählung von Sündern, dass diese erlöste Heilige in seiner Gemeinde werden. Die göttliche Erwählung spricht in diesem speziellen Zusammenhang von Gottes unabhängiger und vorherbestimmter Wahl derer, die er retten und in die Körperschaft des Leibes Christi aufnehmen will. Gott hat jene Sünder nicht gerettet, weil sie ihn gewählt haben, sondern weil er sie erwählt hat.

Aber warum hat Gott dies getan? Warum hat er von Ewigkeit her souverän beschlossen, einen Teil der gefallenen Menschheit zu retten, die zu einer Gemeinschaft von Erlösten würde? Um diese Frage zu beantworten, ohne fälschlicherweise unsere eigenen vorgefassten Meinungen einzubringen, müssen wir uns an das Wort Gottes wenden, denn dort hat Gott uns seine Gedanken offenbart. Natürlich werden wir als gefallene Menschen niemals in der Lage sein, die unendliche Weisheit Gottes in dieser Hinsicht vollständig zu begreifen (vgl. Röm 11,33–36). Nichtsdestotrotz gibt uns die Heilige Schrift mehrere Einblicke in die göttliche Motivation hinter der Erwählung.

Warum also hat Gott beschlossen, Sünder zu retten?

Göttliche Erwählung und die Verheißung Gottes

Die Antwort beginnt mit der Verheißung Gottes. In Titus 1,1–2 lesen wir: »Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten.« In diesen Versen definiert der Apostel Paulus kurz und bündig die Fülle des Heils und knüpft sie direkt an die ewige Verheißung Gottes.

Das Heil besteht in seiner Fülle aus drei Hauptbestandteilen: Rechtfertigung (die Errettung des Sünders im Augenblick der Bekehrung von der Strafe der Sünde durch das stellvertretende Opfer Christi), Heiligung (die fortwährende Errettung des Sünders von der Macht der Sünde in diesem Leben) und Verherrlichung (die endgültige, vollständige Errettung des Sünders von der Gegenwart der Sünde im zukünftigen Leben). Als Prediger des Evangeliums betonte Paulus jeden dieser Aspekte in seinem Dienst.

Weil er die Rechtfertigung verstand, predigte er das Evangelium »nach [kata; engl.: »for the sake of« (ESV)] dem Glauben der Auserwählten Gottes«, weil er wusste, dass Gott durch die Verkündigung der Wahrheit diejenigen rechtfertigen würde, die er zur Rettung auserwählt hatte (vgl. Röm 10,14–15). Weil er die fortschreitende Heiligung verstand, suchte Paulus diejenigen zu stärken, die die Wahrheit bereits angenommen hatten, und erbaute sie »nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist«. Und weil er die Verherrlichung verstand, erinnerte Paulus die ihm anvertrauten Menschen leidenschaftlich an die »Hoffnung des ewigen Lebens« – den Höhepunkt und die letztliche Erfüllung ihrer Errettung in Christus.

Paulus predigte das Evangelium von Christus mit großer Klarheit, damit die Auserwählten es hören und glauben konnten. Wenn sie glaubten, lehrte er sie die Wahrheit, damit sie gottesfürchtig werden konnten; und er entfaltete für sie auch die Hoffnung auf das ewige Leben, was ihnen die Ermutigung und Motivation gab, die sie für ein treues Leben brauchten. 

Nachdem er das Heil in drei kurzen Sätzen zusammengefasst hat, beendet Paulus Vers 2 mit diesen Worten: »das [=ewige Leben] Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten«. Der Apostel will damit sagen, dass das ganze sich entfaltende Wunder der Erlösung, das im ewigen Leben gipfelt, auf dem unbedingten Versprechen unseres vertrauenswürdigen Gottes beruht. Die Tatsache, dass Gott nicht lügen kann, ist sowohl selbstverständlich als auch biblisch belegt (vgl. 4Mo 23,19; 1Sam 15,29; Joh 14,6.17; 15,26). Da Gott die Quelle und das Maß aller Wahrheit ist, ist es für Gott per definitionem »unmöglich zu lügen« (Hebr 6,18). Wenn der Teufel »die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und ihr Vater« (Joh 8,44), Lüge ist ihm wesenseigen. Entsprechend redet Gott, wann immer er spricht, die Wahrheit aus seinem eigenen Wesen heraus, denn er ist der Vater der Wahrheit.

Dieser Gott der Wahrheit, der der einzig wahre Gott ist, hat schon vor langer Zeit versprochen, dass diejenigen, die er dazu auserwählt hat, in diesem Leben gerechtfertigt und geheiligt zu werden, auch im zukünftigen Leben verherrlicht werden. Der Ausdruck »vor ewigen Zeiten« bezieht sich nicht einfach auf die bisherige menschliche Geschichte, er bedeutet vielmehr »bevor die Zeit begann«. Zwar wiederholte Gott seinen Plan des Heils und des ewigen Lebens gegenüber gottesfürchtigen Menschen wie Abraham, Mose, David und den Propheten, aber die ursprüngliche Verheißung wurde in der Ewigkeit vor der Zeit gegeben und ratifiziert (vgl. Eph 1,4–5; Hebr 13,20). Bevor die Zeit begann, erwählte er diejenigen, die den Glauben annehmen würden (Tit 1,1), und versprach, sie für alle Ewigkeit zu retten (1,2).

Aber wem gegenüber hat Gott dieses Versprechen gegeben? Wenn er es vor dem Beginn der Zeit gegeben hat, dann kann er es weder einem Menschen noch einem anderen geschaffenen Wesen gegeben haben. Vor der Erschaffung der Zeit gab es nichts außer Gott selbst. Wem also hat er dieses Versprechen gegeben?

Göttliche Erwählung und die Liebe des Vaters

In 2. Timotheus 1,9 werden wir zur Antwort geführt. Der Vers spricht von Gott und sagt, dass er »uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben […] worden ist«. Der Ausdruck »vor ewigen Zeiten« ist die Wiedergabe desselben griechischen Ausdrucks, der mit denselben Worten in Titus 1,2 wiedergegeben wird. Auch hier bedeutet er wörtlich »bevor die Zeit begann«. In der Ewigkeit vor der Zeit, vor Anbruch der Geschichte, traf Gott die unwiderrufliche Entscheidung, den Erlösten das Heil zu gewähren. Dies ist die Verheißung in Titus 1,2 und es ist eine Verheißung, die Gott nach seiner eigenen, unabhängigen Absicht und Gnade gegeben hat. Einfach ausgedrückt: Es war ein Versprechen, das er sich selbst gegeben hat.

Genauer gesagt handelte es sich, wie wir sehen werden, um eine Verheißung des Vaters an den Sohn. Der Plan Gottes war von Ewigkeit her, einen Teil der gefallenen Menschheit durch das Werk des Sohnes und zur Ehre des Sohnes zu erlösen (vgl. 2Tim 4,18). Es gab einen Moment in der Ewigkeit vor der Zeit (wenn wir so in unvollkommen zeitlichen Begriffen von der Ewigkeit sprechen dürfen), als der Vater seine vollkommene und unbegreifliche Liebe zum Sohn zum Ausdruck bringen wollte. Um dies zu tun, beschloss er, dem Sohn eine erlöste Menschheit als Liebesgabe zu geben – eine Schar von Männern und Frauen, deren Aufgabe es sein sollte, den Sohn während aller Äonen der Ewigkeit zu preisen und zu verherrlichen und ihm vollkommen zu dienen. Engel allein würden in dieser Hinsicht nicht ausreichen, denn es gibt Eigenschaften des Sohnes, für die Engel ihn nicht richtig preisen können, da sie die Erlösung nie erfahren haben. Aber eine erlöste Menschheit, als direkte Empfänger seiner unverdienten Gunst, würde für immer als ein ewiges Zeugnis für die unendliche Größe seiner Barmherzigkeit und Gnade stehen.

Der Vater beschloss daher, dem Sohn eine erlöste Menschheit als sichtbaren Ausdruck seiner unendlichen Liebe zu geben. Dabei wählte er alle aus, die diese erlöste Menschheit bilden sollten, und schrieb, bevor die Welt begann, ihre Namen in das Buch des Lebens (Offb  13,8; 17,8). Sein Geschenk an den Sohn besteht aus denjenigen, deren Namen in diesem Buch stehen – eine freudige Gemeinde unverdienter Heiliger, die den Sohn für immer preisen und ihm dienen werden.

Das Johannesevangelium macht diese wunderbare Realität noch deutlicher. In Johannes 6 zum Beispiel sagt Jesus ganz klar, dass die Gläubigen ein Geschenk seines Vaters an ihn sind. Er sagt seinen Zuhörern: »Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen« (Joh 6,37). Und später: »Niemand kann zu mir kommen, wenn der Vater, der mich gesandt hat, ihn nicht zieht« (Joh 6,44). Mit anderen Worten: Der Vater zieht Sünder, um sie dem Sohn liebevoll zu präsentieren. Alle, die gezogen werden, kommen. Alle, die kommen, nimmt der Sohn auf und umarmt sie. Keiner davon wir je abgewiesen werden, denn der Sohn würde niemals diejenigen abweisen, die ein Geschenk des Vaters sind.

Das Heil kommt also nicht deswegen zu den Sündern, weil sie von Natur aus begehrenswert seien, sondern weil der Sohn in sich der Gabe des Vaters würdig ist. Der Zweck der Erlösung besteht ja darin, dass der Sohn durch die Erlösten auf ewig verherrlicht werde. Es geht dabei nicht um die Ehre des Sünders, sondern um die Ehre des Sohnes. Und als Antwort auf die Liebe des Vaters nimmt der Sohn die zum ihm Gezogenen gerne an, gänzlich deswegen, weil sie ein Geschenk des Vaters sind, den er liebt. Es ist seine vollkommene Dankbarkeit, die seine Arme öffnet, um die Verlorenen zu umarmen.

In Johannes 6,39 sagt Jesus, dass das, was vom Vater versprochen wurde, vom Sohn bewahrt wird: »Dies aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich von allem, was er mir gegeben hat, nichts verliere, sondern es auferwecke am letzten Tag.« Wenn der Sohn die vom Vater zu ihm Gezogenen aufnimmt, bewahrt er sie sicher und sorgt dafür, dass sie eines Tages zum ewigen Leben auferweckt werden (vgl. Joh 5,29). Wenn der Sohn diejenigen auferweckt, die ihn auf ewig anbeten werden, wird er den Plan erfüllen, den Gott in der vergangenen Ewigkeit gefasst hat. Wie Jesus in Johannes 6,38 sagt: »[I]ch bin vom Himmel herabgekommen, nicht um meinen Willen zu tun [irgend einen eigenen Plan auszuführen], sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.« Dieser Plan umfasst, wie der Herr in Johannes 6,39erklärt, die zukünftige Auferstehung aller, die der Vater ihm gegeben hat.

Ohne Frage ist die Lehre von der ewigen Sicherheit der Geretteten ein fester Bestandteil dieser Diskussion, weil sie in den Plan mit eingebaut ist. Christus beschützt diejenigen, die der Vater erwählt hat. Er wird nie einen von ihnen verlieren, denn sie sind Liebesgaben des Vaters an ihn. Sie sind wertvoll, nicht wegen ihrer angeborenen Lieblichkeit, sondern wegen der Lieblichkeit dessen, der sie dem Sohn gegeben hat. Deshalb bewahrt der Sohn sie in Sicherheit und deshalb wird uns »weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (Röm 8,38–39).

Diese tiefe Wahrheit wird in Johannes 17 wiederholt. Als das Kreuz nur noch wenige Stunden entfernt war, wusste Jesus, dass er eine Zeit der Trennung von Gott erleben würde (vgl. Mt 27,46), in der er den Zorn Gottes für die Sünde tragen würde (vgl. Jes 53,10; 2Kor 5,21). Im Bewusstsein dessen, dass er die Seinen in diesem Augenblick nicht werde beschützen können, vertraute er ihre Bewahrung demjenigen an, der sie ihm gegeben hatte. In Johannes 17,9–15 bittet Jesus seinen Vater mit diesen Worten:

Ich bitte für sie; nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein (und alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, mein), und ich bin in ihnen verherrlicht. Und ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir.
Als ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast; und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen – als nur der Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt würde.
Jetzt aber komme ich zu dir; und dieses rede ich in der Welt, damit sie meine Freude völlig in sich haben. Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen.

In diesem Zusammenhang betet Jesus für die Seinen, die in der Welt sind. Er weiß, dass die Erlösten diejenigen sind, die der Vater ihm gegeben hat, und er wiederholt, dass er sie treu beschützt und bewahrt hat. Aber jetzt, auf dem Weg zum Kreuz, bittet er den Vater, sie in dem Moment zu beschützen, in dem er dazu nicht mehr in der Lage sein wird. In dem einen Fall in der gesamten Erlösungsgeschichte, in dem der Böse in den Plan unterbrechend eingreifen könnte, vertraut der Sohn die Erlösten der wachsamen und liebevollen Fürsorge seines Vaters an. Wie Jesus zuvor gesagt hatte: »Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben« (Joh 10,29). Der Sohn war zuversichtlich, dass die Seinen in dem unlösbaren Griff seines Vaters sicher sein würden.

In Johannes 17,24 betet Jesus weiter: »Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.« Hier ist der glorreiche Sinn des Liebesgeschenks des Vaters an den Sohn unverkennbar: Die überragende Herrlichkeit des Sohnes soll von den Erlösten gepriesen und verherrlicht werden. Auch die Motivation des Vaters für diese Gabe ist klar: Er wollte die Liebe beweisen, die er zum Sohn hatte, bevor die Welt erschaffen wurde.

Es ist klar, dass die Lehre von der Erwählung weit über das hinausgeht, was wir mit unseren endlichen Fähigkeiten begreifen können. Wir stehen staunend vor diesen innertrinitarischen Liebesbekundungen, die so unergründlich und unaussprechlich sind. Und immer wieder werden wir durch kleine Einblicke in die göttliche Absicht hinter der Erwählung daran erinnert, dass es bei der Erlösung um etwas geht, das weit über unser eigenes Glück hinausgeht.

In Römer 8,29–30 erhalten wir einen weiteren inspirierten Einblick in diese unermessliche Realität. Paulus schreibt: »Denn welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.« Obwohl man viel über diese Verse sagen könnte, sind zwei Punkte im Hinblick auf die Lehre der Erwählung von größter Bedeutung. Erstens: Als Gott uns durch seine Auserwählung vorherbestimmt hat, hat er uns nicht nur für den Anfang unseres Heils vorherbestimmt, sondern auch für dessen Ziel. Wir wurden nicht auserwählt, um nur gerechtfertigt zu werden. Wir wurden auserwählt, um verherrlicht zu werden. Wie Paulus das hier formuliert, könnte nicht deutlicher sein: Was Gott mit der Erwählung begonnen hat, setzt sich durch die Berufung und die Rechtfertigung fort und wird unweigerlich in der Verherrlichung enden. Der Prozess, der Gottes Prozess ist, ist ohne Fehler und Versagen, weil Er dahintersteht.

Zweitens rettet Gott nicht nur eine auserwählte, erlöste Menschheit, die den Sohn verherrlichen und ihm für immer dienen wird, sondern er macht sie auch dem Sohn gleich. Die Erlösten in Christus werden seinem Bild gleichgestaltet, was erst in der Verherrlichung vollständig und endgültig geschehen wird (1Joh 3,2; Phil 3,20–21). Es wurde zu Recht gesagt, dass Nachahmung die höchste Form des Lobes ist, denn dies wird die höchste Anerkennung für den Sohn sein – er wird der Erste unter vielen sein, die ihm ähnlich geworden sind. Sie werden seine Güte widerspiegeln, weil sie ihm gleich sein werden, und sie werden seine Größe verkünden, indem sie ihn ohne Unterlass in Ewigkeit anbeten.

Göttliche Erwählung und die Aufgabe des Sohnes

In 1. Korinther 15,25–28 finden wir eine bemerkenswerte Schlussfolgerung zu dieser ganzen Diskussion. Dort sagt Paulus: »Denn er [Christus] muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod weggetan. Denn ›alles hat er seinen Füßen unterworfen‹. Wenn er aber sagt, dass alles unterworfen sei, so ist es offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.«

Dieser Abschnitt bezieht sich auf das Ende des Zeitalters und offenbart, dass der Tag kommen wird, an dem Christus, der König der Könige, seinen rechtmäßigen Thron besteigen und das Universum, das ihm gehört, zurückfordern wird. Zu diesem Zeitpunkt wird ihm alles unterworfen sein, auch der Tod, und alle Erlösten werden in der Herrlichkeit versammelt sein und in der Fülle der ewigen Anbetung jubeln. Wenn das alles geschehen ist, »dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der [gemeint ist der Vater] ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei«. Mit anderen Worten: Wenn das ganze Liebesgeschenk der erlösten Menschheit Jesus Christus übergeben worden ist, dann wird er diese erlöste Menschheit nehmen und alles, einschließlich seiner selbst, dem Vater zurückgeben als Ausdruck seiner Gegenliebe gegenüber der unendlichen Liebe des Vaters. In diesem Augenblick werden die Erlösungsabsichten Gottes vollständig verwirklicht sein.

Die Lehre von der Erwählung ist also das Herzstück der Erlösungsgeschichte. Sie ist keine unbedeutende, esoterische Lehre, die trivialisiert oder auf Debatten in den Seminarräumen verwiesen werden kann. Vielmehr steht sie im Mittelpunkt unseres Verständnisses von Erlösung und der Gemeinde Jesu. Sie prägt unsere Evangelisation, unsere Verkündigung und unsere Identität als Leib Christi.

Sie hilft uns auch zu verstehen, warum Christus seine Braut, die Gemeinde, so ernst nimmt – sie ist sein Liebesgeschenk vom Vater. Die Gemeinde ist für ihn so wertvoll, dass er bereit war, große Schwierigkeiten und schließlich den Tod zu ertragen, um das Geschenk zu empfangen. »Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet« (2Kor 8,9; vgl. Phil 2,5–11). Er ließ unendliche geistliche Reichtümer hinter sich, damit seine Auserwählten dieselben Reichtümer erben können (vgl. Röm 8,17). Er hat die tiefste Armut auf sich genommen, die überhaupt möglich ist, indem er auf seine himmlischen Annehmlichkeiten und auf den unabhängigen Gebrauch seiner göttlichen Vollkommenheiten verzichtete und sich entschied, die Strafe der Sünde durch sein Opfer am Kreuz auf sich zu nehmen. Paulus erklärt dies so: »Den, der Sünde nicht kannte [d. h. Christus], hat er [Gott, der Vater] für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm« (2Kor 5,21).

Jesus war völlig unschuldig. Doch am Kreuz behandelte der Vater Ihn so, als hätte Er persönlich jede Sünde begangen, die von all den Menschen, die jemals an Ihn glauben würden, begangen wurden oder begangen werden. Obwohl er selbst makellos war, erlebte Er die volle Wucht des Zornes Gottes und ertrug die Strafe der Sünde stellvertretend für alle, die zu retten Er gekommen war. Auf diese Weise wurde der sündlose Gottessohn zum perfekten Stellvertreter für die sündigen Menschensöhne.

Aufgrund des Opfers Christi werden die Auserwählten in Ihm zur Gerechtigkeit Gottes. So wie der Vater den Sohn als Sünder behandelte, obwohl der Sohn sündlos war, so behandelt der Vater jetzt die Gläubigen als Gerechte, obwohl sie ungerecht waren. Jesus hat sein Leben für die Sünder eingetauscht, um den Auserwählungsplan Gottes zu erfüllen. Und Er tat es, damit Er am Ende dem Vater das Liebesgeschenk zurückgeben konnte, das der Vater Ihm gegeben hatte.

Wenn wir über diese Wahrheiten nachdenken, werden wir in die unermesslichen Tiefen der Pläne und Absichten Gottes geworfen. Wie Paulus in Römer 11,33–36 ausrief:

»Oh, die Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! 
Wie unergründlich sind seine Gerichte und wie unerforschlich seine Wege!«
»Denn wer kennt die Gedanken des Herrn, und wer ist sein Ratgeber gewesen?«
»Oder wer hat ihm eine Gabe gegeben, damit er sie zurückbekommt?« 
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. 
Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Diejenigen, die Gott lieben, sind erstaunt und erstaunt und können nur mit aufrichtiger Anbetung und demütiger Unterwerfung reagieren. Sie müssen Ihn preisen für seine Barmherzigkeit, seine Gnade und seine herrlichen Absichten, der dies alles vor aller Zeit geplant hat. Und sie müssen sich seiner Souveränität unterwerfen, die nicht nur im ganzen großen Universum regiert, sondern auch in den kleinsten Details ihres täglichen Lebens. Das ist ihre Rolle als Teil des Liebesgeschenks des Vaters an den Sohn. Anbeten und Dienen ist das, wozu sie von Ewigkeit her bestimmt waren. Und das werden sie auch in der unaussprechlichen Freude der ewigen Herrlichkeit weiterhin vollkommen tun.

Die Realität ist also, dass die Gläubigen nur ein kleiner Teil eines viel größeren göttlichen Plans sind. Der Vater hat aufgrund seiner Liebe zum Sohn vor Beginn der Zeit beschlossen, eine erlöste Gemeinschaft zu erwählen, die den Sohn in alle Ewigkeit preisen würde. Und der Sohn nahm aus Liebe zum Vater dieses Liebesgeschenk des Vaters an und hielt es für so kostbar, dass er sein Leben dafür gab. Der Sohn beschützt diejenigen, die der Vater erwählt hat, um sie ihm zu geben, und verspricht, sie nach dem vorherbestimmten Plan Gottes zur Herrlichkeit zu führen.

Die lange Reihe gottesfürchtiger Männer

Geschichte ist die Entfaltung dieses Plans Gottes: Dass diejenigen, die er erwählt hat, durch die Person und das Werk des Sohnes berufen, gerechtfertigt und verherrlicht werden. Geschichte begann, als Gott Zeit und Raum nach seinem ewigen Erlösungsplan erschuf. Und sie wird enden, wenn alle seine Absichten für seine Schöpfung nach demselben ewigen Plan vollendet sind.

Es überrascht nicht, dass Gottes Diener im Laufe der Geschichte dies als Realität verstanden und sich zu eigen gemacht haben. Von Mose bis zur Gegenwart gibt es eine lange Reihe gottesfürchtiger Menschen, die diese Gewissheit in ihren Worten und ihrem Leben zum Ausdruck gebracht haben. Diese Diener Gottes sind unsere menschlichen Glaubenshelden. Aber es ist nicht eine ihnen angeborene Größe, der wir Beifall spenden. Vielmehr ist es die Größe und Herrlichkeit ihres souveränen Gottes, die sich in ihrem Leben und in ihren Lehren widerspiegelt, die uns so sehr beeindruckt. Das Thema dieser Buchreihe (Foundations of Grace; verdeutscht: Grundlagen der Gnade) ist der unveränderliche Charakter und die Treue Gottes in den Lehren der Gnade.

In Band eins (A Long Line of Godly Men; verdeutscht: Eine lange Reihe gottesfürchtiger Männer) liefert Steven Lawson klar und umfassend die biblische Grundlage für die Lehren der Gnade. Dieser Band liefert die biblische Basis für alles Folgende. Die Bände zwei bis fünf stehen wie Säulen auf diesem festen Fundament und zeichnen das Echo der göttlichen Offenbarung durch die Kirchengeschichte hindurch auf. Im gesamten Werk wird schnell deutlich, dass die Verfasser der Heiligen Schrift und die ihnen folgenden Schriftausleger dieselben unveränderlichen Lehren hochhielten und lehrten, die das göttliche, souveräne Heil ausmachen. Wenn man die Berichte von diesen gottesfürchtigen Männern liest, staunt man nicht über deren Talent, Fähigkeiten oder einzigartige Umstände, sondern über ihre Beständigkeit, mit der sie dieselbe göttliche Wahrheit der Lehren der Gnade praktizierten und verkündeten.Daher geht es in A Long Line of Godly Men (Eine lange Reihe gottesfürchtiger Männer) nicht in erster Linie um diese Männer, sondern um den Gott, von dem das Leben dieser Männer zeugt. Obwohl gottesfürchtige Männer kommen und gehen, wie jeder Überblick über die Geschichte deutlich macht, ändert sich der Gott, der durch diese Männer sprach, nie, und seine Botschaft auch nicht. Und das ist es, was Lawsons Werk so reich und erbaulich macht. Der Gott des Mose, der Gott des Petrus, der Gott des Chrysostomus, der Gott Luthers, der Gott Edwards, der Gott Spurgeons und der Gott, dem wir heute dienen, befiehlt uns, die unveränderlichen Wahrheiten zu verkünden, die in der Vergangenheit als Basis gelegt wurden. Die Unveränderlichkeit Gottes und die Ewigkeit seiner Wahrheiten, insbesondere die Lehre von der souveränen Erwählung, bilden den Eckpfeiler dieser Geschichte.

Textquellen

Wenn das Herz nach Ewigkeit sucht, muss Gott das Ziel sein

Was rufen uns denn diese Gier und diese Unfähigkeit zu, wenn nicht dies, dass es einst im Menschen ein wahres Glück gegeben hat, von dem ihm jetzt nur das Zeichen und die ganz wesenlose Spur geblieben sind und die er nun vergebens mit allem auszufüllen trachtet, was ihn umgibt, wobei er von den fernen Dingen die Hilfe erwartet, die er von den gegenwärtigen nicht erhält, doch sie alle sind dazu nicht fähig, weil dieser unendliche Abgrund nur durch etwas Unendliches und Unwandelbares ausgefüllt werden kann, das heißt durch Gott selbst.

Blaise Pascal (1623–1662): Pensées sur la religion et nur quelques autres sujets (kurz: Pensées = Gedanken), Section VII: Moral und Lehre, Teil 2 (um 1670 erstmalig veröffentlicht). Link.

Da die Menschen kein Heilmittel entdecken konnten gegen den Tod, das Elend, die Unwissenheit, so sind sie darauf verfallen, um sich glücklich zu machen, nicht daran zu denken. Das ist alles, was sie erfinden konnten, um sich über so viel Uebel zu trösten. Aber das ist ein sehr elender Trost, weil er darauf hingeht, nicht das Uebel zu heilen, sondern es bloß kurze Zeit zu verbergen, und indem er es verbirgt, macht er, daß man nicht daran denkt, es wirklich zu heilen. So geschieht es durch eine seltsame Verkehrtheit der Natur des Menschen, daß das Mißbehagen, sein empfindlichstes Uebel, in gewisser Art sein größtes Gut ist, weil es mehr als alles andre dazu beitragen kann, ihn seine wahre Heilung suchen zu machen, und daß das Vergnügen, welches er als sein größtes Gut ansieht, in der That sein größtes Uebel ist, weil es mehr als alles andre ihn davon abhält, das Heilmittel für sein Uebel zu suchen. Das eine wie das andre ist ein vorzüglicher Beweis von dem Elend und dem Verderben des Menschen und zugleich von seiner Größe; denn nur deshalb fühlt der Mensch sich bei allem unbehaglich und sucht diese Menge von Beschäftigungen, weil er die Vorstellung des Glücks hat, das er verloren. Da er es in sich nicht findet, sucht er es umsonst in den äußern Dingen, ohne je sich zufrieden stellen zu können, weil es weder in uns noch in den Geschöpfen ist, sondern in Gott allein.

Blaise Pascal, Pascal’s Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Erster Theil: Gedanken, die sich auf Philosophie, Moral und schöne Wissenschaften beziehn, Siebenter Abschnitt: Elend des Menschen, Ziffer 4. (Berlin, 1840); Link..

Warum sind wir unruhig?

Du selbst reizest an, dass Dich zu preisen Freude ist;
denn geschaffen hast Du uns zu Dir,
und ruhelos ist unser Herz,
bis dass es seine Ruhe hat in Dir.

Tu excitas, ut laudare te delectet,
quia fecisti nos ad te
et inquietum est cor nostrum,
donec requiescat in te.

Augustinus von Hippo (354–430) in: Confessiones, Liber Primus (I,1) (geschrieben ca. 397–400)

Der Mensch – Ein unheilbarer Götzenproduzent

Das sind meine Gedanken über Gott. Ich und meine Vernunft bestimmen über Gott. Ich und meine Vernunft wissen, wie Gott handeln »muss«, um wirklich Gott zu sein: er muss zum Beispiel weise (aber in mir verständlicher Form weise) sein, er muß sinnvoll und mir zum Besten handeln. Er muss mein Leben durch Freude – und vielleicht auch durch Leid reich und köstlich machen (wir klugen Menschen wissen ja auch etwas vom Sinn des Leidens!). … Gott muss dies, Gott muss das, wenn er wirklich Gott sein will. Gott muss Steine in Brot verwandeln. Er muss von den Zinnen des Tempels springen können, wenn er wirklich Gott sein will.

So sind wir es, die Bedingungen stellen, denen Gott Genüge tun muß, damit wir ihn zu Gott ernennen können. Wir sind die Herren Gottes.

Helmut Thielicke (1908–1986), deutscher evangelischer Theologe, in: Zwischen Gott und Satan, 3. überarb. Aufl. (Hamburg: Furche-Verlag, 1955), S. 17–18.

Der Mensch ist unheilbar religiös.

Nikolai A. Berdjajew (1874–1948), Religionsphilosoph, christlicher Existenzialist (Николай Александрович Бердяев)

Wenn der Mensch Gott verstoßen hat,
so beugt er sich vor einem Götzen.

Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821–1881)

Glaube, dem die Tür versagt,
steigt als Aberglaub’ ins Fenster.

Emanuel Geibel (1815–1884), deutscher Lyriker und Dramatiker, in: Gedichte. Gedichte und Gedenkblätter. 4. Aufl. (Stuttgart: Cotta, 1865).

Opera ad extra – Das Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist im Heilswerk

Text adaptiert von: James Buchanan, Die Lehre der Rechtfertigung. Nachdruck aus dem Druck von 1867 von T. and T. Clark, Edinburgh. Grand Rapids, MI: Baker Book House, 1977), S. 388–392.
Übersetzung, Überarbeitung und Erweiterung durch grace@logikos.club.
Bildquelle: unbekannt (Hinweise erbeten)

Die opera ad extra

Die Heilige Schrift offenbart uns, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist im Plan und Werk der Erlösung des Menschen zusammenwirken, dass aber jeder von ihnen ein anderes Amt innehat und einen anderen Teil des Werkes übernimmt, um diesen Plan zu verwirklichen. Dies gilt für alle „Werke [Gottes] nach außen“ (den opera ad extra), für die erste Schöpfung und für die zweite Schöpfung (Heil). Sie sind Wirkungen, die aus dem Wesen Gottes heraustreten und offenbar werden, und die auf den „Werken Gottes nach innen“ (den opera ad intra) beruhen. Während uns die opera ad intra in der Schrift offenbaren, wie das Verhältnis der drei Personen der Dreieinheit zueinander ist, lassen uns die opera ad extra in der Schrift erkennen, wie die drei Personen der Trinität zwar in „göttlicher Arbeitsteilung“, jedoch untrennbar und stets harmonisch zusammenarbeiten zur Verwirklichung der einen gemeinsamen Zielsetzung (Wille, Vorsatz, Ratschluss usw.). Dies soll für das Heilswerk unten kurz skizziert werden. [1]

Die Offenbarung der drei Personen der Gottheit im Heilswerk

Das großartige Ziel Gottes, bestimmte erwählte Sünder zu erlösen, sowie die harmonische Zusammenarbeit der drei Personen der Gottheit bei der Verwirklichung dieses Ziels könnten aus der Einheit der göttlichen Natur (es gibt nur ein göttliches Wesen!) abgeleitet werden. Denn dieses impliziert notwendigerweise die Einheit in den Ratschlüssen des göttlichen Willens. Aber die Unterscheidungen innerhalb der Gottheit nach den drei Personen (Subsistenzen) hätten nie auf eine andere Weise so deutlich offenbart werden können, als durch die verschiedenen Ämter und Tätigkeiten, die ihnen im Zusammenhang mit dem Erlösungswerk zugeschrieben werden. Es ist ein Zeichen für die Harmonie ihrer Absichten und ihres Zusammenwirkens in dem einen gemeinsamen Selbstoffenbarungswerk.

Die Offenbarung der drei Personen der Gottheit wird erst im Heilswerk Gottes (im NT beschrieben) explizit deutlich. Nehmen wir das Beispiel der christlichen Taufe: Von jedem an Christus Gläubigen verlangt Gott, getauft zu werden, und zwar nicht einfach auf den Namen Gottes, sondern ausdrücklich „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Matthäus 28,19). Auch in der apostolischen Segensformel werden ausdrücklich alle drei Personen der Trinität benannt: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes [sei] mit euch allen! “ (2Korinther 13,13). Dies ist also ein spezifisch christliches Kennzeichen, im AT verborgen, im NT geoffenbart.

In der Epoche vorher, der letzten des Alten Testaments (vgl. Lukas 7,27f), gab es die vorbereitende Taufe des Johannes, die als „Taufe mit Wasser zur Buße“ (Matthäus 3,11f), „Taufe der Buße“ (Apostelgeschichte 19,2–6) und „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ (Markus 1,4) beschrieben wird. Sie wurde den Menschen, die Jesu Dienst begleiteten, verabreicht, damit sie gelehrt würden, an den zu glauben, der „nach mir [Johannes Baptist] kommt“, und sie „mit Heiligem Geist taufen“ würde (Markus 1,7–8). Diese Bußtaufe war im Vergleich zur christlichen Taufe unvollkommen, weil sie den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist nicht deutlich benannte. Daher wurde die Taufe des Johannes bei der Gründung der christlichen Kirche durch die von Christus angeordnete (Matthäus 28,19) ersetzt, die alle drei Personen der Gottheit explizit benennt.

Aber auch das gesamte Heilswerk betreffend ist in der Heiligen Schrift zu beobachten, dass jede der drei Personen der Gottheit ein bestimmtes Amt ausübt und ein spezifisches Werk verrichtet. Auch hier gilt wieder, dass diese Ämter und Werke zwar eindeutig den göttlichen Personen zugeordnet sind, dass sie aber stets miteinander und in völliger Harmonie und Einheit ausgeführt werden. Die wahrgenommenen Unterschiede in den Werken ad extra sind keinesfalls Unterschieden im göttlichen Wesen zuzurechnen (es gibt solche nicht). Eine einzigartige Besonderheit entsteht dadurch, dass die Person, die der ewige Sohn Gottes ist, auch in der Zeit wahrer Mensch geworden ist. 

Das große Sühnungsopfer Jesu am Kreuz, an dessen Ende das geheimnisvolle „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ des Sohnes erklang, wird beeindruckend trinitarisch so beschrieben: „…das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat” (Hebräer 9,14a). Der wunderbare Anbetungshymnus in Epheser 1,3–14 ist ein glanzvolles Beispiel der Werke der Trinität im ewigen Heilsvorsatz. Im Einzelnen:

Gott-Vater

Der Vater wird als Repräsentant der Majestät der Gottheit geoffenbart, der die Souveränität ausübt und die Vorrechte der Gottheit wahrt. Von ihm wird gesagt, dass er uns geliebt hat, dass er uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen in Christus, dass er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, dass er uns vorherbestimmt hat zur Kindschaft durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lobe der Herrlichkeit seiner Gnade, durch die er uns angenommen hat in dem Geliebten, dass er seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, dass er seinen Sohn gesandt hat, um der Heiland der Welt zu sein, dass er ihn für uns zur Sünde gemacht hat, dass er ihn hingestellt hat zur Versöhnung durch den Glauben an sein Blut, dass er „seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat“, dass „Gott … seine Liebe zu uns darin [erweist], dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“, dass es „dem Herrn gefiel…, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen“, dass er „ihn aus den Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit gegeben hat, damit euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott sei“. Er hat Christus „durch seine Rechte zum Führer und Heiland erhöht, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben“. (Jesaja 53,10; Johannes 3,16; Apostelgeschichte 5,31; Römer 3,25; 5,8; 8,32; 2Korinther 5,21; Epheser 1,3.4.5; 1Petrus 1,21; Hebräer 2,7; 1Johannes 4,14)

Gott-Sohn

Der ewige Sohn, Sohn Gottes und Sohn des Menschen, wird [in Seiner Menschwerdung] als in offizieller Unterordnung unter den Vater handelnd offenbart als „gesandt“, als „gegeben“, als „gekommen, um [s]einen Willen zu tun“, ohne „Ansehen, dass wir seiner begehrt hätten. Er war verachtet und verlassen von den Menschen“, einer, der „sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist“, der „sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“, er wurde „geboren unter Gesetz“ und „für uns zur Sünde gemacht“, „indem er ein Fluch für uns geworden ist“, „von Gott geschlagen und niedergebeugt; doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen“ und hat „selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen“, hat „sich selbst für uns hingegeben … als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“. „Er ist wohl in Schwachheit gekreuzigt worden, aber er lebt durch Gottes Kraft“, er ist „hinaufgestiegen … über alle Himmel, damit er alles erfüllte“ und „hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße“. „ Gott [hat] ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“. (Jesaja 53; 2Korinther 13,4; Galater 3,13; Epheser 4,10; 5,2; Philipper 2,7–8.9–11; Hebräer 10,7.9.12–13; 1Petrus 1,24)

Gott-Heiliger Geist

Der Heilige Geist wird offenbart als der, „der vom Vater ausgeht“ und den Christus uns „von dem Vater senden“ würde. Er “. Er „wird von [Christus] zeugen“, Christus „verherrlichen“ und „von dem Meinen empfangen und euch verkündigen“. Er wird „die Welt überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht“, „von Sünde, weil sie nicht an [Christus] glauben“. Er ist der, „der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“, der uns „erneuert … in dem Geist [unserer] Gesinnung“, der der „Geist der Weisheit und Offenbarung in der Erkenntnis seiner selbst“ ist. Er ist der „der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, [der] in euch wohnt“ (trinitarisch!), „der in uns wirkt“. Er ist „der Geist der Wahrheit“, der selbst „die Wahrheit ist“, [der] gekommen ist“, um uns „in die ganze Wahrheit [zu] leiten“. Er „nimmt … sich unserer Schwachheit an“ und „verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern“. „Der Geist selbst bezeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ Alle Glaubenden sind „versiegelt worden … mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ und haben ihn als „das Unterpfand [Zusicherung, Angeld] unseres Erbes“. (Johannes 15,26; 16,8–9.13.14; Römer 8,16.26; 2Korinther 4,6; Epheser 1,13.14; 4,23; Philipper 2,13; 1Johannes 5,6)

Fazit

Diese Zeugnisse reichen aus, um zu zeigen:

  • Es besteht ein wirklicher Unterschied zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, da über jeden von ihnen vieles geoffenbart wird, was von den beiden anderen jeweils nicht ausgesagt wird. Dies betrifft aber nicht ihr Wesen als Gott, da sie dieses ewig völlig identisch besitzen. 
  • Im Rahmen desselben Gnadenplans bekleiden die Personen der Gottheit verschiedene Ämter und vollbringen in Abstimmung und Harmonie verschiedene Teile desselben Werkes der Errettung. 

Die Zielsetzung der Summe und Einheit alles Wirkens Gottes ist seine eigene Verherrlichung, also die glanzvolle Darstellung seiner Vollkommenheiten. (Dies ist auch im Schöpfungswerk zu beobachten, Genesis 1,1–2, Hebräer 1,2ff usw.)

Da diese grundlegenden Wahrheiten klar geoffenbart sind, können wir uns nur in unentwirrbaren Irrtum verwickeln, wenn wir leugnen oder missachten würden, dass es solche Unterscheidungen im Zeugnis (Selbstoffenbarung) Gottes in der Heiligen Schrift gibt. Wir sollten nicht dem Vater das zuschreiben, was die Schrift dem Sohn zuschreibt, oder dem Sohn das, was die Schrift dem Geist zuschreibt, oder dem Geist das, was die Schrift dem Sohn zuschreibt (usw.). 

Ein, zwei abschreckende Beispiele mögen genügen: Wer dem Vater dankt, dass er für uns am Kreuz gestorben sei, irrt. Wenn der Dankende lernfähig ist, kann ihm mit Gottes Wort schnell geholfen werden, wenn er aber diese Aussage festhält und gar lehrt, verbreitet er lästerlichen Irrtum (sog. Patripassianismus). Ein anderer Verwechslungsirrtum ist es, wenn man als Grund unserer Rechtfertigung das Werk des Geistes in uns (z.B. Buße und Glauben, denen angeblich die Neugeburt zeitlich folge, oder die prozesshafte Heiligung) angibt und nicht das Werk Christi für uns, das außerhalb von uns geschah (stellvertretender Sühnetod am Kreuz). (Dazu im Anschluss noch einige Anmerkungen und Zitate.) 

Endnoten und Ergänzungen

[1] Siehe: John MacArthur und Richard Mayhue, Biblische Lehre – Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit, 2. Aufl. (Berlin: EBTC, 2020), S. 258 und 278.

Ergänzend noch einige sprachliche Anmerkungen und Zitate zur „Rechtfertigung aus Glauben“.

Die Schrift sagt in Römer 5,1, dass „wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben“. Das Verb rechtfertigen des deutschen Textes steht in der 1.Person Plural Indikativ Perfekt Vorgangspassiv, deutet also auf ein vollendetes Geschehnis (Akt) in der Vergangenheit, das fortlaufende Wirkung bis in die Gegenwart hat, nämlich Frieden zu haben (Präsens; Indikativ, m.l. Konjunktiv). Es gibt das durch Wortstellung am Satzanfang betonte griech. Wort dikaióo (im Aorist Partizip Passiv Plural Nominativ Maskulinum, δικαιωθέντες ) wieder, was auf jenen Zeitpunkt deutet, bei dem eine Person vollständig und in einem Akt von Gott gerechtfertigt wurde und nun daraus folgend bleibenden Frieden hat (Präsens von echo) aufgrund des aus Gnade geschenkten lebendigen Glaubens (so: Vine, Unger, White: NT Words 2 und z.B. Lange et al in ihrem Römerbrief-Kommentar). 

Die Präposition aus (griech. ek in ἐκ πίστεως = „aus Glauben“, auch: „auf der Grundlage des Glaubens“) markiert den Glauben als die subjektive Ursache und das aneignende Werkzeug, während „die Gnade [Gottes], in der wir stehen“ die objektive oder erzeugende (kreative) Ursache unserer Rechtfertigung ist, durch die wir aus dem Zustand der Sünde und Verdammnis in den Zustand der Gerechtigkeit und des Lebens gebracht wurden. Kurz gesagt: Die Gnade Gottes eignet uns aktiv die Rechtfertigung zu, wir empfangen sie passiv im Glauben. Dies hat dann vielfältige Folgen, die Römer 5 weiter benennt und ausführt.

Die richtige Zuordnung der Werke der Personen der Gottheit ist auch für den Zentralartikel des christlichen Glaubens, der „Rechtfertigung aus Glauben“, von großer Bedeutung:

  • Richard Albert Mohler jr. (*1959): „Die meisten Amerikaner glauben, dass ihr Problem darin besteht, dass ihnen irgend etwas von außen widerfahren sei, und dass die Lösung dieses Problems in ihnen selbst gefunden werden wird. Mit anderen Worten: sie glauben, dass sie ein externes Problem haben, das mit einer inneren Lösung beseitigt werden kann. Das Evangelium sagt aber im Gegensatz dazu, dass wir ein inneres Problem haben, und dass die einzige Lösung davon eine externe Gerechtigkeit ist.“ (Beitrag auf der Konferenz T4G, 2006)
  • R. C. Sproul (1939–2017): „Wenn wir sagen, dass die reformatorische Sicht der Rechtfertigung synthetisch ist, dann meinen wir damit, dass, wenn Gott einen Menschen gerecht spricht, das nicht aufgrund dessen geschieht, was er durch seine Analyse in dem Menschen findet. Stattdessen geschieht es aufgrund dessen, was der Person hinzugefügt wird. Dasjenige, was hinzugefügt wird, ist natürlich die Gerechtigkeit Christi. Deshalb sagte Luther, dass die Gerechtigkeit, durch die wir gerechtfertigt werden, extra nos ist, das heißt „getrennt von uns“ oder „außerhalb von uns“. Er nannte sie auch eine „fremde Gerechtigkeit“, nicht eine Gerechtigkeit, die uns gehört, sondern eine Gerechtigkeit, die uns fremd ist. Sie kommt von außerhalb der Sphäre unseres eigenen Verhaltens. Mit diesen beiden Begriffen redete Luther über die Gerechtigkeit Christi.“ (R.C. Sproul, Das Herzstück der Reformation. Artikel auf Evangelium21.net vom 17.11.2018) https://www.evangelium21.net/media/1128/das-herzstueck-der-reformation [Fettdruck hinzugefügt]

Getretener Quark wird breit, nicht stark.

Dieser Ausspruch im Westöstlichen Diwan (1819/1827) von Goethe passt irgendwie hervorragend zu den immer wieder mantraartig (scheinbar sinnfrei) wiederholten Vorwürfen arminianisch und römisch geprägter Christen, die sie immer wieder in Richtung jener Christen äußern, die der bibeltreuen reformatorischen Heilslehre anhängen. Die Reformierten (meist als „Calvinisten“ Bezeichneten) fassten vor 400 Jahren im Schlussstatement ihrer Verwerfung der arminianischen Irrlehren (der sog. „Lehrregel“, 1619) diese haltlosen Vorwürfe wie unten angeführt zusammen.

Man gewinnt den Eindruck, dass auch 400 Jahre nicht reichen, den falschen Blick und das falsche Denken arminianisch argumentierender Menschen zu korrigieren. Durchblick gibt es erst bei überzeugter Bindung an die Wahrheit. Man muss demütig anerkennen und dann praktisch umsetzen, was der Sohn Gottes ein für allemal festgehalten hat: „DEIN WORT IST WAHRHEIT.“ Das wirft uns stets zurück auf die Heilige Schrift und die (wahren) Tatsachen. Dazu gehört also praktisch auch, dass man ehrlich und respektvoll mit dem Andersdenkenden umgeht, alle Behauptungen genau an den Tatsachen überprüft und kein falsches Zeugnis wider den Nächsten ausspricht.

Was „gegen alle Wahrheit und Liebe“ dem Volk eingeredet wird

»Die Lehre der reformierten Kirchen von der Gnadenwahl und damit zusammenhängenden Lehrstücken…

  • führe die Gemüter der Menschen durch einen gewissen eigentümlichen Geist und Richtung von aller Frömmigkeit und Gottesfurcht ab. Sie sei ein Ruhekissen des Fleisches und des Teufels und eine Burg des Satans, aus der er allen auflauere, die meisten verwunde und viele mit den Pfeilen der Verzweiflung oder Sicherheit tödlich treffe.
  • Sie mache Gott zum Urheber der Sünde, zu einem Ungerechten, einem Tyrannen, einem Heuchler und
  • sei nichts anderes als verfälschter Stoizismus, Manichäismus, Libertinismus und Islam.
  • Sie mache die Menschen fleischlich sicher, da sie nach ihr überzeugt wären, es schade der Seligkeit der Erwählten nicht, wie sie auch lebten, und deshalb könnten sie in Sicherheit auch die schwersten Frevel begehen.
  • Den Verworfenen helfe es nicht zur Seligkeit, wenn sie auch alle Werke der Heiligen wirklich vollbrächten.
  • Durch dieselbe würde gelehrt, dass Gott nach der bloßen und reinen Willkür seines Willens, ohne alle Rücksicht auf irgendeine Sünde und ohne Ansehen den größten Teil der Welt zur ewigen Verdammnis vorherbestimmt und geschaffen habe.
  • Auf dieselbe Weise, wie die Erwählung die Quelle und die Ursache des Glaubens und der guten Werke sei, so sei die Verwerfung die Ursache des Unglaubens und der Unfrömmigkeit.
  • Viele Kinder der Gläubigen würden von der Brust der Mutter unschuldig fortgerissen und tyrannisch in die Hölle gestürzt, so dass ihnen weder die Taufe noch die Gebete der Kirche bei ihrer Taufe etwas helfen könnten.«

Unschwer erkennt man, dass kontemporären, arminianisch denkenden Christen nichts Neues als „Argument“ gegen ihre biblisch glaubenden Geschwister einfällt. Es wird einfach immer wieder dasselbe Falsche, Verleumderische, Unsinnige und Unbiblische behauptet, auch wenn die Verleumdeten schon oft das Gegenteil bezeugt haben (siehe im folgenden Zitat). Dass diese Vorwürfe schon vor Jahrhunderten diskutiert und entkräftet wurden, wissen die arminianisch denkenden Christen nicht oder ignorieren es willentlich. Hier ist der Spruch vom „getretenen Quark“ tragisch zutreffend.

Was die Verantwortung jedes Christen ist, wenn er solche Behauptungen hört

„Und was der Art mehr ist, was die reformierten Kirchen nicht nur nicht anerkennen, sondern von ganzem Herzen verabscheuen.

Deshalb beschwören wir beim Namen des Herrn alle, welche den Namen unseres Heilandes Jesus Christus gottesfürchtig anrufen, dass sie über den Glauben der reformierten Kirche nicht aus den hier- und dorther zusammengehäuften Schmähungen oder aus den besonderen Äußerungen einiger älterer oder neuerer Lehrer, die oft entweder falsch angeführt oder entstellt und zu einem anderen Sinn verdreht sind, urteilen, sondern aus den öffentlichen Bekenntnissen dieser Kirchen und aus dieser Darlegung der rechtgläubigen Lehre, die durch diese Lehrregel festgestellt ist.

Die Verleumder aber selbst ermahnen wir ernsthaft, dass sie überlegen mögen, welch schwerem Gericht Gottes sie verfallen würden, wenn sie gegen so viele Kirchen und so vieler Kirchen Bekenntnisse falsches Zeugnis reden, das Gewissen der Schwachen beunruhigen und sich bemühen, vielen die Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen verdächtig zu machen.“

Was die Verkündiger des biblischen Glaubens beachten sollen

„Zuletzt ermahnen wir alle Diener Gottes im Evangelium Christi, dass sie bei Durchnahme dieser Lehre in Schulen und Kirchen fromm und gottesfürchtig zu Werke gehen, sie sowohl mündlich als schriftlich zum Ruhm des göttlichen Namens, zur Heiligkeit des Lebens und zum Trost niedergeschlagener Gemüter anwenden, mit der Schrift nach der Gleichmäßigkeit des Glaubens nicht nur denken, sondern auch sprechen und sich endlich aller der Ausdrücke enthalten, welche die uns vorgeschriebenen Grenzen des richtigen Sinnes der heiligen Schriften überschreiten und den nichtswürdigen Sophisten eine gute Gelegenheit bieten könnten, die Lehre der reformierten Kirche zu verhöhnen oder zu verleumden.

Der Sohn Gottes, Jesus Christus, der, zur Rechten des Vaters sitzend, den Menschen Gaben spendet, heilige uns in der Wahrheit, führe die, welche irren, zur Wahrheit, verschließe den Verleumdern der rechten Lehre den Mund und erfülle die treuen Diener seines Wortes mit dem Geist der Weisheit und Unterscheidung, damit alle ihre Reden zum Ruhm Gottes und der Erbauung der Zuhörer dienen. Amen.

Textquellen der Langzitate

Leseempfehlungen

  • Greg Forster, Fünf Mythen über den Calvinismus. (Artikel auf Evangelium21.net vom 3. Dezember 2018).
    • Mythos 1: Wir haben keinen freien Willen.
    • Mythos 2: Wir werden gegen unseren Willen gerettet.
    • Mythos 3: Wir sind total verdorben.
    • Mythos 4: Gott liebt die Verlorenen nicht.
    • Mythos 5: Der Calvinismus befasst sich hauptsächlich mit Gottes Souveränität und Prädestination.
  • Michael Haykin, Fünf Mythen über Johannes Calvin. (Artikel auf Evangelium21.net vom 24. Juli 2020).
    • Mythos Nr. 1: Calvin ließ Michael Servet hinrichten.
    • Mythos Nr. 2: Der Tyrann Calvin übte in der Hauptzeit seines Wirkens in Genf von 1541 bis 1564 in der Stadt eine Gulag-ähnliche Herrschaft aus.
    • Mythos Nr. 3: Calvins Theologie lässt sich mit dem Akronym TULIP zusammenfassen.
    • Mythos Nr. 4: Calvins monergistische Soteriologie bringt eine Tendenz zum Antinomismus mit sich.
    • Mythos Nr. 5: Calvin hatte kein Interesse an Mission.
  • Kenneth J. Stewart, Ten Myths About Calvinism – Recovering the Breadth of the Reformed Tradition. Downers Grove, IL: InterVarsityPress und Nottingham, England: Apollos, 2011.

Der Spruch zu guter Letzt

He that hath a head of wax musst not walk in the sun.

Was die „Fünf Punkte des Calvinismus“ nötig machte

Was man heute als die „Fünf Punkte des Calvinismus“ bezeichnet, gehört seit über 400 Jahren verbindlich zum reformierten Glaubensinhalt, ist aber auch Glaubensinhalt vieler anderer Christen, die sich in der Lehre – speziell in der Heilslehre – alleine auf Gottes Wort gründen. Diese „5 Punkte“ werden besser mit „Die Lehren der Gnade“ bezeichnet. Gnade und Barmherzigkeit sind zwei der Vollkommenheiten Gottes, die Er uns in besonders auffälliger Weise geoffenbart hat (2Mose 33,19; 34,6–9; Johannes 1,16 u.v.a.). Daher sind sie auch zentral wichtig für unsere Gotteserkenntnis und damit für die Anbetung Gottes.

Die „Lehren der Gnade“ sind also unverzichtbar wichtig und wertvoll. Man muss jedoch verstehen, dass der „Calvinismus“ (i.S.v. Glaubensinhalt der Reformierten) nicht (nur) aus (diesen) 5 Punkten besteht. Vielmehr sind dem reformiert Glaubenden Hunderte älterer und weiterer „Punkte“ genauso verpflichtender Glaubensinhalt. Diejenigen Nichtreformierten, die sich heute als „5-Punkte-Calvinisten“ bezeichnen, müssten zutreffender sagen, dass sie an „Die Lehren der Gnade“ glauben. Diese Lehren lassen sich (frühestens seit 1905!) mit dem Akrostichon TULIP in Erinnerung rufen (s.a.: TULIP – Wer hat’s erfunden? ). Sie wurden notwendig als Zurechtweisung formuliert, als die reformierte Kirche von Falschlehre(r)n angegriffen wurde und der Antrag gestellt wurde, diese Falschlehren in das Glaubensbekenntnis der Kirche aufzunehmen. Robert Godfrey ordnet die „5 Punkte“ so ein: „Der Calvinismus hat fünf Antworten auf die fünf Irrlehren des Arminianismus. Die Lehrregeln antworten Punkt für Punkt auf die arminianische Zusammenfassung, die 1610 vorlegt wurde.“ (Artikel: Gründe für Dordrecht, 2019)

Der damalige politische Streit war immer auch ein religiöser, da die Römische Kirche es gewohnt war, ihre Macht wie im Kirchlichen so auch in der Politik auszuüben. Romanisierungstendenzen sind als Ergebnis aktiver Gegenreformation und andererseits mangelnder Lehrfestigkeit der „Protestanten“ daher immer wieder wahrzunehmen, wie damals so auch heute (s.z.B. Gemeinsame Erklärung), wenngleich die Taktik und Methoden angepasst werden.

Die inhaltliche Beurteilung der „Fünf Punkte“ der Protestler (Arminianer)

Das Lehrsystem, das als „Calvinismus“ bekannt geworden (oder verleumdet worden) ist, behauptet, dass es eine richtige Darstellung der biblischen Heilslehre ist. Daneben gibt es verschiedene andere Lehrsysteme bzgl. der Heilslehre mit verschiedenen Graden des Unglaubens. Der „Calvinismus“ als theologisches Lehrsystem wurde natürlich nicht von der Synode von Dordrecht (Dordt) im Jahr 1619 [1] erfunden, sondern dort nur gegen Angriffe aus der Kirche verteidigt und als die in der Heiligen Schrift enthaltene Heilslehre bekräftigt. Diese Verteidigung wurde 1619 in „fünf Punkten“ (eigentlich als „Lehrregel“) formuliert, da es die Antwort auf die als unbiblisch beurteilten fünf Punkte ist, die die „Remonstranten“ („Protestler“; heute meist: „Arminianer“) der Kirche von Holland 1610 vorgelegt hatten. Die Lehren der arminianisch geprägten „Remonstranten“ wurden klar als Irrlehre bezeichnet und verurteilt.

Die Form der Beurteilung der „Fünf Punkte“ der Protestler (Arminianer)

Die Synode von Dordrecht war in der Verurteilung und Zurückweisung verbal nicht zimperlich. Sie erklärte in Reaktion auf die arminianischen und remonstrantischen Artikel und Meinungen in der „Lehrregel von Dordrecht“ (1619) [1] relativ offen und robust

  • dass Arminius und die Remonstranten „die Pelagianische Irrlehre wieder aus der Hölle hervorgebracht“ hatten.
  • Sie sagten von den Arminianern, sie „betrügen die Einfältigen“,
  • ihre arminianischen Lehren seien „eine Erdichtung des menschlichen Gehirns, ohne die Schrift ausgedacht“,
  • ein „schändlicher Irrtum“,
  • dass sie „nach der Gesinnung des Pelagius riecht“,
  • „der ganzen Schrift widerstreitet“ und „der Schrift widerspricht“,
  • ein „grober Irrtum“ sind,
  • „in Widerstreit mit der Erfahrung der Heiligen“ stehen,
  • „den klaren Zeugnissen der Schrift widerstreiten“,
  • dass sie Remonstranten „danach trachten, dem Volk das verderbliche Gift des Pelagianismus einzuflößen“,
  • „sie widersprechen dem Apostel“ und „sie widersprechen dem Heiland“,
  • ihre Lehre „verschmäht die Weisheit des Vaters und die Verdienste Jesu Christi und widerstreitet der Heiligen Schrift“,
  • sie „widerstreitet den klaren Zeugnissen der Schrift“,
  • sie „ist völlig pelagianisch und zu der ganzen Schrift im Widerspruch“.
  • Die Christen sollten wissen, dass „die alte Kirche diese Lehre schon seit langem in den Pelagianern […| verurteilt“ hat,
  • dass diese Lehre „einen deutlichen Pelagianismus offenbart“ und
  • dass „diese Meinung die Gnade, Rechtfertigung, Wiedergeburt und beständige Bewahrung Christi kraftlos macht“.

Die „Fünf Punkte“ der Protestler (Arminianer) sind Irrlehre, nicht nur Irrtum

Es wurde also nicht beschönigend von tolerierbarer „anderer Auffassung“, „anderer Erkenntnis“ o.ä. oder tolerierbar geringem Irrtum geredet (mit Entschuldigungen wie: „Wir alle irren mal“ und „Wir erkennen nur stückweise“, was natürlich Beides stimmt), sondern entlarvend von der Wiederkehr alter Irrlehren (Pelagianismus) und von Widerspruch zur Lehre der Heiligen Schrift.

Die rechtgläubigen Professoren, Theologen und Geistlichen Hollands und Englands versuchten daher beständig und aktiv, die Lehre der Arminianer zu unterdrücken und die Ausübung jenes Glaubens zu verbieten, den sie entschieden als häretisch verurteilten. Dies gelang ihnen durch die Einberufung der Synode von Dort recht wirksam. Aus diesen Gründen wurde der Arminianismus als (nichttolerierbare) Irrlehre (Häresie) – und nicht nur als (tolerierbarer) Irrtum – angesehen. Dieses Bewusstsein haben anscheinend manche „bibeltreue“ Gemeinden, Gemeinschaften und Missionswerke leider verloren.

Die Psychologisierung des Konflikts

Immer wieder gab es Versuche, die enormen lehrhaften Differenzen in diesem Konflikt herunterzuspielen und auf rein menschliche und persönliche Umstände und Lösungen abzuzielen. Wer als Theologe scheitert, versucht sich dann als Soziologe oder Psychologe? Dies ist gut zu beobachten beim bekannten Konflikt zwischen John Wesley und George Whitefield im 18. Jhdt., der in dieser Sache, insbes. in der Lehre von der Erwählung und der Heilssicherheit, tobte.[3] Whitefield schrieb in diesem Zusammenhang zurecht öffentlich an Wesley: „Die Kinder Gottes stehen in Gefahr, dem Irrtum zu verfallen. […] Oh, Sir, was ist denn das für eine Logik, oder besser: Sophistik?“ […] Sir, wie absurd argumentiert Ihr an dieser Stelle!“ (Brief vom 24.12.1740 von Bethesda, GA aus). Gleichzeitig verband er seine sachlich scharfe Kritik an der Irrlehre Wesley mit respektvollen Formulierungen gegenüber der Person des Gegners. Whitefield war nicht bereit, sein sachlich scharfes Urteil vom Ziel einer menschlichen Versöhnung trüben zu lassen, oder dem menschlichen Vertragen die Wahrheit und Gesundheit der Glaubenden zu opfern.

Es geht im Kern um nichts Geringeres als unser Gottesbild und unsere Anbetung

Gemäß der Lehren der Gnade wird das Heil durch die allmächtige Kraft des dreieinigen Gottes vollbracht: Der Vater hat ein Volk auserwählt, der Sohn ist für sie gestorben, der Heilige Geist macht den Tod Christi wirksam, indem er die Auserwählten zum Glauben und zur Umkehr bringt und sie dadurch veranlasst, dem Evangelium willig zu gehorchen (vgl. Hesekiel 36; Johannes 3, 6 u.a.).

Der Kreis der so gnädig Beschenkten wurde vor der Zeit allein durch göttliches Erwählen festgelegt und bleibt bei allen Heilswerken der Personen der Trinität (Opera ad extra) stets der selbe (s. a. Römer 8, 28–30). Diejenigen, für die der menschgewordene Sohn Gottes aus Liebe zum Vater und „den Seinigen“ (Johannes 13,1) im Opfer stirbt, sind exakt jene, die sich der Vater vor aller Zeit zum Besitz genommen hatte (Johannes 17,6b: „Dein waren sie“) und die er dann dem Sohn übergeben hatte („Mir hast du sie gegeben“, Johannes 17,6b), damit sie „die Seinigen“ seien, die er „bis aufs Äußerste“ und ewig göttlich lieben würde (Johannes 17,2.6.9.24). Wer diese Transaktion der Liebe nicht erfasst, glaubt, liebt, anbetet, verkündigt, dessen Gottesbild hat schon im Kernbereich erhebliche Mängel. Entsprechend dysfunktional wird seine Heilslehre. Würde es doch endlich begriffen: Erwählung zum Heil – und damit zur ewigen Gemeinschaft und Einheit – ist eine Liebesgeschichte! Eine Liebesgeschichte des Allmächtigen, der Licht und Liebe ist.

Der Streit zwischen der biblischen Auffassung des Heils bei den Reformatoren (und Reformierten) und bei den Gegen-Reformatoren ist im Kern immer auch ein Kampf zwischen einem gottzentrierten und einem menschzentrierten Verständnis der göttlichen Heilsveranstaltung. Die Heilige Schrift lehrt: Der gesamte Prozess, samt Erwählung, Erlösung, Wiedergeburt, ist das Werk Gottes und geschieht allein aus Gnade (Epheser 2,8–9). Auf diese Weise bestimmt Gott, und nicht der Mensch, wer die Gabe des Heils empfängt. Und Er macht das ganz gezielt so, dass Er am Ende alleine allen Dank und alle Anbetung dafür erhält (Römer 11,33–36): Soli Deo Gloria!


Anmerkungen

[1] Die Dordrechter Synode (auch Synode von Dordt) war eine nationale Versammlung der niederländischen reformierten Kirche unter Beteiligung von ausländischen reformierten Delegationen, die vom 13. November 1618 bis zum 9. Mai 1619 in Dordrecht stattfand. Siehe auch: 400 Jahre Synode in Dordrecht. Vgl. auch die Ausarbeitung Gründe für Dordrecht – Zur Entstehung und Bedeutung der Synode von Dordrecht von Robert Godfrey auf der Website von Evangelium 21 (2019) (Link).

[2] Text in Deutsch entweder online (SERK Deutschland) oder als Dokument (PDF).

[3] Sehr gute Darstellung in der Whitefield-Biografie von Benedikt Peters: George Whitefield: Der Erwecker Englands und Amerikas. 2. Aufl. (Bielefeld: CLV, 2003), leider vergriffen, und Christian Klein: George Whitefield: Das Leben des Evangelisten und sein Konflikt mit John Wesley (PDF).